Sie, meine Damen und Herren, machen eine halbherzige Bildungspolitik. Sie bleiben nämlich auf halbem Weg stehen. Hier in Stuttgart spucken Sie, mit Verlaub, große Töne. Hier sagen Sie, Sie wollten die Hauptschule abschaffen, die Realschule abschaffen, das Gymnasium abschaffen und eine integrierte Gemeinschaftsschule einführen. Je näher an der Basis Ihre Kollegen jedoch Ihre Bildungspolitik vertreten, desto differenzierter hört sich das an.
Ich darf Ihnen erzählen, dass ich ganz überrascht war, als ich gelesen habe, dass Herr Kollege Mentrup auf einem Neujahrs empfang in Dossenheim, auf die Hauptschulprobleme angesprochen, hat verlauten lassen, er könne sich vorstellen, dass zwei Hauptschulen zusammengelegt würden oder dass eine kleine Hauptschule zugunsten einer größeren geschlossen werde. Das hat er beim dortigen Neujahrsempfang gesagt.
Herr Mentrup, diese Ratschläge brauchen wir nicht. Das ist bei uns längst Beschlusslage. Seit einem Jahr schlagen wir den Kommunen vor, diesbezüglich zu kooperieren.
(Zuruf von der SPD: Rote! – Zuruf von der FDP/ DVP: Das ist gar keine Bildungspolitik! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Den Leuten nach dem Mund reden!)
Herr Sckerl spricht von einer Experimentierphase, die die Grünen noch brauchten. Herr Kretschmann, von Ihnen fordern wir eine klare Linie. Sie sollten den Leuten sagen, was Sie wirklich wollen, aber nicht nur hier in Stuttgart, in diesem geschlossenen Raum,
Aber diese Bildungslandschaft, dieses Schulsystem ist nicht in Stein gemeißelt. Es ist auch nicht in Beton gegossen,
sondern so, wie sich unsere Gesellschaft ständig verändert, so muss sich auch Schule ständig verändern. Das ist völlig klar.
aber gemeinsam mit der Hauptschule und nicht gegen sie, gemeinsam mit der Realschule und nicht gegen sie, gemeinsam mit dem Gymnasium und nicht gegen das Gymnasium.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Dann macht doch! – Abg. Norbert Zeller SPD: Damit könnten Sie doch gleich anfangen!)
von der Basis, von den Bedürfnissen der Schüler, der Eltern, der Lehrer, von den Bedürfnissen von Schulträgern und Schulen her.
PISA wurde schon mehrfach angesprochen. Auch wir betonen noch einmal mit Nachdruck, dass auch die jüngste PISAStudie gezeigt hat: Die Qualität von Schule und Unterricht ist nicht primär von der Schulstruktur abhängig. Es gibt gute PISA-Ergebnisse in Ländern mit integrativen Schulsystemen. Es gibt auch gute PISA-Ergebnisse in Ländern mit gegliedertem Schulsystem.
Uns fehlt bis heute der empirische Nachweis der Überlegenheit des einen oder des anderen Systems. Wenn Sie, Herr Schmiedel, davon sprechen, dass Hunderte von Untersuchun gen die Überlegenheit des integrativen Systems belegten, dann wäre ich sehr dankbar, wenn Sie mir eine einzige davon benennen könnten.
Ich möchte dem verehrten Publikum ganz gern einmal eine Information geben, weil Finnland bei uns ja immer als das große Wunderland der Bildungspolitik dargestellt wird. Meine Damen und Herren, man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
In Finnland beträgt der Anteil der Ausländer nur 2 %. In Baden-Württemberg hat mittlerweile jedes dritte Kind unter 18 Jahren einen Migrationshintergrund.
(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es! Genau! – Zuruf von der SPD: Deswegen muss es noch indivi- dueller sein!)
In Finnland haben 60 % der Schulen weniger als sieben Lehrer, und die Hälfte der Gemeinschaftsschulen dort hat weniger als 100 Schüler. Wie wollen Sie das bitte schön mit Baden-Württemberg vergleichen? Jedes Land muss seinen eigenen Weg gehen.
Aber eines hat die Schulforschung überzeugend herausgearbeitet: Zwischen den einzelnen Schulen – egal, in welchem System – gibt es große Unterschiede, was die Qualität des Unterrichts und auch die Bildungserfolge betrifft. Die erfolgreichen Schulen, auch in unserem Bundesland, haben Freiräume.
Sie verstehen sich als operativ eigenständige Schulen. Sie denken ihre Schule pädagogisch vom jeweiligen Kind aus. Sie erstellen individuell gestaltete Lernwege, und sie stellen sich dem Wettbewerb mit anderen Schulen. Unser an Dreikönig verabschiedeter Hauptschulantrag zielt genau darauf ab, auch für die Hauptschulen diese Möglichkeiten noch viel mehr als bisher zu eröffnen.
Zu dieser Offenheit und Vielfalt der Wege gehört aber auch, dass neue Wege ausprobiert werden dürfen.
Wir sind deshalb offen für weitere Schulversuche, wenn es vor Ort von den Betroffenen gewünscht wird.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Nor- bert Zeller SPD: Das ist nicht der Fall! – Unruhe)
In meiner Rede auf dem Dreikönigsparteitag, als ich unseren Antrag zur Hauptschule eingebracht habe, habe ich Sie, Herr Kultusminister, öffentlich aufgefordert:
(Abg. Norbert Zeller SPD: Das ist doch falsch! Es ist schlichtweg falsch, was Sie sagen! – Abg. Volker Schebesta CDU: Es wäre gut, wenn Sie einmal mit ihm reden würden!)
marschieren Sie voraus, lassen Sie weitere Schulversuche zu! Ich freue mich sehr, dass Sie, Herr Rau, meiner, unserer Aufforderung so zügig gefolgt sind.
Wir begrüßen es, dass die engere Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Realschulen jetzt in einem großen Schulversuch erprobt werden kann. Genau das ist das, was Sie, Herr Kretschmann, fordern, und ich kann hier überhaupt keine Betonmentalität erkennen. Wo denn, bitte schön? Wir von der FDP/DVP sehen in dieser engeren Zusammenarbeit schon lange eine Möglichkeit, die Hauptschule zu stärken, die Stigmatisierung der Hauptschüler zu vermeiden und möglichst vielen von ihnen einen mittleren Bildungsabschluss zu ermöglichen. Aber