Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Erledigt!)

Abstimmung ist gewünscht. Wer Abschnitt II des Antrags der SPD-Fraktion zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Abschnitt II dieses An trags ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte – Die Neuordnung des Länderfinanz

ausgleichs: Eigenverantwortung stärken – nachhaltige Finanzpolitik im Bundesstaat sichern – beantragt von der Fraktion der CDU

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Finanzministeriums – Änderung des Länderfinanzaus gleichs – Drucksache 14/6123

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die ein leitenden Erklärungen und jeweils fünf Minuten für die Red ner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hauk.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist Chefsache!)

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat angekün digt, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg ge meinsam mit den Regierungen von Bayern und Hessen Ver fassungsklage beim Bundesverfassungsgericht gegenüber der geltenden Regelung des Länderfinanzausgleichs erheben wird.

Die CDU-Fraktion begrüßt diese Ankündigung. Wir unterstüt zen sie, und wir motivieren die Landesregierung gleicherma ßen, dass wir die Verfassungsklage beim Bundesverfassungs gericht zielorientiert und zügig einreichen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist ja überra schend!)

Das derzeitige System ist ungerecht. Das ist, glaube ich, je dem klar. Dagegen wird in diesem Haus vermutlich auch nie mand etwas einwenden. Aber man kann natürlich fragen: Was hat sich seit der letzten Verfassungsklage eigentlich geändert?

Zunächst einmal haben die Verhandlungen zu dem neuen Er gebnis geführt, dass Baden-Württemberg cum grano salis mit etwa 100 bis 200 Millionen € jährlich gegenüber der alten Re gelung ein Stück weit entlastet wird. Mehr war bei den dama ligen Verhandlungen schlichtweg nicht herauszuholen.

Dem Rahmen, den das Verfassungsgericht bereits damals dem Gesetzgeber beim Bund – Bundestag und Bundesrat – aufge geben hat, wurde aber mit der Neuregelung des Länderfinanz ausgleichs schon damals nicht Rechnung getragen. Wir haben das, wie sich in den Verhandlungen in diesem Haus über alle Fraktionen hinweg zeigte, damals trotzdem begrüßt, weil man nun einmal nicht wenige Jahre später erneut direkt und unmit telbar zum Verfassungsgericht ziehen kann. Wir haben aber auch schon damals festgestellt, dass die neue Regelung dem Grunde nach dem Tenor des Urteils nicht entsprochen hat.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das wollten Sie doch jetzt machen!)

Zum Zweiten kommt hinzu, dass das Thema „Haushaltspoli tik der öffentlichen Hand“ heute Gott sei Dank eine ganz an dere gesellschaftspolitische Bedeutung wiedererlangt hat, als es sie vor zehn oder 15 Jahren gehabt hat. Sicherlich haben die Diskussionen der vergangenen Monate und Jahre, insbe sondere im Bereich der Föderalismuskommission, und die Einziehung der sogenannten Schuldenbremse dazu beigetra gen, dass die Sensibilität für eine nachhaltige Haushaltspoli tik entschieden gestiegen ist. Das war auch nicht immer und überall der Fall.

Wenn Sie, Herr Kollege Kretschmann, gestern befürchteten, dass der griechische Virus in Baden-Württemberg Einzug hal te,

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Vorsicht!)

dann kann ich nur festhalten: Wir sind eines der ganz weni gen Länder, die noch der Hort der Stabilität schlechthin sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Win fried Kretschmann GRÜNE: Da machen Sie sich et was vor!)

Eine Infektion mit einem solchen Virus hat aber in der Tat stattgefunden. Diese virale Infektion gab es schon in den Sieb zigerjahren unter Brandt und Schmidt, die damals im Prinzip den Pfad der Tugend verlassen haben. Und, Herr Kollege Kretschmann und Herr Kollege Schmiedel, die virale Infek tion war in aller Massivität unter der damaligen rot-grünen Regierung vorhanden. Denn die Ersten, die die Stabilitätskri terien des Euro infrage gestellt und aufgeweicht haben, wa ren ausgerechnet Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deshalb dürfen gerade Sie nicht mit dem Finger auf andere zeigen, und deshalb müssen wir alles versuchen, damit diese Infektion, die von Ihnen ausgeht, in diesem Land nicht wei ter grassiert.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die schmiedelsche Grippe!)

Machen wir uns nichts vor: Griechenland gibt es auch in Deutschland.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Wo? – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Z. B. ihr mit euren Pensionslas ten!)

Wenn das föderalistische Dach nicht wäre, hätten wir mit Bre men, dem Saarland, mit Berlin oder Brandenburg Länder, die faktisch schon heute nicht mehr überlebensfähig wären und Staatsbankrott anmelden müssten. Das ist doch Tatsache!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Weitere Zurufe von der CDU: Sehr richtig!)

Diese Länder werden von den amerikanischen Ratingagentu ren doch nur deshalb überhaupt noch so geratet, dass sie sich noch refinanzieren können, weil die Solidarität der Länder

vorhanden ist und weil im Zweifelsfall der Bund für so glaub würdig gehalten wird, dass er auch für deren Schulden ein steht. Das ist doch Tatsache.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir neben dem, was die Föderalismuskommission an Ergeb nissen erreicht hat, weitere Anreize schaffen, damit eine nach haltige Haushaltspolitik auch für diese Länder interessant bleibt. Es kann nicht angehen, dass wir Jahr für Jahr auf ein bis anderthalb Prozent Wachstum in Baden-Württemberg ver zichten, nur weil wir Jahr für Jahr in Milliardenhöhe – im letz ten Jahr waren es nur anderthalb Milliarden Euro, zuvor wa ren es auch schon einmal über drei Milliarden; das sind nahe zu 10 % unseres „Umsatzes“ – Leistungen an andere Länder erbringen, die an keinerlei Bedingungen gekoppelt sind. Wer heute mit Recht von Griechenland die Einhaltung von Bedin gungen einfordert und auf einem Sparkurs, einem Restruktu rierungskurs beharrt, der muss bei einer Neuregelung des Län derfinanzausgleichs gleichermaßen Bedingungen einfordern, wenn es Länder gibt, die dauerhaft zahlen, wie es für BadenWürttemberg zutrifft.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein solches Anreizsystem fehlt derzeit völlig. Der Länderfi nanzausgleich ist dadurch in der jetzigen Form auch wettbe werbsfeindlich. Es geht nicht nur um die Frage der Einnah men des Landes Baden-Württemberg, sondern es geht im Kern auch darum, ob wir unseren Anspruch einer sozialen Markt wirtschaft ernst nehmen und ihn nicht nur in wirtschaftspoli tischen Bereichen umsetzen, sondern auch in die Gesell schaftspolitik hineintragen. Ein Kernelement der sozialen Marktwirtschaft ist der Wettbewerb. Mit diesem System wird Wettbewerb nivelliert, findet Wettbewerb nicht mehr statt; die ses System ist im Gegenteil sogar wettbewerbsfeindlich.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Es geht auch um So lidarität!)

Es ist damit schädlich, und zwar nicht nur für Deutschland insgesamt, sondern auch und erst recht für unser Land. Es kann nicht sein, dass der Handwerksmeister aus Baden-Würt temberg den Soziologiestudenten in Rheinland-Pfalz oder an derswo letztendlich mitfinanziert.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Was? Was soll denn das? – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Dieses System des Länderfinanzausgleichs ist nicht – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ja eine schräge Nummer! Was haben Sie gegen Soziologie? – Unru he)

Lieber Herr Schmiedel, Sie brauchen sich nicht darüber auf zuregen. Das sind nämlich genau die Länder, die keine Studi engebühren erheben, während wir unseren Bürgern zumuten, Zahlungen zu leisten. Warum? Weil das Land Baden-Würt temberg vor den Zahlungen in den Länderfinanzausgleich in Bezug auf das Pro-Kopf-Steueraufkommen auf einem der vor deren Plätze – an erster, zweiter oder dritter Stelle – liegt, wäh rend es, nachdem es die Zahlungen in den Länderfinanzaus gleich geleistet hat, nur noch an elfter, zwölfter oder dreizehn ter Stelle steht, wenn es um die Frage geht, über welches

Haushaltsvolumen der Landtag von Baden-Württemberg fak tisch entscheiden kann.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wo hat denn der stu diert? In Rheinland-Pfalz? Gilt Ihr Argument auch für einen Studenten der Agrarwissenschaft?)

Das ist faktisch eine Umkehrung der Verhältnisse.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das ist ein fach falsch, was Sie sagen! Es ist schlichtweg falsch!)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es höchste Zeit, dass auch im Lichte der Verhandlungen und im Lichte dessen, dass die jetzige Regelung im Jahr 2018 aus läuft, der Druck verstärkt wird, damit sich zumindest eines der Umlagefinanzierungssysteme – der Länderfinanzausgleich ist ja nur ein Baustein neben dem Umsatzsteuerausgleich und neben den Ausgleichszahlungen in die Sozialversicherungen und dergleichen mehr – stärker als in der Vergangenheit am Wettbewerbsprinzip orientiert. Vor allem geht es darum, dass auch den Nehmerländern eigene Anstrengungen für eine struk turelle Verbesserung ihrer Haushalte abverlangt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schmid.

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Ein Jahr vor der Landtagswahl wird im Land Baden-Württemberg der alte Gassenhauer von der Ungerechtigkeit des Länderfinanzausgleichs angestimmt. Zweifellos – das will ich vorneweg sagen – ist dieser Länder finanzausgleich ungerecht. Er benachteiligt Baden-Württem berg und setzt falsche Anreize.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP)