Jetzt komme ich zum geliebten oder ungeliebten Stuttgart 21. Ich habe ausdrücklich gesagt, Herr Ministerpräsident, dass ich die inhaltliche Debatte heute gar nicht eröffnen will. Das haben Sie jetzt aber gemacht. In der Haushaltsdebatte ging es mir erst einmal darum, dass Sie den Leuten reinen Wein über die Kostenrisiken einschenken, die auf uns zukommen. Renommierte Gutachten haben mit ihren Berechnungen schon den Transrapid zu Fall gebracht, weil er nicht finanzierbar war, und der Bundesrechnungshof hat dasselbe gemacht.
Wenn Sie auf dieses Projekt setzen und es mit aller Gewalt durchsetzen wollen – das ist ja offensichtlich der Fall –,
(Ministerpräsident Günther Oettinger: Warum „Ge- walt“? Was heißt Gewalt? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Im Interesse des Landes! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Mit breiter demokratischer Mehr heit! Die demokratische Mehrheit ist keine Gewalt! Sie geht vom Volke aus!)
dann sind Sie dem Parlament und der Bevölkerung Rechenschaft darüber schuldig, wie Sie die Kostenrisiken einschätzen. Die Vortragungen des Instituts Vieregg-Rößler sowie des Bundesrechnungshofs sind in keiner Weise widerlegt. Da wird man doch verlangen können, dass Sie, dass die Bahn oder wer auch immer klare Gegenfakten auf den Tisch legen, die das entkräften. Das ist bisher nicht geschehen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Doch! Natürlich ist das passiert! Grundfalsch! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Unru- he)
Noch eins: Jetzt haben Sie ja auf einmal den Lärm entdeckt. Auch der Kollege Drexler hält dazu Vorträge. Damit haben Sie ganz danebengegriffen.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das sagen Sie einmal den Leuten im Neckartal! Das ist der größte Un- fug!)
(Lachen des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was? – Abg. Stefan Mappus CDU: Das halte ich jetzt für etwas gewagt!)
Die Güterzüge – Sie wissen genau, dass bei der Rheintalstrecke der Güterverkehr der Stein des Anstoßes ist – werden genau wie bisher über diese Strecke laufen – mit nur einem Unterschied: Hätte man einen Kopfbahnhof gebaut und die Linienführung nach unserem Konzept gestaltet, wären neue Lärmschutzmaßnahmen angesagt gewesen.
Das wird jetzt nicht der Fall sein. Die Güterzüge, die den Hauptlärm verursachen, fahren dort nach wie vor. Das war ein wenig überzeugendes Argument.
(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Ulrich Lusche CDU: Einzelplan! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Bildung ist das Brot der Armen!)
Zur Kleinkindbetreuung haben Sie, Herr Ministerpräsident, vor etwa 14 Tagen selbst gesagt: Es geht zu langsam. Deswegen wollten wir zusätzliche Mittel vom Landeserziehungsgeld in die Kleinkindbetreuung umwidmen, damit die Kommunen schneller als geplant in ausreichendem Maß Angebote der Kleinkindbetreuung zur Verfügung stellen können. Das ist von Ihren Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
Zweitens: Ganztagsschulen. Wo Ganztagsschule draufsteht, muss auch Ganztagsschule drin sein. Ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Wir haben jetzt ein riesiges Strukturprogramm, über das wir Gebäude aufrüsten können – energetisch sanieren, aber auch umgestalten, wie es heute für eine moderne Pädagogik erforderlich ist. Es heißt ja: Der Raum ist der dritte Pädagoge.
Entscheidend aber ist immer noch die Software: Wer unterrichtet, wie und nach welchem pädagogischen Konzept unterrichtet er? Ihre Ganztagsschulen sind keine echten Ganztagsschulen mit einem rhythmisierten Lehr- und Lernkonzept,
sondern der Nachmittag besteht eigentlich aus Betreuung – besserer Betreuung. Sie stellen die entsprechenden Deputate gar nicht zur Verfügung.
Wir kommen also nicht weiter, indem wir nur in die Gebäude investieren. Selbst wenn man im Klassenzimmer weniger Energie verbraucht, wird man davon nicht schlauer –
Drittens: G 8. Zum G 8 ist einfach noch einmal zu sagen: Wir haben jetzt noch einmal schwarz auf weiß zu lesen bekommen, dass z. B. Migrantenkinder extrem schlechte Chancen haben, ins Gymnasium zu kommen.
Da wird es doch – erstens – wohl möglich sein, in einem Gymnasium zwei Geschwindigkeiten anzubieten, ohne das G 8 grundsätzlich über den Haufen zu werfen. So könnten Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten und unterschiedlicher Herkunft zwei unterschiedlich schnelle Wege beschreiten, um zum Abitur zu kommen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie können doch auf berufliche Gymnasien ge- hen!)
Diese Möglichkeit haben Sie aber durch die entsprechenden Notenvorgaben gedeckelt, sodass nicht alle, die da hinwollen, auch hinkönnen.
(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Gegen- ruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Kein Rechts- anspruch!)
Lassen Sie mich schließen: Herr Ministerpräsident, Sie haben noch einmal auf den Ingenieur- und Fachkräftemangel in der Zukunft hingewiesen. Genau dazu haben wir einen Vorschlag gemacht, um durch Anpassung die Qualifikationen der Migranten zu gewährleisten. Denn derzeit werden bestimmte Ab
schlüsse von Migranten, die in Russland oder wo auch immer studiert haben, überhaupt nicht anerkannt, sodass sie sich niederqualifizierte Jobs suchen müssen. Wir sollten diese Qualifikationen durch Anpassung auf den Stand heben, dass wir die se Migranten auch in die gehobenen Berufe, z. B. Ingenieurberufe, bringen können, wo wir sie dringend brauchen. Wir haben dazu Haushaltsanträge gestellt, die in den Ausschussberatungen alle von den Koalitionsfraktionen abgelehnt worden sind.
Herr Ministerpräsident, machen Sie einmal den Versuch, die Dinge dann aufzunehmen, wenn sie auf dem Tisch sind, und warten Sie nicht, wie bei der Migrantenförderung, wieder zwei Jahre, bis endlich die notwendige Reaktion erfolgt. Wenn Sie das endlich machen und Ihren Kultusminister dazu bringen, dass er den Dingen nicht immer zwei Jahre hinterherläuft, sondern sofort reagiert, dann wären wir einen erheblichen Schritt weiter.
(Abg. Ute Vogt SPD: Nee, jetzt, Leute! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Korrektur angesagt!)