Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir spüren immer mehr, dass die Tagesordnung des Landtags von dem bestimmt wird, was infolge von Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt werden muss. So auch das heutige Thema, die Frage der Ge meindefinanzen.
Ich glaube, vorweg sollte man sagen, was auch in dieser schwierigen Situation gilt: Das Land Baden-Württemberg hat seine Kommunen nie im Stich gelassen.
Das Land Baden-Württemberg war immer den Kommunen zugewandt, und gemeinsam konnten Gemeinden, Städte und Land Baden-Württemberg einen sehr erfolgreichen Weg ge hen. Die Statistik zeigt – das wissen die kommunalen Landes verbände sehr genau –: Das Land hat den Kommunen gege ben, was sie gebraucht haben, mehr, als andere Länder dies bei ihren Kommunen getan haben.
Deswegen gibt es jetzt in dieser schwierigen Situation Gott sei Dank nicht ein einseitiges Lärmen nach dem Motto „Du, Land, mach den Schirm für die Kommunen auf“, sondern ge meinsam wird die Situation erkannt, wird besonnen eine Be standsaufnahme durchgeführt und wird gesagt: Wir müssen eine Krise bewältigen, die ringsum in den öffentlichen Haus halten Lücken über Lücken hinterlässt und hinterlassen wird.
Man muss sich vorstellen: Der Bund nimmt 80 Milliarden € neue Schulden allein im Jahr 2010 auf. Die Länder insgesamt brauchen 34 Milliarden € neue Schulden, und die Kommu nen, die im Jahr 2008 noch einen Finanzierungsüberschuss in Höhe von 7,7 Milliarden € hatten, hatten im Jahr 2009 ein De fizit von um die 7,1 Milliarden €.
Das muss man am Ausgang einer Debatte auch über die Fi nanzlage der Kommunen einfach wissen: Alle sitzen im Ge folge dieser Wirtschafts- und Finanzkrise in einem Boot, und zwar in einem sehr schwierigen Boot.
Meine Damen und Herren, die Kommunen selbst wissen: Nach guten und sehr guten Jahren – u. a. das Jahr 2008 – kam im Jahr 2009 der Einbruch. Der Steuerrückgang bei den Kom munen im Land betrug 15 %, und bei der Gewerbesteuer wa ren es sogar 23 %. Jeder, der Ahnung von kommunalen Haus halten hat, weiß, wie kommunale Haushalte bei einer solchen Entwicklung gebeutelt sind.
Auch der kommunale Finanzausgleich des Landes gerät im Gefolge der Rückläufigkeit der Wirtschaft in eine Rückläufig keit, und zwar um 7,6 %. Das bedeutet 465 Millionen € we niger als noch im Jahr zuvor.
Im Jahr 2009 gab es auch im Land Baden-Württemberg ein Finanzierungsdefizit der Kommunen in Höhe von um die 2,6 Milliarden €. Allerdings muss man wissen, dass man 1 Milli arde € herausrechnen muss; das war eine Sonderfinanzierung einer ganz großen Stadt in Baden-Württemberg aus ganz be sonderem Anlass. Gehen Sie also davon aus, dass das Finan zierungsdefizit für die Kommunen im Land Baden-Württem berg netto bei 1,6 Milliarden € lag.
Daneben gab es Ausgabensteigerungen. Ich stelle ohne Zorn und Tadel einfach fest: Wenn diese Ausgabenentwicklung mit dem erwähnten Einbruch zusammenfällt, muss man sich schon Gedanken machen, wie sich die Ausgabenseite im Ein zelnen entwickelt. Beispielsweise sind die Sozialleistungen um 6 % nach oben gegangen. Jetzt wird immer akademisch diskutiert, ob das ein Einnahmeproblem oder ein Ausgaben problem ist. Dem Kämmerer in der Stadt nützt das jedoch re lativ wenig. Ganz einfach beschrieben entsteht dann eine Lü cke im privaten wie auch im öffentlichen Bereich, wenn ich über mehr Ausgaben immer mehr Aufgaben erledige, als Ein nahmen vorhanden waren. Das heißt, wir müssen beides be trachten.
Wenn wir, die Politik, sagen: „Ihr müsst“ und auch die Kom munen sagen: „Ihr müsst“, dann muss man korrespondieren,
und Gott sei Dank haben wir die Konnexität jetzt fest veran kert. Dann muss korrespondiert werden, und dann muss man die entsprechenden Einnahmen verfügbar machen. Wenn dann die Einnahmen wegbrechen und man das nicht mehr allein mit Schuldenaufnahme reparieren will, dann muss die Korrektur in der Tat auf der Ausgabenseite, also bei der ganz konkreten Aufgabenerledigung, erfolgen.
So einfach ist das zunächst einmal. Sie wissen über die aktu ellen Bemühungen, dass der Bund gehandelt hat. Er hat eine Gemeindefinanzkommission eingesetzt, der wir als Land Ba den-Württemberg zuarbeiten und in der wir ganz explizit in den drei Arbeitsgruppen das einbringen, was wir mit den kom munalen Landesverbänden abgesprochen haben.
Es gibt zum einen die Arbeitsgruppe „Rechtsetzung“. Mit dem Blick auf das, was die Finanzkrise ausmacht, ist sie vielleicht nicht ganz so bedeutend. Aber die Arbeitsgruppe II ist ganz wichtig, die sich mit der Frage beschäftigt: Können wir nicht noch mehr Standards
Man weiß – manch einer wird schmunzeln –, dass wir über dieses Thema schon seit Jahren, seit Jahrzehnten diskutieren. Aber wenn diese Krise eine Chance gibt, dann ist es vielleicht die, dass das, was alles an Vorschlägen in der Röhre steckt, zumindest zum Teil vielleicht auch einmal verwirklicht wird. Das heißt, wir müssen das einfach einmal überprüfen und ge meinsam mit der Bevölkerung draußen in den Gemeinden da rüber diskutieren: Ist es denn ganz konkret notwendig,
dass ich überall absolute Sicherheit schaffe, dass ich überall an das Top gehe, oder kann ich in der Tat die einen oder an deren Standards zur Entlastung der kommunalen Haushalte herunterfahren?
Ich will Ihnen sagen, dass das, was die Kommunen derzeit massiv beschäftigt, die Frage ist, inwieweit sie angesichts die ser klammen Haushalte dem Anspruch auf einen Kinderbe treuungsplatz ab dem Jahr 2013 nachkommen können. Das heißt, wir müssen darüber diskutieren, ob wir den Anspruch ungeachtet der Kassenlage so halten können, ob wir den An spruch vielleicht etwas in die Zukunft schieben
oder ob man – was auch denkbar ist – sagt: Wir heben den rei nen Anspruch auf und geben im Grunde flexibel, kommunal vor Ort je nach Bedarfslage die Möglichkeit, Kinderbetreu ungsplätze zu schaffen.
Meine Damen und Herren, dann gibt es noch die dritte Ar beitsgruppe, die sich mit folgendem Thema befasst: Wie sieht es mit der Einkommenssituation und der Einnahmesituation der Gemeinden aus? Die Diskussion über die Gewerbesteuer ist in der Tat schon älter als viele von uns hier im Raum. Trotz dem – dabei stimme ich Ihnen völlig zu, lieber Herr Dr. Rül ke – lohnt es sich, doch noch einmal darüber nachzudenken.
Vor allem ist es so: Die Diskussionsbereitschaft bei den Kom munen ist mittlerweile auch etwas verändert. Es geht nicht da rum, etwas im Grunde ersatzlos streichen zu wollen. Es geht vielmehr darum, eine schwierige Gewerbesteuerentwicklung – jetzt gerade in ihrer ganzen Unberechenbarkeit erkennbar – zugunsten
Deswegen bin ich sehr dankbar dafür, dass derzeit über drei Reformkonzepte diskutiert wird. Das erste, lieber Herr Schmiedel, ist dasjenige, das auch im Koalitionsvertrag in Berlin festgemacht wurde, nämlich ein Zuschlagsmodell. Das bedeutet nichts anderes als den Wegfall der bisherigen Gewer besteuer und des bisherigen Gemeindeanteils von 15 % an der Einkommensteuer; gleichzeitig entfallen die Gewerbesteuer umlage und die Anrechnung auf die Einkommensteuer. Statt dessen gibt es dann einen Zuschlag mit Hebesatzrecht zur Ein kommen- und Körperschaftsteuer. Das ist im aktuellen Koa litionsvertrag festgeschrieben. Aber ich gebe zu und bin da von überzeugt, dass beide Koalitionspartner nach wie vor für eine Diskussion, die ein vernünftiges Ergebnis bringen kann, offen sind.
Auf der anderen Seite – wir haben in diesen Tagen wieder mit den kommunalen Landesverbänden darüber diskutiert – gibt es den Vorschlag der Spitzenverbände zur Revitalisierung. Nur, meine Damen und Herren, mit „Revitalisierung“ meint man zunächst einmal, die Bemessungsgrundlage für die Ge werbesteuer zu erweitern. Das alte Thema, ob man alle Frei berufler einbeziehen könnte, ist sicherlich ein interessanter Ansatz, vor allem aus der Sicht der Kommunen.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Na ja! – Abg. Rai ner Stickelberger SPD: Aus der Sicht der Freiberuf ler!)
Allerdings muss man sich immer wieder die konkreten Zah len vor Augen führen. Was brächte es denn, wenn man es tä te? Zunächst einmal brächte es in der Tat einen Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen um 8,2 Milliarden €.
Sie wissen, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer bundes weit etwa 40 Milliarden € beträgt. Aber Sie müssen natürlich den Nettobetrag betrachten. Wenn Sie das dann mit dem Be trag der bisherigen Einkommensteuer verrechnen, dann bringt es zwar noch immer einen Zuwachs, aber nach groben Be
rechnungen nur noch in Höhe von 1,2 Milliarden €. Das heißt, das bringt also 1,2 Milliarden € mehr für diejenigen, die die Gewerbesteuer einkassieren können. Aber die Antwort, wie es im Bereich der Einkommensteuereinnahmen kompensiert wird, muss gleichermaßen mit gegeben werden.
Na gut, Bürokratie und Administrieren – der Kollege Groh hat es gesagt – haften natürlich allen Modellen an, wenn man eine Zersplitterung macht und im Grunde Einzelfallgerech tigkeit herstellen will.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in dieser Diskussion offen. Was für das Land Baden-Württemberg galt und weiterhin gilt, ist: Ertragsunabhängige Elemente sind bei der Gewerbesteuer natürlich dann schädlich, wenn es darum geht, Liquidität zu sichern und wirklich nur den Ertrag zu be steuern und ansonsten den mittelständischen Betrieben Luft zum Atmen zu lassen. Das heißt, wenn man dann in ertragsun abhängige Elemente eingreift, wird das Ganze schwierig und brüchig. Darüber zu diskutieren – Kollege Groh hat es ange sprochen – lohnt sich allemal.
Kurzum: Das Land Baden-Württemberg wird gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden eng an dieser kommuna len Finanzfront fahren. Das heißt, wir sind bestrebt, insbeson dere durch Wachstum miteinander aus dieser Situation her auszukommen. Das ist das Ziel der Landesregierung. Da las sen wir uns nirgendwo übertreffen.
Es gibt einen Korrekturbedarf beim Steuertarif. Dabei geht es um die kalte Progression. Ich habe hier schon Dutzende Ma le gesagt: Das muss korrigiert werden. Nur ist die Frage, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist,