Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

jedes Jahr rund 10 Millionen € kosten. Sie ist nachhaltig fi nanziert.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Mit Schulden! Nach haltig ist schon gar nichts!)

Wir haben sie 2013, 2014 finanziert, und wir werden diese Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung nachhaltig und dauerhaft darstellen:

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

jedes Jahr 10 Millionen € zur Verbesserung der Rahmenbe dingungen der Wissenschaft an unseren Hochschulen.

Wir wollen bei entsprechender Leistung auch durchgängige Karrierewege ermöglichen – ich habe es vorhin gesagt, es gibt immer wieder Zeitverträge und Brüche in den Karrieren – und brauchen deshalb verstärkt die sogenannten Tenure-TrackProfessuren. Bei diesem Karriereweg mündet dann eine Juni orprofessur bei positiver Bewertung automatisch in eine re guläre W-3-Professur. Dies bringt die von mir geforderte Kar riereverlässlichkeit mit sich, die auch für das soziale Umfeld, für die Gründung einer Familie wichtig ist.

Dadurch werden die Hochschulen nicht gezwungen sein, am Ende einer Juniorprofessur gute Kräfte ziehen zu lassen, son dern haben die Möglichkeit, sie zu übernehmen und gute Kräf te, gute junge Professorinnen und Professoren, zu halten.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Karrierechancen für die Nachwuchsforscherinnen und -forscher in der Familienpha se. Deswegen stellen wir uns Teilzeitprofessuren vor oder ei ne zeitliche Verlängerung einer Juniorprofessur, z. B. wenn der Inhaber oder die Inhaberin dieser Professur zu Hause klei ne Kinder hat.

Dies sind einige Punkte, die wir zum Teil schon gelöst haben, angegangen sind oder vorhaben anzugehen. Im Großen und Ganzen sind wir in Baden-Württemberg auf einem richtigen Weg. Die Stärkung unserer Hochschulen ist ein wichtiges Ziel der Regierungsfraktionen und der Regierung. Wir sind in die sem Bereich auf einem guten und vernünftigen Weg.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Dr. Bullinger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir als viertem Redner zwei Vorbemerkungen: Baden-Württemberg ist ein exzellenter Hochschul- und Forschungsstandort. Wir haben die höchste Dichte an Instituten, an denen vor allem ge forscht wird, wo es Innovationen gibt sowie ein Anwendungs- und Umsetzungsbezug für die Wirtschaft vorhanden ist. Das ist unser Wohlstand, den es zu erhalten gilt, vor allem unter dem Aspekt der demografischen Entwicklung und der vom Kollegen genannten Konkurrenz aus der Wirtschaft, auch aus dem gesamten Ausland, eigentlich aus der ganzen Welt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Hochschulförderung, meine Damen und Herren, beginnt allerdings – diese Anmerkung erlaube ich mir auch – mit den

besten, mit hervorragenden Abiturienten. Man muss dringend darauf achten, das Niveau nicht abzusenken.

Die Landesregierung reagiert zwei Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2012, also viel zu spät. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig erklärt, dass die Grundgehälter zu niedrig und damit die Professoren nicht ausreichend alimentiert seien.

Die Entscheidung der Landesregierung ist auf den ersten Blick eine gute Nachricht.

Die FDP/DVP-Fraktion hat bereits im Vorfeld angekündigt, dass wir eine Erhöhung der W-Grundgehälter unterstützen. Denn wir brauchen attraktive Gehaltsstrukturen, wenn wir die besten Köpfe für unsere Hochschulen gewinnen und halten wollen.

Zu attraktiven Gehaltsstrukturen gehören aber auch Anreize, die Leistung belohnen. Eine uralte Forderung der FDP ist – nicht nur bei der Besoldung, sondern auch grundsätzlich in der sozialen Marktwirtschaft –, dass sich Leistung lohnen muss und man Leistungsträger nicht mit „Neidabgaben“ oder „Neidsteuern“ bestrafen darf. Die Leistung muss sich auf die Entlohnung auswirken. Das gilt nicht nur in der Wissenschaft, sondern in der gesamten Wirtschaft, auch im Mittelstand. Denn es sind die Leistungsträger, die den Karren ziehen.

Zurück zur W-Besoldung: Wir Liberalen halten das Grund prinzip der W-Besoldung für zweckmäßig und bewahrens wert; denn zusätzlich zu einem attraktiven Grundgehalt müs sen Leistungszulagen gezahlt werden.

Ich komme aber gleich zu einem Wermutstropfen: Die grüne Wissenschaftsministerin will die besseren Grundgehälter zu einem guten Teil dadurch finanzieren, dass die Zulagen zu bis zu 50 % auf die Erhöhung der Gehälter angerechnet und da mit entsprechend aufgefressen werden. Mit diesem Ansinnen geht sie dem wesentlichen Grundgedanken der W-Besol dungsordnung ans Leder. Das findet nicht unsere Billigung.

Ich halte auch das Argument für höchst zweifelhaft, dass man Nachwuchswissenschaftler durch ein etwas höheres Grund gehalt anlockt, das später jedoch unverändert bleibt. Besser wäre es aus liberaler Sicht, die Grundgehälter – soweit dies der Finanzminister zulässt bzw. wir es zulassen – zu erhöhen, ohne die Zulagen anzutasten.

Erfreulich ist – das wurde auch schon gesagt –, dass die Ober grenze für die Zulagen an Juniorprofessoren in W 1 von 600 € auf 100 % des W-1-Grundgehalts angehoben wird. Wie wol len Sie sonst z. B. einen 30-jährigen Spitzeningenieur, der bei Bosch, Züblin, Daimler oder auch in einem Architekturbüro arbeitet und dessen Einkommen bei 6 000 bis 8 000 € im Mo nat liegt, an die Hochschule locken? Welche Perspektiven und Weiterentwicklungsmöglichkeiten wollen Sie ihm anbieten?

Ein wichtiger Punkt ist auch, ihm Freiraum für zusätzliche Betätigungen außerhalb der Hochschule zu lassen. Das ist auch wichtig für die Verbindung zwischen Wirtschaft, Wis senschaft und Anwendung. Deshalb brauchen wir mehr Frei räume und Gestaltungsspielräume für die einzelnen Hoch schulen. Für Gotteslohn und Schulterklopfen sind so hoch qualifizierte Akademiker weder zu halten noch dazu zu bewe gen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln und an der Hochschule zu arbeiten.

Kürzlich war ich an den Hochschulen in Ravensburg und Friedrichshafen. Dort wurde auch das Thema Lehrbeauftrag te behandelt. Man sollte in diesem Zusammenhang vielleicht ansprechen, dass auch die Lehrbeauftragten eine höhere An erkennung bekommen sollten, auch finanziell. Denn für die Jüngeren wären wegen der Konkurrenz zwischen Freizeit, Be rufsstress und Hochschule etwas mehr Anreize sinnvoll.

Auch das Umfeld an der Hochschule muss stimmen. Frau Mi nisterin, es geht vor allem darum, das Budget insgesamt ent sprechend auszustatten. Hier ist es wichtig – das sage ich als Liberaler –, den Hochschulen die Finanzmittel möglichst di rekt zu geben, nämlich in Form von Globalhaushalten, damit sie ihre Personalentwicklung selbstständig und eigenverant wortlich vornehmen können. Das ist viel wichtiger.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Man sollte nicht glauben, die Mittel von oben nach unten ver teilen zu müssen. Einen zentralen Strukturfonds halte ich vor allem im Sinne der Hochschulautonomie für falsch.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen.

Erstens: Der Leistungsgedanke, das Leistungsprinzip muss durch die W-Besoldung gewährleistet werden.

Zweitens: Wir treten ein für einen Wettbewerbsföderalismus, in dem sich das Land zu den Bildungsaufgaben bekennt, die Hochschulen besser ausstattet und ihnen einen höheren Mit telanteil zuwidmet. Hier sollte man, Herr Schmiedel, nicht nur nach dem Bund schreien, sondern jetzt in den Koalitionsver handlungen über den Anteil der Länder am Mehrwertsteuer aufkommen sprechen. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt.

Drittens: Es sollte das Prinzip „Geld folgt Student“ – wer gut ist, soll für seine Leistungen auch mehr Mittel bekommen – gelten.

Viertens: Bei allen Anreizen, Modellen und Finanzierungen muss die Freiheit von Forschung und Lehre bei hoher Hoch schulautonomie gesichert bleiben.

Und fünftens: Wer A sagt, muss auch B sagen, Frau Ministe rin. Wer den Nachwuchswissenschaftlern und dem Mittelbau bessere Zukunftsperspektiven und zugleich Sicherheiten bie ten will, muss dies im Landeshaushalt – auch im Nachtrags haushalt und im nächsten Doppelhaushalt – abbilden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Bauer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren! Der Wettbe werb um die besten Köpfe findet nicht nur in der Wirtschaft statt, sondern er findet verschärft und sich verstärkend auch in der Wissenschaft statt. Der Wettbewerb um die besten Köp fe ist international, und er ist auch durch den demografischen Wandel bedingt. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir at

traktive Arbeits- und Forschungsbedingungen herstellen und den jungen Nachwuchsforscherinnen und -forschern attrakti ve Perspektiven bieten, wenn wir den Standort Baden-Würt temberg sichern wollen. Das gilt sowohl für die Wissenschaft lerinnen und Wissenschaftler selbst als auch für unser Wis senschaftssystem insgesamt, aber auch für den Standort Ba den-Württemberg als Spitzenstandort.

Richtig ist, dass es hier darum geht, sehr unterschiedliche Pro blemlagen und Interessenlagen auszutarieren, was nicht ganz einfach ist. Wissenschaft ist per se dynamisch, braucht Flexi bilität und lebt von Veränderungen. Gleichzeitig brauchen die Forscherinnen und Forscher aber auch Perspektiven und Klar heit, damit sie Leben und Arbeiten mit einer einigermaßen si cheren und verlässlichen Perspektive planen können.

Wissenschaft bedeutet immer – das ist ein zweites Spannungs feld – Konkurrenz, Bestenauslese. Wissenschaft lebt auf der anderen Seite aber auch davon, dass es einen Raum für Ko operation gibt und einen Raum, um persönlich zu reifen. Des wegen geht es auch darum, diese Spielräume und Freiräume herzustellen.

Wissenschaft ist auf der einen Seite international und muss international anschlussfähig bleiben. Auf der anderen Seite lebt sie auch von einer Kultur, die in unseren Hochschulen etabliert ist, und wir müssen auf der Basis der existierenden Kultur für eine Weiterentwicklung sorgen.

Nicht zuletzt gibt es das Spannungsfeld, das insbesondere die jungen Menschen in der sogenannten Rushhour des Lebens trifft. Für wissenschaftliche Karrieren ist der Zeitraum im Al ter von 30 bis 45 Jahren entscheidend. Wissenschaftler sind ganz besonders gefragt, in dieser Zeit produktiv zu sein. Das ist genau die Phase, in der man auch eine Familie gründet bzw. über Familiengründung nachdenkt.

Es ist ein absolutes Unding, dass in Deutschland zwei Drittel aller Professorinnen keine Kinder haben. Ich gehe davon aus, dass dies nicht bedeutet, dass diese Frauen alle keine Kinder haben wollen, sondern offensichtlich ein Reflex und eine Ant wort auf die Annahme ist, dass eine erfolgreiche Karriere in der Wissenschaft und eine Familie nicht miteinander in Ver bindung zu bringen oder schwer zu vereinbaren sind.

Wir müssen an all diesen Spannungsfeldern arbeiten und die Rahmenbedingungen verbessern, wenn wir etwas für junge Wissenschaftler tun wollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Es ist wichtig, dass wir in diesem Bereich immer den Blick für den internationalen Vergleich schärfen und die Besonder heiten Baden-Württembergs abschichten. Im internationalen Vergleich stellen wir für Deutschland drei Besonderheiten fest.

Erstens gibt es in Deutschland im Vergleich zu anderen Län dern einen besonders hohen Anteil an Befristungen im Wis senschaftsbereich. Der Anteil der befristet Beschäftigten im wissenschaftlichen Bereich ist in Deutschland in den letzten Jahren auf 90 % gestiegen. Vor wenigen Jahren lag dieser An teil noch bei 80 %, was auch schon nicht wenig ist. Der An stieg auf 90 % hat harte Konsequenzen für die einzelnen Wis senschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Noch härter ist allerdings, dass die Laufzeiten dieser befriste ten Arbeitsverträge auch noch enorm kurz sind. Inzwischen betragen bei fast 50 % der Arbeitsverträge im Wissenschafts bereich die Laufzeiten weniger als ein Jahr. Das zeigt, dass die Verhältnisse in diesem Bereich ein Stück weit aus dem Lot geraten sind. Wir müssen dafür sorgen, dass sich hier die Rah menbedingungen verbessern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)