Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Doping rückt immer wieder mit Enthüllungen ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Ich hoffe – das habe ich aber jetzt gerade nicht so ganz vernom men –, dass wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg bei dieser Thematik an einem Strang ziehen. Denn Doping verzerrt den sportlichen Wettkampf, ja es bestraft den ehrlichen Sportler. Oder umgekehrt: Die ehrlichen Sportler sind die Dummen, und das darf nicht sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Daher ist es richtig, dass die Landesregierung hier ihre Ver antwortung wahrnimmt und einen Gesetzesvorschlag auf den Weg bringt. Ausdrücklich begrüßen wir die angekündigte Bundesratsinitiative des Landes zur Verbesserung der straf rechtlichen Dopingbekämpfung.

Aber brauchen wir denn überhaupt schon wieder ein neues Gesetz? Reichen die strafrechtlichen Vorschriften zu Körper verletzung und Betrug nicht aus? Diese Frage kann ich nur mit einem entschiedenen Nein beantworten. Zwar kann die Verabreichung von Dopingmitteln eine Körperverletzung sein, aber eine körperliche Eigenschädigung eines Sportlers oder einer Sportlerin ist zumindest bei Beschränkung auf die eige ne Gesundheitsschädigung wie bei Alkohol und Nikotin nicht strafbewehrt. Ein strafbewehrter Sportbetrug liegt nur vor, wenn tatbestandsmäßig aus einer Täuschungshandlung, durch die eine andere Person irrtümlich eine Vermögensverfügung vornimmt, ein Vermögensschaden entsteht. Allein aus der Dar legung der Tatbestandsanforderung ist jedoch ersichtlich, dass der klassische Sportmanipulationsdopingfall somit nicht zwin gend einer Strafverfolgung unterliegt. Deswegen bedarf es dringend einer gesetzlichen Regelung, die Doping im Sport explizit strafrechtlich erfasst. Diese Bundesratsinitiative hat der Justizminister nun angekündigt, und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Günther-Martin Pauli CDU)

Wie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD belegt, bestehen geschlossene Strukturen im Miss brauchsbereich, sodass es zur Durchsetzung einer erfolgrei chen Dopingbekämpfung einer Kronzeugenregelung bedarf.

Die Bundesregierung beschäftigt sich derzeit ebenfalls mit dem Thema Doping; darauf wurde schon hingewiesen. Aller dings wird hier keine Einstufung des Dopings als Betrugstat bestand vorgenommen. Ich habe es vorhin erläutert: Ich hal te es weiterhin für zwingend geboten, dass diese Lücke ge schlossen wird und das Strafrecht hier als Ultima Ratio greift.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Aus den Zahlen in der schriftlichen Antwort der Landesregie rung geht hervor, dass sich die Einrichtung einer Schwer punktstaatsanwaltschaft Doping – nicht ohne Grund in Frei burg – voll bewährt hat. Eine derartige Einrichtung besteht außer bei uns in Baden-Württemberg nur in Bayern. Die Ar beit wird bedauerlicherweise nicht so schnell ausgehen, was auch die Zahlen, die hier in der Antwort vorliegen, belegen.

Profiwettkämpfe versprechen hohe Einnahmen für Sportlerin nen und Sportler, aber auch für Sponsoren. Daher ist der Do pingschaden für die Betroffenen entsprechend hoch. Der wirt schaftliche Wettbewerb im Spitzensport muss geschützt wer den. Deswegen ist es richtig, darauf entsprechend zu reagie ren.

Doping ist mit Mitteln des Strafrechts zu erfassen. Die DDR ist von der Landkarte verschwunden, aber die Opfer gibt es in dieser Konstellation immer noch. So bin ich sehr dankbar, dass vonseiten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag ein entsprechender Antrag eingebracht wurde, der darauf ab zielt, dass den Opfern von Doping – die es noch immer gibt – eine Entschädigung – es geht um den bescheidenen Betrag von 200 € pro Monat – gezahlt wird. Ich hoffe, dass dieser Antrag im Bundestag eine Mehrheit findet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Vorhin wurde gesagt, ein Nebeneinander von Verbandsrecht des Sports und Strafrecht sei nicht wünschenswert, weil ein strafrechtliches Verfahren seiner Natur nach langsamer und beschwerlicher sei als ein sportrechtliches Verfahren.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Es geht um ein ver nünftiges Nebeneinander!)

Ich denke, diese Argumentation greift nicht. Denn das Mono pol für das Strafrecht – das muss man einfach sehen – hat der Staat. Dort ist das Strafrecht richtig aufgehoben; denn es geht um eklatante Verstöße. Zudem wissen wir, dass es den einen oder anderen Sportverband gibt, von dem wir uns mehr En gagement wünschen würden, wenn es darum geht, dass gegen Doping entschieden eingegriffen wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Ich darf mich zum Schluss sowohl bei Ihnen, Herr Minister Stickelberger, als auch beim Justizministerium insgesamt be danken. Bedanken möchte ich mich aber auch bei der SPDFraktion für die Große Anfrage. Sie ist Grundlage dafür, dass dieses Thema, das ich für sehr wichtig halte, auf die Tages ordnung des Hohen Hauses gesetzt wurde.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute auf der Grundla ge der Großen Anfrage der SPD-Fraktion über die Strafbar keit hinsichtlich dopender Sportler. Es ist gut, wenn wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Ich finde auch die Antwort der Landesregierung eindrucksvoll.

Im Mittelpunkt stehen letzten Endes natürlich aber das Straf recht und die Frage, ob innerhalb des Strafrechts ein mögli cher neuer Tatbestand, nämlich der des Sportbetrugs, geschaf fen werden soll. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden: Das Strafrecht ist aus verfassungsrechtlichen Gründen, aber auch aus anderen Gründen, das allerletzte Mittel. Zum Mittel des Strafrechts darf bekanntlich nur dann gegriffen werden, wenn es sonst kein Mittel mehr gibt, das zum gewünschten Ziel führen könnte. Die Latte liegt also sehr hoch.

Wir diskutieren heute darüber, ob diese Grenze heute bereits erreicht ist und ob wir tatsächlich nicht mehr ohne einen neuen Tatbestand Sportbetrug, der sich gegen den dopenden Sportler richtet, auskommen.

Nun spricht sicherlich vieles dafür, dass es ohne einen solchen neuen Tatbestand nicht geht. Auch ich teile diese Einschät zung. Es sieht nämlich schon so aus, als würden manche der Athleten in unserem Land – es sind Gott sei Dank nur weni ge – den Ernst der Lage tatsächlich erst dann begreifen, wenn sie ihrer Familie und ihren Freunden erläutern müssen, war um Polizei und Staatsanwaltschaft hinter ihnen her sind und dass es dabei nicht nur darum geht, dass sie ein paar verbote ne Pillen bei sich hatten, sondern dass es um Betrug geht. Das ist hässlich; die damit verbundene abschreckende Wirkung steht außer Zweifel.

Auch der Vergleich mit der Wirtschaft hat etwas für sich. Na türlich ist Sport kein Wirtschaftszweig im eigentlichen Sinn, aber es geht im Sport mittlerweile ebenfalls um enorme Be träge. In der Wirtschaft ist es völlig selbstverständlich, dass wir den sauberen Wettbewerb auch mit Mitteln des Strafrechts schützen.

Aber, meine Damen und Herren, man muss sehen: Es gibt auch ganz erhebliche Einwände. Diese Einwände sind teilwei se schon angesprochen worden; wir sollten sie aber noch ein mal Revue passieren lassen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen.

Der erste Einwand lautet: Wir haben eine Verbandsgerichts barkeit, deren Funktionsfähigkeit beachtlich ist, die sehr effi zient arbeitet und die als härtestes Mittel das Wettbewerbsver bot kennt. Man sollte eigentlich meinen, dass es für einen Sportler die härteste Strafe ist, dass er nicht mehr an Wett kämpfen teilnehmen und somit kein Geld mehr verdienen kann.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Es gibt aber weitere Einwände, wenn man über einen solchen Tatbestand nachdenkt. Wo fangen wir an, und wo hören wir auf? Diese Frage ist für mich tatsächlich noch offen. Einer seits gibt es die verbotene Einnahme leistungssteigernder Mit

tel. Wenn man aber über Sportbetrug redet, muss man auch fragen: Wie steht es dann beim Fußball mit der „Schwalbe“ im Strafraum? Was ist mit der „unsichtbaren Hand“, wenn sich herausstellt, dass Maradona hinter dem Rücken des Schieds richters den Ball mit der Hand spielt?

(Zurufe – Vereinzelt Heiterkeit)

Wo hört man auf? In der Formel 1 geht es um Millionen. Wenn da ein Fahrer einen falschen Spoiler anbringen lässt, um sich einen Vorteil zu verschaffen, ist das dann Sportbetrug, oder ist es das nicht?

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass wir da in eine De batte kommen, bei der wir tatsächlich zunächst einmal fragen müssen: Wo fängt es an, und wo hört es auf?

Dann muss man natürlich auch sehen: Es gibt beachtliche Stei gerungen der Zahlen der Ermittlungsverfahren bei bereits be stehenden Tatbeständen; das kommt gerade durch die Antwort auf die Große Anfrage zum Ausdruck. Es gibt einen erhebli chen Anstieg der Zahl der Ermittlungsverfahren und der Ur teile – was sich, wie gesagt, in der Antwort wiederfindet – bei der Besitzstrafbarkeit und bei der banden- und gewerbsmäßi gen Tatbegehung. Es geht, so möchte man meinen, mit der strafrechtlichen Ahndung aufgrund gegebener Tatbestände jetzt erst richtig los.

Zudem wird im Bundestag ein Gesetzentwurf, der die Besitz strafbarkeit erweitern soll, behandelt. Es kommen also noch Straftatbestände hinzu. Es ist also nicht so, dass da nichts pas sieren würde.

Vielleicht noch ein letzter Punkt. Man muss sich auch klar machen: Ein Tatbestand Sportbetrug wäre – das weiß jeder Strafjurist – ein anspruchsvoller Tatbestand, wie der Betrug überhaupt ein sehr anspruchsvoller Tatbestand ist. Es ist oft sehr schwer, einen Betrug nachzuweisen. Da kommt dieses problematische Nebeneinander zur Verbandsgerichtsbarkeit auf. Wenn wir ins Strafrecht hineingehen, liegt die Latte ver fahrensmäßig sehr hoch, um zu einer Verurteilung zu kom men.

Stellen wir uns einmal vor, der strafrechtliche Nachweis ge länge nicht: Kann man dann gleichzeitig von der Verbandsge richtsbarkeit aus ein Wettbewerbsverbot verhängen? Da wüss te ich schon, wie man als Anwalt zu argumentieren hätte. Es kann also schon sein, dass die Verbandsgerichtsbarkeit beein trächtigt wird, über die es eigentlich einfacher als über das Strafrecht ist, zu einem sehr einschneidenden Ergebnis, näm lich der Sperre, zu kommen.

Wenn ich das alles zusammenfasse, möchte ich für meine Fraktion sagen: Wir sollten einen Tatbestand Sportbetrug nicht für alle Zeiten und für alle Fälle ausschließen; das steht als letztes mögliches Mittel im Raum. Wir würden aber gern der intensivierten Strafverfolgung, die stattfindet, der erweiterten Strafverfolgung, die aufgrund neuer Tatbestände im Arznei- und Betäubungsmittelrecht stattfindet, noch eine letzte Chan ce geben, bevor wir über einen Tatbestand Sportbetrug reden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Justizminister Stickelberger.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank an alle Sprecher der Frak tionen für die sehr sachliche Diskussion, die sich bei diesem Thema wirklich lohnt.

Ich bin der SPD-Fraktion für die Große Anfrage dankbar, weil sie uns Gelegenheit gibt, ein Thema in den Blickpunkt zu rü cken, das auch in der Öffentlichkeit immer mehr Beachtung findet. Kein Tag vergeht, an dem Sie nicht – gerade auch hier in Stuttgart aus aktuellem Anlass – in der Zeitung etwas über Doping lesen. Es ist gut, dass sich das Parlament mit diesen Fragen beschäftigt, wobei ich auch in der Zielsetzung große Einigkeit gespürt habe, was die Bekämpfung des Dopings an sich angeht.

Meine Damen und Herren, das spanische Parlament verab schiedet ein verschärftes Antidopinggesetz, um die Bewer bungschancen der Hauptstadt Madrid für die Olympischen Spiele 2020 zu verbessern.

Junge deutsche Radprofis – drei an der Zahl – haben sich in einem Appell an die Öffentlichkeit gewandt und bekannt, sie wollten sauber bleiben. Sie bitten den Staat um Hilfe und um Unterstützung. Sie fordern öffentlich ein Antidopinggesetz.

Zu Recht ist vorhin der Prozess erwähnt worden, der zurzeit vor dem Landgericht Stuttgart läuft, in dem es auch um Be trug im Zusammenhang mit Doping geht. Aber wenn Sie sich die Frage stellen, wie viele Prozesse Sie kennen, wie viele Prozesse Sie in der letzten Zeit erlebt haben, in denen straf rechtlich gegen Doping vorgegangen wurde, dann werden Sie sagen müssen: Fehlanzeige in diesem Land, in Deutschland insgesamt.

Lance Armstrong, der sich mit unlauteren Mitteln siebenmal den Tour-de-France-Sieg erschlichen hat, würde nach derzei tiger Rechtslage in Deutschland straffrei davonkommen. Das darf so nicht sein.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Deswegen meine ich, dass die Dringlichkeit des Problems auf der Hand liegt. In Baden-Württemberg ist die Zeit reif, ein Dopingverbot im Strafrecht einzuführen.

In diese Richtung hat die Landesregierung schon bisher gear beitet. Ich freue mich auch über das Lob an unsere Schwer punktstaatsanwaltschaft in Freiburg, die wir vor einem Jahr eingerichtet haben und die beachtliche Ermittlungszahlen vor weisen kann. Wir haben dort nicht nur eine Konzentration der strafrechtlichen Ermittlungen für das ganze Land, sondern auch ein Kompetenzzentrum in Zusammenarbeit etwa mit der NADA, der Nationalen Anti Doping Agentur, aber insbeson dere auch in Zusammenarbeit mit den Sportverbänden. Denn in weiten Bereichen kämpfen wir Seite an Seite mit den Ver bänden gegen Doping. Darüber bin ich auch froh, dafür bin ich dankbar. Ich weiß auch um das Engagement der Verbän de in diesem Bereich. Ich will das nicht geringschätzen.

Eines hat sich bei unseren bisherigen Aktivitäten allerdings auch bestätigt: An den Spitzensport kommen wir nicht heran.