Wolfgang Reinhart

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Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist der letzte Tagesord nungspunkt. Die folgende Stunde wird nachher dem Empfang der Kollegen gelten, die aus dem Parlament ausscheiden. Wir werden sicherlich im neuen Landtag auch aufgrund aktueller Themen Eruptionen erleben, die wir so nicht erwartet haben. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle dem Dank all derer anschließen, die heute hier schon gesprochen haben.
Das Wichtigste, was bleibt, sind die menschlichen Begegnun gen. Ich glaube, das können wir alle sagen: Wir hatten hier in tensive, konstruktive, enge menschliche Begegnungen. Des halb an dieser Stelle vorab von meiner Seite einfach ein Dank an all die, die dem neuen Landtag nicht mehr angehören wer den.
Walter Heiler, das gilt auch dir.
Das Zweite: Wir sprechen heute über den Europabericht. Wir könnten jetzt große Reden halten, aber ich glaube – das wur de mir signalisiert –, dass man heute keine lange Europarede hören möchte,
zumal wir uns heute Morgen, denke ich, intensiv damit be fasst haben.
Ich möchte deshalb zusammenfassen: In Brüssel tagt der Eu ropäische Rat. Wir können für diese beiden Tage nur viel Er folg wünschen.
Das zweite, das auch in diesem Europabericht dominierende Thema neben der Frage eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU – nach den derzeitigen Umfragen ist eine knappe Mehrheit von 42 % für einen Austritt, 41 % sind für einen Ver bleib – ist die Flüchtlingsthematik. Ich möchte aber vorab sa gen: Auch wir, die CDU-Fraktion, haben in diesen fünf Jah ren die Außenpolitik und die Europapolitik – das ist die klei ne Außenpolitik – der Landesregierung stets unterstützt, weil es in unserem Interesse ist. Baden-Württemberg ist ein Land mitten im Herzen Europas.
Beim Thema Flüchtlinge möchte ich Bundespräsident Gauck zitieren, der zu Recht gesagt hat:
Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind end lich.
Ich denke, unter dieser Prämisse werden wir auch in den kom menden Wochen und Monaten nicht nur denen, die zu uns kommen, Obdach gewähren, sondern zunächst noch eine gro ße Integrationsaufgabe vor uns haben, die auch unsere Gesell schaft aktuell teilweise überfordert.
Meine Damen und Herren, in Bezug auf die Briten möchte ich abschließend nur sagen: Es liegt im deutschen Interesse, dass Großbritannien in der EU bleibt. Denn es ist ein vitales Inte resse für die Briten, aber noch mehr auch für uns in Deutsch land, dass Großbritannien in der EU bleibt. Ich denke, die Re formwünsche, die Cameron geäußert hat, sollte man unter stützen und kann man in großen Teilen auch mittragen.
Ansonsten wünsche ich nachher gute Begegnungen und möch te Ihnen an dieser Stelle vor Ablauf meiner Redezeit alles Gu te wünschen.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir haben zum Abschluss dieses Plenartags ein Thema, das aktueller nicht sein könnte, nämlich europäische Entwicklungen und europä ische Fragen. Sicherlich steht Europa derzeit im Fokus und an einem Scheideweg, weil mehrere Themen der europäischen
Krise im Mittelpunkt stehen. Dem widmet sich auch der Eu ropabericht, wenngleich er eher die Zeit bis zum 30. Septem ber betrifft. Es ist festzustellen, dass bei diesen Themen seit dem eigentlich eher eine Verschärfung als eine Erleichterung eingetreten ist.
Vor diesem Hintergrund haben wir auch heute ein Thema, das genau dies betrifft:
„Eingreiftruppe an EU-Grenze“. Das ist sicherlich das erste Mal, dass wir ein solches Thema haben. Aber es ist ein The ma, das in unsere Vorstellungen passt. Denn wir glauben: Die großen Themen wie aktuell der Terrorismus – denken wir an die Anschläge in Paris –, die große Thematik der Flüchtlings bewegung und der Migration, aber auch die großen Themen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die den Bericht noch betroffen haben, müssen eine Gemeinsamkeit in Europa hervorbringen. Ansonsten wird, wenn wir dort nicht Solidarität schaffen, die Skepsis sicherlich eher noch größer und die Akzeptanz eher noch schwieriger.
Die Terroranschläge von Paris waren im Grunde ein Angriff auf unsere europäische Gesellschafts- und Werteordnung. Deshalb gilt es, alles zu tun, um diese Werte und die Freiheit zu verteidigen. Das zeigt sich gerade in der Außenpolitik. Des halb brauchen wir hier ein gemeinsames Vorgehen.
Meine Damen und Herren, nach Jahrzehnten der Erweiterung und Vertiefung der europäischen Integration, die vielleicht in einem ernsthaften Anlauf ihren Höhepunkt erreichten, näm lich in dem Bestreben, damals einen europäischen Verfas sungsvertrag zu schließen, haben wir jetzt eben mehrere Kri sen mit existenziellen Eigenschaften: neben der islamistischen Terrorismusbedrohung die erwähnte Migrationsherausforde rung und die schwelende Krise der Wirtschafts- und Wäh rungsunion, und dies alles in unterschiedlicher Intensität.
Das sind Herausforderungen, die allesamt über die Kraft ei nes einzelnen Staates hinausgehen. Deshalb helfen hier auch nicht nationale Alleingänge, sondern wir brauchen im Grun de für eine gute Zukunft das gemeinsame Europa auch als wichtige Antwort auf die Globalisierung.
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund hat auch die Kanzlerin in den letzten zwei, drei Tagen – das war weg weisend – eine Richtung gewiesen, wie wir vorangehen müs sen. Zum einen ist dies, die Außengrenzen schützen. Das ist auch unsere Auffassung. Deshalb begrüßen wir den aktuellen Vorschlag der Kommission, der heute auf dem Tisch liegt.
Auch unsere Fraktion hat sich mit den Themen befasst. Wir wollen europaweit feste Kontingente. Wir wollen ein gemein sames europäisches Asylsystem, auch mit gemeinsamen Stan dards. Wir wollen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten, das ja von der Bundesregierung ausgeweitet wurde, bejahen und ergänzen.
Wir wollen vor allem auch eine sichere Registrierung und Un terbringung von Asylbewerbern. Dazu gehört, dass wir Hot spots einrichten, dass Rücknahmeübereinkommen mit zahl reichen Herkunftsländern geschlossen und vor allem einge halten werden.
Es hat sich gezeigt, dass sich die Verhältnisse auf dem West balkan stabilisiert haben. Es gibt einen Aktionsplan mit der Türkei. Diesen begrüßen wir. Denn gerade davon erhofft man sich – – Deshalb halten wir auch die Vereinbarung mit der 3-Milliarden-€-Hilfe für richtig.
Auch mit den Nachbarstaaten der Bürgerkriegsländer – Syri en, Irak, Jordanien – muss natürlich kooperiert werden.
Wir begrüßen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli tik sowie eine Intensivierung der Entwicklungszusammenar beit – um nur einige Themen hier anzusprechen.
Das heißt, Europa wird weiterhin vor großen und spannenden Herausforderungen stehen. Es wird nur gemeinsam möglich sein, diese großen Themen, die historisch sind, in Europa zu lösen. Ansonsten würde Europa aus meiner Sicht scheitern. Deshalb gilt es hier, die Daumen zu drücken, dass wir auf der europäischen Ebene genau mit diesen Vorschlägen weiterkom men, um diese großen Herausforderungen zu schultern.
Ich darf mich den guten Weihnachtswünschen an dieser Stel le anschließen.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen waren wieder entsprechende Bilder zu sehen. Allein an der bayerischen Grenze sind in den vergangenen drei Tagen 30 000 Flüchtlin ge angekommen. Ehrenamtlich und hauptamtlich Tätige sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt.
Europa am Scheideweg. Sicher steht Europa vor einer Zer reißprobe. Deshalb geht es in diesen Tagen um den Zusam menhalt Europas. Europa steht vor der härtesten Bewährungs probe überhaupt.
Die Forderung, die in diesen Tagen zu Recht gestellt wird, lau tet: Wir brauchen eine Begrenzung in Deutschland und eine viel größere Solidarität aller 28 EU-Staaten, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen.
Denn wir haben im Moment einen Kontrollverlust auf euro päischer Ebene und auf der Ebene unseres Staates. Der große Zustrom von Flüchtlingen verlangt nach europäischen Ant worten und vor allem nach gemeinschaftlicher Übernahme von Verantwortung.
Bayern hat allein in den letzten sieben Wochen – so sagt der dortige Kollege Meyer, der dort früher Finanzstaatssekretär war und jetzt Landrat ist – 316 000 Flüchtlinge an der baye rischen Grenze in Passau aufgenommen. Die täglichen Bilder zeigen uns auch, dass hier die gesamte Verantwortungsge meinschaft gefragt ist. Denn die Grenzen der Hilfsbereitschaft und der Hilfsmöglichkeiten – so sagt man dort – sind wirk lich erreicht. Auch deshalb ist europäisches Handeln gefragt.
Die EU-Kommission – deshalb behandeln wir heute diesen Tagesordnungspunkt – hat bereits im Mai eine Europäische Migrationsagenda vorgelegt. Auch da muss man sagen: Euro
päische Programme allein helfen nichts, wenn nicht auch kon kretes Handeln damit verbunden ist.
Hierzu gehört vor allem die Schaffung eines verbindlichen Verteilmechanismus über eine Quote in Europa. Wir brauchen auch – davon bin ich überzeugt – ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit gemeinsamen Standards, auch bei den Leistungen, um Fehlanreize zu vermeiden. Wir brauchen aber vor allem die Sicherung der EU-Außengrenzen als Kernbe standteil des Schengen-Systems.
Derzeit versagen eine Reihe von Mitgliedsstaaten wie noch nie. Selbst die schon beschlossene Verteilung von gerade ein mal 160 000 Migranten in der EU kommt nicht voran. Bis lang ist nicht einmal bei 1 000 Vollzug gemeldet worden. Ich halte das für einen echten europäischen Skandal.
Wir brauchen effektive Kontrollen an den EU-Grenzen. Wer in den Schengen-Raum einreist, der muss im Grunde genom men auch dort registriert werden.
Wir müssen deshalb Frontex stärken, um die Außengrenzen zu kontrollieren. Die Einrichtung von sicheren Hotspots ist ein wichtiger Schritt. Vor allem auch Menschen ohne Bleibe perspektive müssen direkt zurückgeführt werden können. Auch die Einrichtung von Asylzentren z. B. in Nordafrika und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität gehören dazu. Ich habe in meiner letzten Rede zu diesem Thema gesagt: Wir können nicht nur den Fisch in Deutschland geben, wir müs sen vielmehr – wenn schon – vor Ort lehren, zu fischen. Das heißt, Hilfe zur Selbsthilfe muss einer der Lösungsansätze bei der Entwicklungszusammenarbeit sein. Ein weiterer Lösungs ansatz ist eine bessere Zusammenarbeit mit den Transit- und Herkunftsländern.
Das unübersichtliche Nebeneinander bedarf einer Verbesse rung. Man sollte vor allem einmal die Frage stellen, ob bei diesen Flüchtlingsströmen die Prioritäten im aktuellen EUHaushalt noch richtig gesetzt sind. Auch das muss ein Thema sein, das wir hier diskutieren.
Am Sonntag fand ein Sondergipfel statt. Es gab Absprachen. Natürlich brauchen wir mehr Ordnung. Aber an den Taten fehlt es bisher. Fehlanzeige! Wichtig ist, dass am Beginn der Balkanroute deutlich mehr Aufnahmeplätze geschaffen wer den.
Es gibt viele abseits stehende Mitgliedsstaaten. Dort muss man deutlich machen – das gilt für alle 28 EU-Staaten –: So lidarität ist keine Einbahnstraße.
Meine Damen und Herren, wir hatten bisher immer Einigkeit, wenn Wohltaten verteilt wurden.
Aber jetzt, wenn Lasten verteilt werden müssen, fehlt es an der geforderten Solidarität. Das darf nicht sein.
In der Kommission ist angemahnt, dass auch die zuständigen Länder und Regionen alles tun müssen, um ausreisepflichti ge Personen tatsächlich zurückzuführen. Hier befindet sich auch die Landesregierung in der Pflicht.
Ein Problem ist auch, dass Reisedokumente weggeworfen werden. Wir müssen ein Verfahren haben, bei dem schneller Ersatzdokumente ausgestellt werden.
Hier braucht man ein geeignetes Laissez-passer-Verfahren, damit man solche Probleme löst.
Nur gemeinsam können wir die Flüchtlingsfrage lösen. Des halb ist unser Vorschlag, dass Transitzonen eingerichtet wer den, wie es der Bundesinnenminister vorgeschlagen hat.
Wir müssen aber auch viel stärker bei der Bekämpfung der Fluchtursachen ansetzen. Wir brauchen eine einheitliche au ßen- und sicherheitspolitische Strategie in dieser Frage. Da zu gehören...
... – ja, vielen Dank – Russland, die Türkei, der Iran genauso wie die arabischen Staaten.
Es zeigt sich – damit will ich zum Schluss kommen –, dass wir nach der Eurokrise, die Europa bereits gelähmt hat, ekla tante Schwachstellen feststellen; denn es fehlt an der Solida rität, die gerade hier nötig ist. Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen. Nur mit einer gesamteuropäischen Lösung, mit einem funktionierenden Schutz der Außengrenzen, mit einer solidarischen Verteilung werden wir wirklich verhindern kön nen, dass Europa scheitert.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Bei den Ausführungen der Kol legin war ich eben erinnert an das Lied von Pippi Lang strumpf: Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir führen heute wirk lich eine Debatte, die zu Recht aktuell ist. Denn morgen ent scheidet der Deutsche Bundestag in einer Sondersitzung zu diesem Thema.
Ich denke, wir müssen das Thema „Unsere Zukunft liegt in einem gestärkten Europa“ um die Fragestellung ergänzen: Wie stärken wir in Zukunft Europa, und zwar so, dass wieder Ver trauen, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz entstehen? Darüber muss man sicherlich diskutieren.
Es wird nicht auf dem Weg gehen, den Sie, Frau Kollegin, ge rade geschildert haben. Ich glaube, das Leben beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Darum geht es im Moment.
In diesen Tagen lesen wir Überschriften wie: „Die Zukunft der Eurozone ist gefährdet“, „Merkels schwerste Nacht“, „Griechenland zwangsgerettet“, „Die Griechen erhalten Hil fe, die sie nicht wollen, die Deutschen zahlen Milliarden, die sie nicht haben“ – so die „Berliner Zeitung“ – oder: „Grie chendrama noch lange nicht zu Ende“.
In aktuellen ARD-Umfragen und auch in Umfragen von for sa sehen wir heute, dass sogar 75 % der Anhänger der Grünen Frau Merkel bescheinigen, richtig verhandelt zu haben. 70 % der Deutschen halten das harte Verhandeln der Bundesregie rung – wozu übrigens Herr Gabriel und die SPD auch gehö ren – mit klaren Bedingungen für richtig.
Meine Damen und Herren, wenn wir Europa stärken wollen, müssen wir auch die Bürger hier im Land mitnehmen. Des halb sind in diesen Tagen Äußerungen von Vertretern der Grü nen wie „Der herzlose, herrische und hässliche Deutsche hat wieder ein Gesicht, und das ist das von Schäuble“ untragbar und inakzeptabel. Das ist unsäglich.
Ich gehe fest davon aus, dass sich die Regierung – auch der Ministerpräsident – hiervon distanziert und hierfür entschul digt. Ich finde, das gehört sich. Denn der deutsche Finanzmi nister hat in Übereinstimmung mit der Kanzlerin, mit dem Bundeswirtschaftsminister für die deutsche Bundesregierung gehandelt, und er hat richtig verhandelt.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass wir die Sache realistisch sehen müssen. Denn mit solcher Kraft meierei wird Europa nicht gestärkt, sondern eher gespalten.
Herr Tsipras und seine Koalition aus Links- und Rechtspopu listen haben mit ihrem Kurs im letzten halben Jahr eine zu tiefst nationalistische Politik betrieben.
Meine Damen und Herren, damit sind die Probleme gerade im letzten halben Jahr vertieft und nicht gelöst worden. Das ist doch das Problem, über das wir heute reden.
Das Problem von Griechenland in der Eurozone liegt in der mangelnden Konvergenz der Volkswirtschaften.
Meine Damen und Herren, uns allen ist Europa ein Herzens anliegen. Der Kompromiss vom Sonntag – sollte er wirksam werden – ist aber ohnehin nicht ökonomisch zu rechtfertigen – dies ist in den heutigen Veröffentlichungen von Clemens Fuest und anderen zu lesen –, er wäre – wenn überhaupt – nur noch politisch zu rechtfertigen unter dem Aspekt, dass es um geostrategischen Zusammenhalt, deutsch-französische Freund schaft und vieles mehr, was einen hohen Wert darstellt, geht.
Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Haller-Haid, Sie können doch nicht sagen, dass gar der jetzige Kompromiss vorschlag bezüglich der Rentenreform, Mehrwertsteuererhö hung, des Privatisierungsfonds etc. alles nichts bringt. Schuld sind aus deren Sicht nur die anderen. Schuld sind sozusagen alle Kompromisse, alle Beschlüsse, aber es gibt keine Lö sungswege in der eigenen Volkswirtschaft.
Es gibt doch genügend, die es erfolgreich vorgemacht haben. Deshalb ist nur der Weg richtig, dass man sagt: Hilfe nur ge gen Reformen.
Wissenschaftler haben gestern zu Recht betont: „Wenn Grie chenland Nein sagt, dann ist das Demokratie.“ Sie haben es eben auch gesagt. „Wenn aber Nordeuropa darauf besteht, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist, sondern an Reform auflagen gebunden werden muss, dann handelt es sich um ei nen Staatsstreich oder Terrorismus.“ Diese Logik ist nicht nachvollziehbar, meine Kolleginnen und Kollegen.
Wie wir wissen, sind mittlerweile zwei Hilfspakete verpufft. Natürlich gibt es nur Hilfe gegen Auflagen. In Griechenland hat eine Volksabstimmung stattgefunden. Natürlich muss man beim dritten Paket einmal fragen: Ist dies der richtige Weg, der wirklich hilft? Oder brauchen wir dann nicht irgendwann ein viertes, fünftes oder sechstes Paket? Zu Recht wird betont – auch heute –, dass der Tourismus der größte Umsatzträger ist. Deshalb war auch der Vorschlag des Bundesfinanzminis ters, Griechenland vorüberübergehend ohne Euro eine neue Chance zu geben, nicht von der Hand zu weisen. Vielmehr müssen wir doch darüber diskutieren, wie die griechische Volkswirtwirtschaft wieder wettbewerbsfähig werden, wieder vorankommen, wieder Einnahmen generieren kann, dass dort neue Wettbewerbsvorteile entstehen können.
Das größte Problem liegt aber darin, dass wieder Vertrauen aufgebaut werden muss. Robert Bosch hat gesagt: „Vertrau en verloren, alles verloren.“ Im Moment ist Vertrauen verlo ren gegangen. Das muss wiederhergestellt werden. 81 % der Menschen bezweifeln heute – lesen Sie die Umfrage in den „Stuttgarter Nachrichten“ –, dass Athen die Reformen um setzt.
Die Herausforderung ist doch: Wird das, was jetzt vorgeschla gen wurde, überhaupt machbar sein? Wir wollen keine Trans ferunion. Im Moment sind wir aber auf dem Weg zu einer Transferunion.
Wir lehnen eine Transferunion ab, genauso wie wir Eurobonds ablehnen. Das ist nicht in Maastricht vereinbart worden.
Deshalb will ich hier heute glasklar sagen: Wir wollen kein Fass ohne Boden haben.
Dazu gehört, dass man sich an Spielregeln hält. Europa, sein großer Ruf, die große Geschichte Europas ist die der Rechts gemeinschaft – die Herrschaft des Rechts. Das ist das große Vertrauen, das Europa immer hatte und hat. Das heißt, man muss sich an Regeln halten.
Meine Damen und Herren, was sollen eigentlich Länder sa gen wie Finnland, die Niederlande, Österreich, Lettland, Est land, die Slowakei, Slowenien? Frau Kollegin, diese haben die gleiche Meinung vertreten wie die Bundesrepublik Deutsch land. Die Vertreterin der finnischen Regierung hat gesagt – Zi tat –:
Die ganze Diskussion um die Hilfe kommt mir derzeit so vor, dass jemand eine große Party ausrichtet, Champag ner und Austern bestellt, aber andere sollen die Feier be zahlen.
Das kommt von der Regierungsvertreterin aus Finnland. Das kommt nicht von uns. Auch diese Stimmen müssen wir doch in der jetzigen Diskussion ernst nehmen.
Meine Damen und Herren, dass Bedingungen für Hilfe gegen Reformen gestellt werden, gehört dazu. 81 % der Deutschen sagen: „Die Haltung der Bundesregierung und der Kanzlerin ist richtig.“ Das können wir doch nicht ignorieren und sagen: Wir malen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Wir müssen viel mehr von der Realität ausgehen.
Wir haben doch erlebt, dass es Irland, Portugal und Spanien mittlerweile alle geschafft haben, den Rettungsschirm wieder zu verlassen. Das heißt, die Kritiker der Austeritätspolitik wol len in Wahrheit eine weitere Ausgabenpolitik, und zwar auf Pump, nach dem Motto: Man verspricht eine Diät, bei der man abnimmt, wenn man mehr isst. So wurde das von Ökonomen zitiert. Das geht eben nicht. Die Realität sieht hier anders aus.
Nehmen Sie Lettland, das es auch geschafft hat. Dort wurde im letzten Jahr die Arbeitslosenquote halbiert und das Brutto
inlandsprodukt um 2,3 % gesteigert. All das zeigt, dass ein solcher Reformkurs dort auch richtig war.
Meine Damen und Herren, deshalb brauchen wir eine Insol venzordnung für Staaten. Das haben wir übrigens schon 2010 gefordert. Der Bundestag hat dies seinerzeit mit allen Partei en verabschiedet. Es ist nur bis heute nicht umgesetzt. Das ZEW z. B. hat aber recht, wenn diese Forderung in diesen Ta gen wieder gestellt wird. Denn wir brauchen Lösungen. An sonsten kann die Währungsunion bei solchen Krisen nicht funktionieren. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wenn einige Länder zu Gläubigern der anderen werden und ihnen in die Politik immer mehr hineinreden, dann – da haben Sie völlig recht – bewegen wir uns auf das Scheitern des Euro zu und nicht auf das Zusammenwachsen.
Deshalb müssen wir über Lösungen diskutieren, wie Grie chenland in Zukunft Chancen haben kann, wie wir die Situa tion dort verbessern. Deshalb, meine Damen und Herren, wird es darum gehen, dass wir über Griechenland unter dem As pekt der Möglichkeiten und Chancen diskutieren und nicht unter dem Aspekt der Ablehnung von Hilfen und Kompromis sen.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Nur noch wenige Bemerkun gen. Natürlich stehen wir im Moment vor großen Herausfor derungen in Europa, die weit über Griechenland hinausgehen: Ukraine, Balkan, Migration, internationale Sicherheit. Des halb brauchen wir dieses Europa.
Ich kann nur sagen: Wir, die Union – begonnen bei Adenau er, De Gasperi, Schuman bis Helmut Kohl und heute Angela Merkel, auch Wolfgang Schäuble –, sind überzeugte Europä er. Das waren wir immer, und das werden wir auch bleiben. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich unterstreichen.
Das Zweite: Herr Minister, wir sind nicht nationalistisch in Deutschland, wenn wir vernünftig darüber diskutieren, auf welchem Weg man beim mittlerweile dritten Hilfspaket sinn voll in die Zukunft schaut und wie man auch Griechenland wirklich helfen kann, damit dort statt ständiger Insolvenzver schleppung wieder Prosperität außerhalb der Eurozone mit neuer Wettbewerbsfähigkeit entsteht.
Dazu gehört natürlich: Wir müssen jetzt aus dieser Krise ler nen. An dem Punkt, an dem wir angelangt sind, müssen wir
sagen: Wir sind in der Realität mit einer gewissen Ernüchte rung. Kollege Schmiedel hat gestern oder vorgestern gesagt, wir sollten Finanzbeamte nach Griechenland schicken. Das waren übrigens Vorschläge, die bereits 2012 und schon vor her von Oettinger, Schäuble und anderen gemacht wurden. Ich gebe Ihnen da völlig recht. Nur: Die Griechen müssen die Hilfe auch annehmen wollen. Das ist ja der Punkt.
Das gehört dazu. Insoweit besteht da zwischen uns überhaupt kein Dissens.
Meine Damen und Herren, das Privatvermögen pro Kopf der Bevölkerung ist in Griechenland doppelt so hoch wie in Deutschland. Insoweit geht es dort um öffentliche Schulden. Deshalb müssen auch Reeder, die keine Steuern zahlen, her angezogen werden. Man braucht eine funktionierende Steu erverwaltung, auch in Griechenland.
Deshalb glaube ich schon: Wir werden in Zukunft – denn es geht auch um das Geld der deutschen Steuerzahler – sicher lich darüber reden müssen: Wo stehen wir in Europa? Wo wol len wir hin, und, vor allem, auf welchem Weg kommen wir dahin?
Ich glaube, dass der Weg weg von intergouvernemental hin zu Zentralismus in Brüssel derzeit nicht mehrheitsfähig ist. Wir müssen über dezentrale Strukturen, über Subsidiarität und über die großen Themen reden, bei denen wir Europa brau chen, weil der Nationalstaat das Ganze selbst nicht mehr lö sen kann. Aber wir müssen mit diesem Thema sehr sorgsam umgehen, damit Europa in Zukunft wirklich gestärkt wird.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung:
a) Was hat die angekündigte Ressortabfrage zu möglichen
Projekten im Rahmen der EU-Investitionsoffensive erge ben?
b) Wird die Landesregierung die neue Möglichkeit nutzen,
um Landesförderungen etwa über die L-Bank durch eine Risikoabsicherung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen zu maximieren?
Meine Frage betrifft den Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Herr Minister, wie ich sehe, sind Sie – ich habe Ihnen ja auch ein mal einen Brief geschrieben – für Infrastrukturmaßnahmen und für den Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum, speziell Breitband und Glasfaser, sehr aktiv. Das finde ich sehr lobenswert, und das ist auch wichtig. Wir haben derzeit in der Tat eine Urbanisierung. Ich will Ihnen deshalb eine Frage stel len und gleichzeitig auch eine Bitte mit auf den Weg geben.
Der Bund fördert, wie Sie zu Recht ausgeführt haben, die Di gitalisierung und den Breitbandausbau im ländlichen Raum neben der Glasfaser- auch mit der Vectoringtechnik. Diese ist Ihnen sicherlich geläufig. Mehrere Landkreise gerade im länd lichen Raum, z. B. der Neckar-Odenwald-Kreis und der MainTauber-Kreis, haben in den Kreistagen Beschlüsse gefasst, durch diese Vectoringtechnik – sprich Glasfaser bis zu den Verteilerkästen und dann Kupferkabel – mit 20 Millionen € in drei Jahren statt mit 150 Millionen € in zehn Jahren eine Über tragungsgeschwindigkeit von 30 bis 50 Mbit/s zu erreichen.
Deshalb meine Frage: Warum fördert, anders als der Bund, nicht auch das Land die Vectoringtechnik für diese Zwischen schritte in den nächsten zehn Jahren zum Breitbandausbau im ländlichen Raum? Der ist lebenswichtig. Das Ergebnis Ihrer Förderpolitik wäre ansonsten, dass viele Landkreise in den Ballungszentren, in denen sowieso Wirtschaftlichkeit besteht, gefördert werden, während die ländlichen Räume bei der Lan desförderung leer ausgehen.
Ich verstehe jeden Satz. Der Punkt ist aber: Wenn Europa die Bundesförderung akzep tiert und notifiziert, sind Sie, das Land, dann bereit, zumin dest über diese Förderung nachzudenken, um diese ländlichen Räume in Ihrem Aufgabenbereich auch gleichmäßig zu för dern? Denn im Grunde genommen würden wir sonst diese ländlichen Räume, in denen gerade kein Wettbewerb möglich ist, weil ein Deckungsmodell nicht funktioniert und die Wirt schaftlichkeit nicht gegeben ist, wirklich benachteiligen.
Herr Staatssekretär, sind erstens Überlegungen bekannt, dass man dort eine Asylab schiebehafteinrichtung installieren möchte?
Ist dem Land zweitens bekannt, dass mittlerweile über 11 Mil lionen € in Wertheim investiert wurden und in Böblingen die Ersatzraummöglichkeiten bis 2016 gar nicht fertiggestellt sind?
Wenn Sie die Personal frage ansprechen, Herr Staatssekretär: Ist Ihrem Haus denn auch bekannt, dass die Mitarbeiter im Service- und Küchen bereich bisher nicht untergebracht sind?
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der Europabericht ist heute chronologisch optimal an die soeben geführte Debat te angegliedert.
Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.
Wir haben eben eine Stunde lang über die große Vergangen heit der Europäischen Union und der Europäischen Gemein schaft gesprochen. Dabei ist, glaube ich, klar geworden, dass es immer wieder erneut darum geht, sich auf diese Wurzeln zu besinnen und Europa damit vor allem auch im Lichte der heutigen Herausforderungen zu betrachten. Dem dient auch der vierteljährliche Europabericht, über den wir hier sprechen.
Wenn wir auf den 8. Mai 1945 unter dem Aspekt zurückge blickt haben, dass sich am Freitag zum 70. Mal der Tag der Befreiung jährt, liegt dem der Gedanke zugrunde: nie wieder Krieg, sondern Aussöhnung mit den Feinden, die Freunde ge worden sind.
An einem solchen Tag muss man auch daran erinnern, dass am 8. Mai 1949 die Verfassung verabschiedet wurde, übrigens
vom Parlamentarischen Rat unter dem Vorsitzenden Konrad Adenauer. Konrad Adenauer, der schon im Widerstand mit an deren die Idee geboren hatte, dass überkonfessionell eine neue Volkspartei und ein geeintes Europa notwendig wird, hat ein mal gesagt:
Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wur de eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendig keit für uns alle.
Das ist heute genauso aktuell gültig wie damals, vor 70 Jah ren. Denn all die Themen, die uns heute bewegen und die auch im Europabericht angesprochen werden, beleuchten genau diese Herausforderungen. Europa hat sich übrigens immer dann weiterentwickelt, wenn es an einem Scheideweg stand, wenn es Krisen gab. Aus diesen Krisen heraus wurden neue Lösungen des Fortgangs gefunden. Jemand hat einmal ge schrieben:
Europa ist wie ein Fahrrad: Hält man es an, fällt es um.
Dieses Bild ist durchaus passend, weil wir im Grunde genom men einen dauernden Vorgang des Integrationsprozesses im mer wieder neu hinterfragen müssen: Wo stehen wir, woher kommen wir, und – vor allem – wohin wollen wir?
Es waren damals Robert Schuman, Alcide De Gasperi, Kon rad Adenauer, neben den Beneluxländern, die Europa begon nen haben; das war das Europa der Sechs. Heute stellt das Eu ropa der 28 natürlich – wie vorhin – zu Recht die Frage: Wo hin wollen wir bei den Themen Erweiterung, Vertiefung, und – vor allem – in welchem Tempo wollen wir vorgehen? Wer ist beitrittsfähig, beitrittswillig, und – vor allem – ist Europa aufnahmefähig? Das sind die Fragen, die wir in diesem Zu sammenhang besprechen müssen.
Wenn der 8. Mai ein Tag der Befreiung von menschenverach tenden Systemen war, dann ist es in der Tat auch 30 Jahre her, seit Richard von Weizsäcker seine große Rede zum Tag der Befreiung gehalten hat. Deshalb wird es darum gehen – wir haben ja in den vergangenen Wochen hier über TTIP gespro chen, wir haben vor einer Woche über die Migration in Euro pa gesprochen –, genau diesen Herausforderungen gerecht zu werden in der weiteren zukünftigen Gestaltung in diesem ge einten Europa.
Wenn wir diese friedensstiftende Kraft heute als die große Wertegemeinschaft betrachten, dann ist es sicherlich wichtig, dass wir der heutigen jungen Generation aber auch über die ses Thema der friedensstiftenden Kraft hinaus neue Antwor ten geben. Denn die jungen Menschen wachsen heute in ei ner Generation auf, für die Europa selbstverständlich gewor den ist. Für sie sind offene Grenzen selbstverständlich gewor den, für sie sind Reisen, Studieren und Arbeiten im Ausland selbstverständlich geworden. All das sind große Errungen schaften, die man in einer solchen Europawoche natürlich be leuchtet, hinterfragt und diskutiert.
Aber wir sind heute in Baden-Württemberg. Ich will hinzufü gen: Gerade an einem solchen Tag ist natürlich in dem Wirt schaftsland Baden-Württemberg auch darauf hinzuweisen, welche Vorteile die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben. Es gab heute die Meldung: EU-Konjunktur besser als erwartet. Ich will auf die Konjunkturerwartungen eingehen:
1,5 % Wachstum wird man im laufenden Jahr jetzt auch in Eu ropa erwarten, vor allem im Euroraum.
Das ist wichtig. Aber ich betrachte damit auch unser Land Ba den-Württemberg. Baden-Württemberg ist ein exportorien tiertes Bundesland. Jeder dritte Arbeitsplatz bei uns hängt von diesem Europa ab. Wir profitieren von diesem Binnenmarkt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir auch gegen die Bestre bungen, die im Moment in Teilen Europas nationalistisch sind, die gegen dieses Europa wettern, darauf hinweisen, welche Vorteile wir auch in diesem Land per Saldo in Europa haben.
Ich will auch deshalb auf die vergangenen Jahre zurückschau en und daran erinnern, was große Europäer – auch unsere Re gierungschefs – in diesem Land für Europa erreicht haben. Da kann man ab der Nachkriegszeit beginnen und bis zu den Kol legen kommen, die wir hier als Regierungschefs – Lothar Späth, Erwin Teufel, Günther Oettinger – bis heute erlebt ha ben. Warum sage ich das? Wir haben in diesen vergangenen Jahrzehnten – auch nach der Wiedervereinigung – Einrichtun gen geschaffen – das war ja der Gedanke, dass die Donau in Baden-Württemberg entspringt und nach 2 880 km im Schwar zen Meer endet –, die heute noch diesem Europa nützen. Die se Donauraumstrategie, die wir erfunden haben, um die uns alle beneidet haben – gäbe es sie nicht, müsste man sie heute erfinden –, hat ja auf etwas anderem aufgebaut, nämlich auf dem Beginn der Zusammenarbeit nach dem Fall der Grenze mit Ungarn. Ich verweise auf die damaligen Ideen der Ge mischten Kommissionen, die wir mit Ungarn begonnen ha ben, die wir mit Bulgarien,
mit Rumänien, mit Kroatien, mit Serbien fortgesetzt haben. Das war eine Zusammenarbeit, die im Grunde genommen die Basis für diese erweiterte Zusammenarbeit im Donauraum war. All das ist im Europabericht jetzt aktuell beleuchtet. Es ist richtig und gut, dass wir in der kleinen Außenpolitik Kon tinuität haben. Deshalb ist meine Stunde an einem solchem Tag nicht die Kritik, sondern die Kontinuität, der Rückblick, aber auch der Ausblick. Bei einem solchen Rückblick will ich schon einmal sagen: Hier ist von allen Vorgängerregierungen eine große Vorarbeit geleistet worden, was Europa betrifft.
Ich will an das anknüpfen, was wir beleuchten können. Wir haben darüber hinaus, neben den Gemischten Kommissionen, neben der Donauraumstrategie – die Idee wurde damals noch unter Lothar Späth entwickelt – auch die „Vier Motoren“ in stalliert. Auch das ist jetzt fortgesetzt worden und ist eine wichtige Zusammenarbeit von vier Kraftzentren der Industrie in Europa.
Ich nenne in der kleinen Außenpolitik die Internationale Bo densee Konferenz. Hier arbeitet das Land Baden-Württem berg mit den Anrainerstaaten und -ländern – wie die Schwei zer Kantone, die österreichischen Angrenzer,
die französischen Angrenzer – zusammen. Wenn ich bei Frank reich bin: Das ist ja nun deutsch-französische Freundschaft und Zusammenarbeit. Das ist ja der Motor des integrierten Europas. Wenn wir das beleuchten, dann muss man sagen: Dazu gehört auch die Zusammenarbeit am Oberrhein. Der Oberrheinrat, der in diesen Jahrzehnten etabliert wurde, in der Zusammen arbeit intensiviert wurde, gehört genauso dazu wie das, was Erwin Teufel im Konvent Europas verankert hat: ein Europa der Regionen, den Grundsatz der Subsidiarität im Vertrag von Lissabon, auch die Betonung der Kommunen, die viele in an deren europäischen Ländern gar nicht gekannt haben. All das gehört zur europäischen Bilanz, die man an einem solchen Tag auch im Rückblick beleuchten muss.
Deshalb haben wir jetzt auch neue Herausforderungen, die hier zu Recht angesprochen werden und auch angesprochen worden sind.
Wenn ich jetzt darauf eingehe, will ich uns aber noch einmal eine Zahl aus diesem Bericht vor Augen halten, weil man die nicht oft genug wiederholen kann, damit man weiß, wohin man sich in diesen letzten 70 Jahren entwickelt hat: Damals waren über 20 % der Weltbevölkerung Europäer, heute sind es noch 7 %, mit fallender Tendenz. Diese aktuell 7 % erwirt schaften 25 % der Weltwirtschaftsleistung, aber erbringen 50 % aller Sozialleistungen auf diesem Planeten. Auch das muss man sich vor Augen halten. Auch daran kann man er kennen, wo uns die wirklichen Herausforderungen – bis zum Thema Migration – begegnen werden, wenn wir über die Zu kunft sprechen und damit ehrlich auch darüber reden wollen: Wo stehen wir, und wohin wollen wir, wenn diese Dinge an gesprochen werden, meine Damen und Herren?
Es gibt heute viele Überschriften zu diesem Thema, z. B. nen ne ich ergänzend Burundi. Das war, glaube ich, heute in der „Stuttgarter Zeitung“ – wenn ich es recht weiß –, ich habe es mir vorhin herausgenommen.
Bitte? Ja, wir sind hier im Landtag.
Bitte?
Ist klar, ja. Ich will nur vorher die Überschrift zitieren, da mit jeder auch den Antrag versteht und nachvollziehen kann, warum er überfraktionell mit unserer Fraktion gestellt wurde, Frau Kollegin.
Die Überschrift, die ich meinte, lautet: „Die UN sehen Burun di am Scheideweg“. Deshalb ist dieser Antrag ja zustande ge kommen. Da finde ich es richtig, dass alle vier Fraktionen übereinstimmend diese Dinge ansprechen, weil natürlich auch mit Burundi in der Entwicklungszusammenarbeit eine jahr
zehntelange Kooperation besteht, wir im Grunde genommen dort eine Patenstellung haben und wir diese Dinge deshalb auch thematisieren müssen. Deshalb stimmen wir diesem An trag zu, und es ist gut, dass alle vier Fraktionen in diesem Par lament diesem Antrag zustimmen.
Ich erwähne ferner TTIP; auch das wird uns bewegen. Heute wird Frau Malmström wieder eine geänderte Situation mit neuen Vorschlägen in Brüssel darstellen – übrigens im An schluss an Minister Gabriel, der ja, nachdem es ein Sachver ständigengutachten gibt, nun in dem einen oder anderen Punkt modifizierte Vorschläge unterbreitet hat, insbesondere zum Schiedsgerichtsverfahren, aber auch zum Vorsorgeprinzip. In soweit will ich hier bewusst betonen: Die Landesregierung hat jetzt im März – das ist im Bericht enthalten – ein Eckpunk tepapier verabschiedet. Ich sehe da eine große Übereinstim mung. Worum es jetzt geht, ist: Wir müssen auch dafür wer ben. Denn es gibt Kampagnen von Attac, von Campact, die Nein sagen zu TTIP. Das ist die falsche Haltung; da haben auch manche in Berlin – wie übrigens auch manche Parteien – noch Nachholbedarf, da die Wende hinzubekommen. Denn in Berlin haben wir noch keine Übereinstimmung, auch nicht zwischen Grün und Rot, bei dem Thema TTIP – zumindest nicht in Berlin.
Wir haben auch Themen wie die EU-Erweiterung. Natürlich sind diese Makrostrategien wichtig. Jetzt ist auch die Alpen regionstrategie in der gemeinsamen Zusammenarbeit neu be gonnen worden. Wir unterstützen das. Wir finden es richtig, wenn Partner hier zusammenarbeiten. Auch die neue Linie der Kommission in der Erweiterungsstrategie halten wir für rich tig.
Allerdings will ich hier noch einmal betonen: Gründlichkeit muss bei der Erweiterung vor Schnelligkeit gehen. Jede Bi lanz, die wir gezogen haben, z. B. beim Beitritt von Bulgari en und Rumänien, wozu wir heute kritische Analysen haben, besagt: Es ist teilweise möglicherweise zu schnell vorgegan gen worden. Deshalb, glaube ich, ist es auch wichtig, dass wir zwar mit Assoziierungsabkommen beginnen, auch beim West balkan, wo noch kein Beitritt erfolgt ist wie bei Kroatien – Kroatien haben wir ja auf dem Weg in die Europäische Uni on begleitet –, dort aber sehr sorgsam darauf achten, dass vor Ort die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage vorangetrieben wird, dass die Beitrittskriterien vollständig er füllt werden und dass wir damit auch das bekräftigen, was vor uns liegt, nämlich eine sorgfältige konstruktive Begleitung in der Erfüllung der europäischen Anforderungen.
Bei der Schweiz sind die Herausforderungen ganz andere. Man muss jetzt sehen: Es gibt große Veränderungen, aber auch weiterhin offene Baustellen, übrigens seit vier Jahren auch bei dieser neuen Regierung. Es wird jetzt darauf hingewiesen, dass im vierten Regierungsjahr eine Schweizstrategie ange kündigt wird. Ich kann nur sagen: Wir haben seit Jahren nicht erledigte und nach wie vor offene Baustellen. Nehmen Sie das Thema Verkehrsprojekte, nehmen Sie das Thema Fluglärm, nehmen Sie die Landpachtproblematik, nehmen Sie die Hür den für kleinere und mittlere Unternehmen beim Handwerk
und bei anderen. Sie kennen all die Themen. Ich denke, wir müssen hier vorankommen. Denn die Schweiz ist für uns ein wichtiger Partner, war es immer und soll es auch in Zukunft sein. Deshalb müssen die Probleme endlich angegangen und gelöst werden.
Meine Damen und Herren, natürlich gilt dabei auch: Das ist immer ein Geben und Nehmen.
Wir begrüßen die Digitale Agenda der EU und die Investitions offensive. Gerade unser neuer Digitalkommissar ist hier sehr intensiv und offensiv unterwegs. Viele werden seine ein drucksvolle Rede, die er gestern beim Sparkassentag gehal ten hat, gehört haben. Wir müssen ihm hier viel Glück und Er folg wünschen, damit der Europäische Binnenmarkt gerade beim Thema Digitalunion vorankommt. Wenn die EU auch künftig eine Rolle im globalen Geschehen spielen will, dann brauchen wir auch dort einheitliche Regeln. Es gibt Proble me, da ist die Welt ein Dorf geworden. Diese Probleme und Herausforderungen sind nur grenzüberschreitend zu lösen. Dazu gehört die Umwelt, dazu gehört das Klima, dazu gehört die Energie, und dazu gehört auch eine Digitalunion. Das ist die neue Zeit, in der wir erst recht Europa im Rahmen der Zu sammenarbeit brauchen, um auch offensiv grenzüberschrei tend in die Zukunft gehen zu können.
Dazu zählt auch die Investitionsoffensive von Juncker. Grund sätzlich sind die 315 Milliarden € zu begrüßen. Investition ist wichtig. Nur wer investiert, hat Vertrauen in die Zukunft. Al lerdings muss man abwarten, ob diese Hebelwirkung auch Früchte trägt.
Meine Damen und Herren, man soll über alles reden, nur nicht zu lange reden.
Ich sehe, in dieser Sekunde ist meine Redezeit ausgeschöpft. Deshalb will ich abschließend sagen: Schuman hat am 9. Mai 1950 gesagt:
Europa... wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.
Ich denke, 65 Jahre danach haben diese Worte immer noch Geltung. Wir brauchen Europa heute mehr denn je, um die großen Fragen der Zeit lösen zu können. Deshalb sind wir al le aufgefordert, in einer solchen Europawoche daran konst ruktiv mitzuwirken.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, der Titel der Aktu ellen Debatte kann auch als Frage formuliert werden: „Braucht Europa eine humane und faire Flüchtlingspolitik?“ Diese Fra ge kann man natürlich mit Ja beantworten. Der Zeitpunkt ist auch richtig gewählt, denn gerade in diesen Tagen tagen die europäischen Gipfel, gestern auch die EVP-Fraktion in Brüs sel, am Wochenende tagte der Koalitionsausschuss in Berlin. Insoweit befassen wir uns alle zum richtigen Zeitpunkt mit diesem Thema.
Wir alle haben die Bilder aus dem Mittelmeer vor Augen, bei denen sicher jeder, der eine Seele hat, der Trauer und Schmerz empfinden kann, Mitgefühl hat. Wenn wir diese Bilder des Massengrabs im Mittelmeer sehen, berührt uns das, und es geht auch bis an die Wurzel der Seele.
Allerdings glaube ich, dass wir es uns nicht so einfach ma chen können wie der Vorredner, nämlich nur auf die EU zu schimpfen. Europa selbst ist sicherlich nicht die alleinige Hauptursache. Im Gegenteil: Wir müssen über die Fluchtur sachen nachdenken – die nicht in Europa liegen –, und wir bli cken sicherlich sorgenvoll in die Zukunft, wenn wir diese Ent wicklungen der zunehmenden Flüchtlingsströme sehen. Na türlich gehört an dieser Stelle unser Mitgefühl den Opfern und ihren Familien. Aber es ist auch richtig, wie der Vorredner sag te: Menschen waren in der Geschichte schon immer auf der Flucht, und sie haben selten ihre Heimat freiwillig verlassen.
„Das Parlament“ titelte diese Woche sinngemäß: „Europa ei nig in der Uneinigkeit“. Deshalb will ich vorab sagen: Wann, wenn nicht jetzt, muss sich Europa mit der Frage der Migra tion vertieft befassen?
Aber hierzu gehört, dass sich in Europa nicht 20 Staaten weg ducken dürfen, sondern dass wir gerade in Europa zunächst einmal bei der Frage der Migration eine faire Lastenvertei lung brauchen.
Das ist eine der Forderungen, die, denke ich, auf Einigkeit sto ßen. Wir brauchen damit auch eine abgestimmte Politik zwi schen der EU, den Mitgliedsstaaten und den Regionen, also eine neue Gesamtstrategie.
In der Tat sind über 50 Millionen Menschen auf der Flucht – eine Zahl, die erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder er reicht wird. Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Fron tex hat sich allein vom letzten Jahr bis zu diesem Jahr bei der zentralen Mittelmeerroute die Zahl der Flüchtlinge auf über 170 000 Menschen – im letzten Jahr waren es 40 000 – ver vierfacht, und diese Entwicklung setzt sich aktuell fort. Seit Beginn der Operation „Triton“ wurden über 25 000 Men schenleben gerettet.
Deshalb glaube ich, es hilft nichts, wenn wir nur pauschale Vorwürfe an die EU richten. Wir sind der Meinung, dass die ses Thema auch für parteipolitische Spiele ungeeignet ist, mei ne Damen und Herren.
Angesichts dieser Zunahme brauchen wir – das hat auch in der letzten Woche im Bundestag Außenminister Steinmeier betont, ebenso Innenminister de Maizière beim „Rettungsgip fel“ und am Wochenende auch die Große Koalition – natür lich eine Verbesserung der Seenotrettung, aber auch eine bes sere Überwachung der Seegrenzen. Die jetzt beschlossene, vom Europäischen Rat vorgenommene Verdreifachung der Mittel für diese Missionen begrüßen wir. Ich glaube eher, dass diese Mittel sogar zu gering sind.
Sie kennen auch die Doppelproblematik der Seenotrettung. Das Problem sind doch auch die kriminellen Machenschaften der Schleuser. Den Schleusern muss das Handwerk gelegt werden, Herr Kollege.
Denn das Problem ist doch: Wenn Programme kommen und die Flüchtlinge auf Schiffen nur für ein paar Kilometer unter wegs sind in der Gewissheit, dass sie jetzt gerettet werden, hat das im Grunde genommen die Schleuserbanden sogar ermu tigt und ihre Zahl erhöht. Auch dagegen müssen wir vorge hen. Wir müssen die Probleme an der Wurzel angehen.
Die ist ja nicht eingestellt worden. Herr Kollege, informie ren Sie sich erst einmal richtig, bevor Sie solche Zwischenru fe machen.
Was Italien betrifft, ist es natürlich so: Wir haben ein EUAsylrecht, zu dem gestern die EVP-Fraktion in Brüssel zu Recht gesagt hat, wir müssen auch dort Änderungen vorneh men. Nach dem jetzigen Dublin-Abkommen dürfte ein Asyl
bewerber nach Deutschland normalerweise nur über den Luft weg kommen. Wir wissen, dass das nicht funktioniert. Inso weit hat diese Rechtslage versagt. Da sind wir uns völlig ei nig.
Deshalb ist es richtig, wenn gesagt wird, dass wir im Grunde genommen eine bessere, eine saubere Quotenregelung brau chen und dass wir natürlich auch darüber nachdenken müs sen: Wie machen wir aus einer ungesteuerten Zuwanderung eine kluge Einwanderung? Die Frage der Legalität muss na türlich gestellt werden.
Diese Woche hat der Chef des Instituts der deutschen Wirt schaft zu Recht diese Frage auch im „Handelsblatt“ gestellt. Heute haben Sie die Überschrift: „Deutschland schrumpft“. Unsere Bevölkerungszahl wird zurückgehen auf 67 Millio nen, wenn nicht 500 000 Zuwanderer im Jahr kommen. Des halb müssen wir uns die Frage stellen: Welche kluge Einwan derungspolitik betreiben wir, um diesen zukünftigen Heraus forderungen gerecht zu werden? Auch der Sachverständigen rat für Migration hat diese Frage heute in den Medien gestellt.
Aber ich will schon sagen: Wir dürfen nicht zulassen, dass Kriminelle mit der Not anderer Menschen Geschäfte machen, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es richtig, dass man darüber nachdenkt, Migrati onsberatungszentren auch vor Ort in Afrika zu schaffen. Ges tern waren die Bischöfe bei uns in der Fraktion. Ich habe auch dort gesagt: Ich glaube, wir müssen schon darüber nachden ken, nicht nur den Fisch – in Europa – zu geben, sondern auch die Angel – vor Ort in Afrika. Das heißt Hilfe zur Selbsthilfe.
Auch Hilfe vor Ort muss im Grunde genommen eine Diskus sionsgrundlage für unsere Debatten sein. Bei einer neuen Quo tenregelung in der EU gehören natürlich Größe, Einwohner zahl, ökonomische Situation für eine gerechte Verteilung bei den zukünftigen Regeln, aber auch die Einhaltung des Euro parechts dazu.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch all den Bürgerinnen und Bürgern danken, die momentan in unserem Land mit großer Hilfsbereitschaft den Flüchtlingen helfen, die sie begleiten, die sie fördern und die ihnen damit helfen, sich zu integrie ren. Auch das ist eine große Leistung unserer Landsleute in Baden-Württemberg.
Es ist auch sehr wichtig, dass wir jungen, gut ausgebildeten Leuten in Zukunft eine Perspektive geben. Aber dazu mehr in der zweiten Runde.
Herr Kollege Lucha, zu nächst zu Ihren Ausführungen: Sie werden all den berechtig ten Asylbewerbern in Deutschland keinen Gefallen tun, wenn Sie hier die Forderung einbringen, jeder könne unter dem Be griff „A-S-Y-L“ zu uns kommen.
Das ist der falsche Weg. Wir haben das Asylrecht als Grund recht für die begründeten Fälle geschaffen, und wir dürfen – das muss man immer sehen, und da hat der Kollege Wolf völ
lig recht – auch unsere deutsche Gesellschaft nicht überfor dern. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.
Wir haben im Moment einen großen gesellschaftlichen Kon sens – übrigens ein großer Unterschied zu der Situation An fang der Neunzigerjahre. Ich bin seit 1992 hier im Parlament. Wir hatten damals hier die Fraktion der Republikaner mit ei nem Stimmenanteil von 11 %; manche Kollegen erinnern sich sicher noch daran. Das war eine ganz andere Zeit. Es ist sehr lobenswert, dass wir im Moment trotz dieser steigenden Flüchtlingszahlen einen großen Konsens haben. Aber das soll ten wir nicht gefährden, Herr Kollege.
Das Zweite: Sie sagen, es gebe Konsens in der Koalition. Ich sage – übrigens auch in Bezug auf meine Vorredner, Herrn Minister Friedrich und Sie –: Die Grünen und die SPD haben einen völligen Dissens bei der Frage der Zuwanderung und der Einwanderung – einen völligen Dissens! Die SPD hat vor geschlagen, beispielsweise das Kanada-Modell einzuführen, mit einem Punktesystem. Das wird von den Grünen vollstän dig abgelehnt.
Das heißt, wir müssen irgendwann schon die berechtigte Fra ge ehrlich beantworten: Wie viel Zuwanderung und welche Einwanderung braucht Deutschland, und auf welchem Weg können wir das auch klug steuern? Das kann nicht einfach nach dem Motto gehen: „Wir müssen alle reinlassen.“ Das wird Deutschland überfordern. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wenn Sie über die Fluchtursachen sprechen: Wie können wir vor Ort helfen? Da sind die Vorschläge, Migrati onszentren vor Ort, auch in Afrika, einzurichten, sinnvoll.
Damit komme ich auch zum Thema Entwicklungspolitik und zu diesem Landeshaushalt. Wir hatten 2011 noch 4 Millio nen € für Entwicklungspolitik eingestellt. – Übrigens, Kolle ge Hauk, Kollege Lasotta und andere waren jetzt in Burundi. – Sie haben diese Mittel – in der jetzigen Zeit! – auf 2,9 Mil lionen € gekürzt – trotz steigender Steuereinnahmen. Das ist doch in meinen Augen von Ihnen nicht beantwortet.
Wie kann man in einer solchen Zeit kommen und sagen: „Wir wollen mehr Hilfe in der Entwicklungspolitik vor Ort“, und gleichzeitig um 25 % kürzen? Auch darüber muss man fair und offen sprechen.
Jawohl, Herr Minister, Sie haben richtigerweise die Proble matik Libyens angesprochen. Wenn Libyen nicht stabilisiert wird, werden wir dieses Problem vor Ort, an der libyschen Grenze, nicht lösen können. Das ist eines der ungelösten Pro bleme; das muss man auch ehrlich sagen.
De Maizière haben Sie, Kollege Lucha, natürlich unvollstän dig zitiert. Ich empfehle Ihnen wegen der Kürze der Zeit: Le sen Sie seine Rede, die er in der vergangenen Woche vor dem Deutschen Bundestag gehalten hat, dann werden Sie seine Haltung kennenlernen.
Aber eines will ich hier ergänzen: Wir werden bei 28 EU-Staa ten nicht mit Deutschland allein das Problem Europas lösen können. Deutschland gehört zu den Ländern, die hier sehr fair vorgehen. Dafür werden wir in der Bundesrepublik Deutsch land übrigens heute sehr gelobt. Nehmen Sie einmal die „Stuttgarter Zeitung“ von heute: Wir brauchen eine faire Auf nahmequote – jawohl, das hat gestern auch die EVP-Fraktion in Brüssel gefordert –, entsprechend legale Zugangswege, auch zeitweise befristete Aufnahme von Flüchtlingen als Ar beitskräfte oder zur Ausbildung. „Als Einwanderungsland ist die Bundesrepublik sehr liberal“, so heißt es gleich am An fang. Das stimmt. Gleichzeitig heißt das: Wir brauchen alle 28 EU-Staaten. Nehmen Sie einmal Großbritannien und an dere Länder.
Es geht natürlich nicht, dass sich manche EU-Staaten einen schlanken Fuß machen und Deutschland die Probleme der Welt lösen soll. Das wird uns überfordern. Auch das will ich an dieser Stelle hinzufü gen.
Zu dieser angesprochenen Bundesratsinitiative: Lieber Kol lege Glück, dazu muss ich schon sagen, Politik in Berlin spielt sich nicht im Sandkasten ab.
Sie sagen: eine Bundesratsinitiative zum Demonstrieren. Da wird mir der Minister sicher recht geben: Bevor Sie eine Mehrheit haben, brauchen Sie erst einmal 35 Stimmen der Länder. Aber damit ist es noch nicht getan. Sie waren auch einmal in einer Koalition in Berlin. Sie brauchen zwei große Koalitionspartner, und Sie brauchen Mehrheiten.
Dieses Thema wird uns beschäftigen, aber es ist viel zu ernst, als dass man Show-Demonstrationsinitiativen im Bundesrat einbringt. Wir brauchen Mehrheiten und vernünftige Lösun gen für Deutschland. Deshalb will ich abschließend schon da rauf hinweisen: Die Komplexität ist sehr groß. Die Union, un sere Fraktion,...
... fordert in Europa ei ne humanitäre Flüchtlingspolitik, eine moderne Zuwande rungspolitik und eine kommunalfreundliche Asylpolitik.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir hatten auch bei den verschiedenen Beiträgen der letzten zwei Tage gese hen und gehört, dass bei vielen entscheidenden Zukunftsthe men die europäische Ebene immer häufiger betroffen ist. In soweit ist es gut, dass wir pro Quartal und nicht mehr wie frü her alljährlich einen Bericht über aktuelle europapolitische Themen bekommen und besprechen. Es gibt neue Entwick lungen, die uns sicherlich immer wieder begegnen. Ich nen ne z. B. die Digitalisierung der Wirtschaft oder TTIP, das wir gestern debattiert haben; die Themenvielfalt reicht bis zur Mi gration in Europa, die uns zunehmend betrifft. Damit ist auch Europa gefordert, wichtige Rahmenbedingungen zu setzen.
Der Europabericht geht auf diese Themen ein. Gerade die Di gitalisierung ist eine enorme Herausforderung, aber auch ei ne enorme Chance. Wir können uns sicherlich glücklich schät zen, mit Günther Oettinger einen Baden-Württemberger als Kommissar für dieses zentrale Ressort zu haben. Denn das be trifft ein Stück Zukunftsfähigkeit für Europa und damit auch für Baden-Württemberg.
Die Kommission wird ihre Vorstellungen für einen digitalen Binnenmarkt vorlegen, und es gilt jetzt, die Vorstellungen und Anliegen auch seitens der Landesregierung rasch einzubrin gen.
Auch das Thema Industrie 4.0 betrifft nicht nur uns im Land, sondern hat unter dem Aspekt „Welche Standards brauchen wir in diesem Zusammenhang?“ eine europäische Dimensi on.
Zur Infrastruktur bekommen wir jetzt von der neuen Kommis sion eine EU-Investitionsoffensive. Juncker hat ein 315-Milli arden-€-Paket auf den Weg gebracht, wobei der EU-Anteil mit den 21 Milliarden €, die von der EIB und der Kommission – teilweise durch Umwidmung – kommen, natürlich 15-fach ge hebelt werden muss. Für uns wird es jetzt darum gehen, da bei zu sein und das Ganze sozusagen auch auf den flächende ckenden Ausbau herunterzubrechen – das will auch der Bund, siehe Koalitionsvereinbarung Europa – und damit auch im Land den flächendeckenden Breitbandausbau kongruent vor anzubringen. Denn gerade im ländlichen Raum haben wir noch eine gewaltige Unterversorgung. Es geht nicht nur um 30 oder 50 Mbit/s. Beispielsweise sagt der Chef der Telekom: Wir werden in einigen Jahren über 250 und 300 Mbit/s spre chen, was jetzt schon technisch möglich ist. Wir dürfen das Land nicht abhängen.
Wichtig ist auch, dass viele Richtlinien und Verordnungen überprüft werden. Es ist angekündigt, auf der Grundlage des sogenannten REFIT-Programms Verordnungen zu evaluieren; dazu gehört z. B. auch die Verordnung zur Reduzierung von CO2-Emissionen leichter Nutzfahrzeuge. Das ist ein Thema, das uns hier im Land besonders betrifft; es hat Auswirkungen auch auf die heimischen Hersteller und Zulieferer.
Ich nenne daneben auch die FFH-Richtlinie, bei der eine un verhältnismäßige Bürokratie beklagt wird. Sicherlich wird man im Rahmen der Evaluierung auch an diese Problematik herangehen müssen; dies hat die Kommission auch angekün digt.
Natürlich geht es auch darum, Bestrebungen zur Verringerung von Auflagen kritisch zu prüfen; ich verweise hier etwa auf den Erhalt der Meisterpflicht, die Anerkennung der dualen Ausbildung. All das sind wichtige Standortthemen für dieses Land, und wir sagen: Es ist wichtig, dass wir in Brüssel, in Europa für dieses Modell werben und dass wir dafür eintre ten, dass die Qualität der Meisterausbildung nicht abgesenkt wird. Diese ist nämlich ein ganz wichtiger Punkt in Bezug auf die Qualität, auch für das Handwerk im Land.
Wenn wir im Bereich der Asyl- und Flüchtlingspolitik die ak tuellen Zahlen betrachten, dann sehen wir, wie wichtig es ist, dass wir frühzeitig Vorschläge einbringen. Wir wollen eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge. Denn es geht hier auch um den Kampf gegen irreguläre und illegale Migration sowie gegen Menschenschmuggel. Das wollen wir nicht. Hier muss man ehrlich mit den Menschen umgehen und sagen: Eine stär kere europäische Koordination verhindert, dass Menschen in die Fänge von Kriminellen geraten, meine Damen und Her ren.
Dies betrifft übrigens auch den wachsenden Zustrom von Menschen aus dem westlichen Balkan. Hierüber haben wir vorhin gerade mit dem Innenminister debattiert.
Natürlich gibt die Kommission auch Empfehlungen zur Ver kürzung von Asylverfahren, z. B. gerade bei den fünf visum freien Staaten des westlichen Balkans; zudem bestehen Über legungen hinsichtlich Rückkehrhilfen zur Vermeidung finan zieller Anreize.
Es geht darum, zu prüfen, welche Kommissionsempfehlun gen umgesetzt werden können. Wichtig ist auch ein weiterer Aufbau, um ein fortgesetztes Ausbluten der Bevölkerung vor Ort und eine weitere Steigerung der Flüchtlingszahlen zu ver hindern. Uns geht es darum, Stabilität und Wohlstand vor Ort zu erreichen, dies jedoch eher durch Hilfe zur Selbsthilfe. Die Angel geben und nicht den Fisch – ich glaube, das ist der rich tige Weg. Zudem müssen die Menschen vor Ort, wenn ein Weg über das Asylverfahren aussichtslos ist, auch darüber in formiert werden. Man sollte die Menschen dort vor falschen Hoffnungen bewahren.
Meine Damen und Herren, im Europabericht sind weitere wichtige europapolitische Themen angesprochen worden. Ich will abschließend nur noch zwei, drei Themen kursorisch an sprechen:
Ich darf die Landesregierung ermuntern: Auf der Bundesebe ne wird erneut über das EUZBLG – das ist das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenhei ten der Europäischen Union – debattiert. Dieses Vorhaben ver fiel beim letzten Mal der Diskontinuität. Wir ermuntern Sie, hier die Rechte der Länder zu vertreten und zu stärken. Ich spreche dabei, denke ich, im Sinne aller vier Fraktionen. Denn es geht hier um unsere Rechte, verehrte Kolleginnen und Kol legen.
Ein Weiteres – dies nur am Rande –: Der Ausschuss der Regi onen wurde jetzt wieder neu aufgestellt und besetzt. Deutsch land hat auch weiterhin nur 24 Sitze; Baden-Württemberg kommt mit seinen 11 Millionen Einwohnern lediglich ein Sitz zu; Malta mit 400 000 Einwohnern hingegen hat fünf Sitze. Wir sind hier – auch das will ich wiederholen – unterreprä sentiert, und wir sollten dies auch immer wieder thematisie ren. Auch hier stehen wir genauso an der Seite derer, die mit dabei sind.
Meine Damen und Herren, auch die internationale Zusam menarbeit – seien es die IBK, die Vier Motoren, die Gemisch ten Kommissionen, die Donauraumstrategie – ist unser ge meinsames Interesse. Bitte lassen Sie hier nicht nach! Auch bei der Alpenregion unterstützen wir die sich nun formieren de neue Zusammenarbeit über die grenzüberschreitenden Ko operationen hinweg.
Insgesamt, denke ich, zeigt der Bericht, auch wenn er schon einige Wochen alt ist, dass wir in Europa immer mehr wich tige Themen haben, Querschnittsthemen,