Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Dies verdanken wir zum einen – Kollege Rivoir hat es gesagt – den hervorragenden Leistungen unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Aber ohne unseren Wissenschaftsminister Professor Dr. Peter Frankenberg und sein Team stünden wir heute auch nicht dort, wo wir stehen. Lieber Herr Minister Frankenberg, Sie haben sich den Dank der Koalition, nein, den Dank des ganzen Hauses verdient für diese großartige Leistung unserer Wissenschaftspolitik. Vielen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Na, na, na!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die Rahmenbedingungen für unsere Hochschulen gut sind, so bleibt es doch unsere Aufgabe, sie weiter zu verbessern. Die öffentliche Anhörung, liebe Theresia Bauer, hat bestätigt, dass alle Rektorenkonferenzen mit dem Gesetzentwurf zufrieden sind.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Die wenigen Änderungswünsche haben wir aufgenommen. Einer davon betrifft den Wettlauf um die besten Köpfe. Warum soll man in Fällen ausschreiben, in denen es nur einen geeigneten Wissenschaftler gibt? Nobelpreisträger gibt es nicht wie Sand am Meer, sondern wie Goldmünzen in der Wüste. Wer eine findet, der muss schnell zugreifen können. Das haben wir auf den Weg gebracht.

Die andere Änderung betrifft die angesprochenen Auswahlverfahren. Wir haben die Übergangsfrist für die Hochschulen verlängert, damit die notwendigen Verfahren sorgfältig und vernünftig vorbereitet werden können. Aber wir halten an den Auswahlverfahren fest, und dafür gibt es drei gute Gründe:

Erstens: Die Qualität des Abiturs ist von Land zu Land und von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Wir haben an der Diskussion über ein Zentralabitur gemerkt, dass viele Länder nicht bereit sind, zu unserem Standard aufzuschließen. Nehmen Sie Schleswig-Holstein: Da werden Haupt- und Realschule zusammengelegt. Am Gymnasium kriegt man dort dann in zwölf Jahren das Abitur und nach der Hauptschule in 13 Jahren. Das ist ein verdammt guter Grund, Auswahltests zu machen.

Zweitens: Wir haben leider noch immer viel zu hohe Studien abbrecherquoten. In Zukunft sollen sich alle Studienbewerber einem Orientierungstest unterziehen, dessen Ergebnisse aber unverbindlich sind. Außerdem sollen ab dem Wintersemester 2011/2012 Auswahltests durchgeführt werden. In diesen Tests können die Hochschulen die spezifische Studierfähigkeit für ein bestimmtes Fach vorher abprüfen. Es ist doch kein Zufall, dass die Studienabbrecherquoten in Fächern mit Auswahltests wie Medizin geringer sind als in frei zugänglichen Fächern.

Über die Ursachen, lieber Kollege Rivoir, kann man lange spekulieren. Fakten bleiben aber Fakten. Wenn Sie uns, wie dies Ihr Kollege Winkler getan hat, heute Vormittag hohe Studienabbrecherquoten vorwerfen, heute Nachmittag jedoch, wenn die Einführung eines probaten Mittels, um dies in Ordnung zu bringen, nämlich die Durchführung von Tests vor Studienbeginn und beim Studium, ansteht, dies schlechtreden, dann ist das nicht nur inkonsequent, sondern schlicht unfair.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Oi! – Abg. Martin Rivoir SPD: Oh!)

Drittens: Mit diesen Testverfahren wird auch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, die ZVS in Dortmund, überflüssig. Dieses interessante Relikt aus der Zeit des Bildungszentralismus gehört in das Haus der Geschichte, ebenso wie die von ihr organisierte Studentenlandverschickung.

Unsere Hochschulen sind exzellent. Exzellente Hochschulen brauchen exzellente Studierende, die später im Berufsleben exzellente Produkte entwickeln.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die Hörsäle sind über- füllt!)

Diese Qualität spiegelt sich dann in den Lohntüten der Arbeiterinnen und Arbeiter wider.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Was ist denn das für ei- ne Rhetorik?)

Das ist praktizierte Sozialpolitik, und davon verstehen wir eben mehr.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Zurück zur ZVS: Es gilt nicht nur, die ZVS abzuschaffen. Es gilt auch, eine Serviceeinrichtung zu schaffen, liebe Kollegin Bauer, die sich der Konkurrenz stellen muss. Eine Einrichtung wie die in Nordrhein-Westfalen soll sich am Markt ruhig ein

mal mit den Hochschulen in Baden-Württemberg messen. Dann können die Hochschulen entscheiden, was sie taugt. In Zeiten der Elitehochschulen sagen wir zum Standort Dortmund nur: Dort Mund, hier Hirn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unseren Hochschulen leisten Großartiges. Unsere Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten, weiter zu verbessern. Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetz tun wir dies, quod erat demonstrandum. Unsere Koalition in den Landesfarben Schwarz-Gelb war gut, ist gut und bleibt gut.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stober.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hätten uns gewünscht, bei den Beratungen im Ausschuss über einige Dinge ein bisschen intensiver diskutieren zu können, insbesondere über das Thema – das hat auch der Kollege Tappeser angesprochen – „verfasste Studierendenschaft/Beteiligung der Studierenden“. Weil wir wirklich glauben, dass wir eine vertiefte Diskussion hierzu brauchen, haben wir uns entschieden, dies nicht im Zusammenhang mit dieser Beratung zu machen; denn eine entsprechende Behandlung im Ausschuss war unter den zeitlichen Rahmenbedingungen in unseren Augen nicht möglich. Wir meinen, dass es dafür eine eigenständige Initiative geben muss. Es ist aber erst einmal gut, wenn dieses Thema von der CDU angesprochen wird.

Ich glaube, wir müssen uns Folgendes klarmachen: 30 Jahre ist es jetzt her, dass die verfasste Studierendenschaft hier in Baden-Württemberg abgeschafft wurde. In Bayern ist es noch etwas länger her. Wir sollten uns überlegen, ob wir hier mit unserem Sonderweg wirklich richtig liegen.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Das haben wir uns überlegt!)

Wir müssen sicherlich darüber diskutieren, wie man das im Einzelnen ausgestaltet. Deswegen gibt es heute dazu auch keinen Antrag von uns, sondern wir werden darüber im kommenden Jahr eine vertiefte Diskussion führen.

Aber ich möchte Ihnen zum Thema „verfasste Studierendenschaft“ schon noch eines sagen, Herr Tappeser. Ich denke, es ist selbstverständlich, dass ich als Mitbürger dieses Staates nicht einfach daraus austreten kann, dass ich, wenn ich Mitglied eines Betriebes bin, in meinem Betriebsrat natürlich mitmachen kann und da nicht austreten kann. Genauso bin ich Studierender, wenn ich an einer Hochschule studiere. Ich glaube, wir sollten den gewählten Studierenden schon die Aufgabe geben, die Studierenden zu vertreten. Selbst wenn ich mich zwar über den Ausgang mancher Landtagswahl oder mancher Betriebsratswahl oder mancher Studierendenparlamentswahl ärgere, muss ich dennoch demokratische Entscheidungen einfach akzeptieren

(Zuruf des Abg. Klaus Tappeser CDU)

und für ihre Anerkennung werben, auch wenn ich inhaltlich darüber streiten kann.

In diesem Sinne wünschen wir uns als SPD-Fraktion für das kommende Jahr hier eine vertiefte und gute Diskussion. Für mehr Demokratie in unserem Land Baden-Württemberg!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die erwähnte Exzellenzinitiative hat ein bezeichnendes Licht nicht nur auf die Qualität unserer Universitäten, sondern auf die Qualität der gesamten Hochschullandschaft Baden-Würt tembergs geworfen. Aber unsere Herausforderung ist es nicht, besser zu sein als irgendein anderes deutsches Land, sondern die Herausforderung gerade unserer Universitäten ist es, in einem globalen Wettbewerb bestehen zu können. Insofern ist die Exzellenzinitiative für uns auch nur ein Etappenziel und ein Etappensieg gewesen.

Die Qualität der Hochschulen im globalen Wettbewerb hängt von drei wesentlichen Parametern ab: der Gewinnung der bes ten Professorinnen und Professoren, der Gewinnung des bes ten wissenschaftlichen Nachwuchses – männlich wie weiblich – und der Gewinnung der geeignetsten und besten Studierenden.

Um in diesem Wettbewerb besser bestehen zu können, legen wir das Gesetz vor, das eine Flexibilisierung der Personalstrukturen und die Verbesserung der Auswahlverfahren von Studierenden ermöglicht. Es geht uns um mehr Flexibilität für die Hochschulen, und es geht uns darum, dass sie einen Wettbewerbsvorteil in Deutschland haben und dass sie Wettbewerbsvorteile erreichen, die Hochschulen im Ausland längst haben. Wenn wir hier über diese Teile des Gesetzes sprechen, dann sollten wir nicht nur das Bild von Baden-Württemberg oder von Deutschland im Kopf haben, sondern uns fragen: Wie sind denn die Hochschulen international aufgestellt?

Dazu werde ich, Herr Rivoir, noch kommen. Selbst vom Turm des Ulmer Münsters sieht man nicht die globale Situation und hat man keinen vollständigen Blick auf den Wettbewerb in der Hochschullandschaft.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Aber von Mannheim aus auch nicht! – Abg. Martin Rivoir SPD: Oh, da habe ich schon viel gesehen! Mannheim hat ja gar keinen so hohen Turm! Ich sehe jedenfalls weiter als Sie in Mannheim!)

Wenn wir über Sicht sprechen, dann darf ich, Herr Rivoir, sagen: In Ulm ist sehr viel häufiger Nebel als in Mannheim.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Nein, das stimmt nicht! Ulm hat die län- gere Sonnenscheindauer gegenüber Mannheim! Da- zu kann ich Ihnen Zahlen nennen! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Über Ulm lacht die Sonne!)

Noch ein Punkt dazu, Herr Rivoir: Die Sonnenscheindauer und die Nebelhäufigkeit sagen nicht unbedingt etwas darüber aus, wie gut die Sicht ist. In Mannheim blickt man häufiger durch, auch wenn weniger oft die Sonne scheint.

(Heiterkeit bei der CDU – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Klasse! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ist schon Fasnacht?)

Welche Instrumente stellt das neue Gesetz zur Verfügung? Es sind die flexibleren Personalstrukturen, nämlich dass man auf der einen Seite stärker forschungsorientierte Professuren einrichtet – auf Dauer oder auf Zeit – und auf der anderen Seite stärker lehrorientierte Professuren. Ich gebe Ihnen recht, Frau Bauer: Das darf nicht zu einer internen Hierarchisierung führen. Ich gebe Ihnen aber nicht recht in der Annahme, dass das weibliche Personal eher pädagogisch orientiert sei. Meine eigenen Erfahrungen an der Hochschule und auch als Hochschullehrer widersprechen dem. Das ist ein Vorurteil, das meiner Ansicht nach nicht zutrifft.

Diese Flexibilisierung bedeutet, dass wir Wege eröffnen, die auch zu einem Ziel führen, das heißt, Karrierewege, und damit die früheren Nachteile etwa der Position Akademischer Räte in Zukunft vermeiden. Denn beide Wege können in Zukunft in Professuren führen.

Genau so, wie wir sozusagen die professorale Seite in der Personalstruktur flexibilisieren, tun wir das auch mit dem Mittelbau. Die Entscheidungen liegen jeweils bei den Hochschulen. Das vorliegende Gesetz ist kein Gesetz, das mehr Kapazität an den Hochschulen schafft; es ist aber auch kein Gesetz, das Kapazität vernichtet. Vielmehr führt es die Kapazitätsfestlegungen weitgehend auf Einheiten statt auf Individuen zurück.

Wir brauchen diese Flexibilität. Nehmen wir nur einmal die Berufungskonkurrenz im internationalen Bereich: Wenn eine neu zu besetzende Professur mit einer neunstündigen Lehrverpflichtung verknüpft ist, können wir nicht mit einer Universität wie Berkeley oder mit einem Max-Planck-Institut konkurrieren. Das müssen wir aber.

Auf der anderen Seite haben wir auch unterschiedliche Begabungen und Befähigungen. Es gibt diejenigen, die mehr zur Forschung hin orientiert und in diesem Bereich auch begabter sind, und es gibt diejenigen, die mehr zur Lehre hin orientiert sind. Diese Einsicht ist jedoch kein Bruch mit dem humboldtschen Ideal, sondern beide – Herr Tappeser hat darauf hingewiesen – kommen gleichermaßen aus der Wissenschaft. Es wird nicht der Fall sein, dass jemand an einer Universität oder an einer Hochschule lehrt, der kein Wissenschaftler ist. Was Humboldt vertritt, ist die Institution Universität. Sie vereinigt Forschung und Lehre. Auch gegenwärtig – das muss ich Ihnen sagen – ist es durchaus nicht so, dass nun jeder der Universitätsprofessoren gleichermaßen zu 50 % lehrt und zu 50 % forscht oder – an medizinischen Fakultäten – zu 33 % lehrt, zu 33 % forscht und zu 33 % Kranke behandelt.

Wir haben weitere Elemente in diesem Gesetz verankert, um exzellente Berufungen zu fördern. Das geht hin bis zu dem Punkt, dass man jetzt Personen berufen kann, ohne zuvor die normalen Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Man kann einfach keinem Nobelpreisträger eine Professur antragen und

ihm, nachdem er seine Bereitschaft hierzu erklärt hat, sagen: „Jetzt wird aber erst einmal die Anzeige veröffentlicht, dann tagt die Berufungskommission, und dann folgt noch ein ewig langes weiteres Verfahren.“ Wir wollen erreichen, dass die Hochschulen sehr viel stärker aktiv Personal Recruiting betreiben und selbst auf gute und geeignete Kandidaten zugehen und diese zu gewinnen versuchen.

Ein ganz wesentliches Element ist die Einführung von Tenure-Track. Übrigens gilt für all diese Maßnahmen, dass BadenWürttemberg deutschlandweit das erste Land ist, das solche Maßnahmen ergreift. Denn wir wollen natürlich im bundesdeutschen Vergleich die besten Professoren für uns gewinnen und sie nicht in andere Länder gehen lassen. Tenure-Track ist ganz wesentlich. Wenn wir an den Hochschulen keine Karrierechancen etwa für Juniorprofessoren und -professorinnen eröffnen, dann kommen sie nicht. Wenn wir etwa in Amerika oder auch in Singapur oder Hongkong deutsche Wissenschaftler fragen, weshalb sie seinerzeit an diese ausländischen Universitäten gegangen sind, dann antworten diese häufig: „Es liegt nicht in erster Linie am Gehalt, sondern es liegt an den mangelnden Karriereperspektiven, die wir im deutschen Hochschulsystem haben.“ Anderswo hat man nämlich die Möglichkeit, Karriere an der Hochschule zu machen, an der man als junger Wissenschaftler begonnen hat. Das ermöglichen wir jetzt auch, und zwar mit einem vollen Tenure-Track.