Krankgemeldet sind Herr Abg. Glück, Frau Abg. Häffner, Herr Abg. Lusche und Frau Staatssekretärin von Wartenberg.
Dienstlich verhindert sind bis 11:00 Uhr Herr Minister Bon de und ab 14:00 Uhr Herr Minister Friedrich.
Aktuelle Debatte – Neue Wege in die geschlechtergerech te Gesellschaft – Der Internationale Frauentag als Mah nung und Auftrag – beantragt von der Fraktion der SPD
Wie üblich beträgt die Gesamtredezeit für die Aktuelle Debat te 40 Minuten. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. In den zwei möglichen Runden gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Auch die Mitglieder der Landesregierung darf ich bitten, sich an den vorgegebe nen Redezeitrahmen zu halten.
Wir orientieren uns an § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung, wonach die Aussprache in freier Rede zu führen ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Eugen Bolz, Friedrich Ebert, Conrad Haußmann, Johann Peter Hebel, Johann Jakob Mo ser, Josef Schofer – was sagen uns all diese Namen?
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Alles Män ner! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Richtig! Toll! – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das war jetzt Frontalunterricht! – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst- Blei SPD)
Das sind alles Männer, richtig. Was sagt uns das im Um kehrschluss? Es sind keine Frauen. Ja, diese Männer sind be deutende Persönlichkeiten, und die Sitzungssäle im Landtag sind zu Recht nach ihnen benannt worden.
Den brauchen wir noch nicht. – Ich darf also im Jahr 2013 zu Recht die Frage stellen, ob es denn nicht auch Frauen gab, die in Baden oder in Württemberg – wenn man geschichtlich etwas zurückblickt – geboren sind oder hier gelebt haben und die viel für das Land geleistet haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal muss man auch äußere Zeichen dafür setzen, dass Artikel 3 des Grundgeset zes – das Grundgesetz gilt seit über 60 Jahren – umgesetzt wird, z. B. indem wir heute sagen: Wir müssen irgendwann im 21. Jahrhundert ankommen. Ich habe deswegen Herrn Landtagspräsident Wolf vorgeschlagen, während des Umbaus des Landtagsgebäudes alle Interimssäle nach Frauen zu be nennen, die im Land Baden-Württemberg ihre Spuren hinter lassen haben.
(Beifall bei der SPD, den Grünen und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Dann sind es wieder bloß CDU-Frau en! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Es ist gut, dass wir nachliefern können!)
Das glaube ich nicht. Eine Liste habe ich dazugelegt. Dar auf sind Frauen aller Couleur vertreten, keine Angst. – Ich hoffe natürlich, dass nach der Wiedereröffnung des Landtags gebäudes eine einvernehmliche Regelung gefunden wird, die dem Anliegen einer gleichberechtigten Anerkennung der Leis tung von Frauen gerecht wird.
Natürlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist das nur ein Symbol. Aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass nicht al les genau so bleiben muss, wie es die letzten 50 Jahre und zu vor gewesen ist. Wer in der Gleichstellungspolitik erfolgreich handeln will, der muss gerade diese vermeintlich bewährten Strukturen infrage stellen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Begründung für un sere heutige Aktuelle Debatte haben wir auf den 2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland hin gewiesen – ich habe ihn gerade dabei –, der zu Beginn dieses Jahres veröffentlicht worden ist. Wenn man sich ein Ziel vor gegeben hat – in unserem Fall die Chancengleichheit von Frauen und Männern –, macht es sicher sehr viel Sinn, sich
mit anderen Bundesländern und auch mit Ländern außerhalb der Bundesrepublik zu vergleichen, die genauso wie wir auf diesem Weg sind.
Fangen wir einmal an mit der politischen Partizipation. Ich nehme als Kennziffern die Mandate in den Landesparlamen ten und die Mandate in den Kreistagen der Landkreise und den Gemeinderäten der kreisfreien Städte. Bei beiden Verglei chen steht Baden-Württemberg – wir ahnen es schon – an letz ter Stelle. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss sich de finitiv ändern.
Auf das Thema „Kreistage und Gemeinderäte“ kommen wir heute und morgen noch intensiver zu sprechen und können da noch einmal näher über die einzelnen Punkte diskutieren. Wer tatsächlich Veränderungen auf den Weg bringen will, der kann auch etwas verändern. Das sehen wir z. B. am Indikator „An teil der Regierungschefinnen, Ministerinnen und Senatorin nen“. Da spielt Baden-Württemberg nach dem politischen Wechsel und der Regierungsübernahme von Grün-Rot bun desweit in der ersten Liga mit einer Zunahme um 20 % ge genüber Schwarz-Gelb.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Neue Kul tusministerin!)
Vergleichbares gilt für den Frauenanteil in den Bereichen Staatssekretäre, Staatsräte und Ministerialdirektoren: auch hier ein Plus von 13 %.
Beim Frauenanteil in den Verwaltungspositionen von Land kreisen und kreisfreien Städten liegt Baden-Württemberg mit einem Frauenanteil von 2 % – ich wiederhole: 2 % – unter den Flächenländern an letzter Stelle.
Hier komme ich auf die Symbolik bei den Benennungen der Sitzungssäle zurück. Es gibt einfach kein ehernes Gesetz, ge mäß dem nur oder jedenfalls fast ausschließlich Männer eine Verwaltungskarriere machen können, die dann als Sprungbrett z. B. für die Position eines Landrats dient.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die grün-rote Koalition hat in diesem Bereich bereits einiges auf den Weg gebracht. Wei tere Verbesserungen und Änderungen wie z. B. beim Chan cengleichheitsgesetz werden folgen.
Zwei große Blockierer gibt es für eine bessere Chancengleich heit von Männern und Frauen: erstens das Argument „Das war schon immer so“ – das habe ich schon eingangs erwähnt – und zweitens die schwarz-gelbe Koalition im Bund.
Zum Betreuungsgeld ist in diesem Haus schon vieles gesagt worden. Aber im Vorfeld des Internationalen Frauentags will ich auch feststellen: Das Betreuungsgeld ist eine „Fernhalte prämie“ zum Fernhalten der Frauen von der Chancengleich heit mit den Männern. Deshalb ist im September 2013 eine neue Mehrheit im Bundestag dringend erforderlich.
Wer mit einem familien- und frauenpolitischen Bild des 19. Jahrhunderts im 21. Jahrhundert Politik machen will, der gehört definitiv in die Opposition. Da habe ich die Politik zu
den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften noch gar nicht im Blick. Auch hier zeigt sich eine erschreckende Rückständig keit.
Vor einem Jahr habe ich schon einmal Teile des Ersten Gleich stellungsberichts der Bundesregierung hier im Plenarsaal an gesprochen. Dieser Bericht ist jetzt fast zwei Jahre alt, und keine seiner zentralen Empfehlungen ist bisher vom Gesetz geber im Bund auch nur angedacht oder angegangen worden. Umgekehrt: Statt Fehlanreize in Bezug auf die Gleichstellung wie das Ehegattensplitting zu reduzieren, sind mit dem Be treuungsgeld und der Erhöhung der Einkommensgrenze für die Minijobs weitere hinzugekommen.
Bei der Quote für die Aufsichtsräte der börsennotierten Un ternehmen treten Merkel und Schröder auf die europapoliti sche Bremse. Kein absehbarer gesetzgeberischer Fortschritt bei einem allgemein verbindlichen Mindestlohn oder bei der Entgeltdiskriminierung – das ist die gleichstellungspolitische Bilanz einer abgehalfterten Bundesregierung; eine wahre Ka tastrophe.
Gerade zwei Tage vor dem Internationalen Frauentag müssen wir uns – wie jedes Jahr erneut – Gedanken machen, wie wir in dieser Entwicklung weiterkommen. Eine geschlechterge rechte Gesellschaft wird eine bessere Gesellschaft sein. Eine partnerschaftliche und gerechte Partizipation von Frauen und Männern in allen Bereichen unseres Lebens muss verwirk licht werden.
Frauen haben seit dem 19. Jahrhundert dafür gekämpft, sich aus der Abhängigkeit von Männern zu befreien. Mit Beginn der Frauenbewegung wurden die Ziele klarer, und die Frauen begannen, sich aus den Rollenmustern zu lösen und sich zu verändern. Hieß es noch um 1866, die Frau sei für die Fami lie und die Hausarbeit zuständig
und müsse Gemütlichkeit und Poesie im heimischen Leben schaffen, forderten gleichzeitig die ersten Frauen schon glei chen Lohn für gleiche Arbeit. Wir wissen, Letzteres haben wir Frauen noch immer nicht erreicht. Eine gerechte Aufteilung der Familienarbeit, eine gerechte Bezahlung, gleiche Karri erechancen sind noch immer nicht in Sicht.
Die Philosophin Frigga Haug zeichnete den Entwurf einer an deren geschlechtergerechten Gesellschaft und forderte den 16-Stunden-Tag für alle. Das würde für Frauen wie auch für Männer bedeuten, vier Stunden für die Lohnarbeit aufzubrin gen, vier Stunden für Reproduktion und Familienarbeit
(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sehr interessan ter Vorschlag! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Und das täglich! – Weitere Zurufe – Unruhe)
das kommt nicht von mir; das kommt von Frigga Haug –, vier Stunden für Bildung und Kulturarbeit sowie vier Stunden für politische Partizipation.
Auch wenn die Aufteilung des Tages nach diesem Prinzip sehr schwierig scheint, geht es im Kern doch darum, dass sich