Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Die zweite Möglichkeit: Gleiches würde gelten, wenn man versuchen würde, die Einnahmen über Steuererhöhungen zu steigern. Tausende Arbeitsplätze könnten dadurch vernichtet werden. Genau das wollen wir allerdings verhindern. Das ist ein gemeinsames Anliegen dieses Parlaments.

Deshalb bleibt uns nolens volens nur der dritte Weg, der da heißt: eine vorübergehende, zeitlich begrenzte, verantwortbare Neuverschuldung. Aber umso mehr gilt es in diesem Haushalt nicht nur, wie wir früher sagten, das Notwendige, Machbare vom Wünschenswerten zu unterscheiden, sondern auch bei jeder Ausgabestelle genau zu prüfen, ob sie der Förderung der Konjunktur und damit der Sicherung der Arbeitsplätze dient.

Wie sehen die Rahmenbedingungen für die weiteren Monate aus? Die Talsohle scheint erreicht. Dies untermauern alle Umfragen der namhaften Wirtschaftsverbände und Forschungsinstitute. Die wirtschaftliche Entwicklung zeigt seit einigen Monaten nach oben. Auch die Exporte ziehen wieder an, wenngleich im Anschluss an ein ganz tiefes Niveau. Die Konjunkturindikatoren signalisieren überwiegend positive Geschäftserwartungen. Die Bundesregierung ging zum Zeitpunkt der November-Steuerschätzung für 2010 von einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 1,2 % aus. Die Sachverständigen erwarten 1,6 %. Dieser Tage gehen manche Institute – wohl nicht ganz unrealistisch – davon aus, dass wir 1,9 % erreichen können.

Trotzdem sage ich: Es ist viel zu früh für eine Entwarnung. Wir sind noch nicht über den Berg. Der konjunkturelle Aufschwung ist noch nicht gefestigt. Bei realistisch erwartbaren wirtschaftlichen Entwicklungen werden wir aus heutiger Sicht auch dann, wenn man ganz zuversichtlich ist, dennoch erst etwa im Jahr 2013 wieder das Niveau der Wirtschaftsleistung und der Steuereinnahmen des Jahres 2008 erwarten dürfen.

Für die Steuereinnahmen gilt – das ist wichtig für uns, die wir über die Ausgaben zu entscheiden haben –: Sie werden sich

natürlich erst zeitlich versetzt erholen. Das Delta zwischen den Ausgaben und den Einnahmen bleibt lange, sogar sehr lange bestehen. Dieses Delta wird uns noch gewaltig zu schaffen machen. Es kann – so hoffen wir alle – durch sich selbst tragendes Wachstum reduziert werden. Aber – das ist die zweite Botschaft – es muss daneben auch reduziert werden – dazu sind wir verpflichtet – durch Haushaltskonsolidierung, durch Schuldenabbau und durch Vorbereitung auf die Schuldenbremse, die wir nach dem Grundgesetz einzuhalten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Es ist erfreulich, dass internationale Beobachter nicht nur unsere Arbeitsmarktpolitik loben, sondern auch das rasche und gezielte Gegensteuern über die beiden Konjunkturprogramme. Das ist eine Chance, der Realwirtschaft zu helfen und zugleich auch eine Grundlage für neuen Aufschwung zu bieten.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Unternehmen und öffentlichen Stellen im Land danken, die zu einer vorbildlichen Umsetzung der Konjunkturprogramme in Baden-Württemberg – vorbildlich unter allen Bundesländern – beigetragen haben. Immerhin werden im Rahmen beider Konjunkturprogramme mehr als 5 600 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von ungefähr 2,4 Milliarden € umgesetzt. Baden-Würt temberg kommt bei der Umsetzung von ZIP und LIP planmäßig und zügig voran und wird auch in den Jahren 2010/2011 die Realisierung beider Programme erfolgreich fortsetzen.

Aber auch für das Jahr 2010 rechnen wir trotz eines zu erwartenden leichten Anstiegs der gesamtwirtschaftlichen Leistung mit einem erneuten Steuerrückgang. Die Bruttosteuereinnahmen werden sich nach der aktuellen Steuerschätzung auf 23,4 Milliarden € belaufen und damit um 5,7 % unter dem ohnehin schon niedrigen Ergebnis für das Jahr 2009 liegen. Die Nettosteuereinnahmen werden danach etwa 18,6 Milliarden € betragen; das sind 2,3 % weniger, als für das Jahr 2009 erwartet. Die Steuerdeckungsquote – eine ganz wichtige Zahl – des Haushalts 2010 liegt nach jetziger Einschätzung und Vorhersage nur noch bei historisch niedrigen 67 % gegenüber etwa 81 % im Jahr 2008. Das ist der niedrigste Wert der Steuerdeckungsquote seit 35 Jahren. Die Differenz von 14 Prozentpunkten entspricht rund 4,9 Milliarden €, die uns jetzt fehlen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wieso muss man dann noch Steuern senken?)

Meine Damen und Herren, für das Jahr 2011 können wir mit Steuereinnahmen von brutto 23,8 Milliarden € rechnen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sind da die Steuersenkungspläne schon eingerechnet?)

Das sind zwar 1,8 % mehr als im Jahr 2010, aber unter Berücksichtigung der Ausgleichssysteme bleiben nur 1,2 % mehr. Dabei muss man jedoch auch wissen: Man geht von dem Tiefststand des Jahres 2010 aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind einige der Rahmendaten

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sind da die Steuersenkungspläne schon eingerechnet?)

dazu komme ich gleich, Herr Kretschmann; nur Geduld – für den Staatshaushaltsplanentwurf 2010/2011, den ich Ihnen heute vorlege. Kurz gesagt: Wir stehen vor einer Finanzwirklichkeit, die uns alle gewaltig herausfordert.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Spielen Sie jetzt in der Champions League der Schuldenma- cher?)

Noch lange nicht. Auch darauf komme ich gleich zu sprechen, Herr Kretschmann. Ein bisschen Geduld! Es kann nicht alles auf einmal hier vorgetragen werden.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das deutete sich schon an! Ich weiß genau, was jetzt kommt! Nichts Gutes!)

Der Haushalt 2010/2011 ist ein Konjunkturhaushalt; er muss sogar ein Konjunkturhaushalt sein. Er stellt eine Reaktion auf die mit Abstand stärkste Rezession der Nachkriegsgeschichte dar. Wir müssen nach zwei Jahren ohne neue Schulden jetzt wieder an den Kapitalmarkt. Meine Damen und Herren, das ist alternativlos. Aber die neuverschuldungsfreien Jahre 2008 und 2009 haben im Lichte dieser Entwicklung noch mehr Bedeutung und Entlastungswirkung, als bisher angenommen wurde.

Zu Recht haben wir zur Aufstellung des Haushaltsentwurfs die Steuerschätzung im November abgewartet. Dadurch konnten wir dem Entwurf auch im Interesse der Beratung im Parlament viel mehr Solidität geben. Die parlamentarische Beratung erfolgt damit auf der Grundlage höchstmöglicher Aktualität und Klarheit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das stimmt doch nicht! Die Regierungsbeschlüsse sind doch gar nicht drin!)

Dennoch – das ist ganz wichtig, weil das Lamento immer zu hören war – beginnen wir mit der Beratung im Dezember, wie in all den vergangenen Jahren auch.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Schon das entspricht nicht der Verfassung!)

Herr Kollege Kretschmann, jetzt zu Ihrer Frage: Berlin wird uns weitere Veränderungen bescheren.

(Lachen bei der SPD und den Grünen – Abg. Rein- hold Gall SPD: Was heißt „Berlin“? CDU und FDP/ DVP hier! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Entschuldigung, mit Berlin sind Deutscher Bundestag und Bundesrat gemeint. Die sind noch immer in Berlin, wie ich weiß.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Ja, klar! – Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE: Sie bringen das! Nicht Berlin! Ihr schwarz-gelber Haufen! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Na, na, na!)

Die Eckdaten des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes sind bekannt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Aber bis in die heutigen Abendstunden wird verhandelt.

(Oh-Rufe von der SPD und den Grünen)

Kolleginnen und Kollegen, ich verschweige nicht, dass dieses Gesetz nach dem jetzigen Stand zu Mehrausgaben in Höhe von 170 Millionen € für das Jahr 2010 und zu Mehrausgaben in Höhe von 270 Millionen € für das Jahr 2011 führen wird. Diese Mehrausgaben müssen im Zuge des parlamentarischen Verfahrens in diesen Haushalt eingearbeitet werden. Das ist ein offenes Geheimnis, um das es keine Deutung geben kann.

(Lachen des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE – Un- ruhe)

Sobald dann Endgültiges feststeht, werden wir im Zuge des weiteren parlamentarischen Verfahrens diese Zahlen in den Haushaltsentwurf einarbeiten. Da dürfen Sie auch der Fantasie keine Grenzen setzen, egal, von wem die Vorschläge kommen. Ich habe gehört, dass sich unser Koalitionspartner neuerlich Gedanken darüber macht, wie man dies abdecken kann. Sie sollten den Koalitionspartner nicht unterschätzen. Bis zum Dreikönigstreffen ist noch immer ein Joker drin.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie sollten ihn aber auch nicht überschät- zen! – Unruhe bei der SPD und den Grünen)

Ich habe den Eindruck, dass sich die Opposition ein bisschen mehr mit diesen Zahlen befassen müsste. Denn die SPD spricht einmal von 670 Millionen €, die an Mehrausgaben auf uns zukommen würden, ein anderes Mal sind es 1,2 Milliarden €. Ich sage Ihnen hier und heute: Wir können davon ausgehen, dass es 170 Millionen € für das Jahr 2010 und 270 Millionen € für das Jahr 2011 sein werden. Wir rechnen mit maximal 500 Millionen € für diese beiden Haushaltsjahre.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es ist gar nicht alles be- schlossen, was Sie vortragen!)

Dies werden wir zum entsprechenden Zeitpunkt mit entsprechender Klarheit in den Haushalt einarbeiten.

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist auch, dass wir trotz der gesamtwirtschaftlich schwierigen Situation und der gravierenden Folgen für den Landeshaushalt die erforderliche Neuverschuldung für das Jahr 2010 in Höhe von 2,6 Milliarden € im vorgelegten Entwurf unterhalb der Summe der im Haushalt veranschlagten Ausgaben für Investitionen halten. Das ist ein Verfassungsgebot. Ähnliches gilt für das Jahr 2011 – die Zahlen sind genannt –: Nach dem Entwurf gibt es im Jahr 2011 eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 2 Milliarden €; dagegen gibt es ein Investitionsvolumen in Höhe von 2,4 Milliarden €. Das heißt, auch der Entwurf für das Jahr 2011 ist verfassungsgemäß. Damit wird Artikel 84 der Landesverfassung eingehalten, ohne dass wir die Ausnahmetatbestände bemühen müssten.

Ich kann Ihnen allerdings sagen: Wann sonst wäre es angebracht und zulässig, aufgrund einer „erschütterten“ gesamtwirtschaftlichen Situation von den Ausnahmetatbeständen Gebrauch zu machen, wenn nicht in dieser Zeit? Trotzdem bemühen wir uns, diese Vorgabe der Verfassung einzuhalten. Mit dem Entwurf ist uns dies gelungen.

Wir haben uns ferner strenge Vorgaben in der Landeshaushaltsordnung gegeben. Wir haben im Jahr 2007 in § 18 der

Landeshaushaltsordnung eine Schuldenbegrenzungsregelung aufgenommen. Wir halten auch diese ein. Wann, wenn nicht jetzt, in dieser großen und größten Rezession der Nachkriegsgeschichte, ist der dort beschriebene Ausnahmetatbestand gegeben? Trotzdem halten wir diese Regel ein. Wir bleiben bei dem, was dort geboten ist. Obwohl der Rückgang der Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr deutlich mehr als 1 % beträgt – das ist die Maßgabe, über die hinausgehend der Ausnahmetatbestand begründet ist –, bleiben wir im Rahmen der von uns gelegten Vorgaben der Landeshaushaltsordnung.

Natürlich muss auch bei diesem Haushalt entschieden werden, worauf wir unsere Kräfte konzentrieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt! – Unruhe)

Ich habe dazu in den letzten Tagen eine Vielzahl von Vorschlägen lesen dürfen. So erinnerte vor einigen Tagen – Sie haben es auch gelesen – seine Exzellenz, Herr Erzbischof Zollitsch, daran, mehr für die Privatschulförderung zu tun.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der FDP/DVP: Bravo! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Da hat er recht!)

Sie dürfen bei den jeweiligen Vorschlägen klatschen, wenn Sie jeweils einen Sparvorschlag mit einbringen.

(Heiterkeit bei der CDU)