Meine Damen und Herren! Es ist 10:00 Uhr. Ich eröffne die 122. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung der Landes regierung vom 27. Februar 2015, Az.: III/8501.32: Gemein schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs tenschutzes“ (GAK); hier: Anmeldung des Landes zum Rah menplan 2015 (mit Fortschreibung bis 2018), Drucksache 15/6575.
Ich schlage vor, diese Mitteilung an den Ausschuss für Länd lichen Raum und Verbraucherschutz und federführend an den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der SPD für eine Nachbesetzung bei den stellvertretenden Mit gliedern im Ausschuss für Europa und Internationales. – Ich stelle fest, dass Sie der vorgeschlagenen Nachbesetzung zu stimmen.
Aktuelle Debatte – Exportland erfordert Eindeutigkeit – wie steht der selbst ernannte Wirtschaftsversteher Win fried Kretschmann zu TTIP? – beantragt von der Frakti on der FDP/DVP
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten.
Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich eben falls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Das Thema TTIP bewegt die Wirtschaft in Deutschland. Es bewegt die Gesellschaft. Es ist
mit Sicherheit ein in der Bevölkerung umstrittenes Thema. Es ist aber ohne Zweifel ein wichtiges Thema, zu dem sich die Bundesregierung eindeutig positioniert hat. Die Bundeskanz lerin hat erklärt, sie möchte dieses Abkommen, und von Sig mar Gabriel stammt der Satz: „Ohne TTIP droht der wirt schaftliche Abstieg.“
Vor diesem Hintergrund interessiert es nicht nur uns, sondern auch die Bevölkerung und die Wirtschaft im wirtschaftsstar ken Bundesland Baden-Württemberg, wie die Landesregie rung zu diesem Thema steht.
Das Volumen der Direktinvestitionen von europäischen Un ternehmen in den USA ist von 2004 bis 2011 um 95 % auf 1,4 Billionen € gestiegen. Umgekehrt sind die Investitionen der amerikanischen Wirtschaft auf dem europäischen Markt im selben Zeitraum um 75 % auf 1,3 Billionen € gestiegen. Schon allein diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig die ökono mischen Verflechtungen zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen Markt sind.
Das ifo-Institut geht davon aus, dass TTIP bis zu 110 000 neue Arbeitsplätze in Deutschland und bis zu 400 000 neue Arbeits plätze in der EU schaffen kann. Die gerade auch für BadenWürttemberg so wichtige Automobilindustrie wendet bis zu einem Viertel ihrer Gesamtkosten für die Erfüllung nicht ta rifärer Standards auf.
Es gibt die sogenannte „Buy American“-Klausel auf dem ame rikanischen Markt, die zu erheblichen Zugangserschwernis sen für die deutsche, auch für die baden-württembergische Wirtschaft führt. Es ist für die europäischen Unternehmen un abdingbar notwendig, diese Klausel zu beseitigen. Allerdings muss man darauf achten, dass diese Klausel auch auf der ame rikanischen bundesstaatlichen Ebene beseitigt wird. Denn in der Regel sind es die Bundesstaaten, die diese Klausel anwen den.
Der Mittelstand hat an diesem Abkommen ein erhebliches In teresse. Denn mittelständische Unternehmen mit einem Jah resumsatz von mehr als 2 Millionen € sind zu mehr als 50 % im Exportgeschäft tätig. Der Mittelstand hat auch Schwierig keiten damit, mit diesen nicht tarifären Handelshemmnissen umzugehen. Die Großindustrie tut sich mit Stabsabteilungen bzw. eigenen Experten, die ein solches Thema bearbeiten kön nen, leichter.
Kosten durch nicht tarifäre Handelshemmnisse wie beispiels weise Zölle oder Bürokratie machen bis zu 26 % Aufschlag auf die Preise der Unternehmen aus. Für Baden-Württemberg ist dieses Thema von besonderer Bedeutung. Der Export macht in Deutschland 47 % des Bruttoinlandsprodukts, in Ba
Natürlich gibt es Kritik an den Verhandlungen, so beispiels weise im Zusammenhang mit dem Thema Verbraucherschutz. Das „Chlorhühnchen“ ist mittlerweile legendär geworden, ob wohl man wahrscheinlich beim Betreten eines Schwimmbads bereits mehr Chlor aufnimmt als beim Verzehr eines solchen Hühnchens.
Es ist mit Sicherheit auch nicht so, dass diese EU-Qualitäts standards, die drei EU-Gütezeichen – es gibt 79 EU-geschütz te Lebensmittel in Deutschland –, nun gefährdet wären. Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass entgegen man chen Parolen, beispielsweise des baden-württembergischen Landwirtschaftsministers, der Schwarzwälder Schinken durch TTIP nicht gefährdet wird. Im Gegenteil, in den USA gibt es eine Reihe von Normen, die höher sind als das, was wir auf dem europäischen Markt kennen. So bestehen beispielsweise für europäischen Rohmilchkäse Zugangsschwierigkeiten. Bei Spielzeug akzeptieren die Amerikaner 90 mg Blei pro Kilo gramm, in der EU sind 160 mg erlaubt. Beim Benzolgehalt des Benzins liegt der Grenzwert auf dem amerikanischen Markt bei 0,62 %, in der EU bei 1 %. Bei Fruchtsäften ver hält es sich ähnlich.
Deshalb kommt Herr Rukwied vom Bauernverband zu dem Ergebnis, dass TTIP gewünscht sei. Ich darf Herrn Rukwied mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren:
„Wir setzen auf den Markt, wir müssen schauen, dass wir Exportchancen suchen.“ Nicht nur bei der Milch. Des halb sagt er eindeutig „Ja“ zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und Europa.
Natürlich muss auch darauf geachtet werden, wie es sich mit den Schiedsgerichtsverfahren verhält. Dies ist in der Bevöl kerung am umstrittensten, obwohl gerade auch die badenwürttembergische Landesregierung solche Schiedsgerichts verfahren liebt, wie wir inzwischen im Zusammenhang mit der EnBW erfahren haben.
Am Ende ist es wahrscheinlich auch besser, wenn man im Streitfall vor ein international besetztes Schiedsgericht ziehen kann, als wenn der baden-württembergische Mittelständler dem Friedensrichter von Dodge City ausgeliefert wird.
Transparenz ist natürlich notwendig. Diese Transparenz ist aber gegeben. Die Zwischenergebnisse kann man im Internet nachlesen. Am Ende muss nicht nur das Europäische Parla ment zustimmen, sondern auch die nationalstaatlichen Parla mente sowie auch der Bundesrat.
Vor diesem Hintergrund hätten wir gern eine Positionierung der baden-württembergischen Landesregierung. Herr Minis terpräsident, ich habe mir sagen lassen, Sie seien gestern bei der Landespressekonferenz zu TTIP gefragt worden und hät ten gesagt, Sie hätten noch keine Meinung, Sie würden aber nächste Woche darüber im Kabinett beraten.
Dann gehen wir also davon aus, dass wir heute von Ihnen kei ne Antwort erhalten. Wir warten aber hoffnungsfroh auf nächste Woche und hoffen, dass Sie nächste Woche dann zu Potte kommen.
Ich hoffe, dass die Ergebnisse dann nicht so ausfallen wie bei Ihren Freunden auf der Bundesebene. Mit Erlaubnis des Prä sidenten zitiere ich Herrn Hofreiter sinngemäß: „Nein zu TTIP und CETA! Nein zu einem Abkommen voller Privilegien für Konzerne, voller Nachteile für die mittelständische Wirtschaft, voller Risiken für die Bürgerinnen und Bürger.“
Ich hoffe, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich das so wenig zu eigen machen wie die Aussagen von Herrn Giegold auf der europäischen Ebene. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsiden ten:
Das Freihandelsabkommen würde die Demokratie in Fesseln legen. – Das sind die Aussagen der Grünen auf Bundesebene.
Die baden-württembergische Wirtschaft, die Bevölkerung in Baden-Württemberg hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie der Ministerpräsident dieses Landes zu diesem Thema steht.
Wenn Sie es diese Woche nicht zustande bekommen, dann meinetwegen nächste Woche. Aber dann wollen wir nächste Woche auch erfahren, welche Haltung Sie entwickelt haben.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Kollege Rülke hat wesentliche Punkte angesprochen, insbesondere die Tatsache, dass das Thema Freihandelsabkommen im Moment nicht nur die Wirt schaft, sondern auch die Gesellschaft und die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bewegt. Ich will für die Union vor ausschicken: Ja, sowohl die Kanzlerin als auch wir stehen zum Freihandelsabkommen, aber wir nehmen auch die Sorgen ernst, die im Zusammenhang damit artikuliert werden.
Deshalb ist es, glaube ich, ganz entscheidend und wichtig, dass wir hier das Thema mehr mit Information und weniger mit Emotion angehen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Thomas Funk SPD – Abg. Willi Stä chele CDU: Sehr gut!)
Ich habe vor zwei Jahren einen Antrag gestellt. In ihrer Stel lungnahme dazu hat sich die Landesregierung klar positio niert. Ich zitiere: