Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 70. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Aus dienstlichen Gründen haben sich für heute Nachmittag Herr Staatssekretär Fleischer und Herr Minister Professor Dr. Reinhart entschuldigt.
Meine Damen und Herren, heute hat unser Kollege Werner Wölfle Geburtstag. Ich werde ihm gratulieren, sobald er hier eingetroffen ist.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie eine Vorschlagsliste der Fraktion der FDP/DVP für Umbesetzungen im Europaausschuss und im Ausschuss nach Artikel 62 der Verfassung (Anlage). Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ebenfalls vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Auch das ist so beschlossen.
1. Mitteilung des Finanzministeriums vom 23. Juni 2009 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Be- schlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Drucksache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziff. II Nr. 6); Haushaltsjahr 2009 (Januar – März) – Drucksache 14/4681
2. Mitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 23. Juni 2009 – Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu einem Beschluss des Landtags; hier: Überprüfung von Datenabgleichen durch den Landesdatenschutzbeauftragten – Drucksache 14/4675
zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 2007 – Drucksachen 14/4700 bis 14/4727
Aktuelle Debatte – Steuerpolitik in der Krise braucht Glaubwürdigkeit – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Die Redezeit beträgt fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Ausführungen in der zweiten Runde.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir derzeit seitens der CDU in der Steuerpolitik erleben, ist ein einziger steuerpolitischer Wirrwarr.
Ministerpräsident Böhmer verlangt Steuererhöhungen, Frau Merkel und Herr Ramsauer bekräftigen derweil entschieden, aber unbestimmt, man werde die Steuern senken. Der eine dreht an dieser Steuerschraube, der andere an jener. Die wil desten Beiträge dazu liefern Sie, Herr Ministerpräsident Oettinger.
Erst schließen Sie jede Art von Steuersenkungen aus, dann schwingen im Festzelt tausend Wirte ein 7-%-Fähnchen, und der dadurch entstandene Wind war offensichtlich so stark, dass es Sie gleich umgeblasen hat.
Sie knicken ein und versprechen den Wirten eine Halbierung des Mehrwertsteuersatzes bei Gaststättenessen. Dann packt Sie aber aufgrund dessen, was da im Bund los ist, die Panik. Jetzt wollen Sie den erniedrigten Mehrwertsteuersatz auf einmal auf 9,5 % erhöhen.
Ich spitze es einmal zu: Diejenigen, die Kinderbücher kaufen und die beim Lidl ihre Lebensmittel einkaufen, sollen denen, die in der „Wielandshöhe“ essen gehen, das Essen subventionieren.
Für dieses Durcheinander gibt es allerdings einen tieferen Grund: Sie haben die Orientierung verloren, weil Sie die Fakten und die Wirklichkeit offenbar nicht mehr wahrnehmen.
Meine Damen und Herren, „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit“ – wenn ich Ihren Vorgänger Erwin Teufel zitieren darf.
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das war Kurt Schuma- cher! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das hätten Sie früher nicht gemacht!)
Ich füge hinzu: Glaubwürdige Politik kann überhaupt nur auf der Grundlage der Wirklichkeit entstehen.
CDU und FDP schlagen Steuersenkungen vor. Schauen wir die Wirklichkeit an. Sie sieht so aus: Die aktuelle Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres prognostiziert Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte von sage und schreibe 316 Milliarden € bis 2012. Dazu kommen erhebliche Mehrausgaben aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise. Zwei Konjunkturpakete sind beschlossen worden und werden kreditfinanziert. Der Beitragssatz zur Krankenversicherung wurde aus Steuermitteln subventioniert. Der Bundesanstalt für Arbeit müssen 20 Milliarden € aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden, und die öffentlichen Banken mussten in Bund und Ländern mit Milliardenbeträgen gestützt werden. Dazu kommt noch – was wir immer kritisiert haben – das Engagement zur Rettung von Unternehmen wie Opel oder Quelle. Mittelfristig – das haben Sie im Finanzausschuss selbst erläutert – kommen allein durch den demografischen Druck gewaltige Lasten und Kosten auf die sozialen Sicherungssysteme zu. Ich erinnere nur an die Pensionslasten des Landes.
Ich erinnere ferner daran: Schon ab 2010 gibt es massive Steuersenkungen, weil das Bundesverfassungsgericht bei der Absetzbarkeit von Vorsorgeaufwendungen eine Änderung der bisherigen Regelung verlangt. Es gibt bis 2013 schon eine massive Steuerentlastung von 40 Milliarden € für genau die Personengruppe, die Sie von der sogenannten kalten Progression entlasten wollen.
Ich sage Ihnen: Wer den Menschen in Deutschland vor diesem Hintergrund, angesichts dieser klaren Fakten Steuersenkungen verspricht, egal, ob heute, 2011 oder 2013, handelt völlig unglaubwürdig.
Eine Tageszeitung – es war weder die „taz“ noch die „Frankfurter Rundschau“, noch die Mitgliederzeitschrift der Grünen, sondern die „Financial Times“ – hat das als „die große Steuerlüge von CDU und FDP“ bezeichnet. Dem kann man sich nur anschließen.
Die OECD prognostiziert für Deutschland für das Jahr 2014 eine BIP-Schuldenstandsquote von 91 %. Das ist eine Zunahme um 24 Prozentpunkte. Heute haben wir 67 %. Bei einem langfristigen Zins von 4 % landen wir in der Mitte des nächs ten Jahrzehnts bei 0,96 % des Bruttoinlandsprodukts. Das ist der Schuldendienst. Der Anteil des Bundes ist die Hälfte; das sind 0,48 %. Aber die Schuldenbremse in der Verfassung sieht ab 2016 für den Bund lediglich eine Schuldenaufnahmemöglichkeit von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts vor. Das heißt, Sie können ohne Steuersenkungen dieses Ziel schon nicht erreichen.
Jetzt den Menschen auch noch Steuersenkungen zu versprechen bedeutet nichts anderes als eine Aufforderung zu einem späteren Verfassungsbruch und gefährdet die „innere Sicherheit“ unserer Finanzverfassung.
Wir Grünen wollen das nicht. Wir wollen auch nicht künftigen Generationen noch höhere Schuldenlasten aufbürden. Herr Mappus und Herr Rülke sowie die ganze CDU-Spitze, Sie verbrennen mit dieser Politik die Zukunftschancen junger Menschen.
Herr Ministerpräsident, statt für Klarheit zu sorgen, schwanken Sie selbst wie das Fähnchen im Festzelt. Wie wollen Sie, ob im Land oder im Bund, noch einen klaren, verlässlichen Kurs einfordern? Wer wird auf Sie hören, wenn Sie jetzt in Hamburg wieder Steuersenkungen ausschließen? Oder wird das CDU-Wahlprogramm in Baden-Württemberg nur mit geschwärzten Passagen verteilt?