Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

Das Versprechen der Regierungsfraktionen im Koalitionsver trag klingt vollmundig. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsiden ten:

Kriterien guter Arbeit müssen auch an Hochschulen gel ten. Die Flexibilisierung und Prekarisierung der Arbeits verhältnisse betrachten wir kritisch. Wir streben an, in nerhalb der nächsten fünf Jahre die Zahl unbefristeter Mittelbaustellen an den Hochschulen in Baden-Württem berg zu erhöhen.

Das klingt gut. Aber zweieinhalb Jahre nach Regierungsan tritt können Sie noch immer nichts Konkretes vorweisen.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst- Blei SPD: Was?)

Herr Kollege Schmidt-Eisenlohr, Sie haben das Stichwort „Reform der W-Besoldung“ im Zusammenhang mit den Ju niorprofessuren angesprochen. Während in elf von 16 Bun desländern dazu wenigstens ein Gesetzentwurf existiert, exis tiert bei uns in Baden-Württemberg gerade einmal ein Eck punktepapier.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Was?)

Das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegt bereits mehr als eineinhalb Jahre zurück. In diesem Urteil wurde der Regierung aufgetragen, das System bis zum 1. Ja nuar 2013 zu reformieren. Bis heute haben Sie außer diesem Eckpunktepapier nichts vorgelegt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Dies zeigt einmal mehr, meine Damen und Herren: Die Re gierung ist groß im Ankündigen von Versprechen, und immer dann, wenn es konkret wird, kommt erst einmal gar nichts. Die Menschen in diesem Land spüren dies mittlerweile.

(Zuruf: Das glaubt Ihnen keiner mehr!)

Sie wissen nicht nur seit dem missglückten Vorstoß in Sachen Musikhochschulen, dass diese Landesregierung viel ankün digt und immer dann, wenn es konkret wird, ein Kuddelmud del veranstaltet.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, im Bericht der Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den wissenschaft lichen Mittelbau heißt es – ich zitiere –:

Angesichts der demografischen Entwicklung in der Bun desrepublik Deutschland und der unbestreitbaren Not wendigkeit, einen Wissens- und Know-how-Vorsprung in der Bundesrepublik... vor anderen Wettbewerbern auf rechtzuerhalten, müssen wir uns intensiv darum bemü hen, die besten und vielversprechendsten Wissenschaftle rinnen und Wissenschaftler für eine Karriere in Univer sität und Forschung in Deutschland

und in Baden-Württemberg –

zu gewinnen bzw. zurückzugewinnen.

Richtig. Deshalb ist es aus unserer Sicht auch dringend erfor derlich, dass Sie die Reform der W-Besoldung endlich umset zen. Innerhalb der Landesregierung sieht man das gleiche Spiel. Der Finanzminister ist heute gar nicht da. Von ihm gibt es aber bislang keine Aussage darüber, wie die Mehrkosten, die durch die Reform der W-Besoldung entstehen, finanziert werden sollen.

Wir fordern Sie daher auf: Schaffen Sie schnellstmöglich Klarheit, und bringen Sie einen entsprechenden Gesetzesvor schlag in den Landtag ein. Der wissenschaftliche Nachwuchs in Baden-Württemberg wartet in der Tat darauf, und er braucht verlässliche gesetzgeberische Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Fragezeichen stehen nicht nur hinter der Reform der W-Be soldung. Die Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Rahmenbe dingungen für den wissenschaftlichen Mittelbau und den nicht wissenschaftlichen Bereich hat prüfenswerte Vorschläge er arbeitet. Sollten diese umgesetzt werden, sind wir, die CDUFraktion, in der Tat bereit, diese anzuerkennen; denn sie brin gen wirklich Verbesserungen mit sich.

Es muss darauf geachtet werden, dass es innerhalb der Hoch schulpolitik und des Mittelbaus nicht zu einem Verschiebe bahnhof kommt. Eine Umwidmung von bestehenden A-13- bzw. E-13-Stellen in Tenure-Track-Professuren würde in der Tat Verbesserungen für den Nachwuchs mit sich bringen, aber sie würde an dieser Stelle natürlich auch neue Lücken in den Haushalt reißen. Gleiches gilt für die Umwandlung von W-3-Stellen in W-1- oder W-2-Stellen.

Wer die Vorschläge der Arbeitsgruppe aufmerksam liest, stellt fest, dass es ohne zusätzliche finanzielle Mittel keinen Durch bruch geben wird. Daher wird, meine Damen und Herren, der Solidarpakt III schon zum Lackmustest für die Ernsthaftigkeit der Politik von Grün-Rot in Bezug auf den Mittelbau.

Ob es dann tatsächlich, Herr Kollege Schmidt-Eisenlohr, Ver besserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs geben

wird, werden wir sehen, wenn Sie einen entsprechenden Vor schlag hier in den Landtag einbringen.

(Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)

Meine Damen und Herren, wir, die CDU-Fraktion, fragen uns, wenn wir uns die Novelle des Landeshochschulgesetzes an schauen, schon: Wie soll ein Drittmittelkarriereprogramm wirksam werden, wenn es gleichzeitig den Drittmittelgebern erschwert wird, mit den Hochschulen zu kooperieren? Klar ist doch: Die Bereitschaft von potenziellen Drittmittelgebern wird sich doch durch die von Ihnen geplante Einführung ei nes Transparenzregisters mit Sicherheit nicht erhöhen.

Gleiches gilt für die in der Novelle beabsichtigte deutliche Schwächung des Hochschulrats. Ich habe bei mir in Esslin gen mit vielen Hochschulräten ein Gespräch geführt. Den Te nor der Gespräche kann man schon so interpretieren: Das ge nerelle Misstrauen der Landesregierung gegenüber privaten Drittmittelgebern ist sehr hoch. Ich sage Ihnen: Passen Sie auf, dass Sie den Einflussbereich der Unternehmen an den Hochschulen im Land nicht auf das Maß kürzen, wie Sie es im Moment vorhaben.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Haben Sie überhaupt etwas gelesen?)

Für wen, wenn nicht für die Wirtschaft, wird im Land wissen schaftlicher Nachwuchs ausgebildet? Arbeiten Sie nicht ge gen die Wirtschaft im Land,

(Zurufe von den Grünen)

sondern arbeiten Sie auch in der Hochschulpolitik eng mit den Unternehmen in der Wirtschaft zusammen.

Vielen Dank fürs Erste.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Rivoir.

Herr Präsident, meine Kollegin nen und Kollegen! Für viele junge Menschen ist es heute nicht mehr attraktiv, nach dem Studium in der Wissenschaft zu blei ben. Die meisten suchen sich einen Arbeitsplatz in der Wirt schaft und haben dann keine Chancen bzw. Überlegungen mehr, zurück in die Wissenschaft bzw. an die Hochschulen zu kommen.

Die Hochschulen befinden sich aufgrund der demografischen Entwicklung in einem starken Wettbewerb mit der Wirtschaft um die besten Köpfe, die die Hochschulen im Land brauchen. Deshalb werden an den Hochschulen bessere und attraktive re Arbeitsbedingungen benötigt, die einen Anreiz bieten, nach dem Studium in diesem Bereich zu bleiben. Es werden neue Karrierewege zur Professur benötigt, die dem Geist der Zeit entsprechen. Dies bedeutet auch, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits wesentlich früher, als es heute möglich ist, selbstständig an den Universitäten arbeiten kön nen.

Ein Weg, um dies zu erreichen, ist die Juniorprofessur, die im Jahr 2002 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt wurde und die – das wurde schon erwähnt – in Baden-Würt

temberg leider noch viel zu selten vorkommt. Wir müssen die Juniorprofessur aufwerten und stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wir müssen auch im Bereich der Promotion ansetzen und da für sorgen, dass der wissenschaftliche Nachwuchs unter den besten Bedingungen ausgebildet wird und die hohe Qualität der Promotion in Baden-Württemberg bestehen bleibt und weiter gefördert wird. Vor allem ist es uns wichtig, besonders früh mit der Unterstützung und Förderung der Nachwuchs wissenschaftler anzufangen, ihnen eine klare Perspektive auf zuzeigen, Sicherheit zu geben und z. B. auch zu ermöglichen, mit dieser Sicherheit eine Familie zu gründen.

Dies ist heute aufgrund der hohen Befristungsquoten im Hoch schulbereich und der oft sehr kurzen Laufzeiten der Arbeits verträge schwer möglich. Deswegen entscheiden sich viele junge Menschen, obwohl sie bestens qualifiziert und für die Wissenschaft begabt sind, gegen eine Karriere im wissen schaftlichen Bereich. Dies wollen wir ändern. Die Befristung und die Dauer der Verträge werden sicherlich bei den Solidar paktverhandlungen eine Rolle spielen.

Ich möchte zwei Punkte nennen, durch die wir die Perspekti ven für den wissenschaftlichen Nachwuchs an unseren Hoch schulen weiter verbessern wollen:

Zum einen geht es um das Thema „Gute Arbeit an unseren Hochschulen“. Schon vor einiger Zeit haben wir hier über die ses Thema diskutiert. Wir brauchen ein angemessenes, auf die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Forschung und auch des Personals ausgerichtetes Verhältnis von befristeten und unbe fristeten Stellen. Der Anteil der unbefristeten Vollzeitstellen an den Hochschulen muss weiter erhöht werden. Diese Re gierung hat schon weit über 1 000 – fast 2 000 – Stellen im Hochschulbereich entfristet. Das ist eine große Leistung die ser Regierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Nun zu sagen, es sei in den letzten Jahren an den Hochschu len in diesem Bereich überhaupt nichts passiert und nichts vo rangegangen, ist schlichtweg falsch.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Wo bleibt das Ge setz?)

Fast 2 000 Stellen wurden durch diese Regierung entfristet. Dies ist die richtige Richtung. Wir werden dafür sorgen, dass es so weitergeht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Es geht insgesamt um mehr Verlässlichkeit – ich habe es vor hin schon gesagt –, mehr berufliche Perspektiven an den Hochschulen und damit auch um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Als Zweites will ich die Karrierewege zu einer Professur he rausheben. Wir wollen eine Stärkung der Juniorprofessur. Da bei geht es um die Ausstattung, um den Zugang zu den For schungsmitteln. Mit der jetzt vorgelegten Reform der W-Be soldung haben wir äußerst attraktive Rahmenbedingungen für die Juniorprofessur geschaffen. Diese Reform der W-Besol dung – W 1, W 2, W 3 – wird das Land Baden-Württemberg

jedes Jahr rund 10 Millionen € kosten. Sie ist nachhaltig fi nanziert.