Protokoll der Sitzung vom 29.07.2010

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der nächste Haushalt wird vom neuen Landtag beschlossen!)

Ja, aber man kann schon Ideen entwickeln, Frau Kollegin. Denken ist nie verboten.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Auch nicht in dieser Legislaturperiode!)

Deswegen sollten wir dies tun.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Denken und Be schließen sind unterschiedliche Dinge!)

Dasselbe gilt auch für die Zersplitterung des Bereichs Kultur auf die Ministerien. Das geht einfach viel zu weit. Herr Kol lege Birk hat darauf hingewiesen, dass es gut war, dass wir so viele Ministerien an der Diskussion beteiligen konnten. Viel leicht war es tatsächlich im Moment der Vorbereitung und der Erarbeitung dieser Kunstkonzeption gut, dass so viele dabei waren, weil man dadurch die entsprechende Unterstützung er fahren hat. Aber im Hinblick auf die alltägliche Arbeit der Kulturschaffenden mit der Regierung ist diese Zersplitterung längst überholt. Auch daran müssen wir gehen.

Ich möchte noch einmal auf die Frage nach den Kulturwis senschaften zurückkommen. Wenn wir es mit der kulturellen Bildung ernst nehmen, wenn das ein zentrales Anliegen sein soll – alle Fraktionen haben das in den letzten Wochen und Monaten immer wieder betont –, dann brauchen wir dazu auch den entsprechenden wissenschaftlichen Unterbau. Wir brau chen die entsprechende wissenschaftliche Beratung. Wir brau chen die entsprechend ausgebildeten Menschen.

Deswegen müssen wir dieses Ziel unbedingt angehen. Da ha ben Sie unsere volle Unterstützung. Ich bin aber etwas ent täuscht, dass ausgerechnet die Universität Heidelberg, die sonst einen großen Wert auf ihr kulturelles Ansehen legt, ei nem solchen Wunsch des Ministeriums nicht nachgekommen ist. Dann müssen wir uns dafür wohl eine andere Universität suchen.

Zu den Anträgen, die wir gemeinsam eingebracht haben, Herr Kollege Palm, und den Anträgen, die Sie jetzt gemeinsam mit der FDP/DVP eingebracht haben, können Frau Kollegin He berer und ich sagen: Diese Anträge finden unsere volle Unter stützung. Sie betreffen nämlich wirklich keine umstrittenen Themen.

Allerdings würde ich noch einen Schritt weiter gehen. Wir kennen den aktuellen Stand. Vielleicht ist es daher schon ein guter Ansatz, zu sagen: Jeder soll in seiner Schulzeit zumin dest mit einer Sparte in Berührung kommen.

(Abg. Christoph Palm CDU: Mit allen Sparten!)

Mindestens mit einer aktiv. Aber wir sollten darauf drängen, dass es möglichst mehr werden.

Wir sollten auch zusehen, dass sehr innovative Projekte – bei spielsweise das Projekt „Dicht dran!“, das vom Forum in Lud wigsburg gemeinsam mit Ludwigsburger Schulen veranstal tet wird – in ganz Baden-Württemberg Schule machen. Denn dabei lernen Schülerinnen und Schüler in direktem Kontakt mit Kulturschaffenden, was Kultur bedeutet. Deswegen ist das ein sehr guter Ansatz. Es wäre gut, wenn wir ihn auf ganz Ba den-Württemberg ausdehnen würden.

Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist Fol gender: Wir reden immer über den Nutzen und den Wert von Kultur. Diesen kann man einerseits materiell gar nicht fassen, aber andererseits – die Kollegin Heberer hat darauf hingewie sen – ist die Kulturwirtschaft mittlerweile ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Baden-Württemberg und in Deutschland. Wenn wir darüber diskutieren, wie viele Gelder wir hier in Baden-Württemberg in die Kulturförderung stecken, dürfen wir das nicht vernachlässigen.

Dieses Geld, meine Damen und Herren, ist in vielfacher Hin sicht sehr gut angelegt. Es ist auch deswegen gut angelegt, weil quasi jeder Euro, der in die Förderung gesteckt wird, ein Vielfaches an Ausgaben auslöst, beispielsweise für Übernach tungen, für den Besuch von Restaurants etc. Deswegen kommt da für uns letztlich mehr heraus, als wir gegeben haben. Wir sind daher gut beraten, wenn wir bei den nächsten Haushalts beratungen der Kunst und der Kultur in Baden-Württemberg weiterhin die volle Unterstützung geben.

Ich möchte auch noch einmal unterstreichen, was die Kolle gin Heberer gesagt hat: Wir würden uns wünschen, dass der Ministerpräsident jetzt, nachdem die Kunstkonzeption vor liegt, einmal ein klares Bekenntnis zu dieser Kunstkonzepti on

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Mappus und Kunst?)

und zu der entsprechenden finanziellen Förderung von Kul tur und Kunst abgeben wird.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das wird man sicher als Vorwort formulieren!)

Wir hören den Herrn Ministerpräsidenten, Frau Kollegin Ber roth, zu allen möglichen Themen sagen, dass dies und jenes nicht gekürzt werden soll.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der schreibt si cherlich gerade ein Vorwort zu dieser Kunstkonzep tion!)

Wenn er ein Vorwort schreiben lässt, dann interessiert mich das jetzt im Moment nicht.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ich will von ihm hören, was er von dieser Kunstkonzeption hält

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!)

und ob er Kunst und Kultur so offensiv unterstützt, wie das damals Lothar Späth gemacht hat.

(Abg. Christoph Palm CDU: Selbstverständlich!)

Wenn er das macht, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Frau Abg. Berroth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Baden-Württemberg ist ein kulturreiches Land. Es war zwar noch vor einem Jahrhundert auch wirt schaftsarm, weil rohstoffarm, ist aber schon seit vielen Jahr tausenden gesegnet durch kreative Menschen mit Sinn für das Schöne. Das beweist uns nicht nur die „Venus vom Hohle Fels“ im Lonetal. Auch die ebenfalls dort gefundenen Flöten und Flötenfragmente zeigen, dass bereits unsere frühen Vor fahren vor über 35 000 Jahren musikalisch aktiv waren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Christoph Palm CDU)

Professor Hannes Rettich und seinem Mentor bzw. Auftrag geber Lothar Späth kommt das Verdienst zu, unsere Schatz kammer in Sachen Kunst und Kultur erstmals in ganzheitli cher Sicht erfasst zu haben. Heute legt die Landesregierung die von der FDP/DVP seit Langem geforderte und von uns durch eine ganze Reihe von parlamentarischen Initiativen mit vorbereitete Novelle der Kunstkonzeption vor. Unsere Große Anfrage „Orchester- und Musikinstitutionen in Baden-Würt temberg“ hätten wir eigentlich heute mit aufrufen können, weil sie natürlich in die gleiche Richtung geht.

Das neue Werk ist nicht einfach eine Aktualisierung gewor den, sondern – weil, wie schon gesagt, ein neuer Weg bei der Erstellung gegangen wurde – auch eine völlige Neuformulie rung, aus der Politik, Kunstschaffende und unsere Bürgerin nen und Bürger wieder viele Jahre lang werden schöpfen kön nen.

Dem neuartigen Werdegang, bei dem eine Vielzahl von Mi nisterien, Kunstfachleuten und auch wir Kunstpolitiker mit wirken durften, ist allerdings auch das eine oder andere Han dicap geschuldet, das wir zum Teil schon bei der Ausschuss beratung angesprochen haben.

(Zuruf der Abg. Helen Heberer SPD)

Natürlich kann ein aus so vielen Quellen gespeister Fluss nicht die Klarheit eines stillen Bachs haben, der ungestört in sei nem Bett plätschert.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Richtig! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das haben Sie schön gesagt!)

Das ist mein literarischer Teil dieser Rede.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Gibt es auch noch ei nen musikalischen Teil?)

Singen werden wir heute Abend.

Auch bei den Gewichtungen gibt es gewisse unrunde Stellen. Aber insgesamt muss doch gesagt werden: Das Zusammen stellen war sicher eine gewaltige Anstrengung und Mühe, aber es hat sich gelohnt. Deshalb an dieser Stelle unser Dank an viele Beteiligte,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der CDU und der SPD)

als Erstem an Herrn Ministerpräsident Oettinger, der die Kunst zur „Hauptsache“ gemacht und den Landeskunstbeirat einge setzt hat, und nicht weniger unserem Kunststaatssekretär Dr. Birk, mit dem Kunst und Kultur einen hoch kompetenten, tat kräftigen und effektiven Vertreter in der Regierung haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP und Abg. Dr. Bernhard Lasot ta CDU: Sehr gut! – Abg. Christoph Palm CDU: Gu ter Mann!)

Ferner danken wir der Kunstabteilung im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Herrn Ministerialdiri gent Koch und vor allem Herrn Ministerialrat Radolko, bei dem alle Fäden zusammenliefen, sowie den vielen Mitarbei tern dort und in den anderen Ministerien

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Keiner dankt dem Mi nister! Was ist denn los?)

und natürlich auch allen Mitdenkern und Anregern von außen, insbesondere jenen, die uns in Anhörungen und Gesprächen wertvolle Hinweise gegeben haben. Vielen Dank!

Eines soll vorab festgestellt werden: Uns liegt daran, dass „Kultur 2020“ die ganze im Land vorhandene Exzellenz und Breite darstellt und nicht nur die vom Land geförderten Ins titutionen und Projekte, was im Gegenzug allerdings auch be deutet, dass sich allein aus einer Nennung hier nicht gleich ein Finanzanspruch ableiten lässt.

So groß, wie die Vielfalt und Menge im Entwurf ist, wundert es einen aber doch, dass es noch Themen und Bereiche gibt, wo gewisse Erweiterungen bzw. Korrekturen nötig scheinen, damit das Ganze noch runder wird.

Etwas vernachlässigt sind z. B. Themen, die sowohl zum Be reich Wirtschaft, aber gleichermaßen zur Kunst gehören. Wir freuen uns, dass sich die anderen Fraktionen gleich ange schlossen haben und wir nun einen gemeinsamen Antrag zu Baukultur, Architektur sowie Design und Fotografie einbrin gen.