Protokoll der Sitzung vom 30.04.2008

Die kommunale Selbstverwaltung war für unsere Fraktion immer von entscheidender Bedeutung. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, dass in Baden-Württemberg, anders als in anderen Bundesländern, bereits in den ersten Verfassungen das Konnexitätsprinzip enthalten war. Seit 1953 ist dieses Konnexitätsprinzip auch in der Verfassung nicht geändert worden.

Allerdings – das ist aus den Gesprächen mit den kommunalen Landesverbänden deutlich geworden – hat es Veränderungen gegeben, weil sich die Kommunen, also die Gemeinden, Städte und Landkreise, zunehmend der Problematik ausgesetzt sehen mussten, dass sich Aufgaben, die sie erledigen, verändert haben, dass Standards erhöht worden sind. Das kulminierte in der Entscheidung des Bundesgesetzgebers, einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz vorzusehen, ohne die dafür notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Aus den Reihen der Kommunen wurde nachdrücklich die Forderung erhoben: Man muss dafür sorgen, dass dann, wenn neue Aufgaben vom Gesetzgeber auf die Kommunen delegiert werden, auch die notwendigen Mittel mitdelegiert werden, weil nur dann das Recht der kommunalen Selbstverwaltung und die Handlungsfähigkeit der Demokratie vor Ort auf Dauer erhalten bleiben und nicht weiter ausgehöhlt werden.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat sich in dieser Frage von Anfang an auf die Seite der Kommunen gestellt und die For

derung nach Einführung eines verschärften Konnexitätsprinzips unterstützt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir haben in unserem Regierungsprogramm für die Landtagswahl 2006 diese Forderung mit dem Hinweis auf die bayerische Regelung mit aufgenommen. In den Gesprächen nach der Landtagswahl, nach Verankerung der Frage nach verfassungsrechtlichen Änderungen im Koalitionsvertrag mit der CDU haben wir mit den kommunalen Landesverbänden gesprochen und haben hier im Parlament miteinander gesprochen, was ja notwendig ist, um eine verfassungsändernde Mehrheit zu erreichen.

Wir meinen, dass die getroffene Präzisierung unserer Landesverfassung eine gute Grundlage, ein Rahmen ist, der die Rechte der Kommunen in Zukunft sichert und auch berücksichtigt, dass dann, wenn sich Aufgaben ändern, wenn Standards erhöht werden, wenn man später praktisch draufsattelt, an die Kommunen auch Finanzmittel mitdelegiert werden müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle wissen, dass die Finanzmittel der staatlichen Ebenen in Zukunft weiter knapp bleiben. Neben der Stärkung des Konnexitätsprinzips ist die Einführung eines Verschuldungsverbots das zweite zentrale Anliegen, das die Fraktion der FDP/DVP hier im Landtag gemeinsam mit anderen Fraktionen vertritt. Ich denke, damit sind wir auch bei dem entscheidenden Punkt, um den es heute geht. Wir haben in Österreich gesehen, dass die Einführung eines verschärften Konnexitätsprinzips dazu geführt hat, dass der Gesetzgeber auch die eine oder andere Gesetzesdiskussion beendet hat und gesagt hat: „Wir wollen gar keine Regelung einführen.“ Das heißt, das Konnexitätsprinzip in der Verfassung ist auch ein Prinzip zur Bekämpfung der Bürokratie.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Selbstdisziplinierung!)

Wir meinen, dass das den Bürgerinnen und Bürgern guttut. Wir haben in unserer Verfassung Normen, die Ausgaben begründen. Wir brauchen deshalb in unserer Verfassung auch Normen, die Ausgaben begrenzen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Das dient auch dem Schutz der Steuerzahler. Die Bürgerinnen und Bürger müssen das alles ja aufbringen. In diesem Sinne haben wir einen guten Erfolg zur Verbesserung unserer Verfassung und zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung erreicht, wenn wir die Verfassungsänderung heute beschließen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Rech.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf zur Verkürzung der Wahlperiode um einen Monat ist ja von allen Fraktionen hier im Landtag eingebracht und unterstützt worden. Die einma

lige Verkürzung der Dauer der laufenden Wahlperiode um einen Monat betrifft vor allem den Landtag selbst. Deswegen möchte ich als Vertreter der Landesregierung dazu eigentlich nichts mehr anmerken.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich will nur sagen: Das Anliegen, die sitzungslose Zeit zwischen Wahltag und Zusammentritt des neuen Landtags zu reduzieren, ist zu begrüßen.

Die zweite Änderung betrifft das Konnexitätsprinzip. Dazu will ich vorweg nur eines sagen: Ich bin zutiefst davon überzeugt – ich denke, das sind wir alle –, dass der Erfolg dieses Landes neben alldem, was seine Bürger dazu beitragen, ganz wesentlich in der kommunalen Selbstverwaltung zu sehen ist. Die kommunale Selbstverwaltung steht und fällt natürlich u. a. damit, wie wir die Kommunen finanziell ausstatten. Innerhalb dieser Betrachtungsweise ist das Konnexitätsprinzip ein ganz wesentlicher Baustein.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deswegen, meine Damen und Herren, freue ich mich darüber, dass zu den beiden Gesetzentwürfen Drucksachen 14/2442 und 14/2443, die einer Stärkung des Konnexitätsprinzips dienen, in allen Beratungen, auch in den Ausschüssen, von allen Fraktionen breite Zustimmung signalisiert wurde. Auf diese Weise wird nämlich der Wille des Landes gegenüber den Gemeinden und Gemeindeverbänden deutlich, ein fairer und verlässlicher Partner zu sein. Er wird dadurch nachdrücklich unterstrichen. Dies ist umso wichtiger – das will ich auch sagen –, als auf kommunaler Seite ein solcher Wille zu fairer, vertraulicher und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Land vorhanden war und vorhanden ist. Auf dieser Grundlage war es dann möglich, in den Gesprächen zur Umsetzung der Vereinbarung vom 1. Dezember 2006 die beiden erwähnten Gesetzentwürfe gemeinsam zu erarbeiten und auch Konsens zu erzielen.

Ich will noch sagen – weil dies zumindest nicht Usus und nicht sehr gewöhnlich ist –, dass die Vertreter der kommunalen Landesverbände an den Beratungen der beiden Gesetzentwürfe Drucksachen 14/2442 und 14/2443 im Innenausschuss teilgenommen haben und dort auch von ihrer Seite aus bestätigt haben, dass die kommunalen Landesverbände mit dem erreichten Ergebnis zufrieden sind und die beiden Gesetzentwürfe inhaltlich uneingeschränkt mittragen. Dafür bin ich dankbar. Natürlich wurde von kommunaler Seite aus auch das eine oder andere differenziert gesehen und differenziert vorgetragen. Das ist auch in Ordnung so. Auf Einzelheiten will ich jetzt nicht eingehen.

Ich will auch sagen, dass in den bisherigen Beratungen vonseiten der Grünen angesprochen wurde, dass der im Gesetzentwurf Drucksache 14/2442 vorgesehene Text der Verfassungsänderung für eine Verfassung unüblich sei. Auch dies wurde vorhin angesprochen. Ich will es kurz und knapp sagen: Auch nach meinem Dafürhalten ist es sicherlich richtig, dass in einer Verfassung an sich nur Grundsätzliches – und dies möglichst knapp und präzise – ausgedrückt und formuliert wird. Diese Sichtweise wird von mir prinzipiell geteilt.

Allerdings ist in den Ausschusssitzungen auch deutlich geworden, warum der gerade angesprochene Entwurf so formuliert wurde, wie es jetzt auf dem Papier steht. Es sollte eben nicht nur ganz bewusst die bisherige Systematik von Artikel 71 Abs. 3 der Landesverfassung beibehalten und dann im Lichte der Rechtsprechung fortentwickelt werden. Es war gerade auch ein wesentliches Anliegen der kommunalen Landesverbände – das haben sie in der Beratung im Innenausschuss sehr, sehr deutlich und nachvollziehbar dargelegt –, dass durch eine Präzisierung und Klarstellung gerade im Verfassungstext selbst Streitfälle zum Konnexitätsprinzip möglichst vermieden werden sollen. Diese von der Landesregierung mitgetragene Zielsetzung konnte sich in der jetzt gewählten Formulierung am besten durchsetzen und klarstellen, weil die Fallgruppen eben benannt werden. Auf diese Weise konnte dann auch eine Klarstellung erreicht werden, was künftig nicht dem Anwendungsbereich des Konnexitätsprinzips unterliegt. Auch darüber wurde in den Ausschüssen ausführlich beraten. Auf Einzelheiten möchte ich jetzt nicht mehr eingehen.

Insgesamt, meine Damen und Herren, werden mit den beiden Gesetzentwürfen Drucksachen 14/2442 und 14/2443 das Konnexitätsprinzip und seine Handhabung in Baden-Württemberg so fortentwickelt, dass auch künftig eine gute Grundlage für ein weiterhin faires und partnerschaftliches Miteinander zwischen dem Land und den Kommunen besteht. Ich bitte daher nochmals alle Fraktionen um ihre Zustimmung zur Änderung der Landesverfassung. Ich denke, auf diese Weise wird am bes ten deutlich, dass das Land ein großes Interesse an einer konstruktiven Partnerschaft mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden hat. In diesem Ziel sind wir uns alle einig. Ich sage noch einmal: Darin liegt ein Geheimnis unseres Erfolgs, der ein gemeinsamer Erfolg von Land und Kommunen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass die Allgemeine Aussprache beendet ist.

Bevor wir in die Abstimmung eintreten, darf ich noch auf Artikel 64 Abs. 2 der Landesverfassung hinweisen:

Die Verfassung kann vom Landtag geändert werden, wenn bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln seiner Mitglieder eine Zweidrittelmehrheit, die jedoch mehr als die Hälfte seiner Mitglieder betragen muss, es beschließt.

Es müssen also mindestens 93 Abgeordnete anwesend sein und mindestens 70 Abgeordnete für die Verfassungsänderung stimmen. Diese qualifizierte Mehrheit muss bei der Schlussabstimmung bestehen.

Wir kommen jetzt in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über die beiden Gesetzentwürfe Drucksachen 14/2490 und 14/2442. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 14/2641. Der Ständige Ausschuss empfiehlt Ihnen, die beiden Gesetzentwürfe zu einem Gesetz zusammenzuführen und diesem in der von ihm vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Änderung der Verfassung des Landes Baden-Würt

temberg

in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 14/2641. Wer Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Artikel 1 ist in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses einstimmig angenommen.

Ich rufe auf

Artikel 2

Inkrafttreten

in der Fassung der Beschlussempfehlung. Wer Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch Artikel 2 ist in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses einstimmig zugestimmt.

Wir kommen nun gemäß dem zu Sitzungsbeginn getroffenen Beschluss zur Dritten Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Abstimmungsgrundlage sind die soeben in Zweiter Beratung gefassten Beschlüsse. Sie werden Ihnen gerade als Drucksache 14/2680 auf die Tische gelegt. Ich versichere Ihnen, dass diese Drucksache das beinhaltet, was wir soeben in Zweiter Beratung beschlossen haben.

Ich rufe aus der Drucksache 14/2680

Artikel 1

Änderung der Verfassung des Landes Baden-Würt

temberg

auf und stelle Ihre Zustimmung zu diesem Artikel fest.

Ich rufe

Artikel 2

Inkrafttreten