Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Hören Sie einfach einmal kurz zu! – Würden Sie einmal die Hauptschulrektoren befragen, statt sie ständig vorzuladen, würden Sie eine andere Antwort bekommen. Ich kenne keinen einzigen Hauptschulrektor und auch keine einzige Hauptschulrektorin oder einen Hauptschullehrer, die Ihren Gesetzentwurf gut finden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir kennen viele! – Abg. Volker Schebesta CDU: Soll ich Ihnen einmal ein paar Telefonnummern geben?)

Wenn Sie jetzt sagen – Sie haben es gerade versucht –, fünf Ablehnungen des Gesetzentwurfs stünden 13 grundsätzlichen Zustimmungen gegenüber – so wird es groß im Gesetzentwurf angekündigt –, so haben Sie natürlich nichts darüber gesagt, wie die zahlenmäßige Verteilung ist. Ich will Ihnen z. B. die Eltern zitieren. Der Landeselternbeirat lehnt Ihren Gesetzentwurf zur neuen Werkrealschule klipp und klar ab. Der Landes elternbeirat begründet dies auch und spricht deutlich von einer fehlenden Notwendigkeit einer neuen Schulart.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was heißt das für Ihre Regionalschule?)

Ich füge hinzu: Jede dritte Hauptschule ist schon heute Werk realschule.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt doch nicht!)

Wenn Sie versuchen, das als durchgängigen Bildungsgang zu gestalten, dann ist dies nichts anderes als eine Mogelpa ckung.

Ich will Ihnen einmal vortragen, was der Landeselternbeirat – das steht genau in der Drucksache – wörtlich ausführt, damit Sie dies erkennen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben wir selbst gelesen! Wir können doch selbst lesen! Wir sind alle gebildet!)

Nein, Sie können offensichtlich nicht lesen, Herr Röhm; aber das ist Ihr Problem.

(Zuruf von der CDU: He, he!)

Der Landeselternbeirat sagt:

Da die „neue“ Werkrealschule wieder nur bei Erreichen eines bestimmten Notendurchschnitts den Besuch der 10. Klasse vorsieht – –

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Dieses niveaulose Ge- schwätz von Ihnen!)

Nein, ich zitiere den Landeselternbeirat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben wir al- les schon gelesen!)

Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, was der Landeselternbeirat sagt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Können Sie sich ent- schuldigen? Sie haben Herrn Röhm beleidigt! – Ge- genruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mich kann niemand beleidigen!)

Da die „neue“ Werkrealschule wieder nur bei Erreichen eines bestimmten Notendurchschnitts den Besuch der 10. Klasse vorsieht, sieht der Landeselternbeirat keine zusätzlichen Chancen für die Kinder, einen mittleren Bildungsabschluss zu erwerben.

Vor allem für schwächere Hauptschüler bietet die „neue“ Werkrealschule keinerlei Vorteile.

Recht hat der Landeselternbeirat. Ihr Konzept geht zulasten der schwächeren Hauptschüler und der einzügigen Hauptschule. Das sind die Verlierer, meine Damen und Herren.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Vor allem durch die vielen zusätzlichen Stunden! Die waren zur Schwächung! – Zuruf: So ein Quatsch!)

Eltern, Hauptschulen, Rektoren, der Hauptpersonalrat, die direkt Betroffenen, im Übrigen auch der Baden-Württembergische Handwerkstag, lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. Das Netzwerk „In einer Schule gemeinsam lernen“, in dem übrigens über 25 Organisationen mit mehreren 100 000 Mitglie

dern tätig sind – wenn Sie das einmal zur Kenntnis nehmen würden –,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Lesen Sie die Zustim- mung auch noch vor!)

widerspricht auch Ihrer Behauptung, dass sich die große Mehrheit der befragten Verbände und Organisationen zustimmend zur neuen Werkrealschule äußern.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Lesen Sie die Zustim- mung auch noch vor, oder sollen wir es nachher ma- chen?)

Die Wirklichkeit spricht also eine völlig andere Sprache, vor allem die Betroffenen. Niemand von denen will die Werkrealschule; denn sie löst die Probleme nicht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kommen Sie ein- mal zu den anderen, die sie wollen!)

Zahlreiche Schulschließungen werden die Folge Ihrer Politik sein. Ich finde es schon bemerkenswert, dass sich der Herr Minister hier hinstellt und sagt, dass keine Schule gegen das Votum des Schulträgers geschlossen wird. Diese Schulen werden schlichtweg ausgehungert werden; sie bekommen weniger Lehrerstellen

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ach Quatsch!)

und werden daher letztendlich keine Zukunft haben.

Sie wollen – das haben Sie gerade gesagt – eindeutig die Zweizügigkeit und wollen Schulen zusammenlegen. Schulzusammenlegungen nach diesem Vorschlag sind aber letztendlich lediglich ein Zufallsergebnis und führen zu größeren Klassen, so wie wir es übrigens auch bei den Realschulen und bei den Gymnasien erleben.

Auch die Aufteilung der Werkrealschule auf verschiedene Standorte zeigt das Dilemma, in dem Sie stecken. An mehreren Standorten soll es eine Schulleitung geben. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf auch deutlich gesagt, dass es ein Einsparmodell ist. Sie haben gesagt, dass Kosten gespart werden. Vor einiger Zeit haben Sie von dieser Stelle aus gesagt: Ein Drittel geht in die Schulen oder verbleibt bei den Schulen, ein Drittel geht in die Schülerbeförderung, und ein Drittel wird zur Deckung des Landeshaushalts verwendet. Das ist das, was Sie tatsächlich wollen.

Statt Schulen zu schließen, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP/DVP, sollten Sie die Schule im Dorf lassen und die Rahmenbedingungen verbessern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: In Form der Regi- onalschule!)

Der Gemeindetag und der Städtetag haben in der Anhörung im Übrigen gefordert, dass kommunale Lösungen zur Stabilisierung der einzügigen Hauptschule zugelassen werden. Wir von der SPD-Landtagsfraktion hatten am Freitag eine Anhörung hier in Stuttgart. Beide Vertreter – sowohl vom Gemeindetag als auch vom Städtetag – haben sich eindeutig dafür ausgesprochen, vielfältige Lösungen zuzulassen, die Sie leider ablehnen.

Geben Sie also den Schulen die Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern an ihrer Schule einen echten Realschulabschluss anzubieten. Maßgeschneiderte Lösungen vor Ort, wohnortnahe Schulen mit einer individuellen Förderung, sind allemal besser als das, was Sie hier mit einem Schülertourismus vorsehen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Dass so etwas auch in Baden-Württemberg funktionieren kann – Herr Röhm, vielleicht erkundigen Sie sich einmal –, haben wir an einigen Schulen erfahren dürfen. Gehen Sie z. B. an die einzügige Hauptschule nach Bergatreute,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kommen Sie zum Gymnasium in Münsingen!)

und schauen Sie sich dies einmal an.

Dass Sie es mit dem mittleren Bildungsabschluss nicht so ganz ernst nehmen, sieht man auch daran, dass Sie bei der Grundschulempfehlung Hauptschule und Werkrealschule nach wie vor gleichsetzen und eben nicht die Werkrealschule mit der Realschule als Bildungsempfehlung aussprechen. Deswegen ist der richtige Weg – das sage ich Ihnen –, den Sie eigentlich gehen müssten, eine Schule zu schaffen, die mehr Möglichkeiten bietet, um tatsächlich länger gemeinsam zu lernen. Schaffen Sie auch diese unsinnige Grundschulempfehlung ab, und setzen Sie stattdessen auf eine qualifizierte Beratung!

Es gibt noch einen Unsinn, der neben dem Schülertourismus, der entstehen wird, in Ihrem Gesetzentwurf drinsteckt. An den beruflichen Schulen wird es notwendig sein – das hat Ihnen auch der Landkreistag vorgerechnet und bei Ihrer Anhörung geschrieben –, Neubauten zu erstellen. Sie werden nicht umhinkommen, weitere Räume zu schaffen, während häufig frisch sanierte, gute Häuser der Hauptschulen in den Kommunen leer stehen werden. Das ist ein Unding, meine Damen und Herren.

Im Übrigen werde ich sehr genau hinschauen, wie Ihr Konzept „Drei Tage Hauptschule, zwei Tage Berufsschule“ funktionieren wird. Es wird aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler keine ordentliche Bindung an eine Schulart mehr geben. Der Landkreistag sagt eindeutig: Dies führt zu Friktionen in der Praxis. Hören Sie also auf solche Einwände, hören Sie auf den Landeselternbeirat, der deutlich sagt: Eine stärkere berufliche Orientierung – die im Kern nicht falsch ist, die auch wir wollen – ist kein Argument, um eine Werkrealschule einzuführen. Wir haben im Gegenteil hervorragende Konzepte, gerade auch an einzügigen Hauptschulen, die belegen, wie es gelingt, Schülerinnen und Schüler auf den Beruf vorzubereiten und die berufliche Orientierung wirklich sehr ernst zu nehmen.

Deswegen kommen wir zu dem Schluss: Dieser Gesetzentwurf macht keinen Sinn. Er ist eine Verschlechterung unserer Schullandschaft.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das stimmt doch nicht!)

Der Landeselternbeirat, der Baden-Württembergische Handwerkstag und viele andere lehnen die neue Werkrealschule

eindeutig ab. Sie sollten auf die Fachleute hören, Sie sollten auf diejenigen hören, die tagtäglich da drinstecken, nicht im Gymnasium stecken, sondern mit den Hauptschulen zu tun haben, mit den Schülerinnen und Schülern zu tun haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Um Gottes wil- len!)

Dann würden Sie zu einem anderen Ergebnis kommen. Deswegen sage ich Ihnen: Nehmen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück!