Protokoll der Sitzung vom 26.06.2008

(Heiterkeit)

Er ist wieder integriert, und wir sind bei ihm integriert.

Die Integration ist eine der größten Herausforderungen. Denn wir stellen fest, dass wir uns im guten Glauben haben tragen lassen und jetzt enttäuscht sind. Bei der ersten, zweiten Generation wussten wir, da holpert es, aber in der dritten Generation – so weit sind wir jetzt – müsste es klappen. Und siehe da, wir stellen fest: Es klappt bei gewissen Landsleuten weniger als bei der ersten und zweiten Generation.

Ich selbst war mehrere Jahre im Integrationsausschuss, vorher Ausländerbeirat. Nachdem die Russlanddeutschen und Aussiedler kamen, konnte man ja nicht mehr Ausländerbeirat sagen, weil es ja Deutsche sind. Also nannte man es landesweit Integrationsausschuss oder auf kommunaler Ebene Integrationsbeirat.

Jetzt stellt man fest – das ist ganz aktuell –, wie es woanders läuft. Ich darf nachher aus einer Veranstaltung zitieren. Das wird heute in unserem kleinen Blättle veröffentlicht, aber auch wir in Kirchheim sind weltoffen.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Jörg Döpper CDU: Wo ist denn das?)

Kirchheim/Teck, unter der Teck, Herr Kollege.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wahlkreis Esslin- gen!)

Herr Kollege Döpper, deshalb möchte ich ja, dass die Teck beleuchtet wird, da man sie von der A 8 aus sieht. Aber es ist nur der Neuffen beleuchtet, damit der Kollege sieht, wo er wohnt.

(Heiterkeit)

Bei uns ist das ein Eingriff in die Naturschutz- und in die Ener giedebatte. Ich will das aber jetzt nicht weiter ausdehnen, sonst schalten die die Beleuchtung des Neuffen aus Energie

spargründen auch noch ab. Das unterstelle ich jetzt Herrn Untersteller.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das ist mir klar!)

Meine Damen und Herren, gerade bei den Russlanddeutschen haben wir ein Problem. Sie sind für irgendwelche Schreiben, Pläne, Prospekte, aber auch für persönliche Anschreiben von Behörden und Institutionen, sei es an den Verein, sei es unmittelbar an die betroffene Person, nicht empfänglich. Es ist erstaunlich, dass offizielle Schreiben insbesondere von unseren Spätaussiedlern und Spätaussiedlerinnen, aber auch von den Vereinen – –

(Lachen der Abg. Ute Vogt SPD)

Frau Vogt, da brauchen Sie nicht zu lachen, außer Sie lachen über einen Beitrag Ihres Nachbarn. Das würde ich verstehen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das würde uns nicht verwundern! – Abg. Ute Vogt SPD: Nein, über den Krampf, den Sie erzählen!)

Sie sind nur im persönlichen Dialog offen und am besten noch, wenn eine Vertrauensperson danebensteht. Das erfahren die Kommunen. Nur so kommt man an diese Leute heran, und dann funktioniert es auch.

Deshalb möchte ich einen oder zwei Sätze der Islamwissenschaftlerin Ayse Almila Akca zitieren, die im Integrationsausschuss eine Studie über muslimische Vereine vorgestellt hat. Sie sagt u. a. – da geht es um die Imame und darum, wie wir die Leute erreichen, die wir integrieren wollen – gemäß einem Artikel im „Teckboten“:

Die Imame sollten in Deutschland ausgebildet werden können. Das würde den Dialog zwischen Kommunen, Kirchen und islamischen Organisationen wesentlich verbessern.

Weiter wird sie dort zitiert:

„Die Muslime setzen stärker auf handlungsorientierten Dialog, auf christlicher Seite wird eher der theologische Dialog gesucht.“

In dem Artikel über sie heißt es weiter:

Einen theologischen Dialog könnten Vertreter von Moscheenvereinen aber kaum führen, denn für theologische Gesichtspunkte sei nur der Imam zuständig.

Dieser müsse jedoch Deutsch sprechen. Aber sie konstatiert, dass die Imame dies in der Regel nicht täten. Sie tun es nicht. Ihnen jedoch kommt große Bedeutung zu.

Sie nennt ein interessantes Beispiel aus Friedrichshafen zur Frage der Autoritäten und berichtet, dass sich zunächst keiner von den Moslems an interkulturellen Gesprächen beteiligt habe. Alle Einladungen der Kommune, der Stadt seien unberücksichtigt geblieben.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Habe ich schon über zehn Minuten gesprochen, Herr Präsident? Dann beende ich meine Ausführungen bald.

(Heiterkeit)

Erst als der Imam dazu aufgefordert hatte, kamen sie zu den Terminen.

Meine Damen und Herren, die Zeit schreitet dermaßen voran. Ich bin nach sieben Jahren offenbar noch immer nicht so integriert, dass ich wüsste, wie schnell zehn Minuten um sind.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Deshalb zum Schluss: Die deutsche Sprache ist bei denen, die Inhalte weitergeben, sie an ihre Mitmenschen weitertransportieren, das Wesentliche. Der Integrationsplan bringt somit einerseits zum Ausdruck, dass Integration nicht überall funktioniert hat. Andererseits aber zeigt sich, dass dieser Plan gerade für diejenigen notwendig ist, die Integration tatsächlich erfolgreich vorantreiben wollen. Deshalb bin ich für diesen Landesintegrationsplan und unterstütze ihn, ebenso wie unsere gesamte Fraktion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass in der Landesregierung kein einheitlicher Geist in Sachen Integration herrscht, dann ist das jetzt bewiesen, wenn man die beiden vorangegangenen Wortmeldungen vergleicht, die wir hier vonseiten der Regierungskoalition gehört haben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Herr Kollege Zimmermann, in diesem Fall könnten Sie durchaus etwas Nachhilfe durch die FDP vertragen.

Bei der Lektüre dieses Integrationsplans, Herr Justizminister, hat mir sehr gut gefallen, dass Sie das an den Anfang stellen, was in unserer Gesellschaft häufig zu kurz kommt, nämlich die vielen positiven Beispiele von Integration, die es in unserem Land eben auch gibt. Ich glaube, dass das besonders wichtig ist. Denn wenn Menschen, insbesondere junge Menschen, sich positiv entwickeln sollen, dann gelingt das vor allem durch gute Vorbilder. Diese jedoch findet man häufig nicht in Wohnvierteln, in denen nur Migrantinnen und Migranten leben, wo es soziale Probleme gibt, in Vierteln, aus denen diejenigen, die es „geschafft“ haben, sofort wegziehen. Dort fehlt den Jugendlichen oft das Beispiel dafür, dass Integration in unserer Gesellschaft auch funktionieren kann.

Insofern habe ich mich gefreut, als ich den Integrationsplan las; in ihm steht vieles Richtige drin. Aber die Schwierigkeit bei diesem Bericht ist, dass schon in der Analyse, in dem, was Sie als zentrale Aufgabe im Bereich der Integration formulieren, innerhalb der Landesregierung eine komplette Uneinheitlichkeit herrscht. So steht auf Seite 8 – ich zitiere –:

Dabei geht es nicht um eine einseitige Assimilation dieser Menschen, sondern um ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen und ein gegenseitiges Verständnis.

Das ist richtig.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Eben! Was ist jetzt daran schlecht?)

Aber statt dass wir in Baden-Württemberg genau diese Aufnahme- und Willkommenskultur – wie es an anderer Stelle heißt – praktizieren, wird in derselben Landesregierung, die hier solche Dinge voranstellt, im Innenministerium genau das Gegenteil produziert. Es werden Vorurteile und Misstrauen geschürt. Wer eingebürgert werden will, wird praktisch verdächtigt, Terrorist zu sein,

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt hört es auf! – Unruhe)

und der Innenminister ist so naiv, zu glauben, dass er mithilfe eines Fragebogens potenzielle Terroristen als solche entlarven kann. Das ist ein völliger Irrweg. Er führt überhaupt nicht zu mehr Sicherheit, sondern er führt dazu, dass Menschen sich zurückgestoßen fühlen und das Gefühl haben, dass man überhaupt kein Vertrauen in sie hat. Das, was diese Seite der Regierung tut, ist das Gegenteil der geplanten Integration.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb finde ich insgesamt, Herr Justizminister, dass es notwendig wäre, dass dieser Geist, der zumindest die Einleitung dieses Planes beherrscht, nicht nur in der kleinen FDP/DVPFraktion geteilt wird.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So klein sind wir auch wieder nicht!)

Es gibt ein paar praktische Handlungsanweisungen, die Sie dann auch befolgen könnten. Sie, Herr Kluck, haben davon gesprochen, dass Sie gern das kommunale Wahlrecht für diejenigen, die bei uns im Land leben, einführen würden. Bei uns in Baden-Württemberg sind fast drei Viertel der Ausländerinnen und Ausländer länger als acht Jahre hier im Land. Es wird höchste Zeit, dass sie die Chance bekommen, bei Kommunalwahlen mitzureden, auch wenn sie keine EU-Ausländer sind.