Meine Damen und Herren, Thema der Beratung ist auch die Bedeutung der Volksabstimmung zur „Masseneinwanderungs initiative“ für die wissenschaftliche Zusammenarbeit. Kolle ge Reinhart, ich kann Ihre Sorge über die Beziehungen Ba den-Württembergs zur Schweiz nicht teilen. Die Beziehungen zur Schweiz sind gut, intensiv und vertrauensvoll. Ich verwei se darauf, wie viele Delegationen aus der Schweiz, von Schweizer Kantonen und der Schweizer Regierung, wir in der Vergangenheit empfangen haben. Ich verweise auf die Ge spräche des Ministerpräsidenten mit dem Schweizer Bundes präsidenten, auf die Reise des Ministerpräsidenten in die Schweiz, in die grenznahen Kantone. Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend.
Aber wir können auch nicht so tun, als sei die angesprochene Volksabstimmung für die weitere Zusammenarbeit ohne Be deutung. Deswegen bin ich dankbar, dass auch parlaments übergreifend betont wurde, dass die Reaktion der EU, die As soziierung für Horizon 2020 und Erasmus+ aufgrund der Schweizer Volksabstimmung und der Nichtausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien auszusetzen, richtig war. Auch ich glaube, dass diese Reaktion der EU richtig war. Es muss gegenüber der Schweiz auch deutlich werden, dass es, wenn man sich gegen den Geist und den Inhalt der Verträ ge wendet und die Verträge infrage stellt, auch Konsequenzen hat. Die Befürworter der Initiative „Gegen Masseneinwande rung“ haben suggeriert: „Wir können der EU entgegenhalten, was wir wollen; das hat überhaupt keine Konsequenzen.“ Des wegen war es, glaube ich, richtig, so zu reagieren.
Die Konsequenz dessen ist, dass die Schweiz nach wie vor an Projekten der wissenschaftlichen Zusammenarbeit teilhaben kann. Baden-Württemberg hat sehr viele solcher Projekte. Ein Drittel unserer Projekte im 7. Forschungsrahmenprogramm fanden unter Beteiligung der Schweiz statt. Es gibt die Inter nationale Bodenseehochschule, seit über 20 Jahren Eucor am Oberrhein, die Trinationale Metropolregion mit der Säule Wis senschaft, über 97 Kooperationen zwischen baden-württem bergischen und Schweizer Hochschulen. Das heißt, die Ko operation ist sehr intensiv.
Es wird Schweizer Hochschulen auch in Zukunft möglich sein, an Horizon 2020 und Erasmus+ mitzuwirken, allerdings mit Schweizer Mitteln; sie erhalten zunächst keine Förderung von der Europäischen Union. Das ist aus meiner Sicht die richtige Konsequenz aus dem, was in der Schweiz verhandelt wurde.
Das Schweizer Departement der Justiz hat jetzt einen Vor schlag vorgelegt, wie das Ergebnis der Volksabstimmung in
Schweizer Recht umgesetzt werden soll. Wenn ich den Vor schlag vom 20. Juni richtig verstehe, bedeutet er, dass die Schweiz Kontingente, Limitierungen und Einschränkungen in Recht überführen will. Diese sind nicht vereinbar mit den Grundzügen bzw. Grundlagen
(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU, Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE, Florian Wahl SPD und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Es ist völlig klar, dass dies nicht mit europäischem Recht ver einbar ist. Dazu wird auch kein Verhandlungserfolg zu erzie len sein.
Deswegen muss unser Bestreben sein, dass die Schweiz an dieser Stelle ihre Position korrigiert. Ich habe auch den Ein druck, dass die Positionierung des Schweizer Bundesrats da zu dient, zu einer Korrektur des Ergebnisses der Volksabstim mung zu kommen und darüber zu reden, wie die bilateralen Verträge fortgeführt werden können, ohne die Grundlagen und die Wesensmerkmale der europäischen Freizügigkeit einzu schränken.
Es sind übrigens gerade die Vertreter der Schweizer Wissen schaft, die betont und deutlich gemacht haben, dass sie die Freizügigkeit für ein ganz wichtiges Element halten.
Deswegen ist es wichtig, dass wir an dieser Stelle – ich dan ke auch den Grünen für ihren Antrag dazu – darüber reden, dass wir die europäische Freizügigkeit auch für die wissen schaftliche Zusammenarbeit brauchen. Das darf nicht in ei nem Widerspruch zueinander stehen.
Wir hoffen, dass wir mit dem, was wir im Rahmen von Hori zon 2020, INTERREG, der nachbarschaftlichen Zusammen arbeit zusammen hinbekommen, einen Weg finden, wie die Freizügigkeit erhalten bleiben kann. Dann wird auch der vol len Zusammenarbeit und der Assoziierung der Schweiz nichts im Wege stehen.
Ich möchte Ihnen ausdrücklich zustimmen: Wir haben eine lange Liste von Misserfolgen in der Zusammenarbeit mit der Schweiz zu verzeichnen. Dazu gehören die Themen Fluglärm und Steuern, dazu gehört auch manches Verkehrsprojekt. Die Initiative „Gegen Masseneinwanderung“ ist ein weiterer Tief schlag für die bilateralen Beziehungen, aber auch für die Be ziehungen der Schweiz zur Europäischen Union. Deswegen tun wir gut daran, wenn wir es schaffen, beizeiten auch wie der Erfolgsmeldungen
im Verhältnis zur Schweiz hinzubekommen, z. B. im Bereich der Schieneninfrastruktur. Wir sollten aber auch Misserfolge vermeiden. Dazu gehört insbesondere die deutsche Mautde batte.
Ich hoffe, dass die Hochrheinbahn eines der Themen sein wird, bei denen wir beizeiten wieder Erfolge dahin gehend zeigen können, dass die Beziehungen zur Schweiz und die zwischen der Schweiz und der EU weiterhin gut funktionie ren.
(Beifall der Abg. Andreas Schwarz und Muhterem Aras GRÜNE – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der Reihenfolge müssen wir jetzt einmal schauen, was es noch zu diskutieren gibt.
Wir, die grüne Fraktion, haben Anfang des Jahres, am 18. Fe bruar, in Reaktion auf die Volksabstimmung in der Schweiz den vorliegenden Antrag gestellt. Der Minister hat dazu gera de schon einige Ausführungen gemacht.
Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben mit einer knap pen Mehrheit – aber es war eine Mehrheit – dieser Initiative zugestimmt mit all den Konsequenzen, die angesprochen wur den.
Ich denke, der Würdigung kann man zustimmen. Es hat fol gerichtig dazu geführt, dass im Bereich Erasmus+ und Hori zon 2020 die Schweiz Konsequenzen zu spüren hatte. Wir, die baden-württembergischen Wissenschaftspolitiker, haben fest stellen müssen, dass es für unseren Wissenschaftsstandort, für das Wissenschaftsmusterländle Baden-Württemberg – dieser Begriff wurde heute Morgen schon erwähnt – natürlich auch eine Bedeutung hat, wenn einer unserer wichtigsten Partner im Wissenschaftsbereich beispielsweise von Horizon 2020 ausgeschlossen ist.
Insofern war es uns wichtig, das beim Wissenschaftsministe rium abzufragen und in Erfahrung zu bringen, inwieweit es Möglichkeiten der weiteren Zusammenarbeit gibt und wie das Problem eingeschätzt wird. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Landesregierung für die umfassende Beantwor tung unserer Fragen und für die im Großen und Ganzen doch realistische Einschätzung dieser Zusammenarbeit.
Vielleicht noch eine Ergänzung zu Ihren Ausführungen, Herr Minister. Sie hatten darauf hingewiesen, dass es an verschie
denen Stellen aus Baden-Württemberg eben nicht nur Kritik als Reaktion gab – wir alle waren über das Ergebnis überrascht –, sondern dass Sie, aber auch der Ministerpräsident den Kon takt gesucht haben. Sie haben nicht etwa gesagt: „Da fahren wir erst einmal nicht mehr hin.“ Man hat zu vielen Partnern auf den verschiedensten Ebenen den Kontakt, das Gespräch gesucht. Man ist hingefahren und hat auf verschiedenen Ebe nen versucht, Lösungen für eine Übergangszeit zu finden. Ich möchte an dieser Stelle dafür noch einmal einen herzlichen Dank aussprechen. Denn ich glaube, es war ein ganz wichti ges Signal, dass man auf der einen Seite klar und deutlich Kri tik zu dem Ausgang der Abstimmung äußert, auf der anderen Seite aber auch sagt, dass man ein verlässlicher und guter Part ner sein will.
Denn wir arbeiten an sehr vielen Stellen zusammen, und es bestehen auch große Abhängigkeiten voneinander.
Für mich war besonders spannend – das wurde jetzt schon von mehreren Kollegen angesprochen –, was die Generalkonsulin Flückiger Sutter im Europaausschuss gesagt hat. Sie hat etwa eine halbe Stunde lang über den weiteren Fortgang als Reak tion auf diese Initiative berichtet und erläutert, wie das ablau fen soll. Die wichtigste Botschaft war ihre positive Resonanz uns gegenüber. Sie hat sehr wohl wahrgenommen, wie sich Baden-Württemberg gegenüber der Schweiz verhält und wie konstruktiv doch das weitere Miteinander war. Das hat sie sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Das empfand ich als sehr, sehr wichtig. Das wurde im Europaausschuss in der vollen Breite auch so bestätigt. Das zeigt, dass es weitergehen kann und muss und wir diesen Weg sicherlich auch gemeinsam ge stalten können – wie auch immer der weitere Prozess abläuft. Ich bin einmal gespannt, was in der Schweiz passiert. Das Thema wurde im Europaausschuss sehr konstruktiv diskutiert. Die Generalkonsulin hat Hoffnung gemacht, dass es positiv weitergehen kann. Ich denke, das war ein wichtiges Signal.
Ich möchte noch auf zwei, drei weitere Punkte abheben: Wir haben heute eine besondere Kooperation im Wissenschafts bereich insbesondere der Universität Konstanz und der PH Thurgau im Bereich der Lehrerbildung. Es gibt die jetzt schon angesprochene Internationale Bodenseehochschule und den Eucor-Verbund. Das sind Beispiele dafür, wie wichtig und eng die Verzahnung mit Institutionen in der Schweiz für uns in Baden-Württemberg ist. Es ist wichtig, dass es da keinen to talen Abbruch gibt und dass wir das weiter stärken. Das ist für unseren Wissenschaftsstandort extrem bedeutend. Wir sollten alle Kraft daransetzen, dass das weitergehen kann.
Das betrifft nicht nur den Forschungsbereich, es betrifft auch ganz klar den Austausch von Fachkräften. Es ist also nicht nur ein Thema der Industrie, wie es Kollege Grimm angesprochen hat. Vielmehr betrifft es auch den Wissenschaftsbereich. Vie le Professorinnen und Professoren aus Deutschland sind in der Schweiz tätig, ganz viele sind auch aus der Schweiz nach Ba den-Württemberg gekommen. Auch dieser Austausch ist wich tig für uns. Wissenschaft ist international aufgestellt. Wissen schaft lebt vom Austausch und vom Miteinander. Deswegen
ist es besonders wichtig, dass dies insbesondere im Wissen schaftsbereich, im Bereich Forschung und Lehre, weiterhin stattfinden kann. Es ist wichtig, dass unsere Landesregierung weiterhin alles dafür tut.
Also: Wir leben von diesem grenzenlosen Austausch. Ich freue mich, wenn das weitergeht. Ich freue mich, wenn sich unsere Vertreter in der Landesregierung weiterhin darum bemühen, dass es dabei vorangeht. Baden-Württemberg ist eine wichti ge Grenzregion für die Schweizer. Das wird von ihnen wahr genommen.
Wir haben nochmals klare Signale gesendet, dass es uns wich tig ist, dass es da auch weitere Schritte gibt. Insofern erhoffe ich mir, dass es auch im Fortgang der Umsetzung dieser Ini tiative vielleicht noch einmal positive Entwicklungen gibt, dass man da vielleicht eine Lösung findet, die nicht zu einer Abschottung führt, sondern einen konstruktiven Weg aufzeigt.
Ich würde mich freuen, wenn wir hier gemeinsam als Parla ment auch immer mit einer Stimme sprechen, wie es der Mi nister und der Ministerpräsident vor Ort auch immer getan ha ben, und unsere Regierung unterstützen.