Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rivoir das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind der CDU-Fraktion dankbar für diese Anfrage, gibt sie uns doch die Gelegenheit, über die massiven Probleme im ganzen Land mit dem doppelten Abiturjahrgang 2012 zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nun legen Sie einmal los! Welche?)

Es ist wichtig, dass wir darüber reden. Denn die Eltern und Schüler schauen zu Recht und mit großer Sorge auf dieses Jahr. Die Fragen, die die CDU in ihrer Anfrage gestellt hat, sind die richtigen. Die Antworten jedoch, meine Damen und Herren, kommen aus einer anderen Welt. Diese Antworten zeugen von Schönfärberei und Realitätsferne und haben nichts mit der Frage zu tun,

(Abg. Jörg Döpper CDU: Was die Opposition meint!)

welche Probleme es im Zusammenhang mit diesem doppelten Abiturjahrgang an unseren Schulen und Hochschulen tatsächlich gibt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Von welchem Ulmer Gymnasium sprechen Sie?)

In der uns vorliegenden Drucksache wird detailliert aufgezeigt, welche negativen Auswirkungen die Beschlüsse zum „Zwangs-G-8“ im gesamten Bildungssystem haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie haben dem doch zugestimmt!)

Das Chaos wälzt sich durch alle beteiligten Institutionen. Auch heute, im sechsten G-8-Jahr, klagen Eltern, Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer massiv über die Zustände an den Schulen im Rahmen des G 8. Eine ganze Generation von Schülerinnen und Schülern ist davon betroffen und hat die Folgen Ihrer Beschlüsse zu tragen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Welche Zustände? Nennen Sie doch einmal ein paar Beispiele!)

Sie haben die Weichen falsch gestellt und nicht auf unsere frühzeitigen Warnungen gehört. Was noch schlimmer ist: Sie haben alle Verbesserungsvorschläge der Betroffenen ignoriert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Lauter Allgemein- plätze!)

Sie haben die Schulen mit der Einführung des G 8 im Prinzip alleingelassen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zwangs-G-8!)

Sie haben die Kommunen mit der daraus folgenden Raumnot alleingelassen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Luft holen! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Der holt gar nicht Luft!)

Jetzt helfen Sie unseren Hochschulen nur halbherzig bei der Bewältigung dieser anstehenden Probleme.

Meine Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, zunächst hat sich das Programm „Hochschule 2012“ ganz gut angehört. Noch schnell vor der letzten Landtagswahl wurde dieses Programm öffentlichkeitswirksam präsentiert.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das ist die Rede vom letzten Jahr!)

Die Wirtschaft hatte eine wichtige Rolle und hat maßgeblich mitbestimmt, wo, wann, was, wie ausgebaut werden soll. Jetzt, nach vier Jahren, kann man sagen: Mitbestimmt hat die Wirtschaft, mitbezahlt – wie es damals in den Raum gestellt wurde, um diese Mitbestimmung zu rechtfertigen – hat sie bis auf einzelne kleine Aktivitäten eigentlich nichts.

Verstehen kann ich diese Zurückhaltung der Wirtschaft durchaus. Denn warum sollte man für die Beseitigung von Missständen mitbezahlen, die wegen der geburtenstarken Jahrgänge auch demografisch bedingt sind, wenn die Eskalation des Problems erst durch Ihre hier im Haus gefassten Beschlüsse eingetreten ist?

(Beifall bei der SPD)

Wie uns der Minister gestern in der Regierungsbefragung gelangweilt nochmals verkündet hat, sollen also bis zum Jahr 2012 an den Hochschulen 16 000 neue Studienplätze geschaffen werden. Das ist zunächst durchaus die richtige Richtung. 16 000 zusätzliche Studienplätze – wir wissen es in der Zwischenzeit – sind jedoch auch nach Expertenmeinung zu wenig. Denn dieser Mangel, der sich da auftut, führt dazu, dass Studierwillige, die keinen Studienplatz bekommen, zunächst einmal eine Lehre machen und dadurch den Realschülern die Lehrstellen wegnehmen. Diese wiederum nehmen den Hauptschülern die Lehrstellen weg, und die schauen in die Röhre.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie wollen doch gar keine Realschule mehr!)

Auch das ist eine Folge Ihrer G-8-Politik.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, wie sieht es nun bei dem Programm „Hochschule 2012“ mit den Finanzen aus? Das ist das Entscheidende.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Bestens!)

Vom Land bekommen die Hochschulen für jeden neuen Studienplatz zwischen 8 000 und 12 000 €, und dies bei Kosten für einen solchen Studienplatz von 15 000 bis 35 000 €. Mit dem daraus entstehenden Delta, mit dieser Differenz, verschärft dieses Programm „Hochschule 2012“ im Prinzip die chronische Unterfinanzierung der Hochschullandschaft in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus!)

Diese Einschätzung wird sogar in der Stellungnahme des MWK zu einem Antrag von Abgeordneten unserer Fraktion bestätigt. Fast zynisch wird in der Stellungnahme des MWK

darauf hingewiesen, dass keine Hochschule dazu gezwungen war, an diesem Programm teilzunehmen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wissen Sie, wie das klingt? Das klingt so, als ob Sie einem Schiffbrüchigen mitten auf dem Meer ein bisschen Trinkwasser anbieten und dann sagen: Ich weiß gar nicht, warum du mehr davon willst, du hast doch genügend Wasser um dich herum.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist ja nicht einmal lustig! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Zu all diesen seit Jahren bekannten Finanzproblemen kommen dann auch noch die Kosten für die Umstellung im Rahmen des Bologna-Prozesses an unseren Hochschulen hinzu. Auch die Geschwisterregelung und Ihre Weigerung, die entstandenen Mindereinnahmen auszugleichen, verschärfen die Finanzsituation.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Seid ihr gegen die Geschwisterregelung? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sind Sie gegen die Geschwisterregelung?)

Ich bin nicht gegen die Geschwisterregelung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Also!)

Aber Sie hätten unsere Anträge mittragen müssen. Die Einnahmeverluste von bis zu 30 %, die den Hochschulen dadurch entstanden sind, hätten Sie ausgleichen müssen. Sie haben es verantwortet. Sie hätten ausgleichen müssen. Die Geschwis terregelung bringt 30 % weniger Gebühreneinnahmen für die Universitäten. Das hätte man ausgleichen müssen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Fahren Sie einfach einmal herunter.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sollten einmal sehen, wenn ich mich aufrege, mein Lieber! – Ver- einzelt Heiterkeit)

Könnten Sie sich einfach wieder einkriegen?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Weitermachen! – Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Jetzt lasst ihn doch weiterlesen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Le- sen Sie weiter!)

Meine Damen und Herren, noch ein letzter Punkt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Volker Schebesta: Geht es darin auch um Schule? Das ist ja furchtbar!)

Im Rahmen des Programms „Hochschule 2012“ und der Reak tion auf den doppelten Abiturjahrgang haben Sie es z. B. völlig versäumt, im sozialen Bereich, im Bereich der Wohnheime, in diesem Land etwas zu tun. Wir haben ein Programm für Wohnheimplätze in Baden-Württemberg gefordert.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wollen Sie die Stu- dierenden kasernieren?)

Sie haben nicht mitgemacht. Sie lassen Studentenwerke und Kommunen mit dieser ganzen Problematik allein.