Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

(Beifall bei der SPD)

Der Gipfel der ganzen Angelegenheit, meine Damen und Herren, ist, dass den Hochschulen – so wurde es auch im Ausschuss explizit gesagt – für all diese Auswahlverfahren überhaupt keine Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollen. Es gibt kein frisches Geld für die Hochschulen, sondern nur Aufwand. So hat man sich, denke ich, an den Hochschulen den Solidarpakt nicht vorgestellt.

(Beifall bei der SPD)

Unser Verständnis von Hochschulautonomie, meine Damen und Herren, ist ein anderes. Es ist nicht von Misstrauen geleitet. Wir wollen mit unseren Änderungsanträgen, die Ihnen vorliegen, erreichen, dass die Hochschulen frei und nach eigenem Sachverstand entscheiden können, wo und wie sie solche Auswahlverfahren einführen.

Ein weiterer Änderungsantrag liegt Ihnen vor. Wir wollen das Verfahren – Kollege Tappeser ist auch darauf eingegangen – zur Wahl der Hochschulleitung ändern. Er hat eigentlich das gesagt, was wir wollen. Wir wollen nämlich, dass das Verfahren wieder an die Hochschule kommt, dass die Hochschule selbst darüber entscheiden kann, wer Rektor wird, wer an der Spitze steht, und dass dies nicht von außerhalb bestimmt wird.

(Zuruf des Abg. Klaus Tappeser CDU)

So haben Sie es gerade beschrieben. Das ist eigentlich auch unsere Meinung. Sie haben den Gesetzentwurf vielleicht nicht richtig gelesen,

(Abg. Klaus Tappeser CDU: Doch!)

oder Sie haben nicht verstanden, was darin steht.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Falsch aufgeschrie- ben!)

Oder man hat es ihm falsch aufgeschrieben. Das kann auch sein.

(Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Meine Damen und Herren, über die Leitung der Hochschule muss wieder in der Hochschule entschieden werden. Dies soll durch unseren Änderungsantrag zu § 17 umgesetzt werden.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Das zeugt von Miss- trauen!)

Zusammenfassend: Mit der Annahme unserer Änderungsanträge würden die Hochschulen mehr Autonomie erhalten und weniger mit Bürokratie belastet werden. Die Aufgabe der Hochschulen heißt: exzellente Lehre und Spitzenforschung im Weltmaßstab. Alles andere ist wissenschaftsfremder Ballast, den wir den Hochschulen ersparen wollen.

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, ich habe noch eine Redezeit von einer Minute und 50 Sekunden. Die möchte ich für die zweite Runde meinem Kollegen Stober überlassen. Ich bitte, auch ihm die entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auch ein paar Worte

zu Licht und Schatten des vorliegenden Gesetzentwurfs sagen.

(Zuruf von der CDU: Immerhin: „Licht“!)

Schon bei der Ersten Beratung habe ich ausgeführt, dass wir den ersten Teil des Gesetzentwurfs, nämlich die Einführung neuer Personalkategorien, im Grundsatz befürworten. Wir halten es für einen richtigen Schritt, für mehr Differenzierung zu sorgen. Wir halten es für richtig, dass es im Bereich der Lehre künftig eine Schwerpunktsetzung geben soll. Das ist im Grundsatz alles in Ordnung.

Wir möchten an dieser Stelle aber wiederholen, dass Befürchtungen, die geäußert werden – insbesondere vonseiten der Hochschulen –, an zwei Punkten nicht von der Hand zu weisen sind. Da stehen wir alle gemeinsam in der Pflicht, die Entwicklung sehr genau zu beobachten und gegebenenfalls zu intervenieren.

Es handelt sich zum einen um die Befürchtung, dass es durch die neuen Personalkategorien nicht zu einer Aufwertung der Lehre, sondern zu einer Auseinanderentwicklung komme – auf der einen Seite Professuren, die billiger werden, die schlechter bezahlt werden, sozusagen die Billigen für die Lehre und auf der anderen Seite die Teuren für die Forschung. Das darf nicht passieren. Das würde auch die vom Kollegen Tappeser genannte Durchlässigkeit erschweren.

Zweitens – an dieser Entwicklung wird man auch festmachen können, ob es wirklich eine Gleichwertigkeit dieses neuen Karrierewegs gibt – ist zu befürchten, dass es bei dem verstärk ten Vordringen von Frauen in eine Hochschulkarriere dazu kommt, dass die Frauen in der Lehre landen, während den Männern die Forscherkarriere vorbehalten bleibt. Ich finde, an diesem Punkt muss man sehr genau darauf achten, dass sich da nicht eine „Genderschere“ öffnet, und sofort mit effektiven Maßnahmen intervenieren, wenn man so etwas feststellt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich komme zu dem zweiten Komplex, der ja umstrittener ist und aufgrund dessen wir auch massive Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf haben, dem Komplex des Hochschulzugangs.

Lieber Kollege Tappeser, der Hochschulzugang, also die Suche der Hochschulen nach Studierenden, die zu ihnen passen, und die Suche der Studierenden nach der Hochschule, die zu ihnen passt, unterscheidet sich ja in einem ganz wichtigen Punkt von der Partnerwahl. Bei der Partnerwahl stehen nämlich, zahlenmäßig gesehen, mehr oder weniger gleich viele Männer und Frauen einander gegenüber. Das ist beim Hochschulzugang leider nicht der Fall. Von Jahr zu Jahr gibt es mehr Abiturienten und Abiturientinnen, denen immer weniger Studienanfängerplätze gegenüberstehen. Die Suche ist also eine ungleichgewichtige, und dies schafft ein Gerechtigkeitsproblem.

Vor diesem Hintergrund, von dieser Ausgangslage aus muss man bewerten: Was taugt der Gesetzentwurf an dieser Stelle, und was wird durch das Gesetz verändert?

Die Landesregierung will verpflichtend Aufnahmetests, Auswahlgespräche, Orientierungstests und Orientierungsgesprä

che für alle Studienanfänger einführen. Wir halten dies zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt für den falschen Weg. Ers tens wird das nicht zum Nulltarif umzusetzen sein. Für diese Aufgabe muss jemand bezahlen. Das sind entweder die Hochschulen – sie bekommen aber kein zusätzliches Geld vom Land – oder die Studierenden, für die die Kosten der Bewerbung an einer Hochschule sukzessive steigen werden. Das halten wir für fatal. Zweitens ist das kein Signal für mehr Qualität oder eine bessere Auswahl. Mit dieser Politik wird versucht, durch eine Erhöhung der Kosten Mehrfachbewerbungen von Studierenden einzudämmen. Das ist kein Qualitätsinstrument, sondern ein Selektionsinstrument.

(Beifall bei den Grünen)

Schauen Sie doch einmal in die Zeitung. Vergangene Woche titelte „Die Zeit“: „Chaos!“ Sie beschreibt damit, was in den Sommermonaten an den deutschen Hochschulen und in gro ßem Umfang auch an baden-württembergischen Universitäten passiert ist: das Chaos bei den Zulassungsverfahren und den immer häufigeren lokalen Auswahlverfahren. „Die Zeit“ beschreibt sehr zutreffend, dass es nicht gelungen ist, gewissermaßen eine Passgenauigkeit herzustellen, sodass Studierwillige besser ihren Wunschstudienplatz finden und Hochschulen erfolgreich um die klügsten Köpfe konkurrieren. „Die Zeit“ beschreibt sehr deutlich:

… ein undurchschaubares, ineffizientes und unfaires Vergabesystem verhindert immer öfter, dass die beiden Seiten zueinander finden.

Sie alle in diesem Haus wissen sehr gut, was in diesem Sommer in Hohenheim und in Stuttgart passiert ist. Ich kenne auch Geschichten von anderen baden-württembergischen Universitäten, denen es nicht gelungen ist, das Zulassungs- und Bewerbungsverfahren sauber durchzuführen.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Ich finde, wir hätten alle Hände voll damit zu tun, dafür zu sorgen, dass diese Verfahren verlässlich und transparent werden und wirklich zu mehr Qualität führen. Stattdessen ist festzustellen, dass das Gegenteil der Fall ist, weil die Voraussetzungen für ein qualitätsvolles Auswahlverfahren nicht geschaffen wurden.

Eine Voraussetzung wäre, dass die in Aussicht gestellte SHZ endlich auf den Weg gebracht wird. Diese SHZ sollte die ZVS ersetzen und eine Serviceeinrichtung für Hochschulzulassungen sein, die es sowohl Studierenden als auch Hochschulen ermöglichen würde, beim Hochschulzugang mit weniger Aufwand auszukommen, verlässlicher informiert zu werden und früher eine Zusage oder Absage zu erhalten. Aber diese neue Serviceeinrichtung, die die ZVS ablösen soll, wird zurzeit ausgebremst, insbesondere wegen ungeklärter Finanzierungsfragen. Wer soll das neue Institut zahlen?

Ich bitte Sie nachdrücklich: Bevor dieser Weg nicht freigemacht und diese Serviceeinrichtung nicht auf den Weg gebracht ist, bevor nicht klar ist, dass die hierfür anfallenden Kos ten vom Staat getragen werden und nicht von den Studierenden – oder von den Hochschulen, die sie auf die Studierenden abwälzen werden –, können wir doch jetzt nicht die Stellschraube anziehen und den Hochschulzugang weiter erschweren.

Aus diesem Grund sagen wir: Weder Aufnahmetests noch Aufnahmeprüfungen, noch einen Orientierungstest können wir zum jetzigen Zeitpunkt verpflichtend einführen. Wir halten diese Instrumente im Grundsatz alle für sinnvoll, sofern sie freiwillig, gezielt und mit hoher Qualität eingesetzt werden und sofern die Voraussetzungen vorhanden sind. Ihre verpflichtende Einführung ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht sinnvoll. Deswegen lehnen wir diese Änderung zum jetzigen Zeitpunkt ab.

Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Änderungsvorschläge zum Thema Hochschulzugang übernehmen würden. Dann könnten wir auch dem gesamten Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Rahmen der Ausschussberatungen Änderungen an dem Gesetzentwurf vorgenommen. Eine davon betrifft den Titel. Das Kürzel „EHFRUG“ fällt weg.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Toller Ausschuss!)

Das ist konsequent – Baden-Württemberg braucht in der Wissenschaftspolitik keinen „Ruck“.

Vier von neun deutschen Elitehochschulen befinden sich in Baden-Württemberg. Damit sind wir doppelt so gut wie Bay ern und viermal so gut wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Berlin. Uns mit dem Rest zu messen, ist mangels dortiger Elitehochschulen gar nicht erst möglich.

Dies verdanken wir zum einen – Kollege Rivoir hat es gesagt – den hervorragenden Leistungen unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Aber ohne unseren Wissenschaftsminister Professor Dr. Peter Frankenberg und sein Team stünden wir heute auch nicht dort, wo wir stehen. Lieber Herr Minister Frankenberg, Sie haben sich den Dank der Koalition, nein, den Dank des ganzen Hauses verdient für diese großartige Leistung unserer Wissenschaftspolitik. Vielen Dank!