Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Am Ende sehr gern. Ich bin gleich so weit.

Wie so häufig scheint nun diese politische Kehrtwende bei Grün-Rot weniger eine Überzeugungstat zu sein als vielmehr der übliche kretschmannsche Griff nach der Notbremse, wenn potenzielle bürgerliche Wähler verschreckt werden könnten.

Über die grüne Attitüde kann sich im Übrigen jeder Lehrer, der einmal die Thematik „Toleranz gegenüber anderer sexu eller Orientierung“ im Unterricht behandelt hat, nur wundern.

Da passt es ins Bild, dass die Grünen auf den Philologenver bandschef Bernd Saur einprügeln, bei dem ein erstaunliches – Zitat – „Kopfkino“ abgelaufen sei, so der grüne Landesvor sitzende Hildenbrand. Die grünen Chefaufklärer sind sich aber offensichtlich nicht bewusst, dass ein solches Kopfkino auch bei Schülerinnen und Schülern ausgelöst wird, wenn man das Thema im Unterricht anspricht, und dass es dann Lehrerinnen und Lehrer bedarf, die mit Augenmaß, Geschick und Verant wortungsbewusstsein den Schülerinnen und Schülern nicht nur kompetent Rede und Antwort stehen, sondern mit ihnen auch fundiert über Toleranz, aber auch über deren Grenzen diskutieren können.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Glocke der Präsiden tin)

Gestatten Sie eine Zwi schenfrage der Abg. Boser?

Wie gesagt, noch zwei Sät ze, dann sehr gern.

Bei all dem ist der FDP wichtig, dass die Dimension der Er ziehungspartnerschaft mit den Eltern nicht völlig außer Acht gelassen wird. Wie formulierte die Bildungsjournalistin Nina Braun kürzlich so treffend?

Darüber zu beraten, wie die Lehrerinnen und Lehrer bei dieser schwierigen Arbeit besser unterstützt werden kön nen, das wäre eine sinnvolle Aufgabe für die Politik – statt darüber nachzudenken, was noch alles zusätzlich in die Lehrpläne gepfropft werden kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Fragen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Vielen Dank. – Ich habe die Fra ge: Kennen Sie den Unterschied zwischen Toleranz und Akzep tanz?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich toleriere es, aber ich akzeptiere es nicht!)

Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass die FDP schon immer für Toleranz stand und sich jetzt dabei wohlfühlt, dass toleriert wird, während wir akzeptieren wollen? Die Frage ist also die nach dem Unterschied zwischen Toleranz und Akzep tanz.

Den Unterschied kenne ich.

(Lachen des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich weiß nicht ganz genau, worauf Sie hinauswollen. Denn ich habe – vielleicht erinnern Sie sich – genau von dieser Stel le aus gesagt: Warum greift ihr einen einzigen wichtigen Be reich heraus und rückt ihn an eine so zentrale Position? Nehmt die Toleranz und die Akzeptanz, wie es im Grundgesetz steht – und das gilt für alle Minderheiten, die eingeschränkt und eben nicht toleriert werden. Das hätten Sie von Anfang an tun können. Dann wäre uns diese unselige Debatte erspart geblie ben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rich tig! – Glocke der Präsidentin)

Gestatten Sie jetzt noch die Zwischenfrage der Abg. Boser?

Vielen Dank, dass ich die Zwi schenfrage stellen darf. – Herr Dr. Kern, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie mit Herrn Saur einhergehen, dass der Bil dungsplan in Baden-Württemberg die von ihm beschriebenen Inhalte – ich will sie hier nicht wiedergeben – am Ende tat sächlich mit sich bringen würde? Sie wissen, auf welche In halte ich abstellen möchte. Oder soll ich sie tatsächlich wie derholen?

Wie gesagt, das hat Herr Saur angeblich gesagt.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Was heißt „angeb lich“?)

Sie zitieren ja ihn. Aber Sie können es gern noch mal wieder holen.

Sie sagen „angeblich“. Ich möchte jetzt gern einen Bezug herstellen. Sie haben gerade gesagt, dass die Grünen angeblich Herrn Saur den Begriff „Kopfkino“ vorwerfen; demnach müssten Sie also wissen, was für ein Kopfkino da bei Herrn Saur ablaufen würde. Wol len Sie damit tatsächlich sagen, dass diese Bildungsinhalte im künftigen Bildungsplan enthalten sind, und wie sehen Sie das als ehemaliger Lehrer? Würden Fachkommissionen tatsäch lich solche Bildungsinhalte übernehmen, und haben Sie sich überhaupt einmal die Erprobungsfassung des Bildungsplans angeschaut? Haben Sie da irgendwelche Inhalte in dieser Form gefunden?

Frau Boser, im Gegensatz zu Ihnen habe ich diese Themen im Unterricht schon behan delt

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Bravo!)

und habe das sehr ausführlich getan, weil ich diese Inhalte – Toleranz gegenüber sexueller Vielfalt – für unverzichtbar hal te. Sie sind auch wichtig, aber ich bin bei diesem Thema eben nicht über das Ziel hinausgeschossen, sondern habe das The ma immer in den entsprechenden Fächern an passender Stel le so breit wie nur irgend möglich behandelt.

Wenn ich Herrn Saur richtig verstanden habe, hat er auf eine sehr allgemeine Debatte, die sich zurzeit über die gesamte Bundesrepublik Deutschland hinweg zieht, Bezug genommen

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Nein, nein, nein!)

und nicht ausschließlich auf den baden-württembergischen Bildungsplan.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Im Übrigen würde ich mich sehr freuen, wenn diesbezüglich einmal etwas Konkretes vorgelegt wird, weil dies bisher – an geblich – alles nur Entwürfe sind. Legen Sie doch etwas Kon kretes vor,

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das wird jetzt schon in der Schule erprobt!)

und definieren Sie die Toleranz und Akzeptanz so breit, wie ich es Ihnen empfohlen habe. Dann können Sie nur gewinnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle zum wiederholten Mal ebenso wie im Schulausschuss deutlich darauf hinweisen, dass der Bildungs plan, der 2016 in Kraft treten wird, eines der wichtigsten Werkzeuge für die Pädagoginnen und Pädagogen an unseren Schulen sein wird. Das zentrale Element eines Bildungsplans ist die verantwortliche Umsetzung durch die Lehrkräfte in Ba den-Württemberg. Diese werden den Bildungsplan in BadenWürttemberg in hervorragender Qualität umsetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Um Ihre immer wiederkehrenden Behauptungen nochmals zu entkräften, darf ich darauf hinweisen, dass Toleranz und Ak zeptanz Dinge sind, die in einer Gesellschaft wie der unseren eine Selbstverständlichkeit sein sollten und sein müssen. Des wegen kann es niemanden verwundern, dass bereits im Bil dungsplan 2004 Toleranz als ein ganz wesentliches Ziel des baden-württembergischen Bildungsplans im Einführungstext ausführlich beschrieben und als ein grundlegendes erzieheri sches Ziel definiert wurde.

Im Bildungsplan 2016 soll dieser Aspekt nun – – Es ist längst richtiggestellt: All diese Behauptungen wurden entsprechend aufgenommen, und es wurde eine neue Leitperspektive „Bil dung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ eingeführt. Dieses Thema beinhaltet, Herr Kollege Dr. Kern, exakt das, was von Ihnen gerade benannt wurde, nämlich alle Aspekte von Besonderheit, von Anderssein aufzunehmen und sie in ein gedeihliches Zusammenleben münden zu lassen und damit im Sinne einer Befähigung zum achtungsvollen und wertschät zenden Umgang mit Vielfalt in personaler, religiöser, ge schlechtlicher, kultureller, ethnischer und sozialer Hinsicht zu verankern und fächerübergreifend deutlich zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen finde ich es äußerst perfide, wenn versucht wird – egal, wer das tut –, diese Debatte über das Thema „Akzeptanz von sexueller Viel falt“ immer identisch, überlappend, überdeckend mit dem Thema Sexualpädagogik darzustellen. Das eine hat mit dem anderen zu tun, aber die Schwerpunkte sind völlig verschie den.

Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir alle versuchen, den Menschen, die das bisher missverstanden haben, deutlich zu sagen, dass es bei der Frage der Akzeptanz von Vielfalt um etwas anderes geht als um Sexualisierung von Schule. Dies ist eine Unterstellung, die mit nichts zu begründen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der konstruktive Umgang mit Vielfalt stellt für mich eine zentrale Kompetenz für Menschen in einer zunehmend von Komplexität und Dif ferenziertheit geprägten modernen Gesellschaft dar.

Ich erhalte viele Schreiben von betroffenen Schülerinnen und Schülern, aber auch Lehrerinnen und Lehrern, die sich wün schen, dass unsere Gesellschaft insgesamt, aber insbesonde re auch die Schule ein Ort wird, an dem man keine Angst vor Ausgrenzung haben muss. Das Thema „Sexuelle Prägung“ ist leider ein Kriterium, an dem in Baden-Württemberg noch viel zu viele Menschen leiden, weil sie das Gefühl haben, in ihrer Identität, in diesem Teil ihrer Persönlichkeit abgelehnt und ausgegrenzt zu werden. Deswegen ist es die wichtigste Auf gabe von uns allen, diesen Menschen zu zeigen, dass sie ein wertvoller Teil dieser Gemeinschaft sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Dies ist das Ziel dieses Bildungsplans.

Deswegen darf ich an uns alle, an Sie alle appellieren, dies deutlich zu machen, wenn dieses Thema zukünftig diskutiert wird. Ich kann Ihnen versichern, dass das Kultusministerium in diesem Prozess der Erarbeitung des Bildungsplans mit den Vertretern der Kirchen, der Religionsgemeinschaften, mit al len gesellschaftlichen Organisationen über den Beirat im Ge spräch sein wird, um dieses Missverständnis ein für alle Mal auszuräumen. Ich würde mir wünschen, dass wir in dieser De batte verantwortungsvoll mit allen Menschen umgehen, die in unserem Land leben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann hätten Sie die se Petition überweisen können!)