Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Meine Damen und Herren, ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen. Da muss ich Sie, Herr Minister, einfach loben. Ich habe das Interview im „Reutlinger General-Anzeiger“ ge lesen. Da war die Rede davon, das Schicksal in die Hand zu nehmen; noch sei der ländliche Raum stark. Ich glaube, viel wichtiger ist, das Ganze zu sehen. Die Agrarpolitik und die Politik für den ländlichen Raum ist nicht Bauernpolitik, son dern das ist Wirtschaftspolitik und Strukturpolitik. Das sind Politikbereiche, die die Landesregierung insgesamt angehen. Sie haben die Unterstützung von mir und sicherlich von uns allen, wenn es darum geht, für gescheite Straßenverhältnisse, schnelles Internet und entsprechende Schulangebote zu sor

gen. Der ländliche Raum als Ganzes muss attraktiv bleiben; denn davon hängt die Stärke unseres Landes ab.

Wenn uns das gelingt, bleiben die jungen Leute im ländlichen Raum bzw. kommen nach Studium oder Ausbildung wieder zurück. Dann haben wir etwas Gutes für unser Land getan.

Dem zufolge, was ich da gelesen habe, sind wir in diesem Punkt gar nicht so weit auseinander. Das muss man an dieser Stelle auch einmal positiv erwähnen.

Andererseits muss ich ganz klar sagen: Weg von der Roman tik, und weg von der Auffassung, man könnte auch mit Klein kram so viel erreichen, dass es reicht!

Familienbetriebe werden größer und komplexer.

(Glocke des Präsidenten)

Schauen Sie sich einmal die 45. Ausgabe der „Landpost“ an, in der über die Tagung der Agrarsozialen Gesellschaft in Göt tingen berichtet wird. Da hat ein Professor wieder einmal ehr lich und offen die Dinge beim Namen genannt. Es ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Punkt, dass wir uns mit unserer Agrarpolitik auch nichts vormachen sollten.

Vielen Dank. Ich freue mich auf die große Agrardebatte im Rahmen der Haushaltsberatungen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Landwirtschaftsminister Bonde das Wort.

(Zuruf: Ganz romantisch!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Die europäische Agrarpolitik wurde in ei nem sehr langen Prozess neu geordnet. Sie hatten es angespro chen, Herr Abg. Rombach: Es ist für uns alle eine Zumutung, wie lange dieser Prozess gedauert hat. Wir alle hätten uns ge wünscht, dass wir regulär im Jahr 2014 in die Förderperiode starten und den Betrieben eine langfristige Planungssicherheit geben.

Nun liegt das aber nicht in der Entscheidungsgewalt eines Landesparlaments und auch nicht in der Entscheidungsgewalt einer Landesregierung. Ausgangspunkt der Situation ist, dass die Staats- und Regierungschefs zweieinhalb Jahre lang über den europäischen Haushalt diskutiert und gestritten haben. Deshalb befinden wir uns jetzt erst im Notifizierungsverfah ren und sind natürlich davon abhängig, wann das Okay kommt und wie viel Kontrolle aus Brüssel noch erfolgt.

Ich denke, wir sind uns auch einig in der Frage der Bürokra tie. Sie haben eine Kritik des „Schwarzwälder Boten“ am Streuobstkonzept der Landesregierung angesprochen. Es war mir klar: Wenn man da etwas macht, bekommt man Ärger. Man kann auch anders damit umgehen, nämlich so, wie man es früher gemacht hat, indem man nämlich nichts macht

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist nicht wahr! Wir haben 10 Millionen € für den Erhalt von Streuobstflächen bereitgestellt!)

und kein Angebot für die Unterstützung von Pflegemaßnah men bereitstellt. Wir haben uns bewusst entschieden, hier ein Angebot zu machen, wissend, dass wir in einem Programm, das wir von der Europäischen Union notifizieren lassen müs sen, natürlich entsprechende Verfahren haben, die ich mir ein facher wünschen würde, die aber anderweitig nicht dem Rechtsrahmen entsprechen würden, in dem wir unterwegs sind.

Wir alle wissen, dass der Vorschlag des „Schwarzwälder Bo ten“, ich sollte doch die Äpfel kaufen und den Saft an Kran kenhäuser geben, von der Realität des europäischen Lebens mittel-, Wettbewerbs- und Subventionsrechts weit entfernt ist. Ich glaube, da hängt der Apfel etwas höher, als er im Schwarz wald in Oberndorf für den Redakteur zu greifen war, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Also: Die Bürokratie in Europa ist so. Ich glaube, wir brau chen auch nicht in eine Diskussion darüber einzusteigen, wel che Parteienfamilien beispielsweise den Rechnungsprüfungs ausschuss in Brüssel besetzen, und Ähnliches. Wir alle haben Wünsche, aber wir erleben, dass uns auch der große Entbüro kratisierer Edmund Stoiber in Brüssel nicht weitergebracht hat. Wir haben es vielmehr mit einem Rechtsrahmen zu tun, mit dem wir kämpfen und mit dem wir umgehen müssen.

Die EU-Kommission ist ja mit dem Ziel angetreten, die Ag rarpolitik ökologischer und gerechter zu machen, damit aber auch die Legitimation für die Direktzahlungen zu retten. Die europäische Agrarpolitik hat sich verändert. Sie ist zum Teil gerechter geworden – auch in der Verteilung hier in Deutsch land. Es ist gelungen, hier endlich die Ungerechtigkeit zu be enden, dass es in unterschiedlichen Bundesländern unter schiedliche Ansprüche hinsichtlich der Direktzahlungen gibt. Diese Ungerechtigkeit wird nun Schritt für Schritt aufgeho ben. Wir im Land profitieren davon.

Wir profitieren auch deshalb davon, weil die kleinen und mitt leren Betriebe einen Zuschlag auf die ersten Hektare bekom men. Man geht also bewusst weg von der bisherigen Situati on, dass 20 % der Betriebe 80 % der Mittel erhalten.

Diese Umverteilung kommt 90 % der Betriebe bei uns zugu te und führt auch dazu, dass entgegen dem Bundestrend die landwirtschaftlichen Familienbetriebe bei uns im Land von einem Ansteigen der Mittel in der Direktzahlung profitieren.

(Beifall bei den Grünen)

Das zweite Ziel ist, die Agrarpolitik ökologischer zu machen. Das erfolgt nun dadurch, dass 30 % der Direktzahlungen im Zusammenhang mit Greening erfolgen. Die Ziele der Euro päischen Kommission sind der Erhalt von Grünland, die Di versifizierung, der Anbau verschiedener Kulturarten, aber auch die Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen als Ele ment unter der Maxime „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“. Hier erfolgt eine Stärkung, auch mit dem Ziel, die gesellschaftliche Akzeptanz, die Mehrheitsfähigkeit der für die Betriebe in unserem Land notwendigen Agrarzahlun gen zu verbessern.

Uns in Baden-Württemberg ist es gelungen, die zweite Säule der Agrarpolitik auszubauen. In diesem Bereich können wir

über Mittel der Europäischen Union, ergänzt durch Mittel der Gemeinschaftsaufgabe, und Mittel des Landes Baden-Würt temberg wichtige Programme auflegen, um gesellschaftliche Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte zu honorieren, die nicht über den Markt honoriert werden können.

Es war wichtig, hart zu verhandeln, auch was die innerdeut sche Verteilung betrifft, und wir waren dabei erfolgreich, mei ne sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die Erhöhung der EU-Mittel zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums – der Bereich des sogenannten ELER – auf 710 Millionen € bedeutet ein Plus von 5 % gegenüber der letzten Förderperiode, und das in einer Situation, in der die Zahlungen für Deutschland insgesamt zurückgehen. Ich glaube, darauf können wir zu Recht gemeinsam stolz sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Damit stehen mit den Bundes- und Landesmitteln, die eben falls gegenüber der letzten Förderperiode steigen, pro Jahr rund 266 Millionen € für die Landwirtschaft, für den ländli chen Raum zur Verfügung. Zu Beginn des Jahres 2007 – Start der letzten Förderperiode – lag das Niveau noch deutlich da runter. Mit diesen Mitteln finanzieren wir insgesamt 16 För derprogramme im Maßnahmen- und Entwicklungsplan Länd licher Raum Baden-Württemberg, dem schon angesproche nen MEPL. Dieser Plan ist nach einem umfangreichen Dia logprozess mit maßgeblichen Akteuren entstanden und liegt seit Juli dieses Jahres der EU-Kommission zur Genehmigung vor.

Das Maßnahmenpaket folgt drei Prinzipien: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen, Stärkung der Grünlandstandorte und der Höhenlandwirtschaft und Stärkung der Wettbewerbs fähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe.

Im Zentrum stehen die Agrarumweltprogramme, allen voran das neue Programm, das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl, FAKT, das Nachfolgeprogramm des MEKA. Gemeinsam mit dem zweiten großen Agrarum weltprogramm, der Landschaftspflegerichtlinie, und der Aus gleichszulage macht es rund zwei Drittel des Finanztableaus aus. Ich glaube, auch hier ist deutlich zu sehen, dass wir zu unserer Verantwortung für den ländlichen Raum, für die Land wirtschaft stehen. 169 Millionen € pro Jahr für die Agrarum weltprogramme, das sind pro Jahr 20 Millionen € mehr als in der letzten Förderperiode. Ich glaube, das ist ein klares Be kenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Was uns besonders am Herzen liegt, sind die Grünlandregio nen und die schwer zu bewirtschaftenden Lagen. Wir haben eine Reihe von Verbesserungen im europäischen Rahmen er reichen können. Mit der verbesserten und an Viehhaltung ge bundenen Grünlandförderung honorieren wir den Aufwand und die Leistungen zum Erhalt der Kulturlandschaft. Gegen über der vergangenen Förderperiode sind die ökologischen und die Tierwohlkomponenten dabei stärker geworden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Tierwohl spielt bundesweit eine größere Rolle. So ist klar, dass sich bundes

weit im Bereich der Agrarinvestitionsförderung die Förderung des Tierwohls stärker in den Programmen abzeichnet, so wie auch bei uns in Baden-Württemberg beim Agrarinvestitions förderprogramm.

Das Programm zur Diversifizierung ermöglicht landwirt schaftlichen Betrieben zudem den Aufbau und die Stärkung neuer Einkommensstandbeine. Wichtig ist uns – das wurde auch schon angesprochen –, mit dem Maßnahmenplan die Be ratung zu stärken. Denn die Beratung ist ein zentraler Bestand teil, um die Wettbewerbsfähigkeit für die landwirtschaftlichen Betriebe zu erreichen. Ein breites Förderspektrum mit Förder sätzen von 50 bis 100 % ist hier ein wichtiger Schritt, um un sere Landwirtschaftsstruktur am Markt zu halten und die Un terschiedlichkeit der Betriebe und Wirtschaftsmodelle, gera de auch der bäuerlichen Familienbetriebe in Baden-Württem berg, aktiv zu unterstützen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wichtig war uns auch, das Regionalentwicklungsprogramm LEADER zu stärken, zivilgesellschaftliches Engagement in der Fläche des ländlichen Raums, aktive Regionalentwick lung, die von unten wächst, stärker zu gewichten. Es ist uns dadurch jetzt gelungen, die Zahl der Aktionsgruppen im Land von acht auf künftig 18 zu erhöhen. Wir sehen aber auch am breiten Interesse – 25 Regionen haben sich beworben –, dass hier ein echter Wettbewerb stattfindet, bei dem zum Schluss das beste Konzept darüber entscheiden wird, welche Regio nen in der Förderperiode mit LEADER spannende Regional entwicklungsansätze voranbringen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um eine komplexe Materie, die wir uns vielfach einfacher wünschen würden. Das führt manchmal zu Verwirrungen. Ich möchte an dieser Stelle ein paar Punkte aufgreifen.

Der von Ihnen, Herr Rombach, zitierte Titel im Einzelplan 08 des Landeshaushalts beschreibt nur einen kleinen Teil des Maßnahmenpakets und auch nur einen kleinen Teil der Finan zierung von FAKT. Man muss hier das gesamte Spektrum be trachten, die Zahlen, die ich vorhin genannt habe. Wenn Sie Einzeltitel betrachten, stoßen Sie im Übergang zwischen För derperioden auf verzerrende Effekte wie Abfinanzierungen, Neustartentwicklungen, zusätzlich auch wieder auf die Frage der Aussteuerung des alten Programms; Sie erinnern sich an das 33-Millionen-Loch. Dadurch kommen diese Zahlen zu stande, die Sie an dieser Stelle genannt haben; aber es ist kei nesfalls so, dass die Landesfinanzierung sinkt. Im Gegenteil, wir investieren noch mehr in den Bereich der Agrarumwelt programme, als es bisher der Fall war.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Rombach?

Ja, gern.

Herr Minister, wenn ich den Ent wurf des Haushaltsplans von Finanzminister Dr. Nils Schmid ansehe, sehe ich: Da ist unter dieser von Ihnen jetzt genann

ten Rubrik ausschließlich der Landesanteil genannt. Nur dar auf bezieht sich die Frage. Im Jahr 2011 waren es 48 Millio nen €, und jetzt in dem Plan für die Jahre 2015/2016 sind es 29 Millionen €; hier geht es ausschließlich um den Landesan teil. Entweder ist die Formulierung nicht nachvollziehbar und nicht stimmig, oder Ihre Aussage entspricht nicht der Realität.

Das ist genau das, was ich gesagt habe, nämlich dass der Blick ausschließlich auf diesen einen Titel gerichtet ist.

(Zuruf des Abg. Karl Rombach CDU)

Dieser eine Titel macht nicht die Gesamtfinanzierung des Pro gramms aus. Hier wird Bezug genommen auf ein Jahr, in dem wir aussteuern mussten, z. B. mit Landesgeld europäische Gelder ersetzt haben, die in der Förderperiode bereits ausge geben waren. Das ist ein Teil der Operationen, die wir ange sichts des 33-Millionen-Lochs vornehmen mussten, um die Programme zu halten, um für nicht mehr vorhandene europä ische Mittel Landesmittel zu unterlegen. Das zieht natürlich einen Aussteuerungseffekt in der Gesamtfinanzierung nach sich und führt zu dieser Zahlentabelle, bei der Sie nur ein ganz kleines Element betrachten.