Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Das unterscheidet uns von Ihnen. Das ist Sozialpolitik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dieses Jahr ist ein sehr gutes Jahr. Wir haben vier große ge sellschaftspolitische Themen und Gesetze in die Mitte der Ge sellschaft gebracht. Wir haben das Wohn-, Teilhabe- und Pfle gegesetz in einem offenen Diskussionsprozess eingebracht.

Natürlich haben wir gerungen. Gott sei Dank haben wir ge rungen. Gott sei Dank haben wir Ordnungsrecht und Gestal tungschancen der Menschen gegeneinander abgewogen. Wir haben die Fürsorgepflicht des Staates und die persönlichen Freiheiten der Menschen, bürgerschaftliches Engagement in eine Gewichtung gebracht.

Herr Klenk, das Ergebnis ist, wie Sie genau wissen, dass die mittelgroßen Städte und Gemeinden genau diese Projekte pla nen, die wir mit unserem Gesetzentwurf ermöglicht haben. Gehen Sie doch dorthin, und überzeugen Sie sich selbst. Das ist das Ergebnis.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ja, genau!)

Wir haben einen richtigen Aufschwung erzielt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ja!)

Herr Kollege, Ihr Bundesgesundheitsminister hätte mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz dieses Konzept bald wieder zu grunde gerichtet, weil er von zwölf Bewohnern wieder auf zehn gegangen ist. Dabei hatten wir – wo ist der Ministrant? – eine Bittprozession gemacht, um die zwölf durchzubringen. Lassen Sie daher bitte im wahrsten Sinn die Kirche im Dorf. Wir haben mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz eines der modernsten Gesetze geschaffen.

Nochmals: Es ist ein Ordnungsgesetz und kein Leistungsge setz. Was haben wir aber gemacht? Wir geben den Menschen vor Ort die Möglichkeit an die Hand, Konzepte zu machen, die vom Leistungsgesetz mit vollzogen werden. Das war frü her nicht der Fall. Damals war der Unterschied viel zu groß. Damals konnten diese Wohnformen gar nicht angeboten wer den, weil sie sich niemand leisten konnte. Damit haben wir aufgehört.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das zweite emanzipatorische Gesetz ist das Psychisch-Kran ken-Hilfe-Gesetz. Bei diesem Personenkreis haben Sie in der Vergangenheit stets gekürzt.

(Zuruf des Abg. Wilfried Klenk CDU)

Sie sind dabei. Das stimmt. Wenn Sie hier nicht mitgegan gen wären, wären Sie selbst schuld gewesen. Das Gesetz be ruht auf einem dreijährigen Beteiligungsprozess des Landes arbeitskreises Psychiatrie mit Betroffenen. Ich glaube, es gibt kein Gesetz, das tiefer gehend erarbeitet wurde. Auch Nicht parlamentarier haben Eckpunkte eingebracht, die das Gesetz widerspiegelt. Lesen Sie das Gesetz. Nehmen Sie es mit nach Hause. Es ist ein Beispiel für Seriosität, für Respekt vor Men schen mit Handicap. Schauen Sie es sich an. Es dient auch

überall in der gesundheitspolitischen Szene als Benchmark im Hinblick darauf, wie man ein derartiges Gesetz in der Form und im Ergebnis machen muss.

Sie haben immer gesagt, wir nähmen Geld in die Hand. Wir nehmen das Geld aber in die richtige Hand. Wir gehen in Strukturen. Wir stärken die Verbünde und die Anlaufstellen, die Nukleusstellen, von denen wieder etwas weggeht. Das ist doch das Entscheidende.

Das dritte enorm entscheidende emanzipatorische Gesetz ist das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz. Der oder die Beauftragte für die Anliegen der Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Stadt- und Landkreisen hat zum einen eine Ombudsfunktion und zum anderen die Funktion, tatsäch lich darauf zu achten, dass die Maßnahmen der UN-Konven tion und aller fortfolgenden Gesetze und Normen umgesetzt werden.

Das ist viel lukrativer, als irgendwo für ein Projekt Geld be reitzustellen, bei dem niemand danach schaut, ob es dann auch tatsächlich umgesetzt wird. Sie werden sehen, dass diese Leu te mit einem gesunden Menschenverstand Projekte auslösen – von der Verkehrspolitik bis zur demenzfreundlichen Kom mune. Diese Menschen haben einen Blick dafür. Sie haben überall in ihren Gremien die politisch motivierten Beiräte vor Ort. Das führt in der Umsetzung zu einem Pool, den Sie mit Geld gar nicht erzielen könnten.

Darum ist genau diese Stelle der Behindertenbeauftragten – sei dies im Ehren- oder im Hauptamt – so wichtig. Ich kenne Landkreise, die sich für das Ehrenamt entscheiden, weil sie bereits eine gut gewachsene Struktur haben. Andere entschei den sich für das Hauptamt. Das ist doch eine tolle Lösung. In drei Jahren ist ein Vergleich bzw. ein Monitoring vorgesehen. Dann werden wir sehen, wo die besten Ergebnisse sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das nächste emanzipatorische Gesetz, das wir in Bearbeitung und in der Pipeline haben, ist das Chancengleichheitsgesetz. Heute haben wir 20 Jahre – – Frau Präsidentin, wie heißt es doch gleich noch einmal?

20 Jahre Ergänzung von Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes im Hinblick auf die Chancengleichheit.

Genau, 20 Jahre Ergänzung. – Entschuldigung, auch ich bin manchmal nervös. Wie Sie wissen, tue ich mich mit dem Sprechen in der Öffentlichkeit nicht so leicht.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bedauernswert!)

Ein bedauernswerter Zustand. – Da ist noch einmal dassel be Prinzip, das Sie gerade reklamiert haben, für die Fürspre cher der Menschen mit Behinderungen jedweder Art klar ge worden. Dies betrifft doch auch die Umsetzung der Chancen gleichheit.

Wenn es die Möglichkeit zur Einrichtung von Chancengleich heitsbeauftragten gibt, hat das dieselbe Sternfunktion. Dies hat dann dieselbe Matrixfunktion, damit begriffen wird, wel che Bedingungen in der Allgemeinheit herzustellen sind, um

Chancengleichheit strukturell und mit Maßnahmen vor Ort anzudocken.

Auch da haben wir ein viertes wichtiges emanzipatorisches Gesetz in der Pipeline. Sie haben in hundert Jahren nicht hin bekommen, was wir in diesem einen Arbeitsjahr auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Bärbl Mielich GRÜ NE: Bravo!)

Ich sage noch einen Satz zur Enquetekommission „Pflege“. Dort haben wir eine gute kollegiale Zusammenarbeit. Jetzt einmal ganz unter uns: Ihr Einstieg in das Thema war – – Sie wussten nicht, wie Sie sich beim WTPG einbringen können, und waren ein wenig „stinkig“, weil wir Ihnen immer eine Na senlänge voraus waren.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Dazu könnte man jetzt etwas sagen!)

Zweitens: Sie müssen schon einmal selbstkritisch sein. Ihr so ziokultureller Begriff des Pflegeberufs basiert immer noch auf dem weiblichen Samaritertum, das sozusagen angelegt ist. Es erschließt sich Ihnen jetzt – das ist das Gute an der Debatte –, dass Pflege sehr viel mehr ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich denke, dass wir alle gemeinsam mit dem Ministerium – – Ich erlebe überhaupt nicht, dass das Ministerium die Arbeit der Enquetekommission behindert. Vielmehr haben wir gera de in den letzten Sitzungen, Herr Vorsitzender, gemeinsam auch ein bisschen Dampf gemacht, damit wir zu einer stärke ren Arbeitsprofilierung kommen und uns stärker auf das Er gebnis konzentrieren. Das Ergebnis wird sehr wichtig sein, weil die Zukunft der Pflege und der Gesundheitsleistung die Zukunft des Landes schlechthin ist.

Was haben wir sonst noch gemacht? Vorhin haben wir über den ländlichen Raum gesprochen. Das sind Bruder und Schwes ter im Geiste. Wir haben das Landärzteprogramm gemacht. Wir stärken Beratungsstellen in der Fläche, die der Versor gung im ländlichen Raum zugutekommen. Anderswo sind die Programme gekürzt worden.

Wir stärken das Programm „Gute und sichere Arbeit“ für Men schen, die am Arbeitsmarkt keine Chance haben – das sind gerade diejenigen, die nicht in Metropolen leben –, über den Passiv-Aktiv-Tausch, also Arbeit statt Arbeitslosigkeit für Menschen, die bisher weiter weg sind vom Arbeitsmarkt. Das haben wir verfestigt. Wir bekommen von überallher beste Rückmeldungen.

Wir machen Alkoholprävention. Haben Sie den DAK-Bericht gelesen? Weniger Komasaufen. Die Gespensterdebatte um Al koholkonsumverbote ist endgültig vom Tisch. Wir haben näm lich gezeigt, dass wir mit unserem Ansatz der aufsuchenden Hilfen vor Ort die Kernprobleme der Menschen – – Wir füh ren auch die jungen Süchtigen tatsächlich der notwendigen Hilfe und Therapie zu. Das sind unsere Ergebnisse. Darum haben wir das Programm noch einmal aufgestockt. Daran ha ben Sie noch nie gedacht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir sind auch etwas weiter bei der Krankenhausfinanzierung. Wir geben einerseits mehr Geld, aber andererseits haben wir schon vor zwei Jahren die Förderbedingungen deutlich mo dernisiert, was die Möglichkeit des Anschlusses an eine am bulante bzw. eine stationäre Versorgung angeht sowie die Möglichkeit des Umbaus von Kliniken, damit sie über Modu le verfügen und sich dem medizinischen Fortschritt anpassen können.

Damit wir planen können, welche Gesundheitsleistungen wir in Zukunft brauchen, haben wir zur Weiterentwicklung zwei Mal 500 000 € für ein Modellprojekt ausgebracht.

Ich muss schon schmunzeln. Jetzt präsidiert er ja gerade nicht. Aber der mit 19 000 Stimmen gewählte Kandidat hat sich für den Erhalt der kleinen Krankenhäuser ausgesprochen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ihr wärt froh, wenn ihr überhaupt so viele Mitglieder hättet!)

Ja, das schaffen wir schon noch, wir sind doch noch jung.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber mit dieser Politik nicht!)

Mit der erst recht!

Jetzt sagt er in seinem Programm: „Erhalt der kleinen Kran kenhäuser“. Mit dieser Aussage läuft er jetzt überall herum. Noch einmal: Er hat von dem Thema keine Ahnung. Erhalt der Versorgungsstrukturen, die wir brauchen: Das kann im Einzelfall eine kleinere Klinik sein. Aber wir müssen doch ge nau auf die Disziplinen schauen. Eher zwölf als acht Diszip linen sind die Zukunft für ein funktionsfähiges Krankenhaus. Das zeigt: Kurze Sprüche, irgendetwas versprechen, aber man hat sich nicht wirklich mit der Materie beschäftigt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Es ist vielleicht auch das Problem, dass Sie niemanden hat ten, der ihm gesagt hätte, dass sich die Uhr seit der Zeit, zu der er noch in Tuttlingen Landrat war, längst weitergedreht hat. Ich weiß es nicht. Sie müssen mit ihm einmal darüber re den.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben in den dreieinhalb Jah ren dieser Regierung für die Bürgergesellschaft, auch für die Selbstbestimmung der Menschen – Betroffene in Gesundheits fragen, in ihren eigenen Angelegenheiten zu Beteiligten ma chen – sozialpolitisch einen erheblichen Schub ausgelöst. Das merkt man überall, wohin man kommt. Ich kann auch nichts dafür, dass wir eine bessere Politik machen als Sie, aber es ist halt so.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord neten der SPD – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Hinderer das Wort.