Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

(Unterbrechung der Sitzung: 12:52 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:21 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe als Erstes den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Fragestunde – Drucksache 15/5114

Wir beginnen mit der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 1:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e r A b g. F r i e d l i n d e G u r r - H i r s c h C D U – I n k l u s i o n a n d e n G e m e i n s c h a f t s s c h u l e n

Bitte, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich frage die Landes regierung:

a) Ist die Gemeinschaftsschule eine geeignete Schulart für ei

ne inklusive Beschulung?

b) In welchem Umfang werden für ein inklusiv beschultes

Kind zusätzliche Ressourcen an eine Gemeinschaftsschu le gegeben?

Herzlichen Dank.

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Kultusminister Stoch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich darf die Fragen der Frau Kollegin Gurr-Hirsch wie folgt beantwor ten:

Die Gemeinschaftsschule ist bereits von ihrer Struktur, von ihrer pädagogischen Konzeption her eine sehr geeignete Schulart für Inklusion. Aber ich möchte an dieser Stelle und im gleichen Satz betonen: Inklusion ist die Aufgabe aller Schulen und aller Schularten. Das wird auch die Maßgabe der anstehenden Gesetzesänderung sein.

Das Ziel der grün-roten Landesregierung ist ein inklusives Bildungssystem, und zwar sowohl deshalb, weil uns die UNBehindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, als auch des

halb, weil wir von unserem Menschenbild und unserer Vor stellung eines sozialen und gerechten Bildungssystems her von dieser Inklusion überzeugt sind.

Mit der Einführung der Gemeinschaftsschule wurde im Vor griff auf die Schulgesetzänderung zur Inklusion geregelt, dass die Gemeinschaftsschule auch Schülerinnen und Schülern of fensteht, die ein Recht zum Besuch der Sonderschule hätten – also eine Öffnung im Hinblick auf die Sonderschulpflicht, die ja noch im Schulgesetz verankert ist. Dabei wurde auch geregelt – das ist aus meiner Sicht längst überfällig gewesen –, dass die Schülerinnen und Schüler bereits ganz normal zum Klassenteiler dieser Schule dazuzählen. Das wollen wir dann zukünftig auch für alle Schulen und Schularten so regeln.

Dabei sind aber aus meiner Sicht Schwerpunktschulen nicht geeignet, um das Ziel der Inklusion zu verwirklichen. Denn eine inklusive Grundverfassung im Bildungssystem fordert letztlich von jeder Schule, sich um Inklusion zu bemühen. Da geht es um die schwierige Unterscheidung zwischen zielglei cher und zieldifferenter Inklusion. Aber von vornherein zu sa gen, nur wenige Schwerpunktschulen hätten diese Aufgabe, würde das zu stark ausdünnen und damit den Eltern auch nicht wirklich das Wahlrecht zwischen einer Regel- und einer Son derschule geben. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchten wir, dass der Weg über die Schwerpunkt schulen eben nicht der Weg von Baden-Württemberg wird, sondern dass wir uns für eine möglichst breite Inklusion an allen Schulen und an allen Schularten entscheiden.

Im Vorgriff auf die Schulgesetznovellierung wurde bereits festgelegt, dass es der Gemeinschaftsschule auch offensteht, Schülerinnen und Schüler aufzunehmen – ich habe es erwähnt –, die ein Recht auf den Besuch einer Sonderschule haben. Dabei bedarf es erheblicher Anstrengungen, was die Einstel lungen und Haltungen der Beteiligten an den Schulen anbe langt. Schulverwaltung und Zivilgesellschaft müssen hier zu sammenarbeiten, damit wir auch ein entsprechendes inklusi ves Grundverständnis bekommen. Da müssen alle Schulen und alle Schularten mit an Bord sein, um entsprechende Kon zepte zu entwickeln.

Mir kommt es dabei auf ein gutes Miteinander an. Für mich ist es wichtig, dass es die Lehrkräfte gerade auch an den all gemeinen Schulen Schritt für Schritt als Selbstverständlich keit erleben, mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Sonder schulbereich, mit ausgebildeten Sonderpädagogen zusammen zuarbeiten. Ich glaube, es wird auch für die Arbeit der Lehr kräfte eine erhebliche Umstellung bedeuten, im Team zu ar beiten. Aber ich glaube, es ist der richtige Weg, wenn wir In klusion wirklich in hoher Qualität umsetzen wollen.

Eine weitere ganz wichtige Botschaft ist: Das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule mit den Elementen des in dividuellen Lernens, mit den Elementen des kooperativen Ler nens kann dann natürlich auch besonders auf die unterschied lichen Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern eingehen, weil dieses Thema „Umgang mit Heterogenität“ bei der Gemeinschaftsschule in besonderer Weise gelebt wird.

Deswegen glaube ich, dass die Gemeinschaftsschule hier ei ne wichtige Funktion, auch eine Vorbildfunktion, einnehmen kann. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Gemeinschafts schulen aus Sicht der anderen Schularten quasi die Schulart

werden, an die dann alle Kinder mit einem sonderpädagogi schen Förderbedarf verwiesen werden. Das hieße, dass wir dann doch wieder in einer Inklusion eine Exklusion herstel len und damit die Gemeinschaftsschulen quasi zu den neuen Sonderschulen machen würden. Das kann nicht der richtige Weg sein. Deswegen hat hier, wie gesagt, die Gemeinschafts schule diese wichtige Leitfunktion, aber sie darf nicht die Schulart sein, die die Inklusion allein zu schultern hat.

Die zweite Frage von Frau Kollegin Gurr-Hirsch ist die Fra ge nach der Ressourcenausstattung. Hier ist es mir wichtig, zu sagen, dass wir bei der Ausstattung immer sehr passgenau und bedarfsgenau die entsprechenden Konzepte vor Ort er stellen. Da arbeiten wir mit den Schulverwaltungen, vor al lem mit den Schulämtern, in ganz engem Kontakt. Denn wir wollen vor Ort, bezogen auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes, die richtige Versorgung gewährleisten. Da kann man schlecht schematisch sagen: „Pro Kind zwei, drei, vier oder fünf Stunden sonderpädagogische Betreuung“, sondern da müssen die Verantwortlichen versuchen, ein gruppenbezoge nes Angebot zu formen, in dem dann auch die Sonderpädago gen mit der richtigen sonderpädagogischen Ausbildung für die jeweiligen Behinderungsarten präsent sind. Deswegen halten wir hier nichts von einer schematischen Betrachtung.

Das Gleiche gilt auch für die Gemeinschaftsschulen. Die Schulämter sollen nach der neuen Konzeption quasi eine Art Budget bekommen – das haben sie zum Teil bereits –, aus dem sie schöpfen, um jeweils vor Ort das notwendige Konzept passgenau und in hoher Qualität zu erstellen.

Wie gesagt, uns geht es immer um die Betrachtung vom kon kreten Einzelfall aus, vom konkreten Kind aus. Deswegen ist die Ausstattung der Gemeinschaftsschulen eben nicht typisie rend erfolgt, sondern sie erfolgt nach dem tatsächlichen Be darf. Aber dort, wo wir Inklusion an den Gemeinschaftsschu len gewährleisten – das ist in vielen Fällen bereits der Fall –, schaffen wir es durch eine entsprechende Zusatzausstattung oft, zum Zwei-Lehrer-System zu kommen und damit eine ho he individuelle Förderung sicherzustellen.

Eine Zusatzfrage der Frau Abg. Gurr-Hirsch.

Herzlichen Dank für Ih re Antwort. Bei mir hat sich noch eine Zusatzfrage aufgetan. Ich konnte Ihre Entscheidung Henri betreffend sehr gut nach vollziehen. Es war aus meiner Sicht eine sehr ausgewogene – so möchte ich sagen – Interpretation.

Sie sagten, man solle jetzt nicht denken, dass Gemeinschafts schulen in besonderer Weise dazu geeignet seien, inklusiv zu beschulen. Heißt das im Umkehrschluss, dass Gemeinschafts schulen dann, wenn sie genügend Inklusionsfälle haben, auch abweisen können?

Ge meinschaftsschulen müssen letztlich, wenn sie über die Auf nahme von Schülerinnen und Schülern zu entscheiden haben, auch von ihrer bestehenden Kapazität in räumlicher, aber auch in pädagogischer Hinsicht ausgehen. Wenn bei einer Gemein schaftsschule die Nachfrage von Schülerinnen und Schülern zu hoch ist, als dass ihr von dieser Schule entsprochen wer den kann, wird es dort zwingend auch zu Schülerabweisun

gen kommen müssen. Wir haben teilweise Gemeinschafts schulen, bei denen eine sehr große Nachfrage besteht. Da wird zum Teil leider abgewiesen, weil es dort gar nicht die Kapa zität gibt, die wir überall brauchten.

Bei der Frage der Kapazität, auch bei der Frage der entspre chenden personellen Ausstattung spielt natürlich auch immer eine Rolle, wie viele Schüler mit einem besonderen Förder bedarf in der Gesamtschülerzahl enthalten sind. Deswegen wird hier eine Rolle spielen, ob das Verhältnis zwischen der Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädago gischen Förderbedarf und der Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ausgewogen ist. Wir dürfen die Gemeinschaftsschule letztlich in ihrer pä dagogischen Konzeption nicht damit überlasten, dass der An teil der Kinder mit einem Förderbedarf an einer einzelnen Schule zu hoch wird. Aber das wird im Einzelfall zu entschei den sein.

Wir haben heute noch keine Fälle, in denen dies eintreten wür de. Theoretisch können solche Fälle auftreten, aber aufgrund des dichter werdenden Netzes von Gemeinschaftsschulen ge hen wir davon aus, dass wir bei entsprechender Nachfrage der Schülerinnen und Schüler diese auf die Standorte gut vertei len können und damit wieder eine hohe Qualität an den Ge meinschaftsschulen gewährleisten können.

Das ist eigentlich die Antwort auf Ihre Frage. Wir müssen es schaffen, die richtige Mischung an den Schulen zu kreieren. Die entsprechende personelle Ausstattung gehört natürlich als ein Kernelement dazu.

Keine weiteren Zusatz fragen. – Vielen Dank, Herr Minister.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 2 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e r A b g. F r i e d l i n d e G u r r - H i r s c h C D U – S c h ü l e r t r a n s p o r t v e r k e h r

Bitte, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich frage die Landes regierung:

a) Wie hat sich der Schülertransportverkehr durch die Einfüh

rung der Gemeinschaftsschule verändert?

b) Welche neuen Transportmöglichkeiten kommen zur Ge

winnung von Schülerinnen und Schülern an Gemein schaftsschulen zum Einsatz?

Ich erteile Herrn Mi nister Stoch für die Landesregierung das Wort.

(Abg. Peter Hauk CDU: Er übernimmt jetzt auch das Verkehrsressort! Das wäre wahrscheinlich besser! – Vereinzelt Heiterkeit)

Diese Komplimente schon am frühen Nachmittag.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Vergiftet!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich beant worte die Mündliche Anfrage der Kollegin Gurr-Hirsch wie folgt: