Für uns von der FDP/DVP war von Anfang an klar: Die neue Werkrealschule wird nur dann ein Erfolg, wenn wir die Menschen vor Ort mitnehmen.
Schulträger und Schulleiter brauchen die nötige Flexibilität, sie brauchen den nötigen Handlungsspielraum. Dann können sie vor Ort ein Bildungsangebot machen, das passt, das akzeptiert und mitgetragen wird.
Wir haben deshalb den ursprünglichen Gesetzentwurf in diesem Sinn verändert, und wir halten mit Nachdruck an unserer Rechtsauffassung fest. Wir betonen noch einmal: Die Zweizügigkeit der neuen Werkrealschule kann an mehreren Standorten realisiert werden, horizontal und vertikal. Das gilt noch immer für die Klassen 8 und 9.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das wird aber nicht genehmigt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Rechtsauffassung bestimmt aber Herr Rau, die be- stimmen nicht Sie!)
Wir bringen hier eine Reform auf den Weg, die fast alle Kommunen in unserem Land tangiert. Wir sollten als Politikerinnen und Politiker den Mut haben, den Fachleuten vor Ort den nötigen Freiraum zu geben. Wir müssen nicht alles von oben bis ins Kleinste vorschreiben und regulieren.
(Abg. Walter Heiler SPD: Dann müsst ihr es nachher auch genehmigen! – Abg. Alfred Winkler SPD: Re- den wir vom selben Thema? Reden wir von Schu- le?)
Das Konzept der neuen Werkrealschule ist attraktiv mit seinen drei Kernelementen, nämlich der individuellen Förderung, der frühen und intensiven Berufsorientierung und dem mittleren Bildungsabschluss.
Wir haben uns über die treffende Formulierung von Herrn Mappus sehr gefreut – ich zitiere wieder –: „Wir bringen die mittlere Reife aufs Dorf.“ Genau das ist es, und das wollen auch die Eltern.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Wo ist denn da etwas Neues? – Abg. Walter Heiler SPD: Dann müsst ihr es auch machen!)
Aber – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen – der mittlere Bildungsabschluss muss für möglichst viele Schüler der Werkrealschule der Regelabschluss werden. Das bedeutet: Wir brauchen in diesem sechsjährigen durchgehenden Bildungsgang eine individuelle Förderung der Schüler von Anfang an, von Klasse 5 auf das Ziel „Mittlere Reife“ hin.
Hier bietet sich mir wieder die Gelegenheit, zu sagen – ich werde dabei nicht müde –: Es gibt eine Schule in unserem Land, die uns das beispielhaft vorführt: das Schulzentrum Amtzell.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat wieder einmal einen Antrag vorgelegt und zum x-ten Mal das gleiche Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt – alle vier Wo
chen wieder. Aber vielleicht hilft es ja, wenn wir Herrn Zeller noch häufiger unsere Argumente vortragen können. Vielleicht hat es irgendwann einen Wert.
Über „langfristige innovative Schulentwicklung“ will er im Parlament debattieren. Dabei bringt er seine eigenen Vorstellungen vor und distanziert sich von seinen früheren Äußerungen, wie es gerade gegenüber Frau Kollegin Arnold geschehen ist.
(Abg. Norbert Zeller SPD: Nennen Sie ein Beispiel, wo ich von „Restschule“ gesprochen habe! – Gegen- ruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Habe ich doch gesagt!)
Die moderne Technik macht es möglich. Kollege Hoffmann hat eben im Internet ein Zitat von Ihnen aufgespürt: Sie haben bei einer Veranstaltung in Waiblingen die Hauptschule als Auslaufmodell bezeichnet.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Schon lange macht er das! Er will sie gleichzeitig retten!)
Das geschah nicht erst jetzt in der aktuellen Debatte, sondern schon im Jahr 2007. Ihre Motive sind doch eindeutig. Sie geben hier vor, sich um Hauptschulen kümmern zu wollen. In Wirklichkeit halten Sie nichts von ihnen. Was Sie unter „langfristiger innovativer Schulpolitik“ verstehen, ist in Wirklichkeit eine immer wiederkehrende Variante der alten Einheitsschulideen, die Sie aufwärmen; diesmal geben Sie dabei vor, Standorte sichern zu wollen. Kollege Schebesta hat Ihnen in überzeugender Weise vorgerechnet,
dass diese Rechnung überhaupt nicht aufgeht, dass Sie den Leuten etwas vormachen. Aber man kann es ja einmal mit Überschriften versuchen, die dann einer Sachdebatte nicht standhalten.
Innovative Schulentwicklung findet in Baden-Württemberg seit vielen Jahren und an vielen Schulen statt. Sie selbst nennen im Übrigen immer wieder Beispiele. Sie sagen: Lassen Sie die Schulen machen. Dann nennen Sie Schulen, die etwas verändern, und tun so, als ob sie dies nicht dürften. Was glauben Sie, warum es diese Beispiele gibt? Weil sie es dürfen,
weil wir die Schulen Stück für Stück mit immer mehr Zuständigkeiten betraut haben, weil auf dem Weg zur eigenständigen Schule viel geschehen ist, weil wir mit den neuen Bildungsplänen eine völlig veränderte Grundlage für Unterricht geschaffen haben und dabei viel zusätzliche Verantwortung an die einzelne Schule gegeben haben. Deswegen gibt es so viele gute Beispiele von Schulen, die ihrer Verantwortung gerecht werden.
Sie sind nicht alle gleich schnell unterwegs. Das ist wohl richtig. Dafür sind die Bedingungen auch zu unterschiedlich. Aber
sie sind in die richtige Richtung unterwegs. Sie haben allen Grund, sich an guten Beispielen, die es in unserem Land zuhauf gibt, zu orientieren.
Der Anspruch, in der Schulentwicklung innovativ zu sein, ist eben nicht mit der Vorgabe verbunden, ein Einheitsschulsys tem einzuführen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ja!)
Die Namen der Bildungsforscher sind hier schon genannt worden. Ich will noch einmal Wilfried Bos, den Leiter des nationalen IGLU-Konsortiums, zitieren. Er hat bei einer Veranstaltung in Stuttgart – ich glaube, Sie waren sogar dabei – gesagt:
Wenn man ein anderes Schulsystem will, muss man das politisch begründen. Die Daten von IGLU und PISA geben für diese Entscheidung nichts her.
Wenn Sie sich die Auflistungen anschauen, dann sehen Sie Schulsysteme, die mit Ansätzen von Gesamtschulen arbeiten und erfolgreich sind, und Sie sehen solche, die sehr viel schlechter abschneiden als Deutschland. Sie sehen, dass Deutschland im letzten Jahrzehnt erhebliche Fortschritte erzielt hat und dass Länder wie Schweden abgestürzt sind. Kommen Sie doch nicht mit solchen Banalitäten, wie Sie sie uns immer wieder zumuten.