Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Bei der Wahlform können die Eltern entscheiden, ob ihr Kind für mindestens ein Jahr verpflichtend am Ganztagsbetrieb teil nimmt. Bei der verbindlichen Form wird, wenn alternativ kein offenes Angebot gewährleistet wird, die gesamte Schule ver pflichtend für alle Schülerinnen und Schüler auf Ganztags schulbetrieb umgestellt; dies gilt – ganz wichtig – dort, wo dies aus pädagogischen Gründen und mit Zustimmung der El tern gewünscht wird.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist sehr ver nünftig!)

Die Umstellung erfolgt auch bei der verbindlichen Form nicht auf Knopfdruck, sondern sie kann aufwachsend geschehen. Damit geben wir den Kindern, den Eltern, aber auch den Leh rerinnen und Lehrern die notwendige Zeit, sich auf diese Ver änderungen einzustellen.

Wir halten, gerade aus pädagogischen Gründen, ganztägige Bildungsangebote für sinnvoll. Wir können und wollen diese aber nicht von oben verordnen oder aufzwingen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum tun Sie es nicht bei der Gemeinschaftsschule?)

Herr Röhm, wenn Sie eine Frage stellen wollen, stehen Sie auf. Sie haben drei Mal das Gleiche reingeblökt. Das finde ich irgendwie unangenehm.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe eine an ständige Frage gestellt! Sie beantworten sie nicht! – Abg. Thomas Blenke CDU: Ja, Herr Lehrer!)

Wir sind vielmehr der Ansicht, dass Fragen grundsätzlich dort am besten geklärt werden und Entscheidungen dort getroffen werden sollen, wo sie entstehen und sich auswirken.

Jetzt bekommen Sie Ihre Antwort:

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wenn sich jemand für die Einrichtung einer Gemeinschafts schule entscheidet, tut er das im Wissen um das verbindliche Ganztagsangebot. Deswegen ist es eine bewusste Entschei dung für den Ganztag. Sie können noch so dagegen intrigie ren; die Entscheidungen werden vor Ort getroffen. – Herzli chen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er hat keine an dere Wahl! Sie bieten ja gar keine andere Wahl!)

Deshalb entscheiden immer die Schulträger gemeinsam mit der jeweiligen Schulkonferenz vor Ort, ob und in welcher Form ein Ganztagsangebot an einer Schule eingerichtet wird. Damit sind auch die Eltern an dieser Entscheidung direkt be teiligt.

Ich möchte aus Anlass der Einbringung dieses Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes auch auf die Schulkonferenz bzw. die verschiedenen Gruppen, die am schulischen Leben beteiligt sind, eingehen. Die Schulkonferenz bzw. die Betei ligung an Entscheidungen spielt auch bei den weiteren Schul gesetzänderungen, die ebenfalls Gegenstand dieses Projekts sind, eine wichtige Rolle, über die wir heute diskutieren. Des halb möchte ich an dieser Stelle kurz auf die paritätische Be setzung der Schulkonferenz und auf das neue Schulleiterbe setzungsverfahren zu sprechen kommen.

Die paritätische Besetzung der Schulkonferenz sorgt für eine gleichberechtigte Teilhabe aller relevanten Gruppen und trägt damit zu mehr Demokratie in der Schulgemeinschaft bei. Das neue Schulleiterbesetzungsverfahren verbessert die Transpa renz – das ist aus unserer Sicht auch notwendig –, und es stärkt die Beteiligung von Schulkonferenz und Schulträgern in die sem Auswahlprozess.

Die Schulkonferenz ist das entscheidende Gremium, wenn wichtige Beschlüsse an den Schulen gefasst werden. Dazu zählen beispielsweise eine Änderung der Schulordnung, die Entscheidung einer Schule, sich zur Gemeinschaftsschule zu entwickeln, oder die Entscheidung, Ganztagsschule zu wer den.

Dieses wichtige Gremium soll künftig paritätisch besetzt sein. Das heißt, Schüler, Eltern und Lehrer, und im Fall der beruf

lichen Schulen auch die Vertreter der Ausbildungsseite, sind dort zu gleichen Teilen und mit den gleichen Stimmrechten vertreten.

Zu den zentralen Entscheidungen an einer Schule zählt auch die Frage der Nachbesetzung einer Schulleiterstelle. Ange sichts der dynamischen Entwicklung unserer Gesellschaft, die insbesondere auch im Bildungsbereich viele Veränderungen notwendig macht, hängt von einer guten Schulleiterin bzw. ei nem guten Schulleiter sehr viel ab, was auch die Qualitätsent wicklung an einer Schule angeht.

Bislang konnten Schulkonferenz und Schulträger nur am En de eines Bewerbungsverfahrens einen Besetzungsvorschlag abgeben; am eigentlichen Auswahlprozess waren sie nicht be teiligt. Künftig wird eine Auswahlkommission den gesamten Prozess von Beginn an begleiten, die sich aus zwei Vertretern der Schulaufsicht und jeweils einem Vertreter der Schulkon ferenz und des Schulträgers zusammensetzt. Das bedeutet, wir beteiligen sowohl die Schulträger als auch die Schulkonferenz stärker und frühzeitiger. Wir sind überzeugt, dass Stellenbe setzungen auf dieser Basis künftig transparenter ablaufen. Wir hoffen, dass wir auf diese Weise Schulleiterstellen noch häu figer, als dies in der Vergangenheit der Fall war, im Einver nehmen mit den Beteiligten vor Ort besetzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Mit dem neuen Verfahren stärken wir auch die Partizipation der Jugendlichen. Diese sind als Mitglieder der Schulkonfe renz künftig nicht mehr von den Beratungen zur Schulleiter besetzung ausgeschlossen, sofern sie das 16. Lebensjahr voll endet haben.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Lassen Sie mich nun noch einmal auf das Thema Ganztags schule zurückkommen. Mit der gesetzlichen Verankerung der Ganztagsschule schafft die Landesregierung dauerhafte und verlässliche Rahmenbedingungen und damit auch eine stabi le Basis für die Zusammenarbeit mit außerschulischen Part nern. Ein wichtiger Bestandteil des neuen Ganztagsschulkon zepts ist die Einbindung außerschulischer Partner. Wir sind davon überzeugt, dass ganztägige Bildungsangebote nicht nur aus Unterricht bestehen können. Eine gute Ganztagsschule ist nicht einfach eine Halbtagsschule, multipliziert mit zwei. Viel mehr wollen wir es gemeinsam mit den gesellschaftlichen Ak teuren schaffen, dass die Schule auch mit anderen Bildungs inhalten gefüllt wird, dass Schule ein Ort des ganzheitlichen Lernens und Lehrens ist. Das ist das Ziel dieses offenen Ganz tagsschulkonzepts.

Deswegen freuen wir uns auch, dass bereits viele, viele au ßerschulische Partner ein großes Interesse bekundet haben, zukünftig Teil dieser guten, pädagogisch ausgestalteten Ganz tagsschule in Baden-Württemberg zu sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Dass wir diese Entscheidung, diese Absicht auch ernst mei nen, können Sie daran erkennen, dass wir dafür in einem er heblichen Maß auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Sie wissen, dass bis zu 50 % der Zuweisung von Lehrerwo chenstunden auch für den Ganztag monetarisiert werden kön

nen. Das bedeutet, dass sich die Schule dafür entscheiden kann, den Gegenwert der Lehrerwochenstunde in Geld in An spruch zu nehmen, um damit Angebote von außerschulischen Partnern zu finanzieren.

Damit können wir – auch aufbauend auf den Grundlagen aus dem Jugendbegleiterprogramm – sehr gute Angebote auch in hoher Qualität vorhalten. Denn eines muss auch den außer schulischen Partnern klar sein: In einer Ganztagsschule muss zum einen ein hohes Maß an Stabilität und Verlässlichkeit ge währleistet werden, aber – das erwarten die Eltern von uns als den für die Schule Verantwortlichen zu Recht – in der Schu le muss zum anderen auch ein hohes Qualitätsniveau gewähr leistet sein.

Deswegen freue ich mich, dass die außerschulischen Partner gerade auch beim Thema „Qualifizierung von Übungsleitern“, bei der Qualifizierung der entsprechenden pädagogischen Kräfte, gemeinsam mit uns die Konzepte entwickeln wollen, um zukünftig ein wesentlicher Teil der Ganztagsschule in Ba den-Württemberg zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Sie haben es den Medien entnehmen können: Mit dem Lan dessportverband haben wir bereits Anfang April eine erste sol che Rahmenvereinbarung unterzeichnet, um zusätzliche Be wegungs-, Spiel- und Sportangebote in die Ganztagsschulen zu bringen. Gerade vorgestern haben wir mit zahlreichen wei teren außerschulischen Organisationen – über 40 an der Zahl – eine Rahmenvereinbarung verabschiedet, um auch diese Partner –

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wegweisend!)

etwa aus den Bereichen Musik, Kunst oder Jugendarbeit – künftig ebenfalls eng in den Ganztagsschulbetrieb einzubin den.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Ich glaube, dass dies auch für das Gelingen des Ausbaus der Ganztagsschulen in Baden-Württemberg entscheidend sein wird. Es wird darum gehen, dass auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen neuen Stellenwert bekommt. Das ist für Baden-Württemberg als starkem Wirtschaftsstandort auch eine wirtschaftspolitische Frage.

Aber gerade auch aus den von mir genannten Gründen ist es aus bildungspolitischer Sicht, insbesondere was das Thema Bildungsgerechtigkeit angeht, ein Durchbruch, wenn wir ge meinsam mit der überwiegenden Zahl der gesellschaftlichen Kräfte, mit den kommunalen Landesverbänden und vielen, vielen Verbänden und Vereinen hier eine breite Grundlage schaffen. Unser Ganztagsschulkonzept bietet alle Vorausset zungen dafür, dass es von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird.

Ich danke Ihnen daher für die Unterstützung und freue mich auf die Zustimmung des Landtags.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich erteile Herrn Abg. Wacker für die CDU-Fraktion das Wort.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass wir uns hier in diesem Hohen Haus bezüglich des Ausbaus der Ganztagsschulen im Grundsatz einig sind

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zurufe von der SPD: Aber!)

ja, das ist durchaus eine grundsätzliche Position, die wir ge meinsam teilen –,

(Zuruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE)

vorausgesetzt, der Ausbau der Ganztagsschulen erfolgt be darfsorientiert und die Ganztagsschulen orientieren sich an den Bedürfnissen vor Ort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jörg Fritz GRÜNE – Abg. Volker Schebesta CDU zu Grünen und SPD: Da könnt ihr auch klatschen!)

Deswegen hat die Regierung jetzt die große Chance, an dem anzuknüpfen, was die frühere Landesregierung in diesem Be reich geleistet hat.

(Beifall des Abg. Volker Schebesta CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wenig!)

Zwischen 2002 und 2010, also in einem Zeitraum von acht Jahren, wurden durch die frühere Landesregierung 1 115 öf fentliche Ganztagsschulen bei Einbeziehung von 1 800 Un terrichtsdeputaten, die seitens des Landes hierfür verlässlich vorgesehen waren, bewilligt. Sie, Herr Minister, sehen in Ih rer Planung, in Ihrem Konzept 1 920 Deputate für den Aus bau der Ganztagsgrundschulen vor. So groß ist der Unter schied, was die Ressourcenausstattung betrifft, also nicht.