Manfred Lucha
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Sehr geehrte Frau Präsiden tin! Durch das geplante Gesetz über den öffentlichen Gesund heitsdienst, dessen Entwurf uns heute in erster Lesung vor liegt, nehmen wir eine grundlegende Reform der Aufgaben und der Bedeutung des öffentlichen Gesundheitsdienstes ÖGD vor. Dem ÖGD wurde im politischen Raum in der Vergangen heit nicht die Bedeutung zugemessen, die er aus unserer Sicht hat und die er entfalten kann und muss.
Der ÖGD ist regional eindeutig der stärkste Akteur, und er ist, sofern nicht selbst ins Versorgungsgeschehen involviert, neu tral und gemeinwohlorientiert im Sinne der kommunalen Da seinsvorsorge. Dies prädestiniert ihn aus unserer Sicht eben nicht, wie es in der Vergangenheit der Fall war, nur für indi vidualmedizinische Fragestellungen. Ganz im Gegenteil, es prädestiniert ihn vielmehr für koordinierende Aufgaben und Steuerungsaufgaben, etwa auch im Rahmen von Planungsgre mien.
Für uns gab es folgende Leitfragen in dieser Reform: Erstens: Was sind zukünftig die Aufgaben des ÖGD? Zweitens: Wie muss der ÖGD der Zukunft strukturiert sein, um diese Aufga ben erfüllen zu können? Drittens: Welches Personal benötigt der ÖGD, um diese Aufgaben erfüllen zu können?
Im Juni 2013 hatten wir gemeinsam mit den Kollegen von der SPD eine sehr schöne Anhörung unter dem etwas provozieren den Titel „Vom Tuberkulosearzt zum Gesundheitsmanager“.
Wir hatten alle Akteure des ÖGD eingebunden: Gesundheits aufseher, Amtsleiter, Ärzte, Assistenten, Zahnärzte, Hygiene inspektoren, alle waren beteiligt. Der Wunsch zur Neuausrich tung kam aus dem ÖGD selbst.
Das ist jetzt genau die Frage, die wir beantwortet haben: Was sind zukünftig die Aufgaben des ÖGD? Während die Aufga ben im alten ÖGDG auf die Bereiche Gesundheitsförderung und Gesundheitsschutz sowie eine Beobachtung und Bewer tung der gesundheitlichen Verhältnisse der Bevölkerung kon zentriert waren, werden im neuen ÖGDG neue Schwerpunk te in Richtung „Public Health“ – öffentliche Gesundheit und deren Bedeutung – und „Health in all Policies“– also in allen Bereichen des Lebens – gesetzt.
Ja, das sind Fachbegriffe; die haben sich in der Sozialmedi zin so eingebürgert. Ab und zu muss man das so nehmen.
Zudem nehmen die Themen Gesundheitsplanung und -steue rung eine viel wichtigere Rolle ein, und wir entlasten die Ge sundheitsämter ganz deutlich bei den Begutachtungen. Wir haben ja jetzt einen gemeinsamen Antrag gestellt, wie wir das organisatorisch umsetzen.
Dann kommen wir auch dazu, wie der ÖGD strukturiert ist, nämlich dass es Schwerpunktgesundheitsämter gibt, die sich fachlich konzentrieren und bestimmte Aufgaben übernehmen. Auch da sind wir neue Wege gegangen.
Dann fragten wir: Welches Personal benötigen wir? Wir brau chen auch Politikberater, wir brauchen auch interdisziplinäre Teams, die sich in die Lage versetzen, tatsächlich planerische und steuernde Kompetenzen umzusetzen. Wir sind der festen Überzeugung, dass Gesundheitspolitik, Versorgungspolitik ein wesentlicher sozialer und ökonomischer Standortfaktor gera de in den ländlichen Regionen ist. Je besser das gemeinwohl orientierte System aufgebaut ist, desto eher wissen die Men schen, dass für sie gesorgt wird. Es war die logische Konse quenz, dass wir nach und mit der Reform des ÖGD das Lan desgesundheitsgesetz im Anschluss und in Abstimmung als kommunizierende Röhre zum ÖGD verbessern. Mit diesem Gesetz – –
Oh ja, Sie dürfen auch einmal klatschen. Ja, das sind heute so trockene Sachen. Aber das Geschäft selbst ist ziemlich spannend.
Mit dem Gesetz werden neue und bewährte Dialog- und Ar beitsformen, nämlich die Gesundheitskonferenzen auf Lan des- und Kreisebene sowie der Sektorenübergreifende Lan desausschuss, auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Gesetz lich geregelt werden die Arbeitsweise, Zuständigkeit, Inter aktionen und Vernetzung dieser Beteiligungsgremien.
Uns allen ist klar – wir haben uns in diesen vier Jahren ja beim Thema Krankenhausversorgung, bei der Pflege-Enquete, im mer auch darüber verständigt und gestritten –, es geht um die Frage: Was brauchen die Leute? Wir machen Betroffene zu Beteiligten, wir demokratisieren den Planungsprozess im Ge sundheits- und Sozialwesen. Damit kommen wir der Spur nach: Nicht „Viel hilft viel“, sondern „Richtig hilft viel“. Da kommen wir auch der Spur nach: Welche Krankenhausver sorgung brauchen wir? Es muss sich einmal eine Region be kennen, nicht immer nur sagen: „Ich brauche ein Haus“, „Ich brauche ein Haus“, immer mehr vom Gleichen, sondern im mer das Richtige.
Das sind genau die Ebenen, auf denen das ausdebattiert wird, auf denen auch einmal Konsens hergestellt werden muss oder ein Dissens festgestellt werden kann. In diesem Sinn, glaube ich, sind wir ein wahnsinniges Stück weiter für ein demokra tisches und selbst organisiertes Sozial- und Gesundheitswe sen.
Danke sehr.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrter Herr Minister Hermann! Es ist ja ein biss chen eine „never ending story“. Wir konnten uns jetzt selbst vor Ort, in den Regierungspräsidien und beim Interessenver band Südbahn darüber informieren, dass die sechs Planfest stellungsbeschlüsse vorliegen, die im Übrigen – das muss man an dieser Stelle einmal als Abgeordneter, der schon als Kom munalpolitiker viele Jahre damit zu tun hat, sagen – in vor bildlicher Weise und Geschwindigkeit sowohl von den Regie rungspräsidien als auch von der Bahn AG abgearbeitet wur den. Das ist wirklich gigantisch, wenn man sich vorstellt, dass Minister Dobrindt im Jahr 2014 auf einmal keine haushalts rechtliche Grundlage für die Südbahn im Bund mehr gesehen
hatte. Er wollte sie killen. Klammer auf: Jeder, der Oberbay ern kennt und einmal im Wahlkreis von Ramsauer war – da komme ich her –, weiß, wohin das Geld immer geht: nicht zu uns, sondern in andere, benachbarte Länder.
Jetzt haben wir die sechs Planfeststellungsbeschlüsse vorlie gen. Die kommunale Seite beteiligt sich. Das Land hat seine Finanzierungszusage von ursprünglich 90 Millionen € jetzt sogar noch erhöht. Jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Warum wurde die Finanzierungsvereinbarung mit dem Bund zur frei willigen finanziellen Beteiligung des Landes an der Elektrifi zierung der Südbahn noch nicht unterzeichnet, obwohl eben diese Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Änderung des Be stattungsgesetzes im Jahr 2012 haben alle vier Fraktionen die ses Hauses gemeinsam eine Rechtsgrundlage geschaffen, die es Friedhofsträgern in Baden-Württemberg ermöglicht, in ih ren Friedhofssatzungen festzulegen, dass auf ihren Friedhö fen nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Viele Kommunen hatten seinerzeit explizit darum ge beten.
Es war vorgesehen, dass die entsprechenden Anforderungen an diesen Nachweis durch den Satzungs- bzw. Verordnungs geber festgelegt werden. Mit Urteil vom 8. Mai 2014 hat der VGH entschieden, dass die Friedhofssatzung der Stadt Kehl rechtswidrig sei, weil die Nachweismöglichkeiten, dass ein Stein nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammt, derzeit nicht ausreichend seien und keine allgemein anerkannten Zer tifikate existierten. Im Übrigen hat der VGH dieses Urteil im Fall der Stadt Stuttgart bestätigt. Die Rechtsgrundlage im Be stattungsgesetz an sich wurde dabei vom VGH nicht kritisiert.
Nun haben wir daraus Konsequenzen gezogen. Infolge dieser Urteile war es aus unserer Sicht geboten, zu reagieren. Der Kollege Schwarz und ich für die Fraktion GRÜNE sowie Kol leginnen und Kollegen der anderen Fraktionen haben die In itiative dazu ergriffen.
Viele Kommunen waren verunsichert und stellten die Ände rung ihrer Friedhofssatzung, die sie gerade vornehmen woll ten, zurück. Aus unserer Sicht muss verhindert werden, dass diese wichtige Initiative des Landes zum Ausschluss von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mangels Nach weismöglichkeiten vor Ort nicht ausreichend umgesetzt wer den kann.
Wir haben daraufhin im Juli 2014 mit dem Sozialministerium verschiedene Lösungswege debattiert und sind auf Herrn Pro fessor Krajewski, einen anerkannten Professor für öffentliches Recht der Universität Erlangen, gestoßen, der sich dankens werterweise auch zum öffentlichen Vergaberecht sehr profund geäußert hat.
Wir haben dazu eine Fachanhörung in kleinem Kreis durch geführt, an der auch Vertreterinnen und Vertreter der Fraktio nen und Ministerien beteiligt waren.
Im Einzelnen – basierend auf der Einschätzung von Herrn Pro fessor Krajewski – gilt der Nachweis als erbracht, wenn die Grabsteine aus bestimmten Ländern des EWR oder der Schweiz stammen oder wenn ein bewährtes Zertifikat vorliegt, das aus drücklich bestimmte Kriterien aufweist. Auf der letzten Stu fe ist eine Erklärung zu verlangen, dass sich der Händler ver gewissert hat. Kann auch diese Zusicherung nicht gegeben werden, hat der Händler zu erklären, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um die Verwendung von Grabsteinen aus Kin derarbeit zu vermeiden.
Dieses Kaskadenmodell bietet aus unserer Sicht zum einen die Chance, die Nachweise tatsächlich zu erbringen, auch mit den schon zitierten anerkannten, nicht den Produzenten nahe stehenden, unabhängigen Organisationen, die zertifizieren. Zum anderen trägt es im dritten Schritt den Einwänden der Steinmetze Rechnung, die darauf abzielen, dass es tatsächlich keine Wettbewerbsbeschränkung gibt.
Fakt ist: Unser politisches, moralisches Ziel – gerade in der jetzigen Zeit – ist, ein Signal zu setzen, die ILO-Konvention 182 umzusetzen, weil dies ein Beitrag auch für gerechtes Wirt schaften auf der Welt, für eigenständige Entwicklungspers pektiven vor allem auch von Kindern und Jugendlichen ist. Gerade vor dem Hintergrund der weltweiten Ereignisse wird dieses Erfordernis noch einmal deutlich.
Es handelt sich auch hier nicht um ein Placebo oder ein Sym bol. Vielmehr wollen wir beweisen, dass wir in unseren Wirt schaftsbeziehungen – gerade auch mit Ländern in Südostasi en – nach klaren werteorientierten Maßstäben handeln.
Wir haben jetzt noch ein Zwischengespräch mit Herrn Mauch vom Städtetag und mit Verbänden geführt. Es gibt noch punk tuelle Anmerkungen, auch redaktionelle Vorschläge, z. B. eventuell das Wort „gemeinnützig“ herauszulassen. Das alles sind Punkte, die wir besprechen können.
Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen von al len Fraktionen für die gute und konstruktive Zusammenarbeit.
Ich meine, wir haben auf das Urteil gut reagiert, indem wir jetzt so einen profunden Vorschlag machen.
Herzlichen Dank.
Frau Ministerin, können Sie bestätigen, dass es sich beim Leistungsumfang ausschließlich um die bisherigen Leistungen nach dem Asylbewerberleis tungsgesetz handelt und dass die Einführung der Karte, wie von den kommunalen Landesverbänden gefordert, vor allem bürokratische Hemmnisse beseitigen, Zugangswege verkür zen und Kosten, die bisher bei den Kommunen entstanden sind, vermeiden soll?
Können Sie auch bestätigen, dass die AOK von Anfang an be teiligt wurde, um beim Organisatorischen hinsichtlich der ver sicherungstechnischen Umsetzung und der Gestaltung der Karte mitzuwirken, sodass im Prinzip klar ist, für welchen Leistungsbereich die Karte gilt?
Frau Präsidentin! Frau Mi nisterin, wie beurteilen Sie die Erkenntnisse aus Hamburg und Bremen, wo durch die Einführung der Gesundheitskarte je weils Verwaltungskosten in Millionenhöhe eingespart wur den, obwohl dort deutlich weniger Flüchtlinge über die Ge sundheitskarte versorgt werden, als dies z. B. in Baden-Würt temberg der Fall sein wird?
Sehr geehrte Frau Präsiden tin! „Willkommen!“ Die Frankfurter Buchmesse ist zu Ende, und ein Büchlein hat eine Auflage, nach der sich viele Auto ren die Finger schlecken würden. Unser „Handbuch für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe in Baden-Württemberg“ ist jetzt auf dem Markt, wenn auch schon wieder vergriffen.
Herr Mack, Sie können schon dazwischenrufen, aber Sie bringen mich bloß ganz kurz aus der Ruhe, und dann komme ich schon wieder zum Thema zu rück.
Ich möchte gern von Frau Staatsrätin Erler wissen: Können Sie uns erläutern, wie das Handbuch entstanden ist und wel che inhaltlichen Ziele es verfolgt? Wir wissen ja, dass es sehr viele Tausend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gibt – ei ne Zahl, die wir uns, glaube ich, so nie vorgestellt hätten. Stimmt es, dass Sie, wie wir einigen wenigen Zeitungsarti keln entnehmen können, in diesem Handbuch Tipps geben, wie Abschiebungen illegal hinausgezögert werden können, und dass Sie nun deshalb das Handbuch einstampfen, obwohl mir gesagt wurde, dass es wieder eine zigtausendfache Nach frage nach neuen Exemplaren gibt?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Menschen fliehen nicht ohne Grund. Das ist heute nicht an ders, als es etwa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus war. Weltweit sind derzeit ca. 57 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, vor Gewalt, vor Hunger, vor Armut.
Auf der Suche nach Perspektiven und in der Hoffnung auf ein lebenswürdiges Leben haben auch viele berechtigterweise Eu ropa als Ziel – ein Kontinent, der sozial stabil ist und der Pro sperität verspricht.
Flüchtlinge sind Menschen, die in der EU um Asyl ersuchen. Nun sitzen wir fassungslos bald jede Woche vor dem Fernse her und sehen diese tragischen, dramatischen Bilder aus dem Mittelmeer. Seit Jahren sind wir Zuschauer eines menschen unwürdigen und abscheulichen Dramas, bei dem leider auch die EU bisweilen verantwortungslos Regie führt. Sie hat hier – man muss es deutlich sagen, so tragisch es auch ist – ver sagt. Die EU-Flüchtlingspolitik hat in diesem Punkt versagt.
Wir Europäerinnen und Europäer – ich glaube, Baden-Würt temberg ist eines der „europäischsten“ der europäischen Kern länder, von der Lage, von der Identität und übrigens auch von der eigenen Geschichte her; Baden-Württemberger, Altwürt
temberger sind als Hungerflüchtlinge nach Amerika geflohen; es gibt die berühmten Donauschwaben, dankenswerterweise inzwischen auch die Donauraumstrategie – sind Zeuge dieser Katastrophe.
Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres sind bereits 30-mal mehr Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken als im Vor jahreszeitraum. Der Tod von 1 750 Flüchtlingen ist bestätigt, die Dunkelziffer ist vermutlich noch höher. Allein bei der bis her schlimmsten Tragödie vor der libyschen Küste letzte Wo che haben nach UN-Angaben ca. 800 Menschen ihr Leben verloren – viele Kinder, junge Menschen auf der Suche nach Glück.
Die EU-Bürgerinnen und -Bürger, auch die Bürgerinnen und Bürger hier in unserem Land, in Tübingen, in den Kirchenge meinden, auch in den Helferkreisen für Flüchtlinge, sind scho ckiert, haben Gottesdienste abgehalten und Mahnwachen. Überall ist eine tiefe Betroffenheit. Wir dürfen nicht weiter zusehen, wie das Mittelmeer zu einem Massengrab wird.
Es ist unsere humanitäre Verpflichtung, dass nicht nur die Mit telmeerländer, sondern die Europäische Union als Ganzes, als eine Werteunion, Flüchtlingen, die auf dem Fluchtweg in die EU in Not geraten, hilft anstatt wegzuschauen.
Unsere Maxime heißt: Leben retten, Perspektiven bieten, und nicht abschotten.
Die EU sieht sich angesichts ihres eigenen Versagens zum Handeln gezwungen. Auf dem kurzfristig anberaumten Son dergipfel am 23. April hatten die EU-Regierungschefs auf Grundlage des Zehnpunkteprogramms der EU-Kommission folgende Beschlüsse gefasst: stärkere Seenotrettung, Maßnah men zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität und verstärk te Zusammenarbeit mit Drittstaaten.
Dies klingt gut. Aber reicht dies denn aus? Reicht das Fron tex-Mandat aus? Wir teilen die Kritik von amnesty internati onal: Mit dieser Operation wahrt die EU das Gesicht, rettet aber kein Menschenleben. Eine Ausweitung des Einsatzge biets für diese Mission bringt in der Praxis keine Fortschritte. Viele Flüchtlingsschiffe, die von der libyschen Küste aus star ten, geraten bereits in unmittelbarer Nähe der Küste in See not. Das Einsatzgebiet der aktuellen Mission erreichen sie gar nicht.
Also: Die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs sind angesichts dieser dramatischen Lage völlig unzureichend. Auch die vielen Fragen der innereuropäischen Solidarität sind weiterhin nicht gelöst und sind strittig. Wir brauchen eine fes te Quotenregelung zur Aufnahme von Flüchtlingen. Die müs sen speziell wir, Deutschland als das führende Land in Euro pa, einführen.
Die bisherigen freiwilligen Vereinbarungen werden nicht grei fen. Es müssen vertraglich verbindliche Bestimmungen kom men.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns darauf verständi gen, dass wir ein neues „Mare Nostrum“, ein europäisches
Seenotrettungsprogramm für die Flüchtlinge benötigen, das wir gemeinsam finanzieren, das tatsächlich die wirklich in Not Geratenen aufnimmt.
Die letzte politische Forderung: Wir müssen ein europäisches Resettlement-Programm starten. Wir wissen heute, dass von den 340 000 Afrikanerinnen und Afrikanern 80 % aufgrund ihrer individuellen Situation einen Rechtsanspruch auf Asyl bei uns hätten. Darüber hinaus sind sie alle durch die Bank gut ausgebildet und motiviert – Menschen, die in unserem Eu ropa gebraucht werden. Wir müssen diesen Menschen einen festen Bleibeplatz bieten, und wir müssen diesen Menschen einen Zugang nach Europa bieten, der nicht lebensbedrohlich über das Mittelmeer geht, sondern ein sicherer Landweg ist. Das ist unsere politische Aufgabe.
Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Prä sident. – Herzlichen Dank, Herr Minister Friedrich, für die klaren Worte, und auch Ihnen herzlichen Dank, Herr Reinhart, für Ihre besonnenen Äußerungen. Wir wünschen uns, dass Ih re Position in der CDU mehrheitsfähig wird.
Wir müssen uns einmal Folgendes vor Augen halten: Jetzt werden 5 000 Resettlement-Plätze geschaffen. Das UNHCR reklamiert 380 000 Plätze. Genau das ist es: Wir müssen na türlich in Europa, in den anderen europäischen Staaten, auch in solchen, die bisher noch keine Kultur in Fragen der Auf nahme haben, aber die – wie etwa die baltischen Staaten – durchaus in der Lage wären, aktive Unterstützungspolitik zu leisten, darauf hinwirken, dass sich dort Communities ansie deln können. Wenn dort einmal Flüchtlinge leben, werden an dere aus diesen Nationen hinzukommen. Denn niemand geht an einen Ort, an dem er allein ist.
Selbstverständlich müssen wir auch in Europa, in Ländern, die Mitglied der EU sind, in denen es aber deutliche auslän derfeindliche und rassistische Tendenzen gibt, eine EU-Men schenrechtspolitik nach innen betreiben, damit diese Länder auch tatsächlich Flüchtlinge aufnehmen und diese ordentlich behandeln. Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müs sen.
Ein bisschen Wasser muss ich nun doch in den harmonischen Wein gießen. Lieber Herr Reinhart, die Frage, ob Frontex nicht Seenotrettungseinsätze wie „Mare Nostrum“ koordinie ren könne, beantwortet Ihr Innenminister de Maizière – ein CDU-Minister – so: „Hierfür hat die Agentur weder das Man
dat noch die Ressourcen.“ Das heißt, er hat sich für eine See notrettung nicht ausgesprochen.
Diese Äußerungen – – Herr de Maizière ist der Schlüssel. Wenn er aktiv sagen würde: „Ich bin der oberste Seenotret ter“, wäre es in Europa schon zu mehr Aktivitäten gekommen.
Dazu passt auch nicht, dass Herr Wolf überall, vor allem in Bierzelten und auf stammtischähnlichen Versammlungen, im mer wieder von „Wirtschaftsflüchtlingen“ spricht, so, als wä ren das welche, die wir nicht haben wollten. Wenn wir heute eine differenzierte Debatte über die Not der Menschen füh ren, hilft uns eine solche „Differenzierung“ nicht. Die Men schen haben individuelle Fluchtgründe. Wir wären diejenigen, die ebenfalls flüchten würden; wir wären die Ersten, die bei diesen Zuständen weg wären. Flüchtlinge sind Menschen, die eine Perspektive suchen.
Dazu passt auch nicht, wenn Ihr Landesvorsitzender Strobl sich gegen eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge – eine deut liche Verbesserung für das System und auch eine finanzielle Erleichterung – ausspricht und sagt, dies würde die Attrakti vität steigern. Die Menschen in der Sahelzone flüchten nicht, weil wir eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge haben, meine Damen und Herren.
Mein allerletzter Satz: Wenn immer wieder ziemlich pathe tisch und fast schon populistisch von Schlepperbekämpfung geredet wird: Sie wissen ganz genau, dass, wenn die Schiffe, die jetzt im Einsatz sind, versenkt werden, noch unsicherere Nussschalen verwendet werden. Auch das wird die Menschen nicht abhalten. Sie haben nämlich im wahrsten Sinn des Wor tes nichts zu verlieren. Das ist doch gerade die humanitäre Tragik. Darum gilt: Fluchtursachen bekämpfen, und nicht Flüchtlinge.
Danke sehr.
Sehr geehrte Frau Ministe rin, Sie haben richtigerweise festgestellt, dass die Verordnung im Jahr 2009 erlassen worden ist. Wir haben den Eindruck, das hat niemanden interessiert. Es gibt eine zehnjährige und eine insgesamt 25-jährige Übergangsfrist. Waren denn die konzeptionelle Unterstützung seitens der damaligen Landes regierung und die sozialräumliche Planung so proaktiv, dass es einen Fahrplan gab, um das Ziel in zehn Jahren erreichen zu können?
Haben Sie nicht die Sorge, dass ein solches Konzept gar nicht umgesetzt werden könnte, wenn der Eindruck entsteht, dass man auf die weiteren 15 Jahre setzt? Mit welchem Konzept und mit welchen Partnern der Wohlfahrtspflege und der kom munalen Landesverbände werden wir es schaffen, dieses un umstrittene Ziel auch tatsächlich zu erreichen?
Herr Minister, ich möchte noch einmal in die Niederungen des Amateurfußballs zurück kommen. Wir hatten jetzt im Württembergischen Fußballver band beim Verbandspokal die Situation, dass der FC Wangen ein Verbandspokalspiel gegen den SSV Ulm mit dessen Risi kofangruppe deshalb nicht ausrichten konnte, weil er sich nicht in der Lage sah, die Sicherheitsvorkehrungen zu garan tieren. Es war ein Spiel unter der Woche.
Wir haben es gerade in der Oberliga und in der Verbandsliga mit bekannten gewaltbereiten Fangruppen in Mittelzentren, in kleineren Städten zu tun. Welche Konzepte können wir da umsetzen? Denn es kann nicht sein, dass ein fußballerisch at traktives Spiel für einen unterklassigen Verein deshalb nicht mehr durchgeführt werden kann, weil die Fangruppen die Si cherheitslage gefährden.
Herr Präsident! Jetzt hätte ich fast gesagt „Herr Kandidat“, aber das darf ich nicht.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es ist wirklich gute Sitte und Traditi on, bei ethischen und dem Gewissen verhafteten Themen, die – wie Sie, Frau Engeser, richtigerweise angemerkt haben – auch im Bundestag quer durch die Fraktionen unterschiedlich bewertet wurden, tatsächlich keinen „Fraktionszwang“ zu ha ben, sondern eine offene Debatte zuzulassen. Denn die Ent scheidung der Betroffenen, eine PID durchführen zu lassen, ist keine leichtfertige Entscheidung. Niemand, der persönlich betroffen ist, wird diese Entscheidung leichtfertig treffen.
Dass wir gemeinsam mit den anderen Bundesländern, die die sen Staatsvertrag unterzeichnet haben, das Angebot der Ethik kommission machen, die diese Entscheidung überprüft und auch als gesellschaftliche Stütze im Abwägungsprozess zur Verfügung steht, ist ein großer Fortschritt, und wir würden uns wünschen, dass noch mehr Länder dem Staatsvertrag beitre ten.
Allein wenn wir sehen, wie die Ethikkommission zusammen gesetzt ist, dass aus verschiedenen Disziplinen – der Ethik, der Frauenheilkunde, der Kinderheilkunde, des Rechts – wirk lich eine ganz breite, praktisch und wissenschaftlich fundier te Mannschaft zusammengestellt wird, erkennen wir, wie ernst diese kaum aufzulösende Frage und dieses kaum aufzulösen de Dilemma genommen wird. Wir haben auch im Ausschuss schon sehr differenziert und sehr feinsinnig darüber beraten.
Wir bedanken uns sehr beim federführenden Sozialministeri um, dass es diesen Staatsvertrag auf den Weg gebracht hat, auch als Signal der Solidarität der Länder, die betroffenen Menschen nicht alleinzulassen.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dreieinhalb Jahren Sozialpolitik mit dem von Frau Ministerin Altpeter ge führten Sozialministerium konstatiere ich eine aktivierende Sozialpolitik der grün-roten Landesregierung. In diesem Land gibt es eine sichtbare, an der Partizipation und an einem eman zipatorischen Menschen- und Gesellschaftsbild entwickelte aktivierende Sozialpolitik.
Das erkläre ich dir, mein Lieber. Du weißt ja, ich habe „Er klären“ studiert.
Das Zweite ist: Herr Klenk, bei aller persönlichen Wertschät zung, Sie haben wieder einen Beweis dafür erbracht, was wir an skizzierter Sozialpolitik gemacht bzw. umgesetzt haben, natürlich auch mit unseren etwas längerfristigen Beteiligungs prozessen, gerade beim WTPG. Wir haben aber die Menschen mitgenommen und am Schluss ein Ergebnis geliefert, auf das ich noch eingehen werde.
Ich wüsste jedoch nicht, wie ich eine CDU-Sozialpolitik be schreiben sollte. Sie existiert nämlich nicht.
Interessanterweise haben Sie den größten Teil Ihrer Redezeit dafür verwandt, sich mit dem Armuts- und Reichtumsbericht, mit einem kleinen definitorischen Punkt auseinanderzusetzen,
mit einem Bericht, den Sie gar nicht haben wollten.
Dann haben Sie die Leier Ihrer früheren Rede wiederholt, als Sie gesagt haben, wir hätten in den Koalitionsvertrag und in die Parteiprogramme für die Krankenhausfinanzierung zu ho he Summen geschrieben. Vor zwei Jahren haben wir in der Debatte schon eingeräumt, dass wir hier zu hohen Summen gegriffen haben, weil wir gedacht hatten, wir brauchten die se. Aber auch wir machen das, was die Realität in einem Kon solidierungshaushalt gebietet. Wir setzen das um, was wir können.
Sie können uns jedoch nicht absprechen, dass wir in unserer Regierungszeit im Wettbewerb mit anderen Ressorts die Mit tel für die Krankenhausfinanzierung um über 30 % angeho ben haben. Das hat vor uns noch keine Regierung getan.
Als Sie an der Regierung waren, war der Sozialbereich immer der Sparbereich. Gab es ein Sparprogramm, hat man in die sem Bereich gekürzt, ohne den Blick dabei auf die Notwen digkeiten zu richten, so z. B. die 2 Millionen € bei den Sozi alpsychiatrischen Diensten. Diese Menschen hatten nämlich keine Lobby. Wir dagegen machen Konsolidierung und sind die Lobby für das Soziale.
Das unterscheidet uns von Ihnen. Das ist Sozialpolitik.
Dieses Jahr ist ein sehr gutes Jahr. Wir haben vier große ge sellschaftspolitische Themen und Gesetze in die Mitte der Ge sellschaft gebracht. Wir haben das Wohn-, Teilhabe- und Pfle gegesetz in einem offenen Diskussionsprozess eingebracht.
Natürlich haben wir gerungen. Gott sei Dank haben wir ge rungen. Gott sei Dank haben wir Ordnungsrecht und Gestal tungschancen der Menschen gegeneinander abgewogen. Wir haben die Fürsorgepflicht des Staates und die persönlichen Freiheiten der Menschen, bürgerschaftliches Engagement in eine Gewichtung gebracht.
Herr Klenk, das Ergebnis ist, wie Sie genau wissen, dass die mittelgroßen Städte und Gemeinden genau diese Projekte pla nen, die wir mit unserem Gesetzentwurf ermöglicht haben. Gehen Sie doch dorthin, und überzeugen Sie sich selbst. Das ist das Ergebnis.
Wir haben einen richtigen Aufschwung erzielt.
Herr Kollege, Ihr Bundesgesundheitsminister hätte mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz dieses Konzept bald wieder zu grunde gerichtet, weil er von zwölf Bewohnern wieder auf zehn gegangen ist. Dabei hatten wir – wo ist der Ministrant? – eine Bittprozession gemacht, um die zwölf durchzubringen. Lassen Sie daher bitte im wahrsten Sinn die Kirche im Dorf. Wir haben mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz eines der modernsten Gesetze geschaffen.
Nochmals: Es ist ein Ordnungsgesetz und kein Leistungsge setz. Was haben wir aber gemacht? Wir geben den Menschen vor Ort die Möglichkeit an die Hand, Konzepte zu machen, die vom Leistungsgesetz mit vollzogen werden. Das war frü her nicht der Fall. Damals war der Unterschied viel zu groß. Damals konnten diese Wohnformen gar nicht angeboten wer den, weil sie sich niemand leisten konnte. Damit haben wir aufgehört.
Das zweite emanzipatorische Gesetz ist das Psychisch-Kran ken-Hilfe-Gesetz. Bei diesem Personenkreis haben Sie in der Vergangenheit stets gekürzt.
Sie sind dabei. Das stimmt. Wenn Sie hier nicht mitgegan gen wären, wären Sie selbst schuld gewesen. Das Gesetz be ruht auf einem dreijährigen Beteiligungsprozess des Landes arbeitskreises Psychiatrie mit Betroffenen. Ich glaube, es gibt kein Gesetz, das tiefer gehend erarbeitet wurde. Auch Nicht parlamentarier haben Eckpunkte eingebracht, die das Gesetz widerspiegelt. Lesen Sie das Gesetz. Nehmen Sie es mit nach Hause. Es ist ein Beispiel für Seriosität, für Respekt vor Men schen mit Handicap. Schauen Sie es sich an. Es dient auch
überall in der gesundheitspolitischen Szene als Benchmark im Hinblick darauf, wie man ein derartiges Gesetz in der Form und im Ergebnis machen muss.
Sie haben immer gesagt, wir nähmen Geld in die Hand. Wir nehmen das Geld aber in die richtige Hand. Wir gehen in Strukturen. Wir stärken die Verbünde und die Anlaufstellen, die Nukleusstellen, von denen wieder etwas weggeht. Das ist doch das Entscheidende.
Das dritte enorm entscheidende emanzipatorische Gesetz ist das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz. Der oder die Beauftragte für die Anliegen der Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Stadt- und Landkreisen hat zum einen eine Ombudsfunktion und zum anderen die Funktion, tatsäch lich darauf zu achten, dass die Maßnahmen der UN-Konven tion und aller fortfolgenden Gesetze und Normen umgesetzt werden.
Das ist viel lukrativer, als irgendwo für ein Projekt Geld be reitzustellen, bei dem niemand danach schaut, ob es dann auch tatsächlich umgesetzt wird. Sie werden sehen, dass diese Leu te mit einem gesunden Menschenverstand Projekte auslösen – von der Verkehrspolitik bis zur demenzfreundlichen Kom mune. Diese Menschen haben einen Blick dafür. Sie haben überall in ihren Gremien die politisch motivierten Beiräte vor Ort. Das führt in der Umsetzung zu einem Pool, den Sie mit Geld gar nicht erzielen könnten.
Darum ist genau diese Stelle der Behindertenbeauftragten – sei dies im Ehren- oder im Hauptamt – so wichtig. Ich kenne Landkreise, die sich für das Ehrenamt entscheiden, weil sie bereits eine gut gewachsene Struktur haben. Andere entschei den sich für das Hauptamt. Das ist doch eine tolle Lösung. In drei Jahren ist ein Vergleich bzw. ein Monitoring vorgesehen. Dann werden wir sehen, wo die besten Ergebnisse sind.
Das nächste emanzipatorische Gesetz, das wir in Bearbeitung und in der Pipeline haben, ist das Chancengleichheitsgesetz. Heute haben wir 20 Jahre – – Frau Präsidentin, wie heißt es doch gleich noch einmal?
Genau, 20 Jahre Ergänzung. – Entschuldigung, auch ich bin manchmal nervös. Wie Sie wissen, tue ich mich mit dem Sprechen in der Öffentlichkeit nicht so leicht.
Ein bedauernswerter Zustand. – Da ist noch einmal dassel be Prinzip, das Sie gerade reklamiert haben, für die Fürspre cher der Menschen mit Behinderungen jedweder Art klar ge worden. Dies betrifft doch auch die Umsetzung der Chancen gleichheit.
Wenn es die Möglichkeit zur Einrichtung von Chancengleich heitsbeauftragten gibt, hat das dieselbe Sternfunktion. Dies hat dann dieselbe Matrixfunktion, damit begriffen wird, wel che Bedingungen in der Allgemeinheit herzustellen sind, um
Chancengleichheit strukturell und mit Maßnahmen vor Ort anzudocken.
Auch da haben wir ein viertes wichtiges emanzipatorisches Gesetz in der Pipeline. Sie haben in hundert Jahren nicht hin bekommen, was wir in diesem einen Arbeitsjahr auf den Weg gebracht haben.
Ich sage noch einen Satz zur Enquetekommission „Pflege“. Dort haben wir eine gute kollegiale Zusammenarbeit. Jetzt einmal ganz unter uns: Ihr Einstieg in das Thema war – – Sie wussten nicht, wie Sie sich beim WTPG einbringen können, und waren ein wenig „stinkig“, weil wir Ihnen immer eine Na senlänge voraus waren.
Zweitens: Sie müssen schon einmal selbstkritisch sein. Ihr so ziokultureller Begriff des Pflegeberufs basiert immer noch auf dem weiblichen Samaritertum, das sozusagen angelegt ist. Es erschließt sich Ihnen jetzt – das ist das Gute an der Debatte –, dass Pflege sehr viel mehr ist.
Ich denke, dass wir alle gemeinsam mit dem Ministerium – – Ich erlebe überhaupt nicht, dass das Ministerium die Arbeit der Enquetekommission behindert. Vielmehr haben wir gera de in den letzten Sitzungen, Herr Vorsitzender, gemeinsam auch ein bisschen Dampf gemacht, damit wir zu einer stärke ren Arbeitsprofilierung kommen und uns stärker auf das Er gebnis konzentrieren. Das Ergebnis wird sehr wichtig sein, weil die Zukunft der Pflege und der Gesundheitsleistung die Zukunft des Landes schlechthin ist.
Was haben wir sonst noch gemacht? Vorhin haben wir über den ländlichen Raum gesprochen. Das sind Bruder und Schwes ter im Geiste. Wir haben das Landärzteprogramm gemacht. Wir stärken Beratungsstellen in der Fläche, die der Versor gung im ländlichen Raum zugutekommen. Anderswo sind die Programme gekürzt worden.
Wir stärken das Programm „Gute und sichere Arbeit“ für Men schen, die am Arbeitsmarkt keine Chance haben – das sind gerade diejenigen, die nicht in Metropolen leben –, über den Passiv-Aktiv-Tausch, also Arbeit statt Arbeitslosigkeit für Menschen, die bisher weiter weg sind vom Arbeitsmarkt. Das haben wir verfestigt. Wir bekommen von überallher beste Rückmeldungen.
Wir machen Alkoholprävention. Haben Sie den DAK-Bericht gelesen? Weniger Komasaufen. Die Gespensterdebatte um Al koholkonsumverbote ist endgültig vom Tisch. Wir haben näm lich gezeigt, dass wir mit unserem Ansatz der aufsuchenden Hilfen vor Ort die Kernprobleme der Menschen – – Wir füh ren auch die jungen Süchtigen tatsächlich der notwendigen Hilfe und Therapie zu. Das sind unsere Ergebnisse. Darum haben wir das Programm noch einmal aufgestockt. Daran ha ben Sie noch nie gedacht.
Wir sind auch etwas weiter bei der Krankenhausfinanzierung. Wir geben einerseits mehr Geld, aber andererseits haben wir schon vor zwei Jahren die Förderbedingungen deutlich mo dernisiert, was die Möglichkeit des Anschlusses an eine am bulante bzw. eine stationäre Versorgung angeht sowie die Möglichkeit des Umbaus von Kliniken, damit sie über Modu le verfügen und sich dem medizinischen Fortschritt anpassen können.
Damit wir planen können, welche Gesundheitsleistungen wir in Zukunft brauchen, haben wir zur Weiterentwicklung zwei Mal 500 000 € für ein Modellprojekt ausgebracht.
Ich muss schon schmunzeln. Jetzt präsidiert er ja gerade nicht. Aber der mit 19 000 Stimmen gewählte Kandidat hat sich für den Erhalt der kleinen Krankenhäuser ausgesprochen.
Ja, das schaffen wir schon noch, wir sind doch noch jung.
Mit der erst recht!
Jetzt sagt er in seinem Programm: „Erhalt der kleinen Kran kenhäuser“. Mit dieser Aussage läuft er jetzt überall herum. Noch einmal: Er hat von dem Thema keine Ahnung. Erhalt der Versorgungsstrukturen, die wir brauchen: Das kann im Einzelfall eine kleinere Klinik sein. Aber wir müssen doch ge nau auf die Disziplinen schauen. Eher zwölf als acht Diszip linen sind die Zukunft für ein funktionsfähiges Krankenhaus. Das zeigt: Kurze Sprüche, irgendetwas versprechen, aber man hat sich nicht wirklich mit der Materie beschäftigt.
Es ist vielleicht auch das Problem, dass Sie niemanden hat ten, der ihm gesagt hätte, dass sich die Uhr seit der Zeit, zu der er noch in Tuttlingen Landrat war, längst weitergedreht hat. Ich weiß es nicht. Sie müssen mit ihm einmal darüber re den.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben in den dreieinhalb Jah ren dieser Regierung für die Bürgergesellschaft, auch für die Selbstbestimmung der Menschen – Betroffene in Gesundheits fragen, in ihren eigenen Angelegenheiten zu Beteiligten ma chen – sozialpolitisch einen erheblichen Schub ausgelöst. Das merkt man überall, wohin man kommt. Ich kann auch nichts dafür, dass wir eine bessere Politik machen als Sie, aber es ist halt so.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Dr. Goll, lie ber Herr Blenke! Von Ihnen habe ich nichts anderes erwartet, Herr Blenke. Sie kennen bei diesem Thema eine einzige Po sition; das ist das örtlich und zeitlich befristete Alkoholkon sumverbot. Darüber hinaus haben Sie sich mit der Gemenge lage von Städten nicht beschäftigt. Das ist Ihr Horizont.
Ich habe es schon einmal gesagt, Herr Dr. Goll: Ich habe gern bei Ihnen studiert.
Aber mein Respekt ist bei Ihren Auftritten, die Sie hier mit Ih rem Kaspertheater zeigen – – Das war der clowneske Teil die ser Veranstaltung, und ich glaube, solche Auftritte sollten Sie um Ihres eigenen Rufes willen einfach lassen.
Sie hätten sich nur mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden unterhal ten müssen.
Sie erlauben, dass ich aus einer nicht öffentlichen Sitzung zi tiere. Am runden Tisch hat er den klügsten Satz gesagt, den ich von ihm in dreieinhalb Jahren gehört habe, nämlich dass er sich den Ausführungen des Kollegen Lucha anschließt.
Und was habe ich gesagt? – Darauf komme ich jetzt, lieber Herr Rülke. – Übrigens, Herr Blenke – –
Nein. Ich komme schon darauf, keine Sorge. Ich habe ge sagt, dass die Maßnahmen, die wir gemeinsam am runden Tisch erarbeitet haben, mit Ausnahme des Vorschlags hinsicht lich der Alkoholkonsumverbote von uns allen mitgetragen werden, auch von Ihnen, im Übrigen von allen Teilnehmern, und das mit gutem Recht. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Kommen wir einmal auf das Inhaltliche zu sprechen: Ist Ih nen aufgefallen, dass in diesem und schon im letzten Sommer die sogenannten Problemlagen in Baden-Württemberg quasi nicht mehr existierten? Überall, wo wir hingekommen sind – egal, in welches Kommunalparlament –, haben wir erfahren: Laut Polizeistatistik gibt es eine rückläufige Zahl von Alko holdelikten, von alkoholbasierten Gewaltdelikten.
Was haben wir denn in unserem Maßnahmenkatalog gemacht? Lieber Herr Blenke, es war diese Koalition, die schon wäh rend der Debatte über die Thematik – animiert vom runden Tisch – das Alkoholpräventionsprogramm aufgelegt hat. Die Mittel für die Präventionsprogramme werden wir jetzt im neu en Haushalt auf 500 000 € erhöhen, weil die Städte und Ge meinden das Angebot und Konzept der aufsuchenden Sozial arbeit vor Ort nachfragen. Das ist ein Ergebnis, das die Re gierung zeitigt.
Sie kritisieren jetzt, was Herr Minister Gall gemacht hat. Was hat Herr Minister Gall denn gemacht? Er hat von uns den ent sprechenden Auftrag erhalten. Herr Blenke hat nur den ersten Teil von § 11 der Gaststättenverordnung zitiert. Aber so macht er es immer; er lässt immer die Hälfte weg. Das hat er schon damals in den Neunzigerjahren in Tübingen bei den Unter künften für Flüchtlinge gemacht. Schon da war er immer nur den Teilansichten geneigt. So ist Herr Blenke.
Der zweite Aspekt ist, dass die Kommunen ein deutliches Durchsetzungsdefizit hinsichtlich des § 11 haben. Es bedarf komplizierter Lärmgutachten. Die kommunalen Landesver bände haben uns gebeten, der Innenminister möge eine rechts sichere Grundlage gestalten, die es den Kommunen ermög licht, flexibel auf Kritik und zugespitzte Lagen zu reagieren.
Nichts anderes hat doch Herr Minister Gall gemacht. Er hat überlegt, auf welcher Plattform er das gestalten kann.
Er hätte seine Frage schon stellen können, aber wir können auch hinterher einmal darü ber diskutieren.
Was hat der Minister gemacht? Er hat überlegt, auf welcher Basis er die Flexibilisierungschancen gestalten kann. Er hat die Idee in den Raum gestellt, es zunächst strenger zu gestal ten und dann zu erleichtern. Dann haben wir gesagt: Nein, so machen wir es nicht. Wir lassen es so, wie es ist, und geben den Kommunen die Chance, individuell zu prüfen, wo sie han deln müssen.
Es geht bei dem Thema „Lebenswerter öffentlicher Raum und Störungen“ nicht darum, Veranstaltungen zu verkürzen, son dern darum, Störungen zu vermeiden. Das ist unsere Aufga be. Das ist die Grunddebatte. Wir haben Partner in der Gast
ronomie, mit denen wir sehr gut und konstruktiv zusammen arbeiten. Ich kenne das aus der Stadt Ravensburg, wo es ein Bündnis mit den Gaststätten gibt. Auch die Heidelberger wa ren Teil der Untersuchung; sie setzen das 78-Punkte-Pro gramm um.
Natürlich brauchen wir für vitale Städte eine vitale Gastrono mie. Wir brauchen aber auch eine Verantwortungsgemein schaft mit den Nutzerinnen und Nutzern sowie mit den Kom munen. Um nichts anderes geht es Herrn Minister Gall. Zu dem hat der Ministerpräsident gestern deutlich gesagt, dass wir auf der Basis des geltenden Rechts die Möglichkeit schaf fen werden, dass Kommunen ordnend eingreifen können.
Ich habe das in unserer Stadt positiv wahrgenommen. Dort gibt es einen Club, für den die allgemeine 5-Uhr-Sperrzeit galt. Als es zu Überschreitungen kam, wurden dem Club für ein Vierteljahr keine Sondergenehmigungen zur Verkürzung der Sperrzeit mehr erteilt. Nachdem der Club bewiesen hat, dass er gut geführt wird, ist ihm die allgemeine Sperrzeit wie der zugestanden worden, und das läuft jetzt ordentlich weiter.
Genau mit diesen Instrumenten wollen wir arbeiten. Dabei gibt es aber nichts zu skandalisieren, weder dass wir große Notlagen hätten noch dass wir eine Differenz in der Koaliti on hätten. Ganz im Gegenteil, die Ergebnisse der Arbeit des runden Tisches werden von uns mit einem Werkzeugkasten und einem Maßnahmenkatalog sehr konzentriert vor Ort um gesetzt. Das haben wir gemacht, während Sie in dieser Hin sicht nichts zuwege gebracht haben.
Jetzt wird es eigentlich im mer abenteuerlicher, Herr Rapp. Zur Ausgangslage: Wir ha ben beim runden Tisch einen Maßnahmenkatalog und einen Werkzeugkoffer verabschiedet – einstimmig. Es gab einen ein zigen Dissens: Alkoholkonsumverbote. In dieser Frage war die FDP/DVP bei der Regierung und die CDU isoliert. Das ist das Ergebnis.
Was macht jetzt der Innenminister? Er hat nichts anderes ge macht, als einen Teilaspekt aufzugreifen, nämlich den Wunsch der kommunalen Landesverbände, dass § 11 der Gaststätten verordnung flexibler, kommunalfreundlicher und gerichtsfes ter gestaltet wird. Sie wissen selbst, dass viele Klagen von den Kommunen deshalb verloren wurden, weil der Nachweis der Störung so schwer zu erbringen war. Nichts anderes haben der Innenminister und die zuständigen Abteilungen im Staatsmi nisterium gemacht, als hier eine Idee vorzulegen, wie wir das gerichtsfester machen können.
Gleichzeitig haben die Gastronomie, der Tourismusminister, Herr Bonde, und auch Herr Pix darauf aufmerksam gemacht, dass das Problem nicht in der Gastronomie selbst liegt – denn die ist gut und kooperativ; das ist ein wichtiger Bestandteil –, sondern im Umgang damit in der öffentlichen, rechtlichen Ge staltung. Alle anderen Maßnahmen, Herr Rapp – Stichworte Nachtwanderer, Präventionsprogramm, 78-Punkte-Programm, Aufklärung, Projekt HaLT bei jungen Leuten –, wirken. Herr Köberle – er ist nicht da – hat am Montag in der „Schwäbi schen Zeitung“ gesagt, als er gedacht hat, Herr Gall würde die Sperrzeit verlängern, er stimme dem zu. Ihr habt also in der Fraktionssitzung auch noch nicht genau darüber geschwätzt, ob ihr dazu eine einheitliche Meinung habt. Ich höre von Ih nen, dass Sie eigentlich gar keine Meinung haben.
Ich kenne Ihre Position, die lautet: Konsumverbot. Das heißt doch für uns: Wir haben mit der Sozialarbeit, mit den runden Tischen auch in den Kommunen, die es an vielen Orten – in Ravensburg, in Heidelberg – gibt, mit den Streetworkern, mit der Suchthilfe, mit der Ortspolizei, also auch den Ordnungs diensten, eine Verantwortungsgemeinschaft gegründet.
Noch ein letzter Satz: Alle wissenschaftlichen Untersuchun gen beim runden Tisch haben gezeigt, dass Konsumverbote nur zu Verlagerungen an andere Orte führen und das Problem des Alkoholmissbrauchs überhaupt nicht lösen. Wir gehen die Lösung an, wir gehen an die Quelle, wir reden mit den jun gen Leuten. Wir helfen ihnen bei Therapie und Ausstieg. Das ist das Mittel zum Ziel.
Daher haben wir und der Innenminister alles richtig gemacht. Wir werden auch diesen Punkt mit der Gastronomie gut lö sen.
Danke sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, liebe Frau Ministerin, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sozialminis terium!
Nachdem ich am 1. Oktober das 30-Jahr-Jubiläum meiner Tä tigkeit in der Psychiatrie hatte,
möchte ich das, was wir heute präsentieren, erst einmal ganz persönlich mit den Worten zusammenfassen: Dass ich das noch erleben darf –
25 Jahre nachdem die sozialpsychiatrischen Dienste regelhaft eingeführt wurden und 25 Jahre nachdem Baden-Württem berg in der Folge des Bundesmodellprogramms Psychiatrie, an dem sich das Land damals leider nicht beteiligt hatte, ei nen wenig ambitionierten Sonderweg eingeschlagen hatte. Da bei begrüße ich einen der Pioniere des Modellprogramms, Herrn Obert vom Caritasverband Stuttgart, der seit 30 Jahren beim CVS wirkt und der auch jetzt ein ganz wichtiger Helfer bei der Formulierung des Gesetzentwurfs gewesen ist. Es ist einfach toll, dass sein Engagement jetzt schon 30 Jahre Früch te trägt.
Was haben wir geschafft? Lieber Stefan Teufel, natürlich hast du recht. Die Schnittstelle zur Jugendhilfe, die ein eigenes Rechtssystem hat, müssen wir aufbauen.
Aber es gibt bereits Landkreise, in denen wir fest definiert nach dem Vorbild der Gemeindepsychiatrischen Verbünde ju gendpsychiatrische Verbünde konstruieren können, die feste Kooperationsaufgaben wahrnehmen und nach demselben Mus ter arbeiten. Es besteht sozusagen eine Ansteckungsgefahr im positiven Sinn.
Das im Entwurf vorliegende Gesetz lebt von drei Grundsät zen: der Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Schutz- und Autonomiefunktion des Staates für seine Bürgerinnen und Bürger, der Notwendigkeit, sie ernst zu nehmen, wenn sie krank sind.
Der Psychiater Bleuler hat Ende des 19. Jahrhunderts ganz treffend festgestellt: Psychische Erkrankungen und Psycho sen sind Störungen des Denken, Fühlens und Handelns. Alle drei wichtigen Eigenschaften, über die wir verfügen, wenn wir selbstständig, autonom, teilhabeorientiert leben wollen, sind beeinträchtigt.
Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Formen von Beeinträchtigung nicht dazu führen, dass Menschen, die er krankt sind, die seelisch behindert sind, ausgeschlossen wer den. Deswegen haben wir dieses Gesetz auf den Weg gebracht.
Wir haben dieses Gesetz auch deshalb auf den Weg gebracht, weil wir die Menschen ermutigen wollen, sich dazu zu beken nen, wenn sie eine Störung haben, wenn es ihnen nicht gut geht. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Dritte einmal in seinem Leben behandlungswürdig erkrankt, dann können wir uns ausrechnen, dass wir nicht über eine Randgruppe, eine Minderheit reden, sondern dass uns das ganz zentral betrifft.
In dem Gesetzentwurf sind die Schutzfunktion, die Teilhabe funktion, die Hilfsangebote – der Staat, der zu organisieren hilft, aber nichts vorschreibt – prominent formuliert. Zusätz lich sind Regelungen zum Maßregelvollzug enthalten, wo nach psychisch kranke Straftäter nicht darauf zurückzubuch stabieren sind, dass sie eine Straftat begangen haben – sie ha ben eine Straftat begangen, weil sie krank sind –, sondern in besonderer Weise zu fördern sind und einen Rehabilitations
anspruch haben. Es ist in ganz Deutschland einzigartig, dass wir das so ins Gesetz geschrieben haben.
Die Ministerin hat richtigerweise angemerkt, dass die Verweil dauern bei uns heute schon am kürzesten sind. Im Maßregel vollzug haben wir aber natürlich eine Zukunftsaufgabe. Wir werden – das wird auch in der Debatte mit unseren Finanzpo litikern für das nächste Jahr eine ganz wichtige Aufgabe – für dieses System des modernen Maßregelvollzugs mehr Geld be nötigen. Da machen wir uns alle keine Illusionen. Es ist eine große Aufgabe, und wir werden uns auch daranmachen.
Lassen Sie mich noch eine Schlussbotschaft geben: Als wir das Gemeindepsychiatrische Zentrum Friedrichshafen quasi modellhaft – als Vorgängerstruktur zu dem, was wir heute im Gesetz festschreiben – aufgebaut hatten, kamen relativ viele Besuchergruppen aus ganz Deutschland. Am meisten beein druckt waren die Menschen davon, dass direkt am Eingang der Stadt in großen Lettern „Gemeindepsychiatrisches Zent rum“ stand – und nicht irgendwo in einem Hinterhof, wohin jemand schleicht und sagt: „Sorry, ich habe was und brauche Hilfe.“
Wir, die Gesellschaft, müssen lernen, damit umzugehen, dass Krankheit, Behinderung, Störung und Beeinträchtigung ein fester Bestandteil unseres Lebens sind.
Gestern haben wir über das Thema Industrie 4.0 debattiert. Der Psychiater in mir bekommt Schüttelfrost vor dem Hinter grund, dass der größte aller Störfaktoren die Reizüberflutung ist. Wir müssen also in dieser Debatte z. B wieder sorgsam ei nen emanzipierten Umgang mit so etwas lernen.
Wir haben hier einen exemplarischen Gesetzentwurf vorge legt. Auch die Nichtfachpolitiker sollten sich diesen in einer ruhigen Minute anschauen. Es ist eine Handreichung, wie man gut durchs Leben kommt.
Ich bin stolz darauf, dass wir das beste und ambitionierteste Psychiatriegesetz in ganz Europa verabschieden werden.
Danke sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerin, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums! Lie ber Kollege Rüeck, ich bin etwas konsterniert. Sie haben das Gesetz nicht gelesen.
Zumindest haben Sie die Teile nicht gelesen, die Sie kriti siert haben. Ich bin nur konsterniert. Mehr sage ich nicht. Wir haben noch ein bisschen Luft.
Natürlich ist dieses Gesetz eine große Herausforderung, weil es – das ist nichts Neues – die Quadratur des Kreises versucht, weil es Ordnungsrecht, Leistungsrecht und Freiheitsrechte zu sammenbringen muss, weil Verbraucherschutz durch klare Spielregeln gegen Missbrauch, durch Beteiligung und Trans parenz in eine Gesetzesnorm gegossen wird und weil dieses Gesetz Zuständigkeiten vorsieht, aber trotzdem nicht regu liert.
Das ist eine große Kunst. Diese Teile haben Sie in dieser De tailliertheit nicht gelesen.
Die Frage der Überregulierung – –
Überhaupt nicht. Es ist eine konsequente Deregulierung vor gesehen. Sie sind der Erste, der, wenn in der nächsten Woche in der Zeitung ein Bild von einem handtellergroßen Dekubi tusgeschwür zu sehen ist,
dann fragt: „Wo war die Heimaufsicht? Wer hat danach ge schaut, ob diese alte Person richtig gepflegt wurde?“ Es ist doch klar, dass dann sofort gefragt wird: „Wer war dafür zu ständig?“
Wir haben also die Aufgabe – das ist die Besonderheit bei die sem Gesetz –, für Ordnung zu sorgen, wenn Menschen keine Eigenverantwortung mehr übernehmen können. Zugleich ha
ben wir die Aufgabe, Selbstbestimmung und Teilhabe zu or ganisieren.
Darum haben wir gemeinsam in einem langen Diskussions prozess das Modell in Eichstetten als Basis genommen. Es ist die Blaupause für neue Wohnformen im Alter in der ländli chen, in der städtischen Region. Die Einrichtungen sollen bür gerschaftlich getragen sein; bis zu zwölf Personen können in einer WG leben. Es gibt keine Restriktionen, die dazu führen würden, dass die Menschen etwas nicht umsetzen könnten.
Sie haben eine Heimmindestbauverordnung geschaffen, so dass wir von den Leuten bei jeder Diskussion – wir haben seit zwei Jahren entsprechende Termine wahrgenommen – gehört haben: „Das ist inklusionsschädlich.“ Diese Investitionsför derungen können die Menschen nicht umsetzen. Darüber müs sen wir uns einmal unterhalten.
Jetzt sage ich Ihnen praktisch: Was werden wir in der Anhö rung zum WTPG tatsächlich miteinander besprechen müssen? Wir werden in der Anhörung in der nächsten Woche ganz de zidiert auf die Deutungshoheit, auf die Träger der Einrichtun gen, auf die zwischen acht und zwölf liegende Zahl von Be wohnern und auf Wirtschaftlichkeitsfragen eingehen. Wir ha ben in der Anhörung ein breites Spektrum an Fachleuten. Wir werden uns das noch einmal anschauen. Ich glaube nicht, dass wir uns da um des Kaisers Bart streiten. Ich glaube, da gibt es Kompromissmöglichkeiten.
Aber ansonsten stelle ich fest: Wir haben im Altenhilfebereich mit Eichstetten ganz klar selbst organisierte Wohngemein schaften zum Basismodell erklärt. Wir haben andere WG-For men deutlich von Ordnungsmaßnahmen befreit. Wir haben im Bereich der Behindertenhilfe und der Psychiatrie Anbieter, bei denen die Wohnleistung von der Betreuungsleistung getrennt ist. Da haben wir überhaupt keine Restriktionen. Die anderen Anbieter können Betreuungseinheiten von bis zu sechs – – Das ist ein betreutes Wohnen, das es in Baden-Württemberg in dieser Intensität bis heute kaum gibt, weil die Kommunen nach der Auflösung des LWV nicht bereit waren, dies zu ver handeln. Das sind neue, individuelle Formen, die es heute noch gar nicht gibt.
Da ist doch gar nichts teuer. Was ist denn da teuer? Das ist doch ganz klar ein unregulierter Bereich.
Jetzt sage ich Ihnen noch etwas. Was macht das Gesetz aus? Das Gesetz sagt mir, was Heimaufsicht ist. Es gibt 44 Stadt- und Landkreise. 44 verschiedene Kulturen, Herrschaftskultu ren, die bis zu einer sehr unangemessen strengen Auslegung reichen, wollen wir nicht haben. Wir wollen eine Heimauf sicht, die begleitet. Wir wollen eine Heimaufsicht, bei der die Partnerschaft zwischen Gesellschaft, Anbieter und Betroffe nen lebt. Das macht dieses Gesetz möglich.
Das ist doch die entscheidende Größe dieses Gesetzes. Die ses Gesetz ist ein atmendes Gesetz. Das werden wir auch in unserer Pflegeenquetekommission feststellen.
Das hat überhaupt kein Asthma. Es gibt gute Asthmasprays, und die verkörpern wir, weil wir beteiligt sind.
Es ist deswegen ein atmendes Gesetz, weil wir immer darauf achten werden, dass wir nicht das Kind mit dem Bade aus schütten, weil tatsächlich der Schutz- und der Teilhabegedan ke paritätisch sind. Je mehr bürgerschaftlich getragene Ange bote wir machen – das in Eichstetten ist unsere Blaupause –, umso mehr werden wir sehen, dass wir gar kein strenges Aus legungsprozedere mehr brauchen.
Danke.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kunzmann, dies ist ein gutes Beispiel für das Gelingen eines Gesetzes, das dadurch zustande kommt, dass man ein bisschen, einen Vier telmeter, zurückgeht, einander zuhört und von vornherein das Ziel formuliert, dass es gelingen möge. Das war nämlich die Ausgangslage. Wir hatten gesagt: Wir wollen ein gemeinsa mes Gesetz.
Wir haben aufeinander Rücksicht genommen. Wir haben uns alle auf die religiöse Intention beschränkt und haben den Ent wurf nicht weiter gefasst. Es ist auch wichtig, dass ein erster Schritt gemacht wurde, respektvoll gegenüber anderen Reli gionen und respektvoll gegenüber dem, der in der Arbeits gruppe anders denkt, aufzutreten. Wir haben ein gutes Ergeb nis. Die Kommunen sind dabei, auch wenn sie natürlich im mer etwas Angst haben, dass Kosten entstehen könnten.
Das Steinmetzgewerbe wird frühzeitig feststellen, dass es gar nicht tangiert ist. Die Steinmetze haben vorsorglich Beden ken angemeldet. Das machen Verbände schon einmal gern. Wir haben jedoch sehr gut und vertrauensvoll zusammenge arbeitet.
Ich freue mich auf die Enquetekommission zur Pflege. Wir werden auch dort im gleichen Geist zusammenarbeiten, wie wir das bei diesem Gesetz gemacht haben.
Darüber hinaus hat selbst Martenstein in der „Zeit“ darüber geschrieben. Lesen Sie es nach. Er hat es sogar etwas witzig dargestellt, was wir hier erarbeitet haben. Insofern können wir allem frohen Herzens zustimmen.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir gewusst hätten, dass heute japanische Gäste unter uns sind, hätten wir uns vielleicht noch ein bisschen mit den dortigen Bestattungsri ten beschäftigt.
Aber wir können das ja heute Abend nachlesen. Ich glaube, einige von euch wissen darüber Bescheid.
Zu Beginn sollten wir uns noch einmal die Größenordnung vor Augen führen. Baden-Württemberg hat 10,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Davon sind ein Drittel ka tholisch, ein Drittel protestantisch, und knapp ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger haben eine andere Religion oder be kennen sich zu keiner eingetragenen Religionsgemeinschaft. Geschätzt sind es 600 000 Bürgerinnen und Bürger mit mus limischem Glauben und 9 000 Bürgerinnen und Bürger mit jüdischem Glauben. Das zeigt die Größenordnung.
Kollege Kunzmann hat vorhin die Sorgen der Bestattungsun ternehmer angesprochen. Diese Sorgen haben eine gewisse ökonomische Natur. Diese können wir, glaube ich, schon auf grund der Größenordnung, über die wir sprechen, ausräumen.
Bislang gab es vor allem für muslimische und jüdische Ver storbene und deren Angehörige keine befriedigende Lösung. Muslime leben zum Teil bereits in der dritten und vierten Ge neration in Baden-Württemberg. Die Mehrheit von ihnen stammt aus der Türkei. Ein beträchtlicher Teil von ihnen hat bis heute sehr teure Versicherungen abgeschlossen, die ge währleisten, dass sie nach ihrem Tod ausgeflogen werden, um in der Türkei gemäß ihren religiösen Riten bestattet werden zu können.
Das mag für die erste Generation durchaus noch eine verständ liche Lösung gewesen sein. Aber für die Muslime, die hier ge boren sind, die Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft sind, ist das keine annehmbare Lösung. Sie möchten gern dort bestattet werden, wo sie gelebt haben; Baden-Württemberg ist ihre Heimat.
Aber es geht um noch viel mehr. Es geht um die Anerkennung und die Akzeptanz. Riten sind für die Menschen wichtig. Auch die Vorredner haben es gesagt: Der Umgang mit dem Tod ist für uns sicherlich das Intimste und Sensibelste. Dort kommen all unsere Ängste und Sehnsüchte zum Ausdruck; denken wir an die Grabbeigaben im Altertum. All das findet sich im indi viduellen Umgang, aber auch in unseren äußeren Riten im Umgang mit dem Tod wieder.
In meiner Heimat in der Nähe von Altötting hat man auf dem Weg zur Kirche einen Trauermarsch gespielt, und auf dem Rückweg hat die Blaskapelle, wenn ein älterer Mensch ge storben ist, schon einmal anders intoniert. Das war schon ein erster Weg zur Trauerbewältigung. Das zeigt die ganze Band breite, die sich bei uns widerspiegelt.
Ich glaube, es ist wichtig, darauf Rücksicht zu nehmen. Denn die Riten der Menschen können auch die Identifikation mit ih rem Land, ihr Heimischwerden ermöglichen.
Insofern sind die Aufhebung des Sargzwangs, die Ermögli chung der Bestattung im Leintuch und die Aufhebung der 48-Stunden-Frist Schritte, mit denen wir der gesellschaftli chen Realität, den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Ein Festhalten an der bisherigen Regelung hätte die Integra tion dieser Menschen nicht befördert.
Wir nehmen nun entsprechende Änderungen vor. Es freut uns sehr, dass dies im interfraktionellen Einvernehmen geschieht. Tatsächlich ist nicht nur das Gesetz als Ergebnis, sondern auch der Prozess unserer Debatte – – Sie, lieber Kollege Klenk, ha ben stellvertretend für die CDU-Fraktion und Sie, lieber Kol lege Haußmann, stellvertretend für die FDP/DVP-Fraktion mit uns verhandelt. Es waren gute, sachbezogene Debatten. Wir waren uns in der Sache manchmal nicht einig, aber wir haben signalisiert, eine Lösung hinzubekommen.
Wir haben natürlich wahrgenommen, dass es sehr weitgehen de Vorstellungen von Liberalisierung gibt, bis hin dazu, dass Menschen die Urne bei sich zu Hause unter dem Apfelbaum bestatten wollen. Es gab auch eine Debatte über eine See bestattung am Bodensee, eine Debatte – ich sage das als Halbanrainer am Bodensee –, die wir im Umgang mit den Menschen nicht hätten gewinnen können. Wir haben uns, ob wohl viele von uns einen sehr freiheitlichen Grundsatz haben, bewusst auf die religiösen Riten, auf die Bedürfnisse der Men schen jüdischen und muslimischen Glaubens konzentriert, um auch die Tragweite, diesen Schritt, dieses „Step by step“ zu dokumentieren.