Protokoll der Sitzung vom 02.04.2008

Für uns gibt es allerdings noch einen kräftigen Wermutstropfen bei dieser Reform. Das ist, dass die Ausschüsse weiter grundsätzlich nicht öffentlich tagen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Aussagen des Kollegen Glück, des Präsidenten des Bayerischen Landtags. Er sagte:

Bezogen auf den Bayerischen Landtag, wo Gott sei Dank seit der Wiederbegründung der Bundesrepublik Aus schusssitzungen öffentlich sind, debattieren wir deshalb nicht über mangelnde Resonanz der Ausschusssitzun gen.

Davon kann bei uns leider keine Rede sein. Ich hoffe, dass wir das dann in der nächsten Legislaturperiode hinbekommen werden.

Wir haben hier, glaube ich, eine ordentliche Reformarbeit geleistet. Wir haben wichtige Änderungen zur Stärkung des Parlaments vollzogen. Das ist notwendig gewesen; es ist aber noch nicht hinreichend. Es muss sich auch der Geist ändern. Das Parlament als „Erste Gewalt“ heißt ja, es ist der erste und grundlegende Gestalter der Politik, weil es Gesetze macht.

Vor diesem Hintergrund richte ich den Appell an die Regierungsfraktionen – denn die Opposition sitzt eh „nur“ im Parlament –, diesen parlamentarischen Gestaltungswillen auch zu zeigen. Denn während auf Bundesebene in der Regel kein Gesetzentwurf ohne Änderung vom Bundestag verabschiedet wird, ist es bei uns leider umgekehrt: An fast keinem Gesetzentwurf, der vom Landtag verabschiedet wird, werden Änderungen vorgenommen – außer Änderungen redaktioneller Art. Ich finde, das müsste sich grundlegend ändern, damit wir die Stärkung des Parlaments ernst nehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Wenn wir in Deutschland auf Fünfparteienparlamente zusteuern, dann wird es, glaube ich, umso wichtiger, dass die Parlamente dann auch gestärkt werden, wenn wir noch Stabilität und Gestaltungswillen verbinden wollen.

Der Maßstab, wie gut diese Reform ist, ist letztlich die Frage: Zeigt dieses Parlament mehr Gestaltungswillen? Wir wollen ein Parlament, das selbst politisch zieht und nicht nur das vollzieht, was die Regierung vorgibt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, nur ein Parlament, das kraftvoll gestaltet, wird Ansehen haben, und nur wer Ansehen hat, kann sich Vertrauen erwerben. Mit dem Einsatz aller Fraktionen haben wir dafür eine gute Grundlage geschaffen. Ich möchte mich bei allen, die daran beteiligt waren – auch bei denen, die Kompromisse eingehen mussten –, herzlich dafür bedanken.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was sich technisch „Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes“ nennt, ist, glaube ich, ein Meilenstein in der Geschichte dieses Landtags von BadenWürttemberg. Dies ist nicht deswegen der Fall, weil wir in Sack und Asche daherkommen müssten und sagen müssten: „Dieser Landtag hat in der Vergangenheit schrecklich schlechte Politik gemacht.“ Vielmehr zeigen die Daten zu BadenWürttemberg, dass sich der Landtag und die Regierung mit den Ergebnissen der vergangenen Jahre bei der Bevölkerung durchaus sehen lassen können.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Trotzdem ist es, glaube ich, richtig, dass wir von Zeit zu Zeit eine Standortbestimmung vornehmen.

Lassen Sie mich vorab ein ganz persönliches Bekenntnis machen: Die Tätigkeit als Abgeordneter ist in der Tat mit keiner anderen Tätigkeit, mit keinem anderen Beruf vergleichbar. Wir sind weder Beamte noch Freiberufler, sondern wir sind „abgeordnet“, und zwar auf Zeit. Die, die uns abgeordnet haben, sind die Zuhörer oben auf der Tribüne, ist die Bevölkerung in den Wahlen. Wir wurden dafür abgeordnet, das Zusammenleben in unserem Land in allen relevanten Bereichen möglichst so zu organisieren, dass wir das, was wir seit über 50 Jahren in unserem Land haben, nämlich Freiheit, Frieden und Wohlstand, gemeinsam organisieren und weiterhin dafür Verantwortung übernehmen – auf Zeit abgeordnet von der Bevölkerung.

Dieser besondere Status hat eben auch eine Besonderheit, um die uns vielleicht manche beneiden mögen: Wir müssen und dürfen die Bedingungen, unter denen wir diese Tätigkeit ausüben, in der Tat selbst festlegen – das ist nicht wie in einem Tarifpoker, sondern das dürfen wir selbst. Unser „Arbeitgeber“ ist sozusagen das Volk, das uns abgeordnet hat. Deswegen ist es richtig, dass wir uns der Kritik, den Fragen und auch der Mahnung zu Transparenz stellen, aber dies auch selbstbewusst tun, dass wir in der Tat klipp und klar sagen: Wenn wir in dieser parlamentarischen Demokratie als Vertreterinnen und Vertreter des Volkes insbesondere auch die Kontrolle der Exekutive auszuüben haben, dann müssen wir bestimmte Arbeitsbedingungen haben, die uns dies möglich machen und nicht erschweren.

Deswegen, Herr Schmiedel, bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben. Es gibt immer wenige Themen, auf die sich die Diskussion fokussiert. Aber ich denke, man erlebt es schon im Gemeinderat, dass die Verwaltungen einem immer rein quantitativ an Zuarbeit deutlich überlegen sind. Das setzt sich nahtlos in allen Parlamenten fort. Deswegen glaube ich, dass wir zur Frage der Arbeitsfähigkeit des und der einzelnen Abgeordneten durchaus gemeinsam im Konsens weitere Schritte werden machen müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Lassen Sie mich zu dem Thema „Finanzielle Bedingungen“ kommen; denn das interessiert natürlich die Bevölkerung. Tat

sächlich vergleicht man dann natürlich. Eine gerechte Entlohnung gibt es ja nirgends. Es gibt immer nur faire, vergleichbare Bedingungen, die man jemandem anbieten kann.

Ich glaube, eines sollten wir bei diesen Neuregelungen in der Tat berücksichtigen: dass das Mandat möglichst von niemandem nur deswegen angestrebt werden soll, weil er glaubt: „Da werde ich reich.“ Aber es soll auch von niemandem ausgeschlossen werden, der, weil die finanziellen Bedingungen zu schlecht wären, letztendlich sagte: „Ich kann es mir nicht leis ten.“ Daher ist die Regelung der finanziellen Bedingungen schlicht und einfach immer schwierig. Für einen Studenten, der BAföG erhalten hat, mögen 6 200 €, die wir künftig haben werden, viel sein. Aber für einen gestandenen Freiberufler oder einen Anwalt oder einen Firmeninhaber mag das möglicherweise eher ein bisschen wenig sein.

Deswegen glaube ich, dass wir bei diesen aktuellen Bezügen, die ja auch wieder etwas kritisch hinterfragt werden, in der Tat wohl wegen der Vergleichbarkeit des Arbeitspensums mit dem in anderen Parlamenten, etwa der Kollegen aus Bayern, durchaus eine angemessene Höhe einer sogenannten Vollalimentation gefunden haben, die dazu führt, dass wir dezidiert sagen: Diese Arbeit erfordert sozusagen den vollen Mann, die volle Frau, und dafür sollen sie auch volle Vergütung, volle Entschädigung erhalten, ohne zusätzlich einen Beruf ausüben zu müssen. Die Begründung für das Teilzeitmandat lautete ja: Es ist keine Vollbeschäftigung, sondern jeder soll nach Möglichkeit in seinem Beruf bleiben.

Auch da ein persönliches Bekenntnis: Ich bin 1996 als Teilzeitparlamentarier angetreten. Aber im Laufe dieser jetzt zwölf Jahre habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass es – nicht zuletzt auch durch die Föderalismusreform und die immer größere Komplexität der politischen Diskussion – in der Tat den vollen Mann, die volle Frau erfordert, dieses Mandat hier im Parlament ernst zu nehmen.

Das zweite Thema, das hier wenig angesprochen worden ist, ist das Thema der Pauschalen. Ich glaube, die Bevölkerung sieht zu Recht, dass eine ordentliche finanzielle Ausstattung nötig ist, um die Unabhängigkeit des Mandats zu gewährleis ten. Aber man schätzt nicht die „versteckten“ Vorteile oder Privilegien. Daher glaube ich, dass auch die Transparenz bei den Pauschalen – eine Transparenz, die wir jetzt erreichen, indem wir nur noch eine Pauschale machen und die Reisekos ten und die Übernachtungskosten spitz abrechnen – ein richtiger und wichtiger Schritt ist.

Ich weiß wohl, Kollege Kretschmann: Das Bruttokostenmodell, das bedeutet, überhaupt nur noch über die steuerliche Absetzbarkeit zu gehen, war Ihr Wunsch. Aber ich möchte es einmal umkehren: Wir alle reden immer davon, dass wir das Steuersystem einfacher, gerechter und die Steuern niedriger machen sollten. Wir wollen nicht bei uns nachvollziehen, was wir eigentlich für die Gesamtbevölkerung in Zukunft gerade nicht haben wollen, nämlich immer kompliziertere Regelungen. Vielmehr sollte im Steuerrecht sehr viel mehr über pauschalierte Freibeträge gearbeitet werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Daher verstehe ich auch aus ordnungspolitischen Erwägungen, dass Sie an diesem System festhalten.

Das Wichtigste – das ist es, glaube ich, zu Recht –, was immer im Fokus der Kritik aus der Bevölkerung stand, betrifft die Altersversorgung. Ich will dieses Thema jetzt einmal nicht so sehr unter dem Aspekt der Einsparungen beleuchten. Es werden Einsparungen für den Steuerzahler kommen. Vielmehr möchte ich einmal im Sinne der politischen Redlichkeit argumentieren: Wir kritisieren – das gilt gerade für uns Liberale – die Umlagefinanzierung von Renten und Pensionen. Pensionen werden nämlich auch umlagefinanziert, und zwar durch den Steuerzahler. Das heißt, es werden Lasten in die Zukunft verschoben, die die Generationen nach uns dann über Steuern finanzieren müssen, so wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung die Beitragszahler der Zukunft die Renten von morgen werden finanzieren müssen.

Die in diesem Fall wirklich radikale Umstellung vom Umlageverfahren über ein steuerfinanziertes Staatspensionssystem zu einem rein kapitalgedeckten, transparenten System mit der monatlichen Auszahlung von 1 500 € ist, glaube ich, ein wichtiger und ordnungspolitisch auch richtiger Schritt, der im Übrigen auch – das muss man einfach einmal sagen –, wenn man es rein finanziell betrachtet, gewaltige Einbußen mit sich bringt. Letztlich glaube ich, dass wir damit auch ein Stück weit mehr Transparenz,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Generationen- gerechtigkeit!)

mehr Planbarkeit und damit Generationengerechtigkeit auch an dieser Stelle herbeigeführt haben.

Ich will nicht verschweigen, dass es beim Thema Übergangsregelungen – die wird es immer geben, wenn man radikale Systemumstellungen vornimmt – durchaus unterschiedliche Meinungen gab – gerade auch, aber nicht nur in unserer Fraktion. Klar war von Anfang an, dass es nicht sein kann, dass man erworbene Besitzstände und Anwartschaften einfach wegnehmen kann. Dies wäre ja ein Eingriff in die Lebensplanung des Einzelnen. Ich glaube, das war auch nie strittig.

Die Frage bestand für einen Teil der Abgeordneten, die zwar schon eine Legislaturperiode lang in diesem System waren oder sind, die seit Beginn dieser Legislaturperiode im Landtag sind, aber nicht mehr die Grenze erreichen konnten, um einen eigenen Anspruch zu erwerben. Wir haben da einem Kompromiss zugestimmt, der ursprünglich auch nicht Konsens gewesen wäre. Ich sage an dieser Stelle, dass man sich auch in meiner Fraktion dabei durchaus andere Lösungen hätte vorstellen können. Aber ich bin dankbar, dass es wenigstens einen Kompromiss gegeben hat.

Zum Thema Zulagen will ich noch etwas sagen. Wir waren uns ja letztendlich zwischen allen vier Fraktionen einig, dass es weiterhin Aufgabe der inneren Organisation der Fraktionen sein soll, wie sie mit den Zulagen umgehen. Aber ich weise ausdrücklich die Behauptung zurück – die ich immer wieder gelesen habe –, wir seien nicht bereit, die Zulagen zu ändern. Wir haben einen gemeinsamen, von allen vier Fraktionen unterschriebenen Antrag im Landtag verabschiedet, mit dem wir uns innerhalb aller Fraktionen verpflichtet haben – allerdings nicht im Rahmen des Gesetzes –, die Zulagen verfassungskonform zu regeln.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Zu dieser Zusage stehen wir, glaube ich, alle, und ich für die FDP/DVP-Fraktion in jedem Fall.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Rainer Sti- ckelberger SPD)

Natürlich wird es weiterer Schritte bedürfen, nämlich der Wahlkreisreform und der Wahlrechtsreform. Ich prognostiziere: Auch das wird schwierig. Aber die bisherigen konsens orientierten Verhandlungen lassen mich hoffen, dass wir es auch da schaffen, zu einem einvernehmlichen Ergebnis – auch wenn hier möglicherweise nicht jeder wird zustimmen können – zu kommen.

Das Thema Inkompatibilität ist hier bereits mehrfach angesprochen worden, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens – darauf habe ich vorhin schon hingewiesen –: Mit der Vollalimentation dokumentieren wir, dass die Ausübung des Mandats eine Tätigkeit ist, die den ganzen Mann bzw. die ganze Frau fordert. Häufig ist es schwer, auf die Frage aus der Bevölkerung, wie jemand denn daneben noch Oberbürgermeis ter, Schulleiter oder Landrat sein könne, die passende Antwort zu geben.

Neben diesem Thema gibt es natürlich auch noch das sehr viel höher anzusiedelnde Thema „Keine Vermischung zwischen Exekutive und Legislative“, weil die, die kontrollieren sollen, sich andernfalls ja selbst zu kontrollieren hätten. Ich glaube, da schulden wir den Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion und insbesondere natürlich Stefan Mappus großen Dank und Anerkennung. Denn das hatten wir lange gefordert. Ich sage ganz ehrlich: Ich hatte nicht geglaubt, dass es klappt. Deswegen meinen Respekt, dass wir aus den Gründen, die ich geschildert habe, auch an dieser Stelle einen Konsens gefunden haben.

Lassen Sie mich damit abschließend auch zum Dank kommen. Stefan Mappus habe ich gerade an einer Stelle schon gedankt. In diesen Dank schließe ich natürlich die Kollegin Vogt, die zu Beginn dabei war, die Kollegen Schmiedel und Winfried Kretschmann mit ein, aber auch alle anderen, die uns in den Fraktionen jeweils – wir selbst sind auch nicht immer in jedem Detail voll informiert – unterstützt haben.

Letztendlich gilt mein Dank Ihnen allen, die Sie hier sitzen. Denn wenn wir als Fraktionschefs nicht jeweils das Mandat in unseren Fraktionen bekommen hätten, diesen Gesetzentwurf heute vorzulegen, dann wäre es nicht dazu gekommen.

Natürlich danke ich auch dem Präsidenten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns bei den Beratungen unterstützt haben.

Mit diesem Dank darf ich die Hoffnung verbinden, dass wir über das formale Verändern unseres Status hinaus tatsächlich einen Beitrag leisten, hier der Politik im Land ein Gesicht zu geben, und zwar ein hoffentlich sympathisches, vertrauensvolles Gesicht, dass wir das, wofür wir auf Zeit abgeordnet sind, ein Stück weit verantwortlich und transparent leisten können und damit zu wieder mehr Akzeptanz der demokratischen Spielregeln in diesem Land beitragen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, in der Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Gesetzentwürfe. Es ist vorgeschlagen, diese zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen und Punkt 1 der Tagesordnung abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die Zukunft der Landesbanken, insbesondere der LBBW, vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Es gelten die für eine Aktuelle Debatte üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn