Meine Damen und Herren, ich will auf zwei weitere Punkte zu sprechen kommen. Zum einen zu der Art und Weise, wie die Landesregierung auf die Kritik an der Umsetzung des Bologna-Prozesses reagiert: Es wurde nun für den 8. März zu einem Kongress eingeladen. Fleißig und für viel Geld hat das Ministerium Podiumsdiskussionen und Foren organisieren lassen. Eine Homepage mit der Möglichkeit, Anregungen per EMail zu schicken, wurde eingerichtet. Folgende Frage stellt sich: Wie werden die dort eingegangenen Anregungen eigentlich ausgewertet und aufgearbeitet?
Wir erwarten, dass vor dem Kongress alle eingebrachten Anregungen transparent gemacht werden, nicht nur die, die den frankenbergschen Filter passiert haben.
Außerdem wurden meines Wissens die Studierendenvertretungen nicht oder nur am Rande in die Vorbereitungen und in die Konzeption des Kongresses eingebunden. So geht es eigentlich nicht. Wenn man wirklich strukturelle Änderungen will, dann müssen diese von unten nach oben erfolgen und dürfen nicht mithilfe eines eilig einberufenen kopflastigen Kongresses geschehen; Letzteres wäre reiner Aktionismus.
(Abg. Werner Pfisterer CDU: Der Kongress war vor- her geplant, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Jo- hannes Stober SPD: Nichts war geplant!)
Ein zweiter Punkt, den ich noch ansprechen will, ist ganz aktuell: Vorgestern ging durch die Presse, dass wir trotz der Bemühungen, die Studienplätze schnell zu verteilen, auch in den NC-Fächern wieder unbesetzte oder sehr lange Zeit unbesetzte Studienplätze haben. Herr Minister, ich würde Sie bitten, nachher etwas dazu zu sagen, wie sich die Situation hier im Land Baden-Württemberg in dieser Frage darstellt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Heberer wird in der zweiten Runde über das Thema Kultur sprechen.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Kollegen Schüle über den Wissenschaftshaushalt reden hört, wenn man sein Schönreden hört,
könnte man denken, es sei alles eitel Sonnenschein. Man fragt sich nur: Was hat das, was wir heute hier beraten, nämlich der Wissenschaftshaushalt, mit den Problemen und der Unruhe an den Hochschulen vor Ort zu tun? Bei Ihnen hat es den Anschein, dass die Probleme der Studierenden, über die sie seit Monaten diskutieren, wegen denen sie auf die Straße gehen und sich mit ihren Hochschulleitungen zusammensetzen, einzig von der Kultusministerkonferenz gemacht wurden oder von den Hochschulleitungen zu verantworten sind. Aber die Landesregierung scheint damit nichts zu tun zu haben.
Das Gegenteil ist der Fall: Der vorliegende Haushalt – zuhören, lieber Herr Kollege Pfisterer! – ist der in Zahlen gegossene Beleg dafür, dass das strukturelle Ungleichgewicht, die strukturelle Misere der Hochschulen fortgeführt wird, dass Sie nicht bereit und nicht in der Lage sind, gegenzusteuern. Sie verschieben die Probleme in die Zukunft. Ihr einziges Bemühen in diesem Bereich erschöpft sich darin, zu schauen, wie Sie die Zahlen so schön aufbereiten, dass es möglichst wenige merken.
Das wichtigste Instrument dabei sind die globale Minderausgabe und die damit verbundenen allgemeinen Einsparauflagen. Es gibt sonst keinen Einzelhaushalt, der so stark mit dem Instrument der globalen Minderausgabe arbeitet, also mit dem Instrument, das bedeutet: Die konkreten Einsparungen und Mittelkürzungen werden nicht hier im Parlament beschlossen, sondern die Regierung behält sich vor, im laufenden Jahr zu schauen, an welchen Stellen die Mittel gekürzt werden. Das ist eine schleichende Entmündigung des Parlaments. Das ist auch das Gegenteil von Hochschulautonomie. Das ist allenfalls Ministerialautonomie. Dieses Instrument muss auf das nötige Mindestmaß begrenzt werden.
Nur an der Oberfläche sieht es beim Wissenschaftshaushalt schön aus. Aber wenn man genau hinschaut, erkennt man die strukturellen Verschiebungen und Veränderungen, die dazu führen, dass sich vor Ort die Spannungen zunehmend entladen. Ich möchte das an drei Beispielen festmachen: erstens am Bereich der Forschung, zweitens am Programm „Hochschule 2012“ zum Ausbau der Studienplätze und drittens am Solidarpakt.
Im Forschungsbereich kann man enorme Mittelzuwächse feststellen. Diese Zuwächse im Forschungsbereich – Stichworte Exzellenzinitiative, Innovationspakt oder auch Wettbewerbsforschungscluster – sind allesamt induziert, angeregt und im Wesentlichen finanziert durch den Bund. Das Land reduziert sich immer mehr auf die Rolle des Kofinanzierers. Hier im Land wird keine eigene Forschungspolitik mehr mit eigenen Vorgaben gemacht. Das neue forschungspolitische Ziel – das nennen Sie auch so – heißt Sicherung der Drittmittelfähigkeit.
Die Forschungspolitik ist also erstens vom Bund geleitet und zweitens inzwischen so dominant, dass Sie Schwierigkeiten haben, die zusätzlichen Mittel für die Kofinanzierung in den Haushalt einzustellen. Also kratzen Sie die letzten Krümel aus den anderen Titeln zusammen und stärken immer weiter diese vom Bund angeregte Forschungspolitik. Das geht auf Kos ten der Grundfinanzierung und auf Kosten des Hochschulbetriebs und der Lehre, weil Sie nicht genügend zusätzliches Geld hineingeben.
Zweiter Bereich: die neuen Studienplätze. Ich habe mich zu Jahresbeginn sehr gefreut, dass die CDU-Fraktion noch einmal nachgerechnet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die angestrebten 16 000 neuen Studienplätze im Land nicht reichen. Jetzt wissen auch Sie: Wir brauchen 4 000 Studienplätze mehr.
Seit das Thema auf der Tagesordnung war, hat Ihnen die Fraktion GRÜNE vorgerechnet, dass wir insgesamt mindestens 20 000 neue Studienplätze brauchen.
Ich freue mich, dass Sie beim Nachrechnen auch so weit gekommen sind. Auch wenn man langsam rechnet und zum richtigen Ziel kommt, freut uns das.
Bis 2012 sind es noch drei Jahre, und Sie wollen in drei Jahren 8 000 Studienplätze schaffen, 4 000 aus der alten Rechnung und 4 000 obendrauf.
Schauen Sie einmal in den Haushalt, wie viel Geld Sie dort eingestellt haben. Es gibt noch Aufwüchse für dieses Jahr; für das nächste Jahr stockt der finanzielle Aufwuchs. Neue Studienplätze gibt es aber nur mit zusätzlichem Geld. Die Rechnung von Ihnen ist noch nicht zu Ende gerechnet, und ich erwarte, dass Sie beim Nachtragshaushalt vorführen, wie Sie diesen Kraftakt bewältigen wollen.
Wir sind gern dabei, weil wir schon immer der Meinung waren, 20 000 zusätzliche Studienplätze im Land sind das Mindeste, was wir brauchen.
Dritter Punkt: der Solidarpakt II. Die Grundidee ist richtig: Verlässlichkeit herstellen, Sicherheit geben, damit die Hochschulen agieren können, und die Hochschulen vor kurzfris tigen Kürzungen schützen. Alles in Ordnung. Was machen Sie aber? Sie schreiben von Anfang an als Widerspruch in sich das Recht in den Vertrag hinein, globale Minderausgaben zu verordnen. Globale Minderausgaben für den Solidarpakt, das ist ein Widerspruch in sich. Sie erhöhen darüber hinaus noch die globalen Minderausgaben. Die Fraktion GRÜNE lehnt dies ab. Wir stellen heute den Antrag, den Solidarpaktbereich komplett von globalen Minderausgaben auszunehmen.
Zusätzlicher Bruch des Solidarpakts: Sie deckeln die Mittel für die Grundlast, dann packen Sie schleichend und sukzessive neue Aufgaben für die Hochschulen obendrauf, die die Hochschulen dann aus den globalen Mitteln zu bewerkstelligen haben, ohne finanzielle Entlastung zu erhalten. Sie setzen die Hochschulen auf diese Art immer weiter unter Druck.
Erstens: Die Bewirtschaftungskosten für Strom und für Energie sind in den letzten Jahren um bis zu 30 % gestiegen. Es gibt dafür keinen Ersatz für die Universitäten. Da nützt auch nicht der Verweis darauf, dass in den Neunzigerjahren die Energiekosten zeitweise heruntergegangen sind. Jetzt sind die
Stromkosten hoch, und der Strombedarf und die Heizkosten steigen. Die Hochschulen bekommen dafür keine Entlas tung.
Zweiter Bereich: Akkreditierung. Es sind Millionenbeträge, die die Hochschulen dafür aufzubringen haben, die Studiengänge zu akkreditieren. Sie sind qua Gesetz dazu verpflichtet. Inzwischen redet Minister Frankenberg jedoch selbst davon, dass die Programmakkreditierungen keinen Qualitätsgewinn bringen. Viel Bürokratie, viel Aufwand – alles für nichts.
Entlasten Sie die Hochschulen doch davon, und folgen Sie heute unserem Vorschlag. Wir beantragen, die Pflicht zur Akkreditierung für die Laufzeit des Solidarpakts II auszusetzen. Zuerst müssen die Strukturen der Akkreditierung aufgeräumt und sinnvolle Strukturen geschaffen werden, und erst dann können die Hochschulen Geld für die Qualitätssicherung in die Hand nehmen.
Der dritte Bereich, bei dem Sie konkret die Hochschulen mit zusätzlichen Aufgaben belasten, ohne ihnen das Geld zu geben, ist das Thema „Aufnahmeprüfungen und Auswahlgespräche“. Ab 2011, also ab nächstem Jahr, werden die Hochschulen verpflichtet, flächendeckend für alle lokalen NC-Studiengänge Aufnahmeprüfungen zu entwickeln, sie vorzubereiten, sie durchzuführen, sie zu dokumentieren, und das alles aus laufenden Globalmitteln ohne einen Cent Ersatz.
Das geht nicht. Abgesehen davon ist das Ganze auch in der Sache Unfug. Die Hochschulleitungen sagen Ihnen das inzwischen auch. Wir beantragen heute zur konkreten Entlastung der Hochschulen: Streichen Sie diese Pflicht zur Durchführung von Aufnahmeprüfungen. Entlasten Sie die Hochschulen von dieser Aufgabe. Dann haben sie im Vergleich zu Hochschulen in anderen Bundesländern auch keinen Wettbewerbsnachteil und haben ein wenig mehr Geld und Zeit, um zusammen mit den Studierenden die Defizite bei der Umsetzung der Bologna-Reform auszuräumen und dafür zu sorgen, dass die Studiengänge wirklich an Qualität hinzugewinnen.
In diesem Sinn freuen wir uns, wenn wir Sie überzeugt haben und Sie im Interesse der Hochschulen unseren Änderungsanträgen zustimmen.