Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 69. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich Herrn Kollegen Georg Wacker er teilt.

Krankgemeldet sind Kollege Hahn, Kollege Locherer, Kolle ge Paal und Herr Minister Untersteller.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Frau Staats sekretärin Dr. Splett bis 11:30 Uhr, Frau Staatsrätin Erler, Herr Minister Bonde ab ca. 11:30 Uhr – also nach der Aktuellen Debatte – und Herr Staatssekretär Walter ab 14:00 Uhr.

Meine Damen und Herren, im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung der Landesregierung vom 14. Mai 2013 – In formation über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf eines Staatsvertrags über den Südwestrundfunk. Sie wird Ihnen als Drucksache 15/3497 zugehen. Ich schlage vor, die Mitteilung der Landesregierung, Drucksache 15/3497, an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Strafrechtliche Bekämpfung von Do ping – Drucksache 15/3093

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktion eine Redezeit von fünf Minuten festgelegt.

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Bin der.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist das Land des Breiten sports. Der Landessportverband Baden-Württemberg ist mit 3,8 Millionen Mitgliedern und über 11 400 Vereinen die größ te Personenvereinigung im Land. Damit ist jeder dritte Ba den-Württemberger Mitglied in einem Sportverein.

Breitensport ist wichtig. Ein guter Breitensport braucht auch Spitzensport, meine Damen und Herren. Um es genauer zu sagen: Der Breitensport braucht sauberen Spitzensport.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

Baden-Württemberg ist mit vier Olympiastützpunkten auch im Bereich des Spitzensports ein erfolgreiches Land. 53 Sport ler aus Baden-Württemberg sind bei den Olympischen Spie len 2012 in London an den Start gegangen. Sie kehrten mit insgesamt 14 Medaillen – sechsmal Gold, siebenmal Silber und einmal Bronze – aus London zurück.

(Zuruf: Bravo!)

Zu Anfang möchte ich mich an diejenigen wenden, die im Eh renamt den Breitensport und die Sportverbände im Land Ba den-Württemberg tragen und die darauf angewiesen sind, dass es einen sauberen Spitzensport gibt. Deshalb möchte ich den ehrenamtlichen Übungsleiterinnen und Übungsleitern im Land Baden-Württemberg meinen herzlichen Dank für ihre wich tige Arbeit aussprechen.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der CDU und der Grünen sowie des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Der Breitensport, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht den Spitzensport als Vorbild. Vorbild bedeutet, dass man den Sport – ohne Dopingmittel – fair betreibt. Diese notwendige Vorbildfunktion kann nur funktionieren, wenn sie ohne Be trug an den Zuschauern und den Mitbewerbern erfolgt.

Die Sportverbände im Land und in der Bundesrepublik Deutsch land insgesamt tragen ihren Teil dazu bei, um gegen Do pingsünder vorzugehen. Sie gehen mit Wettkampfverboten dagegen vor und verhängen relativ kurzfristig lange Wettbe werbsverbote, was für die einzelnen Sportlerinnen und Sport ler einem Berufsverbot gleichkommt. Sie gehen mit großem Nachdruck gegen die Sportlerinnen und Sportler, die dopen, vor.

Allerdings kommt man nur sehr schwer an das Netz der Hin termänner des Dopingsystems. Man braucht sich nur einmal anzuschauen, was in den letzten Jahrzehnten im Radsport pas siert ist. Wenn man die Aussagen derer, die im Spitzensport, im Radsport gedopt haben, verfolgt, stellt man fest, dass es nicht nur um die Profis, sondern sogar um Amateursportler geht. Auch Ärzte sind am großen Dopingkartell beteiligt. Da gegen wollen wir vorgehen. Deshalb wollen wir die Strafbar keit von Doping erweitern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Bei der Strafbarkeit haben wir bisher einige Probleme. Das möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen, nämlich an dem Strafverfahren, das gerade beim Landgericht Stuttgart gegen den Radsportler Schumacher läuft. Dieses Verfahren begann dort am 10. April 2013. Es kam nur deshalb zur Anklage und

zur Verhandlung, weil es darum ging, ob Schumacher gegen über dem Teamchef Holczer die Wahrheit gesagt und ihm mit geteilt hat, dass er gedopt und so Sponsoren und damit das Team betrogen hat.

Wir können allerdings Doping im Spitzensport nicht an sich als Betrug strafbar machen. Wer das Strafverfahren am Land gericht verfolgt, sieht, wie viel im Zuge der Verhandlungen an Neuigkeiten herauskommt und wer in diesem Dopingfall mit Schuld trägt. Wir müssen daher die Strafbarkeit verän dern.

Einerseits wurde durch Justizminister Stickelberger dankens werterweise eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping ein geführt. Der Großen Anfrage der SPD-Landtagsfraktion ent nehmen wir, dass die Einrichtung dieser Schwerpunktstaats anwaltschaft bereits erste Früchte trägt. Herzlichen Dank für diese Initiative an den Justizminister.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Aber wir müssen auch materiell-rechtlich etwas verändern. Deshalb wollen wir neben dem Inverkehrbringen, Verschrei ben und Anwenden von Dopingmitteln auch das Handeltrei ben mit Dopingmitteln mit Strafen belegen. Das soll über das Arzneimittelgesetz geregelt werden. Wir wollen den Erwerb von Dopingmitteln unter Verbot stellen. Und wir wollen die Höchststrafe für solche Vergehen von bisher drei Jahren auf fünf Jahre erhöhen.

Ein wichtiger Punkt, den die Landesregierung im Zuge dieser Veränderungen im Wege einer Bundesratsinitiative einbrin gen will, ist das Thema Kronzeugenregelung. Das ist ein ent scheidender Punkt, um auch die Hintermänner des Dopings zu belangen.

Ferner wollen wir einen neuen Straftatbestand, den des Sport betrugs, einführen. Es geht uns darum, Doping mit Wirt schaftskriminalität gleichzusetzen. Denn nichts anderes ist es, was vor allem die Hintermänner im Sinn haben. Die Hinter männer, die mit Dopingmitteln handeln und Sportlerinnen und Sportler damit ausstatten, sind nichts anderes als Wirtschafts kriminelle und sind keine Freunde des Sports, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, diese Bundes ratsinitiative heute zu unterstützen und damit deutlich zu ma chen, dass die Strafbarkeit von Doping keine Infragestellung der bisherigen Strafmöglichkeiten der Sportverbände darstellt, sondern wir damit einen Schritt weiter gehen und die Hinter männer belangen wollen.

In diesem Sinn herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Schebesta.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns im Land tag von Baden-Württemberg einig, dass wir Doping im Sport

effektiv bekämpfen müssen. Wir alle wollen sportliche Leis tungen sehen und anerkennen können in der Gewissheit, dass sie auf natürlichem Weg erreicht worden sind. Wir wollen ei nen fairen Wettkampf, bei dem sich niemand einen Vorteil durch Manipulation verschafft. Wir wollen die Sportlerinnen und Sportler auch vor gesundheitlichen Folgen von Doping schützen. Wir wollen auch, dass Spitzenleistungen als Vorbild dienen können.

Gerade die Zahlen von den Verfahren der Schwerpunktstaats anwaltschaft in Freiburg, die zwischen April 2012 und März 2013 zutage getreten sind, zeigen, dass diese Vorbildfunktion nötig ist. Denn 516 dieser Verfahren betreffen nicht den Leis tungssport; die Verfahren spielen sich überwiegend im Brei tensport ab und dort vor allem in der Bodybuilderszene.

Zu einer effektiven Bekämpfung von Doping im Sport gehört auch eine wirksame Antidopinggesetzgebung. Deshalb wur de 2007 die Strafbarkeit des Besitzes nicht geringer Mengen von Dopingmitteln eingeführt. Wir müssen immer weiter da nach schauen, ob Verbesserungen notwendig sind, um auch durch Antidopinggesetzgebung konsequent Doping bekämp fen zu können.

Deshalb wird hier ein weiterer Schritt unternommen. Dieser wurde nicht von der Landesregierung von Baden-Württem berg in Gang gesetzt. Es gibt auch einen entsprechenden Ge setzentwurf der Bundesregierung. Einigkeit besteht darin, dass wir ein Verbot des Erwerbs von Dopingmitteln wollen, weil das zur effektiveren Strafverfolgung beiträgt.

(Beifall bei der CDU)

Aber nüchtern betrachtet gibt es die Frage, ob die Sportorga nisation nicht manches besser kann als der Staat mit dem Strafrecht. Da sind wir bei dem Punkt, den Sie über das Arz neimittelgesetz regeln wollen, nämlich das Verbot der Teil nahme von gedopten Sportlern an berufssportlichen Wett kämpfen. Schon bisher – Sie haben darauf hingewiesen, Herr Binder – hat der Sport durch eigene Maßnahmen, durch die eigene Gerichtsbarkeit Konsequenzen aus einem solchen Auf treten von Doping im Wettkampf ziehen können. Er kann über die Sportgerichtsbarkeit, über die Verbände verdachtsunab hängige Kontrollen durchsetzen. Er kann erreichen, dass eine Beweislastumkehr stattfindet: Derjenige, bei dem Dopingmit tel aufgefunden werden, muss beweisen, dass er keinen Do pingverstoß begangen hat. Zudem kann durch das Sperren ei ne rasche Bestrafung erreicht werden.

Wir brauchen deshalb ein vernünftiges Nebeneinander von Sportgerichtsbarkeit und Strafgerichtsbarkeit. Wenn Sie ein Verbot der Teilnahme gedopter Sportler an berufssportlichen Wettkämpfen – so, wie Sie das in dem von Ihnen im Bundes rat eingebrachten Gesetzentwurf fordern – im Arzneimittel gesetz einführen wollen, zwängt Sie das in die Not, Berufs sport zu definieren.

Jetzt kennen wir alle die Diskussion bei den Olympischen Spielen über Profis und Amateure. Ich glaube, die Welt hat nicht darauf gewartet, dass Justizminister Stickelberger die Szene betritt und Berufssport definiert.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Deshalb haben Sie mit solch einer Definition natürlich genau die Abgrenzungsschwierigkeiten, die schon immer im Sport

bestanden haben, zwischen Profi- und Amateurbereich, Be rufssport- und Breitensportbereich, und das alles in einer ge setzlichen Regelung, die strafrechtliche Konsequenzen hat. Dass es dabei Abgrenzungsschwierigkeiten gibt, dass dabei Eingrenzungen kritisch gesehen werden, hat auch die Podi umsdiskussion von Mitte März in Ihrem Haus, Herr Justizmi nister, eindeutig aufgezeigt. Es kann nicht Ziel einer Gesetz gebung sein, solche Graubereiche und Abgrenzungsschwie rigkeiten hervorzurufen.

Wir wollen Doping effektiv bekämpfen. Es muss Aufklärung betrieben werden. Wir wollen dies an der Seite von Verbän den und Vereinen tun. Genau in diesem Punkt sind Sie über das Ziel hinausgeschossen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kollege Filius.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Doping rückt immer wieder mit Enthüllungen ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Ich hoffe – das habe ich aber jetzt gerade nicht so ganz vernom men –, dass wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg bei dieser Thematik an einem Strang ziehen. Denn Doping verzerrt den sportlichen Wettkampf, ja es bestraft den ehrlichen Sportler. Oder umgekehrt: Die ehrlichen Sportler sind die Dummen, und das darf nicht sein.