Protokoll der Sitzung vom 18.12.2007

in denen überhaupt kein Deutsch gesprochen wird. Wir müssen die Eltern in die Bildungsbemühungen mit einbeziehen. Wir brauchen eine ressortübergreifende Initiative der Bildungsanstrengungen von Eltern und Kindern. Nur wenn wir die Eltern dazu bringen, dass sie Einsicht aufbringen und Anstrengungen unternehmen, um sich an der Bildungsentwicklung ihrer Kinder zu beteiligen, haben wir eine bessere Chance, den Migrantenkindern gerecht zu werden.

Ich denke aber, dass insgesamt Optimismus für die weitere Entwicklung durchaus berechtigt ist und dass wir feststellen können, dass unsere Konzentration auf Qualitätsentwicklung im Unterricht der richtige Weg war, um die Entwicklung der Schulen so zu unterstützen, dass sie mit den Schülern zu besseren Leistungen gekommen sind. Denn wenn wir die IGLUErgebnisse sehen, können wir davon ausgehen, dass in Kombination mit Bildungsplänen, mit Rechenschaftslegung, mit der Festlegung von Standards – alles Dinge, die wir tun, Frau Haußmann – beim nächsten Mal eine weitere Verbesserung möglich ist.

Diese PISA-Debatte ist nicht nur über die bildungspolitischen Fakten zu führen. Es gibt seit der letzten PISA-Runde einen Fall OECD.

(Oh-Rufe von der SPD)

Die OECD hat PISA erfunden; das ist richtig. Es gibt aber – Frau Rastätter, nur zu Ihrer Unterstützung – so viele international angelegte Untersuchungen, empirische Bildungsforschung, dass wir natürlich bei Weitem nicht bei allen Forschungsvorhaben dabei sind. Das ist auch gar nicht notwendig. Wir müssen jedes Mal abwägen, was sinnvoll ist.

Die Teilnahme von Nationalstaaten an der OECD-Untersuchung PISA basiert auf der Zusage der jeweiligen Regierung und ganz einfach auf Vertrauen, das diese in das PISA-Konzept gesetzt haben. Es gibt keine Verträge, auf deren Gestaltung wir hätten Einfluss nehmen können. Es gibt nur Absprachen im PISA Governing Board, und es gibt Erwartungen an die Objektivität und die wissenschaftliche Richtigkeit der Ergebnisse.

Der Verdacht wächst, dass Vertreter der OECD, vor allem Andreas Schleicher, aber nicht nur er, politischen Missbrauch mit den Ergebnissen betreiben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Das geht schon seit Jahren so, aber es war nie offensichtlicher als dieses Mal,

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: Das hältst du nicht aus!)

als Schleicher das selbst verkündete terminliche „Embargo“ gebrochen hat, um deutlich zu machen, dass Fortschritte in Deutschland einfach nicht sein dürfen. Es gibt Leute, die es

nicht ertragen, dass es in Deutschland besser wird, weil sie ihre Forderungen nach Einheitsschulen dann mit der Entwicklung nicht mehr in Einklang bringen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Genau so ist es! – Abg. Norbert Zeller SPD: So ein Blödsinn!)

Schleicher selbst hat dies mit seinen Kommentaren befördert. Schleicher fordert schon seit Jahren die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Sie haben offensichtlich einen Intimfeind!)

Ich habe überhaupt keinen Feind. – Schleicher fordert schon seit Jahren die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Ich zitiere ihn einmal:

Wer die Ergebnisse unserer Arbeit so interpretiert, dass das gegliederte Schulsystem wesentlich mitverantwort lich für viele der aufgezeigten Probleme ist, und wer da raus schließt, dass sich eine nachhaltige Verbesserung von Bildungsqualität und Chancengerechtigkeit langfris tig nur im Einklang mit einer Reform der Bildungsstruk turen erreichen lässt, der hat uns richtig verstanden.

Schleicher formuliert seine politischen Ziele. Es ist deutlich, dass es eben nicht Schleicher allein ist. Denn Schleicher selbst hat bestätigt, dass man bei der OECD insgesamt so denkt,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wer anders denkt als Sie, kann nicht recht haben!)

dass sich eine Optimierung des bestehenden gegliederten Bildungssystems nur auf diesem Weg erzielen lasse.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Die OECD ist von der SPD unterwandert?)

Dazu bestellen wir bei der OECD keine wissenschaftlichen Untersuchungen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Die politischen Schlüsse ziehen wir.

Ich möchte Ihnen dazu sagen, was Professor Baumert, der Leiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und Chef des ersten PISA-Konsortiums, dazu sagt.

Frage: Stimmen Sie der OECD-Kritik zu?

Baumert: Nein. Weder sind die Daten neu, noch sind viele der Interpretationen durch Daten gestützt. Da werden vielfach nur Meinungen verbreitet.

Frage: Zum Beispiel?

Baumert: Alle Forderungen nach einem Gesamtschulsys tem sind durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht untermauert. Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass politisch gemeinte Ratschläge wissenschaftlich ge deckt sind.

Das ist ganz eindeutig. Ich habe vorhin davon gesprochen, dass der PISA-Prozess auf Vertrauen beruht, das die Nationalstaaten in die OECD gesetzt haben, und nicht auf Verträgen basiert. Dieses Vertrauen ist verspielt und verloren.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/ DVP – Oh-Rufe von der SPD – Zuruf des Abg. Rein- hold Gall SPD)

Wir erwarten, dass die Geschäftsgrundlage für künftige Teilhabe an PISA-Untersuchungen neu geregelt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Wir erwarten, dass das Bundesbildungsministerium für künftige PISA-Runden, auf die wir uns noch nicht festgelegt haben, die Geschäftsgrundlage eindeutig und schriftlich mit der OECD abspricht. Nur auf einer solchen Basis kann es weitergehen. Dies hier zu problematisieren war, glaube ich, richtig.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Denn wir können nicht dauernd unsere Bildungspolitik durch Zwischenrufe aus Paris, die sich scheinwissenschaftlich gerieren, aber in Wirklichkeit politische Absichten verfolgen, boykottieren lassen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! Jetzt heulen wir aber gleich eine Runde! – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie gehen unter mit dem System! Da bin ich mir si- cher! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die CDU-Frak- tion klatscht sich die Rede schön!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta.

Herr Kollege Dr. Mentrup, Sie haben die Frage in den Raum gestellt, ob wir nicht hinter dem Titel „Signifikante Verbesserungen der deutschen Schülerleis tungen“ ein Fragezeichen hätten setzen sollen. Wir dachten eigentlich, dass wir gemeinsam darüber hinweg wären. Denn – auch wir lesen SPD-Verlautbarungen – der SPD-Parteirat hat ein Papier verabschiedet, in dem steht:

Die Ergebnisse der PISA-Studie 2006 und … IGLU stel len den deutschen Schülerinnen und Schülern ein besse res Zeugnis aus als in den Jahren zuvor.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Die Reformanstrengungen der letzten Jahre tragen erste Früchte.

Wir sind davon ausgegangen, dass es deshalb für ein Fragezeichen auch von Ihrer Seite keinen Anlass gibt, und verstehen nicht so ganz, warum Sie das hier infrage stellen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir erklären es Ihnen! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Könnten Sie das noch einmal wiederholen! Das klingt so schön! – Ge- genruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Der Herr Rüeck hat es nicht kapiert!)

Die zweite Frage von Herrn Kollegen Dr. Mentrup: Was hat das z. B. mit dem Orientierungsplan zu tun? Das war einer der Punkte, die Sie in der Entwicklung infrage gestellt haben mit der Begründung, es gebe nur Modellstandorte. Wer die Wirklichkeiten in den Kindergärten kennt – Sie kennen sie so gut wie wir –,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir kennen sie besser!)

der weiß, dass viele Kindergärten den Orientierungsplan nicht gebraucht haben, um diese Arbeit zu machen, dass aber in vielen Kindergärten durch den Orientierungsplan eine Bestätigung und Weiterentwicklung der Arbeit erfolgt ist und sich viele auf den Weg gemacht haben, und dass es nicht nur diese Modellstandorte gibt, sondern der Inhalt des Orientierungsplans bei der Arbeit in den Kindergärten schon heute flächendeckend in Baden-Württemberg eine große Rolle spielt. Und das ist gut so.

Sie haben infrage gestellt, dass es eine fachliche Diskussion gewesen ist. Das finde ich schon kühn. Ich habe mich darum bemüht, in der knappen Zeit auch Ergebnisse aus der PISAStudie zu zitieren, Probleme zu beschreiben und Entwicklungen aufzuzeigen. Aber – so wie Sie es getan haben – selbst überhaupt nicht auf PISA und IGLU einzugehen, nicht darauf einzugehen, dass die Risikogruppe kleiner geworden ist, nicht darauf einzugehen, dass sich die Schere zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg weiter geschlossen hat, und gleichzeitig zu behaupten, es sei keine fachliche, sondern eine politische Debatte gewesen, das finde ich ein starkes Stück.

(Beifall des Abg. Stefan Mappus CDU)

Das kann ich mir nur so erklären, dass Sie eine vorgefertigte Kritik an einer nicht gehaltenen Rede vorgetragen haben. Aber das kann man bleiben lassen.

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ka- trin Altpeter SPD: Wo bleibt der Applaus? – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Heul halt!)