Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Ihr eigener Mittelfristiger Finanzplan aus dem Januar 2013 – den muss man sich einmal anschauen; das ist keine Erblast; den haben Sie nämlich selbst geschrieben – sieht für 2015 Ausgaben in Höhe von 41,85 Milliarden € vor. Wie viel woll ten Sie jetzt ausgeben? 44,3 Milliarden €. Für 2016 stehen darin 42,68 Milliarden €. Jetzt sollen es 44,4 Milliarden € werden.

(Abg. Winfried Mack CDU: Wahnsinn!)

Sie genehmigen sich nach Ihrer eigenen verschwenderischen Haushaltspolitik in den vorangegangenen Jahren noch einmal zusätzlich 4,2 Milliarden € in diesen zwei Jahren. Und dann beschimpfen Sie andere Leute als Verbalsparer, Herr Minis ter.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf: Frechheit!)

Da kann ich Sie nur ein zweites Mal zitieren:

Baden-Württemberg kann es noch besser.

Auch da haben Sie recht. Aber nur ohne Sie als Finanzminis ter.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Sie behaupten, 98 % der Sparvorgaben seien erfüllt. Das ist dieses Gerede von Sparauflagen für die Ministerien, von Ori entierungsplänen. Ich darf dazu den „Staatsanzeiger“ zitieren:

..., weil der Finanzminister die steigenden Steuereinnah men als „strukturelle Einsparungen“ verbucht.

Das ist das Einzige, was Sie zum Sparen beizutragen haben: Orientierungspläne. Das sind doch Taschenspielertricks,

(Lachen des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

weil all das, was Sie angeblich einsparen, doch durch neue Einnahmen gedeckt ist. Mich wundert, dass Sie nicht die gan zen 32,6 Milliarden € Steuereinnahmen, die wir haben, als Einsparung deklarieren und sich dabei auf die Schulter klop fen. Das wäre das Nächste, was wir hier noch erwarten könn ten.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr anschaulich!)

Sie erzählen immer wieder von einem Dreischritt in der Haus haltspolitik. Das ist richtig. Aber Ihr Dreischritt besteht aus höheren Einnahmen, höheren Ausgaben und mehr Schulden. Das ist der Dreischritt Ihrer Haushaltspolitik.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Die Steuereinnahmen, Herr Minister, machen Sie zum „Nils im Glück“. Ich darf die „Eßlinger Zeitung“ zitieren:

... sprudelnde Steuerquellen, eine niedrige Arbeitslosen quote,... Kreditzinsen, die kaum der Rede wert sind...

Das ist das einzige Plus, das Sie haben. Aber dafür können Sie nichts.

Im Übrigen ist auch das anmaßend, was Sie in der vergange nen Woche hier gegenüber der Wirtschaft geäußert haben. Ich darf das zitieren:

Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf stellen wir... si cher, dass unsere Unternehmen auch in Zukunft... den entscheidenden Schritt voraus sein werden.

Es sind also angeblich der Finanzminister und der Haushalt, die die Innovationskraft der baden-württembergischen Unter nehmen beflügeln. Armes Baden-Württemberg, wenn die Un ternehmen im Land auf diese Regierung angewiesen wären, meine Damen und Herren!

(Beifall des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Abg. Rainer Hinderer SPD: Starker Beifall!)

Ein weiteres Zitat:

Wir werden mit diesem Doppelhaushalt dafür sorgen, dass alle Unternehmen... die Chancen der Digitalisie rung nutzen können.

Für die Chancen der Digitalisierung sind Sie also ebenfalls zuständig. Ja, dann tun Sie aber zu wenig für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur, meine Damen und Herren.

Nein, wie im Märchen vom „Hans im Glück“ verspielt „Nils im Glück“ am Ende sein Vermögen – nur mit dem Unter schied, dass „Hans im Glück“ dieses Vermögen selbst erar beitet hat. Das hingegen, was Sie verspielen, ist das Geld an derer Leute. So sieht es aus, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das glaubt noch nicht einmal die FDP/DVP!)

Wir haben galoppierend wachsende Ausgaben, die im Falle eines Konjunktureinbruchs oder eben aufgrund steigender Zinsen nicht mehr aufgefangen werden können. Dafür betrei ben Sie keinerlei Vorsorge. Sie gehen einfach davon aus – und schreiben das einfach fort –: Die Konjunktur wird sich schon weiter so entwickeln; unsere Einnahmen werden schon im mer weiter so steigen; also können wir einfach mehr Geld aus geben. Das ist Ihre Philosophie. Aber es wird keinerlei Vor sorge für schlechte Zeiten getroffen. Sie haben überhaupt nicht im Auge, was passieren könnte, wenn irgendwann einmal die Konjunktur einbricht.

Herr Ministerpräsident, es ist schon bezeichnend, dass jetzt in der mittelfristigen Finanzplanung einiges steht, was Sie der Wählertäuschung überführt. Im Sommer haben wir ja ein be merkenswertes Schauspiel erlebt. Da hat sich plötzlich der Fi nanzminister emanzipiert und ist aus dem Schatten des Mi nisterpräsidenten getreten, indem er unabgesprochen verkün det hat: 2016 Nullneuverschuldung.

Der Ministerpräsident und die Grünen haben sich darüber ge ärgert, man hat wochenlang geschmollt, hat erklärt: „Mal se

hen.“ Am Schluss gab es dann eine Sprachregelung, Herr Mi nisterpräsident. Sie haben dann gesagt: „Ja, das kann man ma chen, 2016 keine neuen Schulden, aber nicht als Strohfeuer, nicht einmalig im Wahlkampf, sondern nur, wenn die Haus halte dann in den folgenden Jahren ebenfalls ausgeglichen sind.“

Was erfahren wir jetzt? Oh Wunder – zumindest wenn man der „Stuttgarter Zeitung“ glauben darf, die natürlich früher in formiert war als das Parlament –, in der Finanzplanung ste hen für 2017 790 Millionen € neue Schulden, für 2018 238 Millionen € neue Schulden, für 2019 180 Millionen € neue Schulden. Also ist es offensichtlich halt doch so,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Glauben Sie alles, was in den Zeitungen steht?)

dass es nur im Wahljahr, im Jahr 2016, einen ausgeglichenen Haushalt geben soll, und hinterher, falls Sie die Wahl gewin nen – was Sie hoffen –, werden in Baden-Württemberg mun ter weiter Schulden gemacht. Diesen Wählerbetrug müssten Sie, Herr Ministerpräsident, erklären, oder Sie müssten sagen: Das, was in der „Stuttgarter Zeitung“ steht, ist falsch. Aber wir werden es sehen. Irgendwann müssen Sie ja Ihre Finanz planung vorlegen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Vor diesem Hintergrund macht es natürlich auch Sinn – jetzt habe ich es verstanden –, dass Sie unseren Gesetzentwurf ab lehnen wollen, mit dem geregelt werden soll, schon ab 2016 die Schuldenbremse greifen zu lassen. Ross und Reiter wur den ja in den bisherigen Debatten nicht genannt. Aber wenn man natürlich vorhat, neue Schulden aufzunehmen, ist völlig klar, dass man diesen Gesetzentwurf, über den wir am heuti gen Tag abzustimmen haben, ablehnen muss. Denn er konter kariert ja die eigene Politik. Versprochen, Herr Ministerpräsi dent, haben Sie etwas anderes. Aber jetzt ist die Katze aus dem Sack. Sie wollen 2016 einmal mit einem ausgeglichenen Haus halt im Wahljahr punkten – deshalb sammeln Sie Geld, des halb bilden Sie Rücklagen –, und hinterher wollen Sie weiter machen – wie es der Kollege Hauk formuliert hat –, Schulden wie die Sautreiber zu machen. Das ist Ihr Ziel. Das ist Ihre Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Ministers Reinhold Gall)

Andere wichtige Themen werden völlig ausgespart. Wir hät ten uns beispielsweise gewünscht, dass Sie ein Wort zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gesagt hät ten. Sie schweigen sich hier zu Ihrer Position, zur Position dieser Regierung, aus. Seit dreieinhalb Jahren haben wir im mer wieder gehört, dass der Ministerpräsident ankündigt: „Aber jetzt geht es mit den Verhandlungen los. Demnächst geht es los. Demnächst kommt ein Kamingespräch. Dem nächst beginnen die Verhandlungen.“ Aber was ist geschehen? Fehlanzeige! Keinerlei Ergebnisse, keinerlei Verhandlungen. Sie sind bisher keinen Millimeter vorangekommen.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Dann erklären Sie: „Wenn die Verhandlungen nichts ergeben, könnte ich mir auch vorstellen, der Klage von Bayern und Hessen beizutreten.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Wie lange brauchen Sie denn eigentlich noch, um dieser Kla ge beizutreten? Sie erreichen auf dem Verhandlungsweg doch nichts. Sie haben noch nicht einmal angefangen, meine Da men und Herren. Wenn Sie angefangen haben, hätten wir von Ihnen, Herr Minister, erwartet, dass Sie das hier bei Ihrer Haushaltsrede wenigstens erwähnt hätten. Das wäre doch Ih re Aufgabe.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Ministers Dr. Nils Schmid)

Thema „Neuordnung des Länderfinanzausgleichs“, Thema „Steuerautonomie der Länder“: überall Fehlanzeige. Die Ein räumung von Zu- oder Abschlagsrechten bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer haben Sie gelegentlich schon einmal für möglich gehalten. Ihr Kabinettskollege Friedrich erzählt dann immer das Gegenteil, nämlich dass dies Quatsch sei. Sie teilen in Interviews mit, Sie könnten sich dies vorstellen. Uns würde schon einmal interessieren, was eigentlich die Haltung der Regierung ist.

Wie geht es mit der Grund- und der Erbschaftsteuer weiter? Wie sieht es mit einem Beitritt zur Klage aus? Hier hätte ich mir einmal ein klares Wort dazu gewünscht und nicht, dass Sie immer auf Zeit spielen, indem Sie ankündigen: „Dem nächst sind Kamingespräche. Wenn am Kamin nichts brennt, dann kommt vielleicht die Klage.“ Herr Ministerpräsident, das ist keine Politik. Hier müssen Sie schon deutlicher werden.

Wir schlagen konkret ein Hebesatzrecht der Länder auf die zuvor abgesenkte Höhe der Einkommen- und Körperschaft steuer vor. Wir fordern auch das Recht der Länder, die Steu ersätze bei der Erbschaftsteuer durch Landesgesetz zu regeln, ebenso wie die Übertragung der Kompetenz für die Ausge staltung der Grundsteuer an die Länder. Das sind konkrete Beiträge zum Föderalismus. Diese Positionen können Sie sich zu eigen machen. Diese können Sie in die Verhandlungen ein bringen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Legen Sie sie doch selbst in Berlin vor!)

Kollege Schmiedel, ich bin baden-württembergischer Lan despolitiker. Wenn ich Vorschläge zu machen habe, die den Föderalismus betreffen, dann muss ich sie an meine Landes regierung richten. Denn diese vertritt unser Land im Bundes rat. In Ihren Unterlagen steht vielleicht irgendwo, dass dies so funktioniert.

Ziel sollte es sein, das Ausgleichsvolumen auf 4 Milliarden € zu begrenzen. Ab 2019 sollte dann ein neues Modell ohne die im jetzigen Modell vorhandene nivellierende Wirkung gelten. Das heißt, es ist notwendig, Anreize dafür zu schaffen, dass die Länder solide Haushalte vorlegen. Das muss das Ziel sein.

Die erforderlichen Gutachten der Professoren Feld, Kube und Seiler liegen vor. Darauf können Sie zurückgreifen. Aus der Vergangenheit gibt es viele Anknüpfungspunkte, so beispiels weise auch den Vorschlag, einen Schuldentilgungsfonds für die Länder einzurichten. Dabei geht es aber wohlgemerkt nicht um Deutschland-Bonds, sondern um die Möglichkeit, dass die Länder sich vom Volumen her ergänzen und vielleicht in späteren Zeiten, wenn die Zinsen wieder höher sind, durch das Gesamtvolumen davon profitieren können.