Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 81. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg. Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nisterpräsident Kretschmann, Frau Ministerin Krebs, Frau Mi nisterin Öney, Herr Minister Friedrich, Herr Minister Her mann,
Herr Minister Dr. Schmid bis ca. 14:00 Uhr und Herr Minis ter Stoch – was mich veranlasst, zumindest die anwesenden Mitglieder der Landesregierung auf das Herzlichste zu begrü ßen.
Aktuelle Debatte – Bessere Perspektiven für den wissen schaftlichen Nachwuchs – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtrede zeit von 40 Minuten in der entsprechenden Abfolge zweier Runden festgelegt. Auch die Landesregierung wird gebeten, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Mit Blick auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung bitte ich, die Aktuelle Debatte in freier Rede zu führen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehr te Damen und Herren! Baden-Württemberg ist ein Land mit starken Hochschulen, mit starken Universitäten, mit exzellen ter Leistung in Forschung und Lehre.
Das Ländle ist spitze. Aber ist es das in allen Belangen? Ein Blick in die aktuelle Ausgabe von „Hochschulen auf einen
Blick“ des Statistischen Bundesamts mit der Datengrundlage aus dem Jahr 2011 zeichnet leider ein Bild, das für den wis senschaftlichen Nachwuchs etwas düster ist. So hatte BadenWürttemberg damals, im Jahr 2011, im Ländervergleich beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal den höchsten Anteil an nebenberuflich Beschäftigten sowie einen enorm niedrigen Anteil an unbefristeten Vollzeitstellen; Baden-Würt temberg steht in dieser Hinsicht im Länderranking leider an vorletzter Stelle. Das ist der Ausgangspunkt.
Dieser Situation haben wir uns angenommen und in den letz ten zweieinhalb Jahren an Verbesserungen gearbeitet. Die ers ten Erfolge zeigen sich mittlerweile. Die nächsten Schritte sind in Arbeit, und deswegen besteht Grund genug, heute in einer Aktuellen Debatte darüber zu sprechen.
Es geht um die besten Köpfe. Es geht darum, dem – landläu fig so genannten – wissenschaftlichen Nachwuchs die besten Perspektiven zu bieten. Versetzen wir uns also einmal in eine junge Wissenschaftlerin hinein, die vor der Entscheidung steht, entweder hier im Land eine Stelle anzutreten oder an ei ne internationale Spitzenuniversität im Ausland zu gehen. Nach welchen Kriterien trifft sie ihre Entscheidung? Folgt sie allein dem guten wissenschaftlichen Ruf, den die Hochschu len im Land haben? Nein, es sind noch andere Punkte: Wie sieht die Besoldung aus? Ist das eigentlich adäquat, was ich da als Spitzenwissenschaftlerin erhalte? Wie sehen denn mei ne Karrierechancen aus? Welche Karrierewege habe ich über den Postdoc hin zur Professur? Wie sieht es mit meiner Ei genständigkeit als Forscherin aus? Und nicht zuletzt: Wie sieht es mit den Rahmenbedingungen aus? Wie ist die Ausstattung der Stelle, an der ich arbeite? Wie sieht es dort mit dem Per sonal aus? Wie ist es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestellt?
Oder denken wir an den Absolventen eines Masterstudiums, der sich jetzt überlegt, ob er in Baden-Württemberg oder viel leicht doch in einem Land außerhalb von Deutschland promo vieren möchte. Was bieten wir diesem jungen Menschen au ßer dem Renommee unserer Hochschulen in Baden-Württem berg? Wer garantiert ihm, dass seine Promotion bei uns or dentlich betreut wird? Wer schützt ihn davor, dass er sich als Drittmittelkraft von Vertrag zu Vertrag hangeln muss?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation am Wissen schaftsstandort Baden-Württemberg ist grundsätzlich gut. Der Wettbewerb um die klügsten Köpfe wird aber immer härter. Das macht es dringend notwendig, die Rahmenbedingungen der Wissenschaft hier weiterzuentwickeln, um in diesem Wett bewerb attraktiv zu bleiben. Daran arbeiten wir seit der Re gierungsübernahme intensiv.
Was hat sich also getan, um dem vorhin benannten Masterstu denten eine Perspektive für seine Promotion zu bieten? Zum einen möchte ich nochmals auf unsere Initiative hinweisen, unbefristete Stellen zu schaffen und befristete zu entfristen, wie wir das mit den Qualitätssicherungsmitteln ermöglicht ha ben. Aber noch wichtiger ist der Ansatzpunkt, Befristungen im Wissenschaftsbereich grundsätzlich an die Laufzeit von Projektmitteln oder Qualifizierungsphasen zu koppeln.
Ich möchte hier ganz explizit das Beispiel der Universität Ho henheim nennen. Der Senat der Hochschule hat beschlossen, wissenschaftliche Stellen in der Regel auf drei Jahre zu be fristen, statt, wie wir es immer wieder erleben, zum Teil Be fristungen mit einer Dauer von weniger als einem Jahr vorzu sehen, obwohl das entsprechende Projekt viel länger läuft – ein Zustand, der eigentlich kaum nachvollziehbar ist. Das ist ein wichtiger Vorstoß, und ich hoffe, dass sich viele Hoch schulen dieser Idee anschließen werden.
Aber die Befristung in der Qualifizierungsphase ist nur ein Thema von mehreren. Gerade die Promotion ist heute ein Feld, in dem unter dem Deckmantel der akademischen Tradi tion an manchen Orten – wie soll ich sagen? – nicht mehr ganz zeitgemäße Verhältnisse vorherrschen. Wenn Baden-Württem berg ein attraktiver Promotionsstandort bleiben will, ist Qua litätssicherung in der Promotion erforderlich. Das wissen wir nicht erst seit den vielen Plagiatsfällen, die es leider auch in unserem Bundesland gab.
Der in der Anhörung befindliche Entwurf der Novelle des Lan deshochschulgesetzes setzt in diesem Bereich bundesweit neue Maßstäbe. Baden-Württemberg geht mit verbindlichen Vereinbarungen zur Betreuung von Promovierenden – diese Vereinbarungen sehen wir vor –, Ombudspersonen und Pro motionskonvents so mutig voran wie kein anderes Bundes land in Deutschland.
Gute Betreuungsverhältnisse sind extrem wichtig für eine er folgreiche und qualitativ hochwertige Promotion. Dafür legt die individuelle verbindliche Betreuungsvereinbarung zwi schen Promovend und Betreuenden den wichtigen Grundstein. Das zeigt auch das eindeutige Echo der Promovierenden, die zu diesem Vorschlag Stellung genommen haben.
Wie sieht es mit modernen Zugängen zu Wissenschaftskarri eren aus? Stichwort Juniorprofessur: Hier in Baden-Württem berg war die Juniorprofessur lange Zeit immer noch ein un geliebtes Kind und nicht wirklich gleichwertig mit einer Ha bilitation. Entsprechend stellen sich Juniorprofessorinnen und -professoren heute immer noch als eine sehr, sehr kleine Grup pe an den Universitäten und den anderen Hochschulen im Land dar. In Baden-Württemberg sind es gerade einmal 150.
Richtig aufgestellt ist die Juniorprofessur jedoch der richtige Einstieg in die wissenschaftliche Karriere. Dazu muss aber zunächst einmal der Irrglaube aus der Welt geschafft werden, dass es sich dabei um das Eingangsamt in einer Art Behörden
laufbahn des Typs W handeln würde. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir das ein für alle Mal klären: Die Juniorpro fessur ist der richtige und gute Einstieg in einen Karriereweg.
Das ist so, weil Juniorprofessorinnen und -professoren die jun gen wissenschaftlichen Spitzenkräfte sind, die Erfahrung in Forschung und Lehre mitbringen und die sich eigenständig in der wissenschaftlichen Praxis beweisen und beweisen müs sen. Dazu brauchen sie eine gute Ausstattung, dazu brauchen sie Freiräume, und dazu brauchen sie echte, ernst gemeinte Karriereoptionen.
Deswegen bin ich sehr froh, dass wir im Entwurf des neuen Landeshochschulgesetzes eine Tenure-Track-Option vorse hen. Wir schaffen es damit, dass man nach einer Juniorpro fessur, mit der man beginnt, mit einer Phase von sechs Jahren und nach einer positiven Evaluation den Wechsel auf eine ech te, vollwertige Professur schaffen kann. Das ist ein ganz wich tiger Schritt und eine Option, die wir den Hochschulen zur Verfügung stellen, die die baden-württembergischen Hoch schulen im internationalen Wettbewerb weit nach vorn bringt und endlich auch mit dem angloamerikanischen Hochschul system wettbewerbsfähig macht.
Der dritte Aspekt, der für die Attraktivität der Juniorprofessur relevant ist, ist die Besoldung. Es hat etwas länger gedauert, aber nun liegt der gute Vorschlag auf dem Tisch,
rückwirkend zum 1. Januar 2013 die gesamte W-Besoldung attraktiver zu gestalten – die gesamte; das ist der Unterschied zu den anderen Bundesländern. Wir werden die Besoldung bei W 1, W 2 und W 3 anheben, und wir werden eine Leistungs komponente erhalten; das haben andere Bundesländer leider nicht geschafft.
Das, was Bayern macht, ist ein Rückschritt. Dem wollten wir nicht folgen. Deswegen finde ich es gut, dass wir uns ein biss chen mehr Zeit gelassen haben, um eine gute Lösung zu schaf fen.
Bezogen auf die Juniorprofessur bedeutet die Regelung zum einen natürlich eine wichtige Erhöhung; die W-1-Besoldung wird aufgewertet. Viel wichtiger als die Erhöhung des Grund gehalts ist jedoch die Erhöhung des Vergaberahmens für Leis tungszulagen. Damit schaffen wir Spielräume für die Hoch schulen, um die Juniorprofessur für Fälle, in denen man einen besonders guten Doktoranden oder eine besonders gute Dok torandin zum Bleiben gewinnen möchte, besonders attraktiv auszustatten.
Wir schaffen mit den Maßnahmen, die ich genannt habe, al so gute Voraussetzungen für den wissenschaftlichen Nach wuchs und ein attraktives Angebot. Ich bin überzeugt davon, dass damit der Nachwuchswissenschaftlerin, die ich vorhin nannte, die sich zwischen Baden-Württemberg und einer Ein richtung z. B. in England entscheiden muss, die Entscheidung dafür, hierzubleiben, ein ganzes Stück leichter gemacht wird, als dies 2011 der Fall gewesen ist.
Baden-Württemberg geht mit ganz konkreten Verbesserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs voran. Nur so gelingt es, die klügsten Köpfe hier im Land zu halten oder neue hier herzuholen. Nur so sichern wir die Exzellenz der Hochschu len und Universitäten im Land in Forschung und Lehre – auch für unsere Zukunft.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen Debatte ist be reits wolkig formuliert. Wolkig bleibt auch, was die Landes regierung konkret zur Verbesserung der Situation der Nach wuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in unserem Land tun wird. Viel besser würde es also passen, wenn Sie hinter den Titel der Aktuellen Debatte ein dickes Fragezeichen setzen würden. Denn ob es für die Nachwuchs wissenschaftler in unserem Land tatsächlich zu besseren Per spektiven kommt, ist, Stand heute, völlig ungewiss.
Das Versprechen der Regierungsfraktionen im Koalitionsver trag klingt vollmundig. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsiden ten: