Moment, Herr Schmiedel. Sie haben es nicht mitbekommen. Wir hatten vor wenigen Tagen die Verkehrsministerkonferenz in Heidelberg, und wir sind im Gegensatz zu der Zeit unter dem Amtsvorgänger des Kollegen Dr. Ramsauer, Tiefensee, jetzt einig, dass wir die Länderquote nicht ad infinitum weiterführen können, sondern eine bedarfsgerechte Finanzierung brauchen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie viele Milliarden kommen denn zusätzlich?)
Auf der einen Seite lacht mir bei dem Stichwort „bedarfsgerecht“ das Herz, auf der anderen Seite weint es, weil ich jeden Tag im Stau stehe. Unter dem Stichwort „bedarfsgerecht“ hat Baden-Württemberg alle Trümpfe in der Hand. Jeder Kaufmann ist gut beraten – ich meine in diesem Fall den Bund, ich meine aber auch die Bahn –, dort zu investieren, wo das Geld verdient wird. Ich sage jedoch: Es muss dort investiert werden, wo die Not am größten ist. Solange die Not auf unseren Straßen so groß ist, wie sie ist, wird das Thema Pkw-Vignette auf der Agenda bleiben müssen.
Ich bin weit entfernt von einer Neiddebatte. Diese hilft uns in dieser Republik nicht weiter. Politik beginnt beim Betrachten der Realitäten. Wir haben allen Grund, den Hebel umzulegen und bedarfsgerecht, nicht nach Länderquote, die Finanzausstattung des Bundes – – Sie, Herr Schmiedel, haben von 5 Milliarden € gesprochen, völlig zu Recht. 5 Milliarden € im Bedarfsplan, wie wollen wir das mit der herkömmlichen Finanzierung in den nächsten 30 Jahren auch nur halbwegs schaffen?
Im Übrigen, Herr Kollege Wölfle, bei aller Freundschaft: Dort, wo keine Schienen liegen, hat es keinen Wert, auf den Zug zu warten.
Jetzt kommt Kollege Kretschmann mit dem genialen Vorschlag, dass es auch noch Busse als Alternative gibt. Herr Kollege Kretschmann, auch dafür braucht man Straßen, so blöd das ist.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE: Aber wir haben schon welche! Wir leben nicht in einem straßenfreien Land!)
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aber Sie wis- sen schon, dass wir die meisten Straßen in ganz Eu- ropa haben!)
Das erinnert mich an den Minister, der sich darüber beklagt, dass er auf dem Weg nach Stuttgart schon wieder im Stau gestanden hat. Sein Kollege hat ihm geraten, er solle halt mit dem Taxi fahren.
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE meldet sich. – Glocke des Präsidenten – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er wollte ein Taxi bestellen! – Hei- terkeit)
Aber ich will dem Kollegen Schmiedel etwas entgegenhalten. Sie haben von intelligenter Verkehrslenkung, besserer Verkehrsinfrastruktur und Standspurfreigabe gesprochen. Ich fah re gelegentlich – nicht ich, sondern mein Fahrer – auf der Standspur. Ich kann Ihnen sagen, was man da erlebt. Mein lieber Schwan, das ist mit höchster Gefahr für Leib und Leben verbunden.
(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Erst muss man einmal eine Standspur haben! – Abg. Claus Schmie- del SPD: Man muss es halt steuern! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir machen es nicht mit Blaulicht!)
Es geht auch um die Interessen der Anlieger. Wir müssen die Standspuren erst einmal ausbauen. Dafür brauchen wir Geld. Dann müssen wir für Lärmschutz sorgen. Das gehört nämlich auch dazu. Auch dafür brauchen wir Geld.
Herr Kollege Kretschmann, wir wollen alle Tage sparen und brauchen doch alle Tage mehr; wir wissen das. Also es hilft nichts; wie Sie es auch drehen und wenden: Wir brauchen jetzt eine Zwischenlösung.
Herr Innenminister, Herr Abg. Kretschmann hat das Wort für eine Kurzintervention erbeten. Gestatten Sie diese?
Herr Minister, es dürfte Ihnen nicht verborgen sein – es ist schön, wenn es hier auch einmal lustig zugeht –, dass wir nicht mehr in der Römerzeit leben,
als man für den Straßenbau Schneisen in die Urwälder schlagen musste, damit der Fortschritt endlich kommt.
Wir haben das dichteste Straßennetz in Europa. Sie können selbst sehen, dass Sie schon mit dem Erhalt der Straßen, für die Sie zuständig sind, nicht hinterherkommen. Das heißt, selbst der Erhalt der bestehenden Straßen ist nicht mehr ordentlich finanzierbar. Das bestehende Straßennetz – von einigen noch ausstehenden Ortsumgehungen abgesehen – genügt.
Bei der Diskussion muss es um die Frage gehen: Wie können wir das bestehende Straßennetz so nutzen, dass keine Staus entstehen, und wie können wir erreichen, dass mehr Leute auf Bus und Bahn umsteigen und die Leute häufiger mit dem Fahrrad fahren und zu Fuß gehen? Die Vision der Zukunft ist, eine andere Art der Mobilität zu generieren und nicht einfach mit Straßenbau hinterherzulaufen – was die Umwelt schädigt, was mehr Verkehr anzieht und was Sie gar nicht bezahlen können.
Herr Kollege Kretschmann, selbstverständlich müssen wir alles tun, was unser Straßennetz entlastet. Das tun wir mit Staumanagement, das tun wir mit Baustellenmanagement.
Auf der anderen Seite, Herr Kollege Schmiedel: Wenn wir für eine Verbesserung, für eine Ertüchtigung des Verkehrsinfrastrukturnetzes eintreten, dann müssen wir auch bauen.
Dann müssen wir zumindest die Mittel, die wir bekommen, verbauen. Das tun wir, ohne das zu vernachlässigen, was Sie angesprochen haben, Herr Kretschmann.
Nur, wissen Sie: Wir haben gerade in Baden-Württemberg eine Zunahme der Verkehrsströme zu verzeichnen. Wir liegen jetzt im Fadenkreuz europäischer Verkehrspolitik. BadenWürttemberg liegt im Fadenkreuz europäischer Verkehrsströme – früher war es Nord-Süd, jetzt ist es Ost-West. Sollen wir uns abkoppeln, abschotten, wie auch immer? Der Verkehr läuft durch Baden-Württemberg. Das können wir eben nur bewältigen, wenn wir alles dafür tun, das Straßennetz, aber auch das Schienennetz – keine Frage – zu verbessern.
Da muss ich gerade noch einmal zu den Grünen sagen: Mich wundert und bedrückt es, wenn ausgerechnet die Grünen gegen das größte Schienenprojekt sind, das wir in Baden-Würt temberg haben.