Protokoll der Sitzung vom 05.05.2010

(Beifall bei den Grünen)

Griechenland hat ein massives Exportdefizit im Außenhandel in Höhe von 8 Milliarden €. Das kam auch den deutschen Ex porten zupass. Es ist immer dasselbe: Solange der Rubel rollt, wird weggeschaut.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Haben die Rubel?)

Daher sind jetzt drei Schritte angesagt. Erstens: Solidarität.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Zur Hilfe für Griechenland mit harten und klaren Auflagen gibt es unserer Ansicht nach keine vernünftige Alternative. Wir tragen sie mit.

Zweitens: mehr Stabilität. Hier muss die Politik – die europä ische ebenso wie die deutsche – klarmachen, dass bei der Haushaltskonsolidierung in Griechenland – im Süden und in allen Himmelsrichtungen – jetzt Entschlossenheit, Ernsthaf tigkeit und Nachhaltigkeit angesagt sind.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Haben Sie auch noch etwas auf Lager, was wir nicht wissen?)

Aber wer die Einhaltung des europäischen Stabilitätspakts ein fordert, muss selbst Beispiel geben. Hier können wir uns an die eigene Nase fassen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Machen Sie es doch!)

Drittens zu den Konsequenzen für uns in Baden-Württemberg: Die Haushaltssituation hier ist nicht erfreulich, aber nun wirk lich nicht vergleichbar mit der von Griechenland. Aber ma chen wir uns nichts vor: Der griechische Virus hat längst auch Baden-Württemberg befallen.

(Lachen des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Bei uns ist die Epidemie nur noch nicht ausgebrochen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Schon die Vorläuferdebatte war infiziert!)

Wir schütteln den Kopf, Herr Hauk, über Beamtenpensionen in Griechenland in Höhe von 94 % des letzten Gehalts. Das tun wir zu Recht. Aber auch bei uns baut sich eine gewaltige Lawine von Pensionsverpflichtungen auf.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch nichts Neues! Diese Beamten gibt es seit 30 Jahren!)

Wenn wir so weitermachen, wird sich die Verschuldung hier in zehn Jahren ebenso verdoppeln, und bisher machen Sie so weiter. Ihr Ministerpräsident hat keinen Einsparpfad darge legt, er hat keinen einzigen strukturellen Vorschlag gemacht und nur dunkle Drohungen für die Zeit nach der Krise ausge sprochen.

Wenn wir keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen, wird Folgendes geschehen: Wir werden, wenn die Pflicht zur Null neuverschuldung im Jahr 2020 kommt, mit ähnlich brachia len Maßnahmen im öffentlichen Dienst aufwarten müssen, wie die Griechen das jetzt auch tun müssen. Das müssen wir nicht, wenn wir jetzt maßvolle Zumutungen für den öffentli chen Dienst beschließen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Das ist für die Betroffenen zwar hart, aber erträglich. Dabei sind Sie von den Regierungsfraktionen endlich gefordert.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Peter Hauk CDU: Ich warte auf weiter gehende Vorschläge bei der Dienst rechtsreform! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das müssten Sie sehr ernst nehmen. Sie haben bisher – leider gilt das auch für die Regierungserklärung des Ministerpräsi denten – überhaupt kein Wort dazu gesagt, wie es in dieser Frage weitergehen soll, sondern nur dunkle Drohungen for muliert.

Ich will zum Schluss noch ein Wort der Sympathie an unsere

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Griechen!)

Bürgerinnen und Bürger griechischer Herkunft sagen. Uns er reichen immer Informationen, dass Bürgerinnen und Bürger griechischer Herkunft „angemacht“ werden. Ich finde, es ist ein Übel in Deutschland, Migranten dauernd für die Zustän de in dem Heimatland, aus dem sie kommen, mitverantwort lich zu machen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich möchte an dieser Stelle sagen: Das muss endlich einmal aufhören. Ich möchte allen Landsleuten griechischer Herkunft, die in Jahren und Jahrzehnten am Aufbau Baden-Württem bergs mitgewirkt haben, die zum kulturellen Leben unseres Landes beigetragen haben, meinen herzlichen Dank, meinen Respekt und meine Sympathie aussprechen. Dies ist durchaus auch mit ein Grund, Griechenland zu helfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Albrecht Fischer CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kößler.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt wird zur Sache geredet!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit viel Aufregung und viel Getöse wird zurzeit die Griechenlandfrage behandelt. Manche meinen, sie seien im Recht, wenn sie den Zerfall der Währungsunion vorausse hen. Insbesondere der Eurountergangsguru Professor Hankel hat natürlich im Augenblick sehr viele Medienauftritte. Es kommt einem vor, als ob er bei dem Untergangsgesang einen Lustgewinn hätte.

Meine Damen und Herren, das Thema der Aktuellen Debatte lautet: „Die Auswirkungen der Krise in Griechenland auf Ba den-Württemberg und die politische Verantwortung des Lan des“. Ohne Zweifel sind wir alle von der Krise betroffen. Das Schicksal Griechenlands und der Menschen dort muss uns na türlich wichtig sein. Die wirtschaftliche Lage in Griechenland hat auch Auswirkungen auf die Unternehmen in Baden-Würt temberg. Der Fortbestand der Währungsunion ist gerade für ein exportorientiertes Bundesland wie Baden-Württemberg von besonderer Bedeutung.

Wir sind allerdings nicht die handelnden Akteure. Das sind die Bundesregierung und der Bundestag. Trotzdem will ich für unsere Fraktion ein paar Aussagen machen.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Ob es uns passt oder nicht, es gilt der Satz von Wolfgang Schäuble:

Die Griechenlandkrise ist nicht nur eine Krise und ein Problem der Griechen, sondern ein Problem Europas und damit auch Deutschlands.

Herr Kretschmann, Sie haben bestätigt: Es gibt einen Zusam menhang zwischen der Krise in Griechenland, dem Bestand

der Währungsunion und dem Fortschritt in der deutschen Wirtschaft. Dieser Zusammenhang stellt uns auch in eine Ge samtverantwortung für die europäische Währung. Ich füge hinzu: Es ist auch eine politische Verantwortung für BadenWürttemberg.

Nun ergibt sich die Frage: Wie lösen wir das Problem?

Erstens – oft gehört, viel zitiert –: Wir werfen die Griechen aus der Europäischen Union hinaus. Das geht rechtlich ein fach nicht; es gibt rechtlich kein Ausstiegsszenario in den Ver trägen. Das geht aber auch politisch nicht, und es geht meines Erachtens erst recht nicht, wenn man an dem Ziel eines ge meinsamen Europas als Werte- und Schicksalsgemeinschaft festhalten will. Europa ohne Griechenland, das wäre wie die europäische Kultur ohne die griechischen Philosophen.

Zweitens: Die Griechen verlassen die Eurozone freiwillig. Auch das wird immer wieder gefordert. Das hätte zwar öko nomisch Sinn: Die Drachme würde abgewertet, der Export Griechenlands würde steigen, und damit würde auch das Wirt schaftswachstum Griechenlands steigen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Die Schulden in Euro blei ben!)

Richtig. Die Schulden in Euro bleiben. Der Fraktionsvorsit zende hat das ergänzt.

Ob damit aber mittelfristig die hohen Zinsen und der Schul dendienst Griechenlands im Hinblick auf die Euroschulden zu bewältigen sind, ist natürlich mehr als fraglich.

Drittens: Wir machen gar nichts und lassen Griechenland plei tegehen. Das würde uns zwar im Augenblick nichts kosten. Der Preis wäre aber langfristig sehr hoch. Ganz trivial und ganz naheliegend: 45 Milliarden € Kredite deutscher Banken müssten abgeschrieben werden. Was das bedeutet, wissen Sie selbst aus der jüngsten Vergangenheit. Die Spekulation wür de auf Portugal und Spanien übergehen. Der Wert der griechi schen Anleihen würde auf null sinken. Griechenland würde kaum neue Kredite bekommen – und wenn, dann nur zu ganz hohen Zinsen.

Es gibt nur einen Weg in dieser Situation. Wir müssen, ob wir wollen oder nicht, Griechenland stützen. Die Kritiker werden sagen: Dem widerspricht die Nichthaftungsklausel, die soge nannte Non-Bailout-Klausel in Artikel 103 des EU-Vertrags. Diese besagt: Es gibt keine Haftung für die Schulden eines Landes. Beim Rettungspakt geht es aber nicht um einen Haf tungsfall, sondern um eine freiwillige Maßnahme. Wir haften nicht, aber wir schützen unsere eigenen Interessen, und in un serem Interesse liegt der Erhalt des Euro.

Die gesamte Unterstützungsmaßnahme wird darüber hinaus durch Artikel 122 abgedeckt. Danach sind Hilfen gestattet, wenn ein Land durch gravierende Schwierigkeiten ernstlich bedroht ist.

Um mit Professor Franz, dem Leiter des Zentrums für Euro päische Wirtschaftsforschung, zu sprechen: Wir müssen an gesichts der griechischen Tragödie zwischen zwei Übeln wäh len – um bei dem Bild zu bleiben –: zwischen Szylla und Cha rybdis.

Es spricht meines Erachtens sowohl ökonomisch als auch po litisch mehr dafür, Griechenland zu stützen, als dies nicht zu tun.

Es fällt schwer, einem Land zu helfen, das sich den Beitritt in die Eurozone erschlichen hat. Genauso schwer fällt es, ein Land zu stützen, das seine Staatsausgaben durch großzügige Geschenke an seine Bediensteten hat ausufern lassen und sei ne Steuern nur nachlässig und lax erhebt.