Protokoll der Sitzung vom 19.01.2010

(Abg. Stefan Mappus CDU: Kenntnis schon!)

Wir sind hier Ideengeber. Dass Sie unsere Ideen ignorieren, ist das Schlimme an der ganzen Geschichte. Wenn Sie so weitermachen und hier einfach nur den Westerwelle der badenwürttembergischen CDU spielen,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Dieser Vergleich ist nicht ganz passend, Herr Kollege, mit Verlaub!)

dann kann man nur Angst haben vor der Haushaltsentwicklung des Landes Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da gibt es schon noch Unterschiede! – Abg. Stefan Mappus CDU: Da würde ich mich wehren, Herr Kretschmann!)

Sie machen sich bei dieser Situation für weitere Steuersenkungspakete stark, die das Land ab 2011 rund 270 Millionen €

und mit schon erfolgten und weiteren Steuersenkungsplänen dann zusammen rund 1 Milliarde € pro Jahr kosten würden. Das ist völlig bizarr, Herr Kollege Mappus, Herr Kollege Rülke. Das ist Steuerpolitik aus Absurdistan.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Ich sage Ihnen: Was ist eigentlich haushaltspolitisch der Unterschied zwischen Mappus und der Grünen-Fraktion? 2 Milliarden €. Wir wollen 1 Milliarde € einsparen, und Sie wollen 1 Milliarde € mehr Ausfall generieren. Das ist der relevante Unterschied zwischen uns. Daran sieht man, wer eine seriöse Finanzpolitik im Auge hat und wer nicht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie noch, wo Sie sparen wollen! Sagen Sie, wo die Brocken herkommen!)

Sie können es einfach nicht.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Aber Sie!)

Sie sind sich der Risiken nicht bewusst. Sie können es nicht.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Wo sparen?)

Sie sind den Anforderungen nicht gewachsen: nicht im Klimaschutz, nicht in der Aufgabe, die Wirtschaft grüner zu machen, nicht in der Bildungspolitik, jedem Kind wirklich seine Chance zu geben, als einer entscheidenden Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Zukunft für unsere Wirtschaft.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jedes Kind hat sei- ne Chance!)

Sie können es nicht. Bei all den Fragen der sozialen Gerechtigkeit haben wir von Ihnen nur Bitterböses gehört. Sie waren es, Herr Mappus, der ins Spiel gebracht hat, man müsse bei Hartz IV sparen.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Nein, das habe ich nicht ins Spiel gebracht! Das stimmt nicht! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Doch, natürlich! – Abg. Stefan Mappus CDU: Ich habe gesagt „beim Sozial- haushalt“!)

Gut. Ich habe es jedenfalls so der Presse entnommen. Dann korrigieren Sie es nachher.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Mir ist wurscht, was Sie der Presse entnehmen! – Zuruf von der CDU: Das muss doch nicht immer alles richtig sein, was Sie der Presse entnehmen!)

Überlegen Sie einmal, was jetzt passiert: Steuersenkungen auf Pump. Darum geht es. Es geht nicht allein um Steuersenkungen. Steuersenkungen kann man machen. Das haben wir auch gemacht. Sie machen Steuersenkungen auf Pump.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Damals nicht auf Pump? – Abg. Stefan Mappus CDU: Wie war das denn in sieben Jahren Rot-Grün? Wie war es da? Sagen Sie das doch einfach!)

Wissen Sie, was das heißt? Diejenigen, die von den Steuersenkungen profitieren, können das Geld dann mit Schatzbriefen und Staatsanleihen dem Bund wieder zufließen lassen.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Scheinheilig! Scheinhei- lig ist das, was Sie da bringen!)

Es ist wirklich bizarr, was Sie da machen.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt sage ich Ihnen die Realitäten. Die Realitäten sehen so aus:

Erstens: Wenn wir nicht mindestens 1 Milliarde € pro Jahr einsparen – wir machen dann ja noch immer neue Schulden im Durchschnitt der Jahre bis 2020 –, dann kommt es zum Crash mit der Schuldenbremse, und das Land würde langfristig handlungsunfähig in seinen Kernaufgaben. Ich sage noch einmal: Das bedeutet eine Verdopplung der Zinsen. Wenn wir dann an die Kernaufgaben herangehen, dann verfehlen wir das, was unsere Aufgabe ist, nämlich die Investitionen in diesen Kernaufgaben, z. B. in der Bildung, zu sichern. Das ist oberste Priorität.

(Beifall bei den Grünen)

Zweite Realität: Die Pensionsverpflichtungen des Landes und insbesondere die Krankenkosten für Pensionäre, also die Beihilfen, steigen stark an. Dies alles ist bekannt. Sie werden sich bis 2030 mehr als verdoppeln. Hier lauert eine Zeitbombe in Milliardenhöhe, die auch durch den Pensionsfonds nicht entschärft ist.

Drittens: Die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst entsprachen nicht der Wirtschaftlage. Während die Wertschöpfung in den baden-württembergischen Schlüsselindustrien zurückging – das Bruttoinlandsprodukt sank bekanntlich in Baden-Würt temberg im vergangen Jahr um 8 %, das Lohnniveau sinkt –, stiegen die Bezüge der Beamten um 3 %. Der Rückgang der Lohnsteuer um mehr als 7 % ist ein Indikator für weniger Beschäftigung und niedrigere Löhne, siehe bei Daimler minus 8 %. Gleichzeitig stiegen die Bezüge der Beamten und Pensionäre und der Angestellten im öffentlichen Dienst um 3 %. Das sind 660 Millionen € Jahr für Jahr.

Wir haben dem nicht zugestimmt. Da öffnet sich eine Schere. Es kann nicht sein, dass wir bei den Teilen, die uns mit ihrer Wertschöpfung die Steuereinnahmen bringen, ein Minus haben und zugleich im öffentlichen Dienst nach oben gehen. Damit kann man keine Haushaltskonsolidierung machen. Damit kann man vor allem – das ist das Entscheidende – die Bezahlung der Pensionen und der Gehälter auf einem auskömmlichen Niveau in zehn Jahren nicht mehr sichern. Darum geht es. Auch in dieser Frage geht es um die Nachhaltigkeit von Finanzen.

Vierte Realität: Ministerpräsident Oettinger analysiert richtig: Auch wenn die akute Krise vorbei ist – so haben Sie es jedenfalls für den Fahrzeugbau gesagt –, kommt der Fahrzeugbau, wenn alles gut geht, in der Wertschöpfung vielleicht noch auf 90 %. Das heißt, wir werden in den kommenden Jahren wesentlich weniger Steueraufkommen generieren. Ich sage noch einmal: Nur mit einer Orientierung auf umweltfreundliche, energiesparende und ressourcensparende Produkte – Sie haben ja jetzt den wunderbaren Begriff „kohlenstoffarme

Wirtschaft“ im Europäischen Parlament eingeführt –, nur mit solch einer industriellen Revolution kommen wir voran. Davor haben Sie jahrelang die Augen verschlossen.

(Beifall bei den Grünen)

Was sind die Konsequenzen? Die erste Konsequenz heißt: Schluss mit Prestigeprojekten wie Stuttgart 21,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Um Gottes willen!)

deren Kosten-Nutzen-Relation nicht stimmt. Schluss mit der Finanzierung von Maßnahmen, für die wir nicht zuständig sind. Die Schuldenbremse – Herr Ministerpräsident Oettinger, Sie wissen das, denn unter Ihrem Vorsitz wurde die Schuldenbremse beschlossen – ist beim Bund wesentlich flexibler als bei den Ländern.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Dann darf es aber doch nicht heißen, dass wir – wie bei der Neubaustrecke – als Land dem Bund noch Geld für Bahnstrecken zuschießen, die der Bund zu bezahlen hat und nicht wir. Herr Kollege Oettinger, Herr Kollege Drexler, das geht in solchen Zeiten überhaupt nicht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das hättet ihr auch gemacht!)

Was wir insbesondere nicht wollen, ist das Bahnprojekt Stuttgart 21. Wir werden beantragen, dass die gesamte Rücklage von 460 Millionen € zur Schuldentilgung verwendet wird. Das zusammen würde die aktuelle Neuverschuldung von 2,5 Milliarden € auf 2 Milliarden € reduzieren und die Schuldenaufnahme bis 2020 um weitere 950 Millionen € reduzieren. Das ist schon ein Wort.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was ist mit dem Ver- trag? – Gegenruf von der SPD: Verträge sind egal!)

Dass es da, wie wir gestern gehört haben, eine Streichliste für Bahnprojekte gibt, bestätigt das, was wir immer gesagt haben:

(Beifall bei den Grünen)

Stuttgart 21 kannibalisiert andere, wichtige Verkehrsprojekte im Land Baden-Württemberg. Das liegt jetzt auf dem Tisch.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist doch dummes Zeug! – Glocke des Prä- sidenten)

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Drexler?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das habe ich mir ge- dacht!)

Ich will jetzt keine Stuttgart-21-Debatte anfangen.