Protokoll der Sitzung vom 03.02.2010

Herr Kollege Sckerl, Sie befassen sich zumindest mit dieser Herausforderung. Dabei bringen Sie aber wieder die alten Vorschläge zur Verwaltungsreform wie den, die Regierungspräsidien aufzulösen. Ich bin bereit, über all das zu diskutieren. Wir sind aber in Baden-Württemberg. Da müssen wir die Verwaltungsstrukturen den Gegebenheiten unseres Landes anpassen. Für ein Flächenland und ein bevölkerungsreiches Land wie Baden-Württemberg ist die dreigliedrige Struktur, die wir jetzt haben, angemessen. Das mag in anderen Bundesländern anders sein. Deshalb ersparen Sie es mir bitte, noch einmal über diese Uraltvorschläge zu diskutieren.

Ich war bereit und hatte mir fest vorgenommen, jeden konzeptionellen und konstruktiven Vorschlag, sofern ein solcher heute hier unterbreitet worden wäre, mir ganz persönlich am Sonntag – ohne Verwaltungsbeamte – anzuschauen. Den ganzen Sonntag hätte ich mir dafür frei gehalten, um mich selbst mit diesen Vorschlägen zu befassen. Am Montag hätte ich dann mit Ihnen darüber gesprochen. Ich sehe aber keinen einzigen solchen Vorschlag.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Deshalb werde ich den Sonntag dazu nutzen, meinen Schnupfen auszukurieren. Das ist gescheiter.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Herr Kollege Wölfle, Sie strahlen mich gerade so an. Aufgrund unseres freundschaftlichen Verhältnisses darf ich Ihnen das vielleicht sagen: Ich habe den Eindruck, dass auch Sie ges tern ausgiebig gefeiert haben. Vieles von Ihrer Rede habe ich nur kryptisch verstanden. Eines hat sich mir jedoch eingeprägt, und zwar Ihr Lob hinsichtlich des Fahrradwegebaus. Wir sind uns also einig, dass Baden-Württemberg auf dem Weg zu einem Fahrradhochgeschwindigkeitsland ist. Diesen Weg werden wir fortsetzen.

(Heiterkeit des Abg. Werner Wölfle GRÜNE – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ojemine! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Der war echt gut!)

Meine Damen und Herren, um das auch vorweg abzuräumen: Ihre Fragen zum Thema Kies werde ich umfassend beantworten, soweit ich es kann. Alles, was ich Ihnen heute dazu sagen kann, ist, dass ich viel zu wenig davon habe. Aber alles andere wird umfassend beantwortet werden.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Da sind wir ge- spannt!)

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass uns in diesem Haushalt der Spagat zwischen den gebotenen Haushaltsrestriktionen und den Belangen der Innenpolitik gelungen ist. Ich bin außerordentlich dankbar, dass wir es trotz der hohen Einsparauflagen geschafft haben, ausreichende Finanzmittel für die wichtigen Bereiche Verkehr, Straßenbau, Sicherheit, Polizei, Verfassungsschutz, Feuerwehr und Katastrophenschutz, Aussiedler- und Ausländerunterbringung, Integration und allgemeine Verwaltungsbehörden sowie – nicht zu vergessen – die EDV in den Haushalt einzustellen.

Ich will vorweg – nicht erst hinterher – allen danken, die daran mitgearbeitet haben, vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, des Innenministeriums, aber auch den Fraktionen von CDU und FDP/DVP sowie deren Sprechern und den AKs, die nun wirklich nichts unversucht gelassen haben, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, was diesen Haushalt anbelangt.

Ich möchte nur auf einige Themenfelder näher eingehen, meine Damen und Herren, und bitte um Verständnis, dass ich nicht zu allen Aufgaben des Innenministeriums Ausführungen machen kann.

Zunächst komme ich zum Thema Verkehr. Die Ansätze im Verkehrshaushalt zeigen ja, dass wir es ernst meinen mit unserer Zielsetzung, die Mobilität der Wirtschaft und der Bevölkerung zu sichern. Auch in den kommenden Haushaltsjahren werden wir die Erfolgsgeschichte des Nahverkehrs in unserem Land fortsetzen. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Wir wollen die Schifffahrt und die Luftfahrt unverändert unterstützen, damit sie ihre Funktion und ihre Stärke wirklich entfalten können. Der Ausbau der Neckarschleusen und unserer Flugplätze wird fortgeführt; das will ich ausdrücklich sagen.

Wir gehen mit Mut – dazu bedarf es Mut, keine Frage – auch große Projekte an. Denn wir müssen das Land voranbringen. Einige Beispiele dazu:

Baden-Württemberg 21. Dazu wurde viel gesagt. Da nimmt das Land viel Geld in die Hand, und mit diesem Geld werden – das kann man nicht oft genug betonen – Investitionen ausgelöst, deren Volumen das Drei- bis Vierfache der eingesetzten Mittel erreicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es ist uns gelungen, Mittel für Investitionen in die Schiene in Höhe von über 6 Milliarden € nach Baden-Württemberg zu holen, 4,1 Milliarden € allein für Stuttgart 21 und 2 Milliarden € für die Neubaustrecke nach Ulm.

Kollegin Razavi hat zu Recht darauf hingewiesen: Das Geld könnte der Bund auch anderswo investieren. Wenn dieses Geld nicht hier in diese Strecke investiert worden wäre, dann wäre es überall – jedenfalls nicht in Baden-Württemberg – investiert worden.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Was ist mit der Süd- bahn?)

Ich komme gleich darauf zurück.

Wir setzen also auch enorme Impulse für die Konjunktur, und das stärkt den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und die Beschäftigung im ganzen Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich will noch eines sagen: Bei den Schienenwegen werden die Mittel nicht nach Länderquoten verteilt. Das Land würde also wirklich in den Verkehrsschatten geraten, mit allen negativen Folgen für die Konjunktur und die Bevölkerung.

Es wird immer wieder behauptet – ich will es nur mit zwei Sätzen noch einmal klarstellen –, Stuttgart 21 verdränge Nahverkehrsprojekte im ganzen Land. Das ist eine dieser falschen Behauptungen, die auch durch ständige Wiederholungen nicht richtiger werden. Stuttgart 21 führt nicht dazu, dass wir in den nächsten zehn Jahren Nahverkehrsinvestitionen auf Stuttgart konzentrieren. Wir werden auch in Zukunft die Fläche nicht vernachlässigen. Ich kann das anhand weniger Fakten verdeutlichen.

Das Land, liebe Kolleginnen und Kollegen, steuert aus seinen Nahverkehrsmitteln 286 Millionen € für Stuttgart 21 bei. 286 Millionen €! Das sind 7 % der Gesamtkosten. Das ist kein Betrag, der die Mittel überbeansprucht, die für den Nahverkehr in Baden-Württemberg zur Verfügung stehen, und das ist kein Betrag, der – jedenfalls gemessen an einem Realisierungszeitraum von elf Jahren – für die Region Stuttgart unangemessen wäre. Für Stuttgart 21, liebe Kolleginnen und Kollegen, benötigen wir in den kommenden elf Jahren 26 Millionen € pro Jahr, und in der Vergangenheit haben wir pro Jahr mehr als den doppelten Betrag in die Region Stuttgart investiert. Mehr als den doppelten Betrag! In ganz Baden-Württemberg inves tieren wir pro Jahr 170 Millionen €. Das heißt, auch der ÖPNV in der Fläche Baden-Württembergs ist wie bisher gesichert.

Jetzt will ich aufgrund der Gespräche, der Verhandlungen und der Erfahrungen der letzten Tage auf die Rheintalbahn zu sprechen kommen. Der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn ist ein zentrales verkehrspolitisches Anliegen der Landesregie

rung. Natürlich muss auch jedem klar sein, dass wir, obwohl es eine hundertprozentige Maßnahme von Bund und Bahn ist, die Sorgen der Bevölkerung entlang dieser Bahnstrecke sehr ernst nehmen. Bei Bund und Bahn sehe ich genau da noch Defizite.

Es liegen mehr als 170 000 Einwendungen im Ausbauabschnitt – also von Offenburg bis Weil am Rhein – vor, und die se Einwendungen sprechen eine überdeutliche Sprache. Die Planung muss den Belangen von Mensch und Umwelt besser gerecht werden, als dies bisher der Fall ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir haben deswegen in enger Kooperation mit der Raumschaft, mit den Städten und Gemeinden, mit den politischen Vertretern, aber auch mit den Bürgerinitiativen die Alternativplanungen, die entworfen wurden, diskutiert und uns hinter diese Alternativplanungen gestellt. Aber Bund und Bahn haben sich trotz aller Anstrengungen der Landesregierung bislang leider nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen, schon in diesen Tagen den vom Eisenbahn-Bundesamt bereits fertiggestellten Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt Weil am Rhein verkünden zu lassen. Er liegt noch nicht auf dem Tisch, aber er liegt in der Schublade.

Das letzte Gespräch in Berlin war wenig ermutigend, obwohl die Landesregierung eine Mitfinanzierung angeboten hat. Die Begründung erspare ich mir jetzt. Ich sage nur eines: Das Land steht nach wie vor zu seiner Bereitschaft einer Mitfinanzierung der Mehrkosten. Aber im Gegenzug erwarten wir, dass sich Bund und Bahn ebenfalls bewegen und entsprechende Anstrengungen unternehmen, um zu einer möglichst konsensfähigen Lösung zu kommen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich sage es ganz offen, meine Damen und Herren: Eine Situation wie in der letzten Woche, dass Bund und Bahn uns vor vollendete Tatsachen stellen, darf es entlang dieser Strecke kein zweites Mal geben.

Ich sage hier ganz bewusst noch etwas, was ich auch in Berlin gesagt habe: Mir ist kein Projekt dieser Dimension mit so vielen einschneidend Betroffenen bekannt, die in vollem Umfang zur Realisierung des gesamten Projekts Ja sagen

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Genau! Richtig!)

und konstruktiv mitarbeiten, damit dieses wichtige Projekt umgesetzt werden kann. Diese Bereitschaft ist vielleicht ein noch sehr viel größeres Kapital als die Mitfinanzierungsbereitschaft der Landesregierung.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann kann man auch erwarten, dass sie sich bewegen!)

Bund und Bahn sollten dieses Kapital nicht verspielen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich fordere Bund und Bahn auch von dieser Stelle aus auf – da bin ich sicherlich mit Ihnen allen einig –, umgehend zu einem konstruktiven Dialog zurückzukehren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer ist das beim Bund, der das blockiert? Wie heißt denn der? Wer blockiert denn? – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Bis vor Kurzem Tiefensee! – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Meine Damen und Herren, den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben bringt uns nichts. Wir müssen uns einig sein, so, wie sich die Region im Zusammenwirken mit der Landesregierung bislang einig war. Lassen Sie uns keinen Keil dort hineintreiben. Verkehrspolitik in diesen Dimensionen ist keine Frage von Parteipolitik; sie richtet sich nicht nach Wahlperioden. Da brauche ich die Hand nicht umzudrehen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt plötzlich! – Wei- tere Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Norbert Zel- ler – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Herr Zeller, Ruhe!)

Ich komme zum Straßenbau. 60 % des Personenverkehrs und 70 % des Güterverkehrs werden über die Straße abgewickelt. Alle Prognosen sagen, dass sich diese Prozentsätze in den kommenden Jahren, vor allem beim Güterverkehr, noch deutlich erhöhen werden. Die Straße bleibt auch künftig der Verkehrsträger Nummer 1 für Menschen und für Güter.

Deswegen ist es Aufgabe von Bund und Ländern, den Aus- und Neubau von Straßen weiter voranzutreiben. Wir tun dies im Rahmen des finanziell Machbaren. 2010/2011 wollen wir wie in den vergangenen Jahren die Mittel für den Landesstraßenbau nicht kürzen. Im Gegenteil, wir wollen die Investitionsmittel wie schon im Jahr 2009 noch einmal verstärken. Das fordern wir auch vom Bund für die Bundesstraßen.

Die Konjunkturprogramme wurden angesprochen. Da sind außergewöhnlich viele Bau- und Erhaltungsmaßnahmen begonnen worden. Jetzt muss uns der Bund aber auch die notwendigen Mittel zur Weiterfinanzierung geben. Wir können bei laufenden Projekten nicht auf die Bremse treten oder die Arbeiten sogar ganz einstellen, weil das Geld vom Bund nicht ausreichen würde. Das wäre nicht nur unwirtschaftlich, sondern das würde auch den Sinn und Zweck der Konjunkturprogramme auf den Kopf stellen. Wir fordern vom Bund mit Nachdruck eine auskömmliche Finanzierung der Bundesfernstraßen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Norbert Zeller SPD: In welcher Größen- ordnung?)

Nach Hessen sind die Autobahnen – – Gerade wurde gefragt – ich weiß nicht, von wem –, in welcher Größenordnung der Bund finanzieren solle.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Ja, von mir!)

Ich meine, eine Zielmarke wäre die Verstetigung der Mittel auf dem Niveau, wie wir es jetzt über die Konjunkturprogramme bekommen haben. Das brauchten wir in den nächs ten Jahren, damit wir von Auskömmlichkeit reden können.

Vorhin hat Kollegin Razavi gesagt, nach dem „Aufbau Ost“ brauchten wir jetzt einen „Ausbau West“. Das habe ich auch schon oft so formuliert.