Wie aber sieht die Realität aus? Für jede Stelle, die aus dem Programm „Hochschule 2012“ neu hinzukommt, muss eine bereits bestehende Stelle mit einem k.w.-Vermerk versehen werden. Schon heute werden Stellen, die erst in Jahren frei werden, faktisch gestrichen. Damit werden unsägliche Diskussionen, Streit und Missgunst in die Hochschulen, Institute und Abteilungen hineingetragen. Statt mit dem Programm „Hochschule 2012“ neue Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen und neuen Schwung in die Hochschulen zu bringen, wird der Aufwuchs an Studienplätzen mit Klein-Klein-Gerangel belastet.
Nun kommen zu allem Ärger noch die Folgen eines Beschlusses hinzu, den wir in diesem Haus hier gern mitgetragen haben. Ich spreche von der Geschwisterregelung bei den Studiengebühren. Nicht jeder kann es wissen: Diese Regelung besagt, dass ab dem dritten Kind – unabhängig davon, ob die beiden anderen studieren oder eine andere Ausbildung machen – keine Studiengebühren mehr bezahlt werden müssen.
Ab dem dritten Kind also keine Studiengebühren mehr! Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und der FDP/ DVP-Fraktion, Sie sind auf dem richtigen Weg. Mit dieser Regelung haben Sie nämlich eingestanden, dass Studiengebühren zumindest ab dem dritten Kind unsozial sind.
(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Schon vorher! Ab dem ersten Kind! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Wir verbessern ständig!)
(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Sie sor- gen für die Verbesserung der Studienbedingungen! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)
Ich erwarte es in der Tat nicht von Ihnen, aber eigentlich ist der Weg zu der Einsicht jetzt nicht mehr weit, dass auch Studiengebühren für das erste und das zweite Kind unsozial sind.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie hätten schon heute die Möglichkeit, diese Einsicht zu zeigen, wenn Sie unserem Antrag auf Abschaffung der Studiengebühren und deren Ersatz durch Haushaltsmittel zustimmen.
(Abg. Werner Pfisterer CDU: Und woher kommen die? – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Aus dem Haushalt!)
Diese Geschwisterregelung, meine Damen und Herren, räumt auch mit einem anderen Märchen auf, das so gern von Ihnen erzählt wird, nämlich mit dem Märchen, dass die Gebühren
in Baden-Württemberg durch das Kreditsystem faktisch zu nachlaufenden Studiengebühren würden und dadurch niemand am Studium gehindert werde.
Kollege Pfisterer hat es hier gerade auch noch einmal so schön, aber leider schön falsch, vorgetragen. Wenn es wirklich so wäre, meine Damen und Herren, dann gäbe es überhaupt keinen Grund, jetzt die Gebühren ab dem dritten Kind abzuschaffen,
denn jeder – ob das erste, das zweite, das dritte oder das vierte Kind – könnte später ja gut verdienen und diesen Kredit wieder zurückzahlen.
Sie befreien aber das dritte und jedes weitere Kind, weil Sie einsehen, dass dieses Kreditsystem über die L-Bank gescheitert ist. In Wirklichkeit bezahlen nämlich nicht die Studierenden, sondern die Eltern, die Großeltern, die Familien die Studiengebühren.
(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Genau! Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Werner Pfis terer CDU)
Dies, meine Damen und Herren, ist aus unserer Sicht ein wirklich bemerkenswerter Paradigmenwechsel. Diese Änderung Ihrer Einstellung hat gute Gründe. Sie haben es nämlich bis heute nicht geschafft, das bei der Einführung der Studiengebühren versprochene Stipendiensystem auch nur ansatzweise zu realisieren. Sie stehen vor einem Debakel, was die Studiengebühren und die Studiengebührendarlehen anbelangt.
Ich gebe zwar zu, dass die 5,5 %, die die Studierenden bei der L-Bank an Zinsen bezahlen müssen, deutlich günstiger sind als die 9 % beim SoFFin, aber die Darlehen werden eben trotzdem nicht angenommen. Wir haben einen neuen Tiefststand an Studiengebührendarlehen.
Sie wollten Sozialverträglichkeit durch Verschuldung herstellen. Diese Ideologie fliegt Ihnen jetzt um die Ohren. Jetzt geht es so langsam auf die nächste Landtagswahl zu, und Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, haben realisiert, wie Koch in Hessen mit den Studiengebühren auf die Nase fiel.
Die hessische CDU, die hessische FDP sind zur Vernunft gekommen – sie wollen keine Studiengebühren mehr.
(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Dr. Klaus Schüle: Die Studiengebühren sind vor der letzten Landtags- wahl eingeführt worden!)
In Hessen wurden die Studiengebühren abgeschafft. Das ist eine gute Geschichte, und Hessen wird sie nicht wieder einführen.
Nun komme ich noch einmal auf diese Geschwisterregelung zurück. Mit der Geschwisterregelung haben Sie auf einmal Ihr familienpolitisches Gewissen entdeckt.
(Abg. Werner Pfisterer CDU: Kann man einmal die positiven Effekte darlegen? – Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)
Im Ausschuss kam es – wir haben ja darüber diskutiert – zu hektischen, überstürzten Gesetzesbeschlüssen,
ohne die finanziellen Folgen dieser Änderungen zu bedenken. Ich sage Ihnen jetzt, welche finanziellen Folgen diese kleine Gesetzesänderung hat.
Universität Freiburg: Mindereinnahmen in diesem Jahr: 3 Millionen € durch diese Regelung. Universität Stuttgart: Mindereinnahmen von 2 bis 3 Millionen €. PH Heidelberg: Mindereinnahmen 1,5 Millionen €. Hochschule Heilbronn: Die Einnahmen aus Studiengebühren sinken um 30 %. Universität Tübingen: im Moment minus 5 %.
Meine Damen und Herren, das alles sind Mittel, mit denen die Hochschulen eigentlich gerechnet hatten. Sie stehen im Haushaltsplan, den wir heute diskutieren. Dieser Haushaltsplan für die einzelnen Universitäten, für die Hochschulen, die PHs ist heute, wenn er beschlossen wird, schon Makulatur.
Sie beruhigen Ihr schlechtes familienpolitisches Gewissen auf Kosten der Hochschulen; Sie lassen sie mit diesen Mindereinnahmen allein und schauen dann, wie die Dinge vor sich hinlaufen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sie wollen nur Schulden machen! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Ihr seid die größten Schuldenmacher!)
Meine Damen und Herren, es wäre nur anständig, wenn Sie zumindest die durch die Geschwisterregelung entstehenden Mindereinnahmen der Hochschulen durch Haushaltsansätze ausgleichen würden.
Die Hochschulen haben ja mit diesen Einnahmen geplant. Woher soll denn dieses Geld jetzt kommen? Das wäre fair; das ist das Mindeste, was ich von Ihnen erwarte. Deswegen, meine Damen und Herren, nochmals unsere Aufforderung: Stimmen Sie unserem Antrag auf Abschaffung der Studiengebühren zu; ersetzen Sie diese Einnahmen durch Haushaltsmittel.
In den nächsten Jahren wird es weitere Vorschläge geben, wie das zu finanzieren ist. Geben Sie Hochschulen die Finanzmittel, die sie brauchen, und zwar ohne bürokratischen Aufwand.
(Abg. Werner Pfisterer CDU: 180 Millionen €! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Völlig unseriös! Peinlich!)