Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Insoweit stehen sowohl der Bund als auch das Land in der Pflicht.

Nach dem Konnexitätsprinzip, das die Kommunen in BadenWürttemberg zu Recht schützt, gilt, dass derjenige, der be stellt, zu bezahlen hat. Die Fragen, die sich aber bei jeder staatlichen Aufgabe stellen, sind die, ob man diese Funktion tatsächlich noch benötigt und ob man das bislang Bestellte auch künftig noch haben muss. Gerade die Arbeitsgruppe „Standards“, die vom Bundesfinanzministerium geleitet wird, soll hier Entlastungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite prü fen.

Bei der Reduzierung der Standards mit dem Ziel einer Entlas tung der Kommunen wird man auch den Sozialbereich zu prü fen haben. Herr Dr. Rülke, Sie haben gerade darauf hingewie sen. Gleiches gilt auch für andere Themenfelder, die die Kom munen in den letzten Jahren zusätzlich übernommen haben. Bei der Schaffung gesetzlicher Rechtsansprüche ist stets die Leistungsfähigkeit der Kommunen mit einzubeziehen.

Meine Damen und Herren, die Realsteuern – das sind die Ge werbesteuer und die Grundsteuer – verkörpern kraft ihrer Aus gestaltung die kommunale Selbstverwaltung schlechthin. Zum einen haben die Kommunen ein Hebesatzrecht, können also diese Steuern in ihrer Höhe unmittelbar beeinflussen. Sie müs sen sie sogar reglementieren, denn das Gesetz über den kom munalen Finanzausgleich geht von anrechenbaren Mindest sätzen aus. Zum anderen ist gerade mit der Gewerbesteuer kommunales Handeln eng verbunden. Es geht also um mehr als nur um die Generierung von Einnahmen; es geht um Un ternehmensansiedlung, Sicherung von Arbeits- und Ausbil dungsplätzen, um Standortsicherung und letztlich um die Fi nanzierbarkeit der sogenannten weichen Standortfaktoren.

Sie sehen also: Wir haben für die Kommunen auch künftig Steuereinnahmequellen zu garantieren, die ihr eigenverant wortliches wirtschaftliches Handeln auch adäquat entlohnen. Bei der heutigen Debatte geht es nur um eine Verstetigung der Einnahmen auf kommunaler Ebene, nicht etwa um Steuerent lastungen für Unternehmen oder Unternehmer. Das betone ich ganz besonders, um irgendwelchen Fehlinterpretationen vor zubeugen.

Allerdings, meine Damen und Herren, gehört die Gewerbe steuer zu den sogenannten volatilen Steuern. Das heißt, ihr Aufkommen ist starken Schwankungen unterworfen; es lässt sich konjunkturbedingt nur schwer kalkulieren. So sind das abgelaufene Jahr 2009 und das beginnende Jahr 2010 Belege dafür, mit welchen Steuereinbrüchen die Kommunen konfron tiert sind. Oftmals bleibt in einer wirtschaftlichen Krise mit Steuereinbußen in Höhe von bis zu 20 % nur der Weg in die Verschuldung, wenn Rücklagen aufgebraucht sind.

Ein Wort im Übrigen zu den Rücklagen: Rücklagen sind da zu da, um in schwierigen Zeiten die Lücken zu schließen.

Bei der gesamten Debatte über – durchaus wünschenswerte – Steuerentlastungen müssen wir die Auswirkungen auf unsere

Kommunen sehr sorgfältig prüfen. Wir haben besonders auf Gemeindeebene ein Einnahme-, aber auch ein Ausgabenpro blem. Für diesen Hinweis danke ich Ihnen, Herr Dr. Rülke, ganz herzlich; denn aus SPD-Kreisen und FDP-Kreisen wird dies manchmal etwas anders interpretiert.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Da hat er recht!)

Das Land muss seiner Rolle als verlässlicher Partner der Kom munen auch bei dieser Diskussion gerecht werden. Dabei müssen wir uns ganz genau anschauen, ob und wie beispiels weise die prognostizierte steuerliche Teilrefinanzierung durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz tatsächlich bei den Kommunen ankommt.

Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass den Kommunen mit wirtschaftskraftbezogenen Steueranteilen der Weg in die Zu kunft geebnet werden kann. Das betrifft zum einen eine refor mierte Gewerbesteuer, die keine ertragsunabhängigen Ele mente mehr enthält. Diesbezüglich darf ich aber auch noch mals betonen und festhalten, dass es zwischen der Regierung und der CDU-Fraktion keine Meinungsunterschiede gibt, was die Herausnahme ertragsunabhängiger Elemente anbelangt.

Weiter könnte man auch über eine Verbreiterung der Gewer besteuer dann nachdenken, wenn die Gewerbesteuer in vol lem Umfang bei der Einkommensteuer absetzbar ist. Diese Steuer wäre dann also für Ärzte, Architekten oder Rechtsan wälte neutral.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Das ist doch für Perso nengesellschaften schon heute so!)

Nein, nicht ganz. Beschäftigen Sie sich einmal damit, dann sehen Sie schon, wie sich das im Zweifel auswirkt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Minimal! – Weitere Zu rufe von der SPD)

Alle Modelle zeigen, dass bei gänzlicher Abschaffung der Ge werbesteuer ein Ausgleich über die Lohnsteuer oder die Um satzsteuer erfolgen muss. Deswegen ist als Ersatz eine soge nannte Gemeindeunternehmensteuer im Gespräch, mit der al lerdings auch nur ein teilweiser Ausgleich geschaffen werden kann. Das Modell der Stiftung Marktwirtschaft geht im Kern von dieser Gemeindeunternehmensteuer sowie einem stärke ren Anteil an der Umsatzsteuer aus.

Bei allen Reformbemühungen spielt letztlich auch die Admi nistrierbarkeit die entscheidende Rolle. Daran ist nämlich, lie be Kolleginnen und Kollegen, so manches gut gemeinte Re formpaket schon gescheitert. Mit anderen Worten: Gut ge meint ist nicht immer gut gemacht. Auf die Administrierbar keit Ihrer Vorschläge bei Abschaffung der Gewerbesteuer bin ich dann, lieber Herr Kollege Rülke, besonders gespannt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir alle!)

Das wird uns noch sehr beschäftigen.

Zum Schluss möchte ich noch die Gemeinsame Finanzkom mission ansprechen, die vom Land und den kommunalen Lan desverbänden ins Leben gerufen wurde. Dort werden aktuel le Themen beraten. Auch dort wird ein Konsens zwischen dem

Land und seinen Kommunen herbeigeführt. Dieser Konsens ist bundesweit einmalig. Wir, die CDU in Baden-Württem berg, stehen zu unseren Kommunen und sanieren uns nicht zulasten unserer Kommunen.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände haben sich am 18. Oktober 2006 einvernehmlich auf eine Fort entwicklung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kom munen für die Jahre 2007 bis 2010 geeinigt. Ein wesentliches Ergebnis war, wie Ihnen bekannt ist, die Fortführung der Kür zung des kommunalen Finanzausgleichs um rund 400 Milli onen €. Diese Vereinbarung wurde jüngst bis Ende 2011 ver längert.

Die CDU in Baden-Württemberg steht für eine solide Haus haltspolitik. Sie steht für die Verantwortung gegenüber kom menden Generationen. Hierzu ist es allerdings auch notwen dig, die Kommunen – ein Teil der öffentlichen Hand – hinrei chend mit Einnahmemöglichkeiten so auszustatten, dass sie mit ihren eigenen Einnahmen gestalten können und nicht am Tropf des Landes hängen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gall.

Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Die finanzielle Situation unserer Kommunen – das heißt, der Städte und Gemeinden auch in Baden-Würt temberg – ist in der Tat außerordentlich problematisch. Es er scheint mir aber auch wichtig, zu erwähnen: Diese Tatsache ist nicht etwa über Nacht auf die Kommunen im Land herein gebrochen, sondern sie zeichnete sich seit Längerem ab. Da rauf hat die SPD-Fraktion in den zurückliegenden Monaten und Jahren immer wieder hingewiesen. Wir haben dies erst jüngst bei den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2010/2011 wieder deutlich gemacht.

Ich muss aber auch sagen: Bis vor wenigen Tagen wurde die se Tatsache von den Regierungsfraktionen zum Teil bestrit ten, oder es wurde versucht, sie kleinzureden, indem man auf die noch schlechtere Finanzsituation der Kommunen in ande ren Bundesländern verwiesen hat. Vor wenigen Tagen war der Finanzminister dann erstmals in der Lage, die Situation der Kommunen so zu bezeichnen, wie sie sich tatsächlich dar stellt, nämlich als bedrohlich. Er hat sogar gesagt, die Situa tion würde zu einer Herausforderung für die Demokratie wer den, also nicht nur zu einer finanzpolitischen Herausforde rung, sondern er fürchtet – das schließe ich aus diesen Wor ten –, dass die Grundpfeiler unserer Demokratie gefährdet wä ren, wenn es die Politik – das Land, insbesondere die Regie rung hier im Land – nicht schafft, die kommunalen Hand lungsmöglichkeiten und die Selbstverwaltung der Kommu nen zu stärken.

So weit, so gut. Aber was machen angesichts dieser Situation jetzt CDU und FDP? Was machen die Regierungen in Bund und Land in dieser Situation? Wir nehmen zuerst einmal wahr: Meinungsvielfalt, wohin man schaut. Der Finanzminister des

Landes hat sich vor einiger Zeit dafür ausgesprochen, die Ge werbesteuer zu erhalten. Der Herr Ministerpräsident hat sich dann wenige Tage später letztendlich für deren Abschaffung ausgesprochen.

(Abg. Manfred Groh CDU: Reformierung!)

Was die Vielzahl der Meinungen anbelangt und welche Mei nung dann gewertet und gewichtet wird, das wird aus einer Stellungnahme des Ministerpräsidenten zur Meinung des Fi nanzministers des Landes Baden-Württemberg zum Thema „Steuerliche Überlegungen insgesamt“, die gestern in der „Südwest Presse“ nachzulesen war, deutlich. Darin heißt es:

Diese Einzelmeinung entspricht nicht der Meinung der Landesregierung.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Hoi, hoi, hoi! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP übertrifft dies dann noch, indem er sagt, er spreche Stächele die volkswirtschaft lichen Grundkenntnisse ab; dieser wiederhole nur ständig fal sche Parolen. So viel, Herr Groh, zur Einmütigkeit zwischen der Regierung und den Fraktionen hier im Parlament.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Welcher Abgrund! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Boshaftigkeit, wohin man schaut! – Abg. Peter Hofelich SPD: Lehramt gegen gehobenen Dienst!)

Ich will ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen: Sie spre chen von einem Finanzminister Ihrer Regierung.

Sie verabschieden dann im Bund – das muss man natürlich auch erwähnen, wenn man über die Finanzkrise der Kommu nen spricht – ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz und grei fen beim FAG – Herr Groh, so ist das nun einmal; Sie haben das selbst gesagt – den Kommunen im Land in die Schatulle. Bei 400 Millionen € kann sich jeder Bürger ausrechnen, dass in seiner Kommune – in der jeweiligen Gemeinde, in der je weiligen Stadt – 40 € pro Einwohner an Einnahmen fehlen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Unglaublich! – Abg. Thomas Knapp SPD: Wahnsinn!)

Durch dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden die Unternehmen bei der Gewerbesteuer entlastet, Erben geschont und Sonderregelungen bei der Grundsteuer ermöglicht. Dies schlägt sich natürlich in den kommunalen Haushalten entspre chend nieder. Hinzu kommt die Finanz- und Wirtschaftskri se, die wir unbestreitbar haben und die die Situation zuneh mend verschlechtert.

Meine beiden Vorredner haben zu Recht angesprochen, dass wir die Schwankungen bei der Gewerbesteuer in irgendeiner Form schon immer gehabt hätten. Deshalb habe ich Ihnen ein mal ein Diagramm über die Schwankungen der Einnahmen meiner Gemeinde aus der Gewerbesteuer mitgebracht.

(Der Redner hält ein Diagramm hoch. – Abg. Man fred Groh CDU: Das ist keine große Gemeinde! Das ist eine Ortschaft!)

Das sind die gelben Balken.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das sind die hohen Balken! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP)

Anhand dieses Diagramms sehen wir, dass wir tatsächlich Schwankungen haben. Allerdings haben wir diese Schwan kungen in einer Höhe, die es den Kommunen auch in der Ver gangenheit ermöglicht hat, in der mittelfristigen Finanzpla nung zumindest noch zu überschauen, wie sie ihre Ausgaben finanzieren können.

Das Grundproblem der Gewerbesteuer sind also nicht die Schwankungen an sich, sondern das Grundproblem ist, in wel cher Höhe diese Schwankungen ausfallen. Das Grundprob lem, das wir im Moment haben, sind, wie gesagt, die struktu rellen Veränderungen, die Sie durch Ihre Politik vorgenom men haben, die insgesamt die Einnahmen durch die Gewer besteuer schwächen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: Danke, Schwarz- Gelb!)

Im Klartext, um es noch ein bisschen deutlicher zu sagen, heißt dies: Nicht die Schwankungen an sich sind das Problem der Kommunen, was die finanzielle Belastung anlangt. Das Grundproblem ist hauptsächlich die FDP.