Sabine Wölfle
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Herr Staatssekretär, ich habe hier die Evaluation vorliegen. Darin fand ich einen Punkt ganz be sonders wichtig. Es wurde festgestellt, dass es keinen syste matischen Zugang zu den Betrieben gibt.
Ist infolge der Evaluation ein Gesamtkonzept für die Kontakt stellen entwickelt worden, sich auch verstärkt mit den Betrie ben vor Ort zu vernetzen, um eine Arbeitsebene zu finden?
Ich habe noch eine kurze Nachfra ge. Sie hatten gerade die Koordinierungsstellen angesprochen, Herr Staatssekretär. Da lief eine Ausschreibung für die Ser vice- und Koordinierungsstellen. Können Sie kurz noch ein mal sagen, wie die Ausschreibung verlaufen ist?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute verabschieden wir in zweiter Lesung das Chancengleichheitsgesetz, und damit geht Baden-Württem berg in der Frauenpolitik wieder einen kleinen Schritt nach vorn.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ha ben in der ersten Lesung und jetzt gerade leider auch wieder klargemacht, dass Sie dieses Gesetz ablehnen. Frau Kollegin Gurr-Hirsch hat gemeint, es gehe in ihren Augen nicht weit genug.
Der Protest des Gemeindetags wurde auch Ihnen zugestellt, und Sie haben ihn auch dankbar aufgenommen, damit die an gebliche Überflüssigkeit noch einmal bestätigt wird. Aber was hat denn der Gemeindetag tatsächlich mit dem Gesetz zu tun? Den betrifft es ja faktisch überhaupt nicht.
Er fordert sogar noch, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Das werden wir natürlich nicht tun. Denn wir berufen uns auf et was sehr Wichtiges, nämlich auf den grundgesetzlichen Auf trag. Ich würde diesen gern noch einmal zitieren. In Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es:
Der Staat
und damit auch die Gemeinden und Kreise –
fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberech tigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Besei tigung bestehender Nachteile hin.
De facto kann in Baden-Württemberg aber noch nicht von Gleichstellung gesprochen werden.
Unsere Sozialministerin Katrin Altpeter hat nach mühevollen und auch zähen Verhandlungen ein Gesetz vorgelegt, welches zumindest einmal einen Fortschritt bedeutet.
Ihre Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Oppositi on, und auch die des Gemeindetags sind ein weiterer Beweis eines – so muss ich sagen – antiquierten Frauen- und Gesell schaftsbilds, welches nach wie vor Frauen, die immerhin 51 % unserer Gesellschaft ausmachen, benachteiligt.
Es ist klar: Mit diesem Gesetz schaffen wir neue Regeln, die sich in erster Linie an die Dienststellenleitungen richten. Sie haben sicherzustellen, dass Frauen und Männer im öffentli chen Dienst Baden-Württembergs die gleichen Aufstiegschan cen haben, dass Frauen und Männer Elternzeiten und Freistel lungen für die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger neh men können und deshalb auch in Teilzeit arbeiten können, oh ne auf das berufliche Abstellgleis zu kommen, dass Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten haben, z. B. Weiter bildungsangebote wahrzunehmen, und letztlich dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, in Führungspositi onen zu kommen, und – diesen Satz sage ich jetzt wirklich mit Nachdruck – dass sie dort auch willkommen sind.
In der Vergangenheit – das sagen uns die Kennziffern – klapp te das aber nicht wirklich gut. Um es deutlich zu sagen: Ba den-Württemberg trägt nach 57 Jahren konservativ geprägter Regierung bei der Gleichstellung im öffentlichen Dienst die rote Laterne unter den Bundesländern.
Ich will Ihnen nachfolgend aufführen, wo die Schwachpunk te liegen und warum es da nach unserer Auffassung Hand lungsbedarf gibt.
Ein Thema war besonders umstritten, und deswegen möchte ich noch einmal die Rolle der Beauftragten für Chancengleich heit in den Gemeinden und kreisfreien Städten genauer be leuchten: Fast zwei Drittel aller Beschäftigten in den Gemein den sind Frauen. Selbst bei den Vollzeitäquivalenten beträgt ihr Anteil 60 %. Mehr als zwei Drittel der Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg und Kehl sind Frauen. Jetzt kritisiert der Ge meindetag unseren Gesetzentwurf und schreibt uns, die Ge meinden hätten mit der Gleichstellung gar kein Problem, in den Gemeinden seien ja 40 % der Leitungsstellen direkt un ter den Bürgermeistern und weiteren Wahlbeamten mit Frau en besetzt.
Ja, 40 % hört sich zunächst nicht schlecht an. Aber wenn man berücksichtigt, dass der Frauenanteil auf der Ebene darunter deutlich höher ist, dann ergibt sich, dass Frauen nicht zehn Prozentpunkte zu einer gleichmäßigen Vertretung auf dieser Leitungsebene, sondern tatsächlich 25 Prozentpunkte fehlen.
Wir haben uns einmal die Leitungsstellen direkt unter den Oberbürgermeistern und weiteren Wahlbeamten in den Städ ten ab 50 000 Einwohnern angesehen. Ich zeige Ihnen jetzt einmal eine Statistik, die aufzeigt, wie Frauen und Männer dort in den einzelnen Stellen vertreten sind.
Da sehen Sie: Blau sind alles Männer, und Rot sind die Frau en.
Ja, genau. Man hätte auch Hellblau und Rosa nehmen können.
Nein, keine Zwischenfrage.
Also: Diese Statistik zeigt, wie Frauen und Männer dort bei den Leitungen der großen Ämter – also Stadtkämmerei, Haupt amt, Ordnungsamt, Bauamt, Sozialamt usw. – vertreten sind. Das sind übrigens in der Regel Stellen, die mit A 14 oder auch deutlich höher bewertet werden. Auf der Säulendarstellung sieht man sehr viel Blau, welches die Männer kennzeichnet, und sehr wenig Rot, was für die Frauen steht. In drei der Städ te in Baden-Württemberg über 50 000 Einwohnern sind sogar ausschließlich Männer Leiter der großen Ämter.
Insgesamt sind 300 Leitungsstellen mit Männern und 67 Lei tungsstellen mit Frauen besetzt. Damit beträgt der Anteil der Männer 82 % und der Anteil der Frauen nur 18 % – und das, wie gesagt, bei einem Anteil der Frauen auf der Ebene unter den Amtsleitungen von mehr als 60 %.
Jetzt komme ich mit meinem Text nicht mehr ganz durch. Ich möchte aber abschließend noch sagen: Wenn man sich einmal den Gesetzentwurf anschaut, der 2005 zu diesem Thema ein gebracht wurde, und zur Kenntnis nimmt, was Staatssekretä rin Lichy damals als Begründung genannt hat, dann muss man sagen: Es muss in Ihrem Sinn sein, dass wir das auch vollzie hen. Denn diese Anforderungen sind ganz klar definiert, und die versuchen wir zu erfüllen. Daher verstehe ich nicht, dass Sie den Gesetzentwurf ablehnen.
An dieser Stelle noch eine persönliche Bemerkung: Dies ist heute, wenn ich richtig gezählt habe, meine 30. und auch mei ne letzte Rede in dieser Legislaturperiode. Ich möchte mich bedanken für das faire Zuhören. Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir uns alle in gleicher Zusammensetzung im Mai wiedersehen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bullinger, vielleicht hätten Sie den
Lappen lieber liegen lassen, denn an Lob haben wir heute noch einiges in petto.
Ich könnte Sie jetzt passend zur Aktuellen Debatte alle auf fordern, sich ein bisschen zu bewegen; aber das passt natür lich nicht ganz zum Hohen Haus. Denn allein sieben Stunden verbringt der Durchschnittsdeutsche jeden Tag im Sitzen.
Da sind wir, glaube ich, ganz vorn mit dabei. Jeder Vierte ver bringt täglich sogar mehr als neun Stunden im Sitzen. Doch gesundheitlich geht es nur dann gut, wenn wir maximal sechs Stunden in dieser Körperhaltung verbringen und uns in der übrigen Zeit ausreichend bewegen.
Das zeigen verschiedene Studien wie beispielsweise die Be wegungsstudie der Techniker Krankenkasse „Beweg Dich, Deutschland!“ aus dem Jahr 2013. Es ist wissenschaftlich deutlich belegt: Wer viel körperlich aktiv ist, kann chronischen Erkrankungen vorbeugen. So reduziert regelmäßige modera te bis intensive körperliche Aktivität das Risiko der häufigs ten chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes Typ 2 oder verschiedener Krebserkrankungen.
Gesundheitsförderung und -erhaltung durch und im Sport ist daher ein sehr wichtiges Ziel unserer Sportpolitik. Wir wis sen: Die Sportorganisationen sind nicht ein reines Freizeitan gebot, sondern sie leisten einen wichtigen Beitrag für die Ge sundheitsförderung unserer Gesellschaft, indem sie eine breit gefächerte Palette von Kursen und Aktivitäten für Kinder, Ju gendliche, Erwachsene und ältere Menschen anbieten. Tau sende Menschen sind in Vereinen sportlich aktiv. Man erlebt im Verein Gemeinsamkeit, Zusammenhalt. Kinder und Ju gendliche werden zudem in ihrer sozialen Entwicklung geför dert. Wir wollen wieder mehr Kinder in die Vereine bringen, denn die voranschreitende Bewegungsarmut gibt Anlass zur Sorge.
Aber auch in einem anderen Bereich gewinnt der Sport zu nehmend an Bedeutung. Wo kann man am besten Integration erleben? Natürlich im Sport. Daher sind die Vereine wichtig, wenn es um die Integration von Flüchtlingen geht. Viele tol le Beispiele gibt es bereits, wo Vereine sehr engagiert junge Flüchtlinge integrieren und ihnen die Gelegenheit geben, Sport zu treiben.
Baden-Württemberg ist zudem auch ein Spitzensportland, und damit ist neben dem Freizeitsport natürlich auch der Leis tungssport ein wichtiger Grund, dem Sport ein besonderes Au genmerk zu schenken. Außerdem: Prävention durch Sport wird immer wichtiger, und das zu Recht.
All diese Beispiele zeigen auch, welch hohen gesellschaftli chen Wert der organisierte Sport hat, der daher natürlich auch angemessen gefördert werden muss, um mit guten Konzepten auf die Herausforderungen der Zukunft Antworten geben zu können. Sport in all seinen Facetten ist uns daher sehr wich tig, und deshalb trägt die Landesregierung dem auch ange messen Rechnung.
Gemeinsam mit dem Landessportverband haben wir im No vember dieses Jahres den Solidarpakt Sport bis 2021 verlän gert und das Fördervolumen massiv aufgestockt. In den Jah
ren 2017 bis 2021 erhält der Sport insgesamt 87,5 Millionen € zusätzlich.
Das bedeutet vor allem mehr Geld, mehr Unterstützung und mehr Akzeptanz für den Sport in unserem Land. An dieser Stelle vielen Dank an unseren Sportminister Andreas Stoch. Die Erwartungen des Sports waren hoch. Ich glaube, Sie konn ten sie erfüllen.
Lassen Sie mich nur einige zentrale Punkte herausgreifen.
Erstens: Wir stärken die Sportvereine und die im Breitensport aktiven Bürgerinnen und Bürger. Wir haben die Übungsleiter pauschale erhöht von 1,80 € auf 2,50 € ab dem Jahr 2017. Dies war – jetzt einmal gut aufpassen – das erste Mal seit den Sech zigerjahren.
Und wer hat in all den Jahrzehnten regiert? Sie. – Damit schenken wir endlich auch den vielen Ehrenamtlichen im Breitensport die ihnen gebührende Aufmerksamkeit.
Zweitens: Für Maßnahmen im kommunalen Sportstättenbau stehen jedes Jahr 5 Millionen € zusätzlich zur Verfügung. Au ßerdem haben wir ein einmaliges Sonderprogramm in Höhe von 20 Millionen € aufgelegt. Damit kann der Abbau des An tragsstaus im Vereinssportstättenbau angegangen werden.
Damit nicht genug. Es gibt weitere Maßnahmen: 12,5 Milli onen € zusätzlich für den Leistungssport, 8,5 Millionen € zu sätzlich für die Sportschulen, 5 Millionen € mehr für integra tive und inklusive Maßnahmen, davon 3,5 Millionen € für den Breiten- und Freizeitsport und 1,5 Millionen € für den Schul sport, 4 Millionen € für das Format FSJ Sport und Schule, 2,5 Millionen € zusätzlich für die Stärkung der Wander- und Ret tungsdienstorganisationen und noch einmal 0,5 Millionen € für die Förderung weiterer Fanprojekte. Ich finde, das ist ei ne gehörige Liste, die sich sehen lassen kann.
Aber ich bin noch nicht am Ende. Zur Ertüchtigung der ver bandseigenen Schulungsstätten sind ab 2017 jährlich 0,5 Mil lionen € und damit insgesamt 2,5 Millionen € vorgesehen. Für die Förderung der 2019 in Stuttgart stattfindenden Turnwelt meisterschaft werden 2 Millionen € bereitgestellt. Die Lan desregierung setzt sich dafür ein, die bereits im Staatshaus haltsplan 2015/2016 für 2016 veranschlagte Erhöhung des Programmvolumens für den kommunalen Sportstättenbau auf 17 Millionen € ab 2017 beizubehalten.
Der Solidarpakt ist aber nicht das einzige Merkmal guter grünroter Sportpolitik. Neben dem Solidarpakt gibt es weitere Er gänzungen im Sportbereich, die ich auch erwähnen möchte. Wir haben uns des Themas „Schwimmen in der Schule“ an genommen. Immer weniger Grundschulkinder können schwim men. Aus diesem Grund hat das Kultusministerium mit „Schwimmfix“ ein Programm auf den Weg gebracht, welches
sich besonders um Nichtschwimmer kümmert. Das bedeutet: Neben dem regulären Schwimmunterricht bekommen Kinder, die noch nicht schwimmen können, Unterricht von Schwimm fix-Experten und können damit beim Eintritt in die nächste Schule schwimmen. Unser Ziel: Kein Kind darf die Grund schule als Nichtschwimmer verlassen.
Aber auch der Spitzensport steht im Fokus. Die Landesregie rung fördert Ausbildungsplätze für Spitzensportler bei der Landespolizei mit insgesamt 500 000 € im Doppelhaushalt 2015/2016. Mit dem Gesamtkonzept Leistungssport ermög licht das Kultusministerium künftig Schülerinnen und Schü lern der Elite- und Partnerschulen des Sports, ihre sportliche Karriere im Leistungssport besser mit den schulischen Aus bildungen zu vereinbaren.
Und zu guter Letzt: Mit dem neuen Bildungsplan 2016/2017 kommen deutliche Verbesserungen vor allem durch den an wachsenden Ganztagsbereich. Der Entwurf zeigt, dass Kin der künftig mehr Bewegung in der Schule haben werden.
Sport ist ein zentrales Thema dieser Landesregierung. Das möchte ich abschließend auch noch an folgender Zahl festma chen. Nicht nur das Kultusministerium gibt mit 8 Millionen € mehr für Sport aus als die Vorgängerregierung. Auch andere Ministerien beteiligen sich: das Innenministerium mit 500 000 €, das Sozialministerium mit 35 000 € und das Integrationsmi nisterium mit 80 000 €. Das sind rund 9 Millionen € mehr als bei Schwarz-Gelb plus die Erhöhung des Solidarpakts. Damit ist der Sport noch nie besser gefördert worden als von der jet zigen, grün-roten Landesregierung.
Ich bin nun sehr gespannt, was die Kollegen der Opposition zu all diesen Maßnahmen und Ausgaben sagen. Aber eigent lich gibt es nur einen Satz: Der Sport ist bei Grün-Rot in den besten Händen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2005 hat Baden-Württemberg das Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württem berg, vormals Chancengleichheitsgesetz.
Liebe Frau Kollegin Gurr-Hirsch, Sie haben es ja auch nicht „Frauengleichstellungsgesetz“ oder „Frauengesetz“ genannt. Warum haben Sie das damals nicht gemacht?
Ja, ja. Aber Sie haben es damals auch nicht gemacht, wahr scheinlich aus ganz ähnlichen Gründen.
In der Zielsetzung des Gesetzes stand 2005 der Verfassungs auftrag nach Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes deutlich formuliert. Demnach ist die Durchsetzung der Gleichberech tigung von Frauen und Männern in den Landesbehörden und in den im Gesetz benannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen zu fördern.
Die berufliche Förderung von Frauen – und, liebe Kollegin nen und Kollegen, nicht weil sie Frauen sind, sondern selbst verständlich unter Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung – steht dabei zentral im Fokus wie na türlich auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gleicher maßen auch für Männer wie für Frauen.
Seit 2005 haben wir nun also ein solches Gesetz. Darin ist festgeschrieben, dass das Sozialministerium alle fünf Jahre bilanziert und dem Landtag über den aktuellen Stand berich tet. Eine Bilanz soll aber immer auch Grundlage sein, Nach besserungen zu überlegen, nachzusteuern oder auch neue Maßnahmen zu ergreifen, um das Ziel des Gesetzes zu errei chen.
Der Bilanzbericht 2015 für die Jahre 2009 bis 2013 zeigt deut lich auf, dass mehr Frauen als Männer in der Landesverwal tung beschäftigt sind.
In den Kommunalverwaltungen haben wir mehr als Parität er reicht, und das ist erst einmal erfreulich.
Nun sagt die Anzahl der weiblichen Beschäftigten aber nicht wirklich etwas aus. Entscheidend ist die Frage, wo genau, auf welcher Ebene sich die Frauen befinden. Genau hier zeigt der Bericht, dass sich der Frauenanteil in sämtlichen Laufbahn gruppen erhöht hat. Im höheren Dienst hat er sich um fast fünf Prozentpunkte erhöht. Das sind aber durchschnittliche Anga ben. Schaut man sich die Geschäftsbereiche der einzelnen Mi nisterien einmal genauer an, ergibt sich ein differenziertes Bild. So haben wir z. B. bei den höheren Positionen im öffent lichen Dienst in Baden-Württemberg unter den hauptberufli chen Professorinnen und Professoren an den Hochschulen ei nen Frauenanteil von 19 %, unter den leitenden Ärztinnen und Ärzten an unseren Kliniken 9 %.
Natürlich hat das Kultusministerium mit 68,3 % den höchs ten Anteil an Frauen. Aber Häuser wie das MWK, das IM, das UM und das MVI liegen zwischen 30 und 40 %. Dafür gibt es sicher Erklärungen, aber schlussendlich geht es auch dar um, wie sich Frauen in allen Geschäftsbereichen auf sämtli chen Ebenen wiederfinden.
In den obersten Landesbehörden sind Frauen z. B. im höhe ren Dienst eindeutig unterrepräsentiert. Allerdings gibt es hier eine steigende Tendenz. 2009 lag der Anteil noch bei 25,7 %, aktuell liegen wir bei 33 %.
Bei den Positionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben hat sich der Frauenanteil deutlich erhöht. Aber es ist auch fest zustellen, dass sich die Unterrepräsentanz von Frauen steigert, je höher die Besoldungsgruppe ist.
Genau aus diesem Grund wollten wir das Gesetz novellieren, um weitere Maßnahmen zu ergreifen, um das Gesetz weiter zuentwickeln.
Geschätzte Kollegin Gurr-Hirsch, Sie haben gesagt, wir sei en als Tiger gestartet. Ich möchte einfach einmal bemerken: 2011 war dieser Tiger eine klitzekleine Miezekatze – wir sind nämlich von ganz unten gekommen, wir waren Schlusslicht, wir hatten die rote Laterne –, und in fünf Jahren kann man aus einer kleinen Miezekatze wirklich keinen Tiger machen.
Auch der Bund hat das Thema im Auge. Mit dem Bundesgre miengesetz und dem Bundesgleichstellungsgesetz wird auch dem grundgesetzlichen Auftrag Rechnung getragen. Deshalb ziehen wir, das Land, nach und steuern auf der Grundlage des bisherigen Gesetzes des Landes da nach, wo Handlungsbe darf besteht.
Einen Punkt möchte ich aber trotzdem vorab erwähnen, weil er in den vergangenen Jahren immer wieder eine zentrale For derung der Chancengleichheitsbeauftragten war: die Beteili gung der BfC an wieder oder erstmals zu besetzenden Stel len. Es geht also nicht nur um die kommunalen Frauenbeauf tragten, sondern es sind im Gesetz natürlich auch noch eini ge Punkte mehr enthalten. Ich finde diese Beteiligung wich tig, denn sie garantiert Transparenz im Verfahren und bedeu tet damit Sicherheit für die Bewerberinnen.
Schauen wir uns einmal den Bund an. Im Gesetzentwurf zum Bundesgleichstellungsgesetz der jetzigen Bundesregierung – bestehend aus CDU, CSU und SPD – steht ganz klar drin: Es ist gesellschaftspolitisch nicht zu erklären, dass Frauen, die über 50 % der Bevölkerung Deutschlands ausmachen, nach einer gut abgeschlossenen Ausbildung nur zu einem sehr ge ringen Teil in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft und Verwaltung vertreten sind.
Vor diesem Hintergrund besteht zwingender politischer Hand lungsbedarf, wenn der verfassungsrechtliche Auftrag zur gleich berechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungs positionen erfüllt werden soll.
Ich möchte an dieser Stelle unserer Sozialministerin Katrin Altpeter danken. Ich weiß, dass die Novellierung des Chan cengleichheitsgesetzes das Bohren dicker Bretter war. Sie ist hartnäckig geblieben. Wir wissen, es liegt noch eine Wegstre cke vor uns. Sie hat eben auch gesagt: Wir sind noch nicht am Ende, sondern erst in der Mitte des Weges. Der Bund geht hier vor allem mit dem SPD-geführten Teil der Bundesregierung voran. Wir, die Länder, werden und müssen diesem Beispiel folgen. Wir sollten es vor allem aus voller Überzeugung tun.
Guten Morgen. Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Vor 40 Jahren verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Erklä rung über die Rechte der Menschen mit Behinderung – oder vielmehr damals wortwörtlich „die Rechte der Behinderten“. Diese Erklärung war ein wichtiger Vorreiter für das Überein kommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention. Schon da mals galt die Eingliederung in das normale Leben als Ziel. Es ging um gleiche Rechte, es ging auch darum, dass Menschen mit Behinderungen ihren Wohnsitz weitestgehend frei wäh len können und vor Diskriminierung zu schützen sind, An sprüche auf rehabilitierende Maßnahmen haben und vieles, vieles mehr.
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rech te von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006, das Ende 2008 auch den Weg in das Bundesgesetzblatt fand, hat noch einmal vieles in eine moderne Sprache und in ein modernes Rechtsverständnis gebracht. Aus 13 Abschnitten im Jahr 1975 wurden im Jahr 2006 50 Artikel, und das Wort „In klusion“ wird jetzt durch die Behindertenrechtskonvention durchdekliniert. Nun gilt die UN-Behindertenrechtskonven tion als Wegweiser für das politische Handeln der grün-roten Landesregierung.
Während vor ziemlich genau fünf Jahren hier im Landtag jeg licher Änderungsbedarf am Landes-Behindertengleichstel lungsgesetz abgelehnt wurde, hat mein Vorgänger in der Funk tion des behindertenpolitischen Sprechers in meiner Fraktion, Wolfgang Wehowsky, schon damals eingefordert, die UN-Be hindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg konsequent 1 : 1 umzusetzen.
Bei uns sind es aber keine Oppositionsforderungen mehr. Wir haben in der Behindertenpolitik gemeinsam mit den Betrof fenen sehr viel umgesetzt. Wir haben eine wesentliche Erwei terung des Landes-Behindertengleichstellungsgesetzes durch gesetzt. Dabei wurden der Umgang der Behörden des Landes und der Kommunen in Baden-Württemberg mit Menschen mit Behinderungen neu geregelt, verbindliche Beteiligungspro zesse auf der Landesebene fixiert und die Landkreise und kreisfreien Städte zur Einsetzung von unabhängigen Behin dertenbeauftragten mit festgelegten Rechten und Aufgaben verpflichtet.
Mit der Änderung der Landesbauordnung wurde verpflich tend mehr Barrierefreiheit beim Wohnungsneubau definiert.
In neu gebauten Wohngebäuden mit mehr als zwei – statt bis her vier – Wohnungen müssen jetzt die Wohnungen eines Ge schosses barrierefrei sein.
Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus haben wir wieder in Gang gesetzt und enorm ausgeweitet. Viele der schwerbe hinderten Menschen gehören dort zum bevorzugten Personen kreis. Für die Fälle, in denen das Wohnen in einer eigenen Wohnung nicht möglich ist oder nicht gewünscht wird, för dern wir massiv den Bau von dezentralen, gemeindenahen und innovativen Wohnangeboten als Alternative zum Wohnen in den bestehenden großen Einrichtungen.
Zudem haben wir die Gründung von ambulant betreuten Wohn gemeinschaften außerhalb der Heime gesetzlich geregelt und damit zugelassen.
Mit den großen Trägern der Behindertenhilfe in Baden-Würt temberg haben wir uns mit dem Gültstein-Prozess auf den Weg der Konversion gemacht. Mit dem neuen PsychischKranken-Hilfe-Gesetz haben wir eines der fortschrittlichsten Gesetze dieser Art beschlossen.
Dabei haben wir vor allem das Zusammenspiel der Akteure vor Ort und den Schutz vor unangemessenen Zwangsunter bringungen und Zwangsbehandlungen neu geregelt sowie die Rechtsstellung psychisch kranker oder behinderter Personen gestärkt.
Die finanzielle Förderung der sozialpsychiatrischen Dienste in den Kommunen haben wir gegenüber dem Ansatz der al ten Koalition verdoppelt und auch gesetzlich verankert.
Im Bereich der schulischen Inklusion haben wir jetzt eine Schulgesetzänderung statt eines äußerst gering ausgestatteten
Modellversuchs von Schwarz-Gelb. Ein qualifiziertes Eltern wahlrecht ersetzt die bisherige Sonderschulpflicht. Eltern ha ben einen Rechtsanspruch, neben der Sonderschule auch ein Schulangebot an einer allgemeinbildenden Schule für ihr Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf wählen zu dürfen.
Allerdings: Wir finden es richtig, dass Menschen mit Behin derungen nun die Wahl haben, ob sie eher eine ambulante Form des Wohnens und der Betreuung für sich selbst für an gemessen halten oder nicht doch die umfassende Hilfe in ei ner großen Einrichtung der Behindertenhilfe bevorzugen.
Dasselbe gilt natürlich auch für die Schulform. Für manche Kinder wird die Sonderschule vielleicht die bessere Wahl sein. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir ermöglichen jetzt eine Wahl, und vor Grün-Rot war dies kaum vorstellbar.
Ganz wichtig für mich sind auch die Maßnahmen zur Integ ration in den Arbeitsmarkt, etwa die Programme „Ausbildung Inklusiv“, „Arbeit Inklusiv“ und die „Aktion 1000“, oder die Verbesserungen beim Arbeitsschutz, welche insbesondere psy chische Erkrankungen oder jedenfalls deren Verschlechterung vermeiden sollen.
Last, but not least: Wir haben mit Gerd Weimer einen unab hängigen Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen eingesetzt.
Als Nichtregierungsmitglied ist er unabhängig und weisungs ungebunden. Er überwacht die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf allen staatlichen Ebenen. Außerdem fungiert er als Beschwerde- und Qualitätssiche rungsstelle für behinderte Menschen und deren Verbände.
Lieber Gerd Weimer – ich weiß, er hört gerade zu –, Sie ha ben in den letzten viereinhalb Jahren viel bewegt. In zahllo sen Gesprächen und Veranstaltungen waren Sie den Menschen mit Behinderungen ein verlässlicher Ansprechpartner. Wenn Menschen mit Behinderungen jetzt nicht mehr mit dem Slo gan „Nicht ohne uns über uns“ protestieren, dann ist das auch ein Ergebnis Ihrer Arbeit. Dafür möchte ich Ihnen auch in die sem Haus den Dank meiner Fraktion und auch meinen per sönlichen Dank aussprechen.
Die vorher beispielhaft genannten Punkte und vieles mehr ha ben wir in unserem Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention niedergelegt – ein wirklich umfassendes Werk, sehr interessant und eine gute Grundlage. Da geht es weiter um die Inklusion im Rechtswesen, in der vorschulischen, schulischen und außerschulischen Bildung, im Gesundheitswesen, im Arbeitsmarkt, im Verkehr, beim Sport und im Tourismus und – nicht zu vergessen – auch bei dem Thema „Gesellschaftliche und politische Teilhabe“. In
diesem Plan steht auch, dass noch vieles getan werden muss, um die Inklusion wirklich zu erreichen. Wir konnten 2011 nicht einen Schalter umlegen, womit alles erledigt gewesen wäre. Das klappt weder finanztechnisch noch beim Personal oder beim barrierefreien Bauen, und schon gar nicht klappt es in unser aller Köpfe.
Deshalb finde ich es wichtig, dass wir bei den Kindern ange fangen haben. Für viele Kinder ist es selbstverständlich, dass behinderte und nicht behinderte Kinder zusammen aufwach sen, dass sie in denselben Kindergarten gehen, in dieselbe Schule gehen können, in den außerschulischen Bildungsan geboten zusammen sind und sich auch später in der Berufs ausbildung oder im Studium begegnen. Diese Maßnahmen ha ben wir deutlich ausgebaut.
Ich will auch noch ein paar Beispiele für Maßnahmen nennen, die wir noch nicht geschafft haben, die wir aber auf unsere Agenda gesetzt haben. Wir wollen für Menschen mit Behin derungen, die gerade nicht für eine Ausbildung infrage kom men und für die bisher nur der Weg in die Werkstatt blieb, Möglichkeiten einer Teilqualifizierung in Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern schaffen. Wir wollen mehr Menschen mit Behinderungen als bisher von Beginn ih rer beruflichen Karriere an als Beamte im Landesdienst be schäftigen. Wir wollen Menschen mit Behinderungen den Zu gang zu Denkmälern erleichtern. Ich bin sehr froh, dass das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft meinen Vorschlag dazu aufgegriffen hat und eine Reihe von Umsetzungsmaß nahmen erarbeiten wird.
Zum Abschluss: Lieber Herr Präsident, dieses Rednerpult und der Weg zu Ihrem Sessel und zum Sessel des Ministerpräsi denten sind natürlich nicht für Rollstuhlfahrer geeignet. Ich gehe ganz fest davon aus, dass sich dieses Thema mit dem Umzug in das renovierte Landtagsgebäude erledigen wird.
Vielleicht wird es noch etwas dauern, bis wir einmal eine Landtagspräsidentin haben oder bis eine Präsidentin oder auch ein Präsident mit einem Rollstuhl hereinfährt. Aber wir haben jetzt schon viele Besuchergruppen mit Rollstuhlfahrern. Die sen will ich in Zukunft auch das Angebot machen können, ganz normal am Rednerpult zu sprechen oder einmal auf dem Platz des Landtagspräsidenten oder des Ministerpräsidenten zu sein.
Baden-Württemberg ist dank grün-roter Regierung auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft. Ich freue mich darauf, wenn meine Funktion als behindertenpolitische Sprecherin ei nes Tages nicht mehr notwendig sein wird und wir alle mit großer Selbstverständlichkeit in unserer Vielfalt und indivi duellen Einzigartigkeit miteinander ohne Barrieren leben kön nen.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Anmerkungen möchte ich gern noch machen.
Herr Haußmann, wir brauchen keine Belehrung darüber, dass es „Menschen mit Behinderungen“ heißt. Der Titel der Aktu ellen Debatte bezieht sich auf den Originaltext vor 40 Jahren. Damals haben die Vereinten Nationen die Erklärung über die Rechte der Behinderten verabschiedet. Ich habe in meiner Ein gangsrede erwähnt: Später wurde daraus die UN-Behinder tenrechtskonvention, das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Unser Titel bezieht sich also auf den Originaltext.
Kollege Raab, ich kann Sie leider zu zwei Punkten nicht ver schonen. Sie haben soeben gesagt, Sie hätten im Ausschuss verhindert, dass wir die Investitionskostenrichtlinien ausge setzt haben. Das stimmt so nicht.
Ja. – Nichtsdestotrotz haben wir die Förderrichtlinien hin zu mehr Inklusion geändert. Danach ist erst einmal noch nach dem alten Prinzip ausgezahlt worden, weil wir in der Zwi schenzeit mit den Einrichtungen sprechen mussten.
Ja, das kam aber eben doch ein bisschen anders rüber.
Als Letztes noch: Sie haben gesagt, der Staatenbericht zur Umsetzung beinhalte sechs Zeilen positive und zig Seiten ne gative Aspekte. Die negative Bewertung basierte aber auf der Kritik, dass es zu wenig ambulante Wohnformen und zu vie le Sonderschulen statt Inklusion gibt. Beides haben wir in Ba den-Württemberg anders gemacht.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Herr Dr. Lasotta, ich weiß, auch Sie rin gen um gute Politik in der Integration. Wir haben da viele Ge meinsamkeiten. Ich finde es schade, dass wir hier kein Ein vernehmen herstellen können, obwohl wir eigentlich doch in vielen Punkten einer Meinung sind.
Integration ist eine Herausforderung für die gesamte Gesell schaft. Sie braucht aber klare Leitplanken, um gelingen zu können. Genau das will dieses Gesetz erreichen. Wenn wir Menschen mit unterschiedlichen Religionen und Kulturen in unsere Mitte holen wollen, dann gelingt das nur, wenn wir dis kriminierungsfreie Zugänge in alle Bereiche der Gesellschaft bekommen. Da, wo Integration vernachlässigt wird, entste hen Problemfelder, genau die, die wir kennen, die wir tatsäch lich jeden Tag aktuell mit Schrecken sehen können.
Es geht eben nicht um die Frage, wie die Aufnahmegesell schaft ihre Werte als Leitkultur gegenüber Migranten definiert, sondern es geht darum, wie wir gemeinsam im Sinne unseres Grundgesetzes hier leben können. Genau deshalb ist das Ge setz zur Verbesserung von Chancengerechtigkeit und Teilhabe
in Baden-Württemberg kein überflüssiges Gesetz und schon gar kein Zeichen von Symbolpolitik.
Die Anhörung in der vergangenen Woche im Ausschuss ergab ein differenziertes Bild. Es ist natürlich klar, Herr Dr. Lasot ta, dass Sie jetzt die negativen Beispiele benannt haben. Ich habe das aus meiner Sicht anders wahrgenommen. Es gab na türlich Kritik, aber auch Zustimmung und auch Verwunde rung, warum die Opposition hier Ablehnung signalisiert. Es gab Anregungen, die wir jetzt – das hat der Kollege Lede Abal gerade gesagt – per Änderungsantrag hier noch einfließen las sen.
In der Anhörung begrüßte die Liga der freien Wohlfahrtspfle ge, dass es künftig feste Richtlinien und Grundsätze geben soll, ebenso klare Zuständigkeiten, und dass die Förderung der interkulturellen Öffnung in der Verwaltung als Ziel defi niert wird.
Der Vertreter der katholischen Kirche begrüßte ebenso das Gesetz vollumfänglich und betonte sogar, dass es damit eine sinnvolle Antwort geben würde auf die aktuellen gesellschaft lichen Herausforderungen und Umbrüche. Die Kirchen unter stützen das Gesetz nicht nur, sie halten es sogar für unverzicht bar.
Interessant war der Hinweis des Vertreters der Kirche auf die Stellungnahmen der Vertreter der Wirtschaft. Diese argumen tierten, dass vieles im Gesetz bereits gängige Praxis sei und man z. B. Beurlaubung an religiösen Feiertagen nicht infrage stellen würde. Der Vertreter der Kirche sagte aber zu Recht, dass das Gesetz eine Art Appellfunktion darstelle, um positi ve Verhaltensziele verbindlich zu definieren.
Genau das ist der Kern dieses Gesetzes. Auch wenn es vor Ort vielleicht auch ohne Gesetz geregelt werden konnte, gab es doch keine Rechtssicherheit. Gerade jetzt, wo durch den Ter ror von extremistischen Gruppen die Gesellschaft Gefahr läuft, die unter uns lebenden Muslime kritischer, ja auch ängst licher zu betrachten, darf es nicht dazu kommen, dass wir uns in eine Art Klassengesellschaft aufteilen und die Spaltung un serer Gesellschaft befördert wird.
Wie fragil diese Stimmung ist, wurde gerade gestern Abend in einer ZDF-Sendung klar. Sie nannte sich: „Wie viel Islam verträgt Deutschland?“ So wächst angesichts der Flüchtlings krise in Teilen der Bevölkerung die Angst vor dem Islam. Zu gleich aber – das finde ich erschreckend – fühlen sich viele bei uns lebende Muslime zunehmend verunsichert. 46,8 % sagten, sie fühlten sich nicht mehr als Muslime in Deutsch land akzeptiert, und 27,6 % der Befragten sagten, sie stimm ten gar nicht zu, akzeptiert zu werden.
Deswegen teile ich die von der Wirtschaft kritisierte Freistel lung bei muslimischen Feiertagen in keiner Weise. Natürlich mag es hier in den Betrieben in der Vergangenheit keine Pro bleme gegeben haben.
Aber wie begründen wir denn, dass – bedingt durch den Staats vertrag mit der Israelitischen Gemeinde – sieben jüdische Fei ertage rechtsverbindlich geregelt sind, ebenso die christlichen, und dass für beide weder eine gesetzliche Mitteilungsfrist noch ein Widerrufsvorbehalt vorgesehen ist? Die Widerruf
barkeit aus betrieblichen Gründen gilt ja auch für Christen und Juden. Warum soll das Gesetz hier bei Muslimen in der For mulierung anders sein? Würden wir für Muslime eine Aus nahme machen, wäre dies eine klare Diskriminierung.
Wir wollen eine weltoffene und tolerante Gesellschaft in Ba den-Württemberg. Das sind wir den über 1,2 Millionen Men schen mit ausländischen Wurzeln einfach schuldig.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines deutlich sagen: Der islamistische Terror hat ein Ziel: die westliche Gesellschaft zu spalten und die Muslime ins Abseits zu stellen. Ziel ist es, dass Muslime sich diskriminiert fühlen sollen und damit an fällig werden für islamistische Gruppierungen. Je besser wir Integration und Teilhabe gestalten, desto mehr fühlen sich Muslime und auch Aleviten als Teil dieser Gesellschaft und tragen dazu bei, dass wir zusammenhalten und uns mit Tole ranz und Menschlichkeit begegnen. Dazu gehört ganz klar, dass wir keine sogenannte Leitkultur brauchen. Wir brauchen nur einen einzigen Leitfaden, und das ist unser Grundgesetz.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Es gibt Gesetze, die noch nie so wichtig waren wie heute.
Das Partizipations- und Integrationsgesetz – das ist ja ein Kernstück des Gesetzes zur Verbesserung von Chancenge rechtigkeit und Teilhabe – kommt zur richtigen Zeit, nämlich genau jetzt, da wir auch durch die Flüchtlinge, die zu uns kom men, sicherlich noch einmal einen höheren Anteil an Men schen mit Migrationshintergrund haben werden. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir all diese Menschen gut in die Gesellschaft, in das Arbeitsleben, ins Bildungssystem usw. hi neinführen können.
Ich möchte zur Erinnerung einmal Artikel 3 unseres Grund gesetzes zitieren:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstam mung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politi schen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt wer den.
Genau dieser wichtige Artikel unseres Grundgesetzes muss auch gelebt werden. Das braucht klare Rahmenbedingungen, und die werden mit dem vorliegenden Gesetz auch ergänzend geschaffen.
Worum geht es? Von den über 10,6 Millionen Einwohnern Ba den-Württembergs haben rund 2,8 Millionen Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund. Das sind 27 %. Damit liegen wir über dem bundesweiten Durchschnitt von 19,7 %. Wir sind also damit gemeinsam mit Hessen das Bundesland, welches den größten Anteil an Migrantinnen und Migranten hat. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich die Zahl weiter nach oben bewegen wird, und wir reden hier über Menschen, die bei uns dauerhaft leben, arbeiten und sich in vielfältiger Art und Weise ehrenamtlich oder vielleicht auch politisch be teiligen werden.
Für das Gesetz hat sich das Integrationsministerium die Ex pertise durch ein Rechtsgutachten geholt und hat nach ver gleichbaren Regelungen auch in anderen Bundesländern ge schaut. Die Frau Ministerin hat es schon gesagt: Es gibt be reits in zwei Bundesländern eine solche Regelung. In Bayern gab es einen Entwurf, der allerdings von der CSU abgelehnt wurde.
Dieses Gutachten zeigt explizit auf, wo bzw. an welcher Stel le Handlungsbedarf für uns besteht. Die CDU hier im Land tag hat im Vorfeld nicht nur dieses Gutachten infrage gestellt, nein – das haben wir gerade leider vom Kollegen Lasotta ge hört –, auch das Gesetz selbst wird als unnötig erachtet. Man schoss sich auf diese Expertise ein, statt sich mit der Notwen digkeit des Gesetzes tatsächlich zu befassen. Das zeigt doch sehr deutlich, wie wenig Sie, die CDU, das Thema Integrati on wirklich interessiert.
Sie haben jahrelang ausgeblendet, dass man den politischen Rahmen für Teilhabechancen, für einen gerechten Zugang zum Arbeitsmarkt und auch in unser Bildungssystem schaf
fen muss. Als Placebo hat man das Thema Integration in ei nem Ministerium versteckt, wo es als Querschnittsaufgabe wahrgenommen werden sollte.
Nur hat das dummerweise draußen im Land kein Mensch ge merkt.
Wir reden hier von einem Viertel unserer Bevölkerung, und für diese Menschen war und ist das ein Thema. Zu sagen, das solle man bitte schön vor Ort regeln, kann ja wohl nicht die Lösung sein. Wir haben dem Thema endlich die Bedeutung gegeben, die es verdient, nämlich durch ein eigenes Ministe rium, welches nicht nur die Integration und Teilhabe politisch umzusetzen hat, sondern ganz aktuell bis an die Grenze der Belastbarkeit mit dem Thema „Aufnahme der Flüchtlinge“ zu tun hat. Von dieser Stelle an die Ministerin und an ihre Mitar beiter und Mitarbeiterinnen im Ministerium unseren herzli chen Dank für das große Engagement.
Wir haben gerade schon gehört, was das Gesetz im Einzelnen regelt. Ich will es kurz wiederholen. Die interkulturelle Öff nung als Aufgabe des Landes wird benannt. Besonders sen sible Bereiche wie Unterbringung, Justiz und Maßregelvoll zug werden besonders berücksichtigt. Menschen mit Migra tionshintergrund sollen in Gremien, auf deren Zusammenset zung das Land auch Einfluss hat, besser vertreten werden. El tern mit Migrationshintergrund sollen bei der Wahrnehmung ihrer Elternrechte durch die Schulen unterstützt werden. Das Thema „Freistellung an religiösen Feiertagen“ hat die Frau Ministerin schon dargelegt.
Das sind nur einige wenige Punkte. Das Gesetz zieht Ände rungen und Ergänzungen in Gesetzen und Verordnungen in den Bereichen Schulgesetz, Landeshochschulgesetz, Justiz vollzugsgesetzbuch sowie Ausbildungs- und Prüfungsverord nungen nach sich. Man sieht also: Es geht um eine richtige Querschnittsaufgabe in viele Bereiche hinein mit klar defi nierten Zielen und einem echten Recht auf Teilhabe.
Wir schaffen mit diesem Gesetz eine Leitbildfunktion für kommunale Integrationsausschüsse und -räte sowie Integra tionsbeauftragte. Zudem ist ein Landesbeirat für Integration vorgesehen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Landesver band der kommunalen Migrantenvertretungen wird geregelt.
Frau Präsidentin, ich möchte an dieser Stelle den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zitieren. Er sagte 2006, Deutschland habe die Integration „verschlafen“. Es sei zu lan ge geglaubt worden, das regle sich von allein.
In diesem Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP/DVP: Es wird Zeit, aufzuwachen.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist für diesen Be reich mein Kollege Christoph Bayer zuständig; er ist erkrankt. Ich wünsche ihm von dieser Stelle gute Genesung. Ich denke, das mache ich in unser aller Namen.
Meine Fraktion hatte diese Aktuelle Debatte schon Anfang Oktober beantragt. Wegen der Regierungserklärung haben wir das dann verschoben, sodass sie heute auf der Tagesordnung steht.
Man könnte dieser Debatte den Titel „Tue Gutes und rede da rüber“ oder – ganz aktuell – „Die CDU sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr“ geben. Warum? Man liest im so genannten Regierungsprogramm der CDU – ich persönlich dachte immer, dass es erst ein Wahlprogramm gibt – einiges Interessante. Dort steht ab Zeile 79:
Grün-Rot: keine familienpolitischen Erfolge
Kita-Plätze würden fehlen, kann man dort nachlesen.
Was aber ist die Realität? Es gab einen Rechtsanspruch. Un ter der CDU-geführten Landesregierung gab es bis 2011 kei ne sichtbaren Anstrengungen, hier aktiv zu werden und vor allem die Kommunen zu unterstützen.
Das haben wir dann getan, und wir haben das erfolgreich ge tan.
Die Bertelsmann Stiftung hat dem Land Baden-Württemberg bescheinigt, in den vergangenen Jahren bundesweit am meis ten Geld für die frühkindliche Bildung ausgegeben zu haben.
Das ist ein familienpolitischer Erfolg. Denn im frühen Alter entscheidet sich viel oder eigentlich alles. Dass Kindergärten Bildungseinrichtungen sind und Erzieherinnen und Erzieher hier den Grundstein für einen erfolgreichen Bildungsweg le gen und einen erheblichen Anteil an der gesunden Entwick lung der Kinder haben, muss von Gesellschaft und Politik viel mehr gewürdigt werden.
Dazu passt die sehr aktuelle Einigung zwischen den Gewerk schaften und den Arbeitgebern im Kita-Streik vor einigen Wo chen. Einerseits ist diese Einigung aus Sicht der Kommunen als schwierig anzusehen, andererseits ist sie wichtig für die Zukunft des Berufsbilds und ein klares Zeichen für eine ge sellschaftliche Anerkennung dieses doch so wichtigen Berufs.
Von dieser Stelle – ich denke, dass wir da alle einer Meinung sind – einen großen Dank an alle Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land.
Wir haben der frühkindlichen Bildung von Anfang an sehr viel Aufmerksamkeit gegeben und vor allem auch aktiv gehandelt. Wo aber standen wir 2011? 2010 und 2011 gab es im Land Demonstrationen von Eltern für mehr Kinderbetreuung. Der Krippenausbau stockte, und die Kommunen waren beim Aus bau völlig überfordert – das „Kinderland“ Baden-Württem berg war wohl eher ein Slogan. Denn das, was vor Ort ge braucht wurde, fand sich im damaligen politischen Handeln nicht wieder.
Wo aber stehen wir jetzt? Heute haben wir eine viereinhalb jährige Wegstrecke intensiver Reformarbeit hinter uns ge bracht. Unsere Handschrift, der rote Faden unserer Bildungs politik vom Kleinkind bis zur Hochschulbildung, ist klar und deutlich erkennbar. Unser Ziel ist, die Stärke unseres Landes zu erhalten, ohne dabei die Bildungsgerechtigkeit aus den Au gen zu verlieren.
Bildungsgerechtigkeit erreicht man aber nicht durch Sonn tagsreden, sondern durch politisches Handeln. Das ist ein langwieriger und sicherlich auch sehr beschwerlicher Weg. Heute haben wir eine positive Entwicklung zu verzeichnen, und deswegen sind wir auch laut Bertelsmann Stiftung ganz klar die Nummer 1.
Auf eine vollzeitbeschäftigte Kita-Fachkraft kommen jetzt im Durchschnitt 3,1 Kinder in der ganztagsbetreuten Krippe bzw. 7,7 Kinder im Kindergarten – günstiger sind die Personal schlüssel in keinem anderen Bundesland –, und das trotz ei nes sehr dynamischen Ausbaus von Plätzen in den vergange nen Jahren.
Diese beidseitige Entwicklung belegt ausdrücklich, welche Anstrengungen von allen Seiten unternommen wurden. Im ehemaligen schwarz-gelben Krippenentwicklungsland haben heute dank grün-roter Schwerpunktsetzung 27 % der Einjäh rigen und 54 % der Zweijährigen einen Platz in der Kita oder in der Tagespflege.
Wenn Sie dann in Ihr Programm schreiben, es würden KitaPlätze fehlen, dann ist das schon eine glatte Realitätsverwei gerung.
Denn wenn das so wäre, dann hätten wir in den vergangenen Jahren sicherlich einiges an Klagewellen zu erwarten gehabt. Tatsache ist jedoch: Es ist kaum geklagt worden. Die Eltern bekommen ein Angebot – vielleicht nicht immer in ihrer Kom mune, aber doch zumindest in der Nähe.
Es ist also zunehmend gelungen, die große Angebotslücke in diesem Bereich zusammen mit den Kommunen zu schließen.
Für Letztere war zentral, dass sich das Land seit 2011 als fai rer Partner in Sachen Finanzausstattung erwiesen hat. Faire Finanzausstattung bedeutet: Das Land garantiert 68 % der Be triebskosten – in Zahlen ausgedrückt sind das zwischenzeit lich 610 Millionen € für 2015 und voraussichtlich 790 Milli onen € für 2016 –, und das, obwohl wir zugleich – historisch einmalig – vier Mal die Nullneuverschuldung erreichen konn ten.
Ein weiterer Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit liegt in der Ausweitung der Sprachförderung. So liegt die Förderung bei derzeit 21 Millionen € im Jahr 2015. Mittel in Höhe von 3,7 Millionen € bzw. 1,2 Millionen € werden wir für die Förde rung von Flüchtlingskindern zusätzlich zur Verfügung stellen. Ich füge aber hinzu, dass uns der weitere Zustrom von Flücht lingen vermutlich vor weitere große Aufgaben und auch He rausforderungen stellen wird.
Gerade im Kita-Bereich gelingt Integration am besten. Hier ist die wichtigste Schnittstelle in den weiterführenden Bil dungsbereich und auch in die Aufnahmegesellschaft hinein.
Flankierend zum Ausbau der Kapazitäten haben wir den Fach kräfteausbau in den Blick genommen und mit der praxisinte grierten Ausbildung – kurz PIA – einen bundesweit beachte ten Qualifizierungsgang geschaffen, in dem jetzt die ersten 500 Absolventen erfolgreich die Prüfung bestanden haben. Weitere 1 400 Auszubildende haben sich auf den Weg ge macht.
Bei PIA zeigt sich nun, dass eine monatliche Ausbildungsver gütung von rund 800 € vor allem auch für männliche Bewer ber einen verstärkten Anreiz bietet, den Erzieherberuf zu wäh len. Ebenfalls bemerkenswert finde ich, wie viele Interessen ten mit bereits abgeschlossener dualer Ausbildung oder Hoch schulausbildung sich für eine PIA-Ausbildung interessieren.
PIA ist zweifelsfrei eine Spitzeninnovation, die übrigens bun desweit Beachtung gefunden hat. Auch hier liest man im Pro gramm der CDU in Zeile 442, dass Sie das fortführen möch ten. Ich betrachte das als Lob und Anerkennung, dass wir die ses Programm auf den Weg gebracht haben.
Ich fasse zusammen: Die Erfolge grün-roter Bildungspolitik, ja, sie sind klar belegbar. Wir sind in der frühkindlichen Bil dung, in Sachen Bildungsgerechtigkeit einen erheblichen
Schritt vorangekommen und werden uns auch zukünftig für eine Verbesserung der Bildungschancen einsetzen.
Dies zeigt sich im Übrigen auch für die Zeit nach Krippe und Kita. Ich erwähne nur die Stichworte Ganztagsschule, Schul sozialarbeit, Gemeinschaftsschule oder auch Abschaffung der Studiengebühren. Kurzum: Grün-Rot ist sehr erfolgreich bei der Familienpolitik, und das sehen auch die Kommunen und die Eltern in unserem Land.
Vielen Dank.
Lieber Herr Wacker, ich habe halt nur zehn Minuten Redezeit. Um alle Erfolge aufzuzählen, hät te ich 30 Minuten gebraucht. Deswegen kann ich auch nicht alles ansprechen.
Lieber Herr Kollege Dr. Kern, ich würde sagen: Thema ver fehlt. Bei Ihrer Rede hat man überhaupt nicht gemerkt, dass Ihnen die frühkindliche Bildung an irgendeiner Stelle wich tig ist.
Sie haben gesagt, meine Ausführungen seien sehr allgemein gewesen. Ich habe sehr viele Zahlen genannt. Wie schon Herr Strauß gesagt hat – das Zitat kennen Sie alle –: Generäle kann man anschreien, aber Zahlen nicht. Und die Zahlen sprechen für sich.
Trotz allem noch zwei Bemerkungen zu dem, was Herr Wa cker gesagt hat. Die Bildungshäuser werden weiterentwickelt, und sie werden durch uns weiterentwickelt. 32 der 194 beste henden Bildungshäuser werden durch das TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm evaluiert. Nach Auswertung der Evaluation überlegen wir uns in der Tat, ob wir mit den Bildungshäusern ein Regelangebot in BadenWürttemberg machen. Sie hatten nur bestimmte Bildungshäu ser, und Sie haben auch keine Mittel bereitgestellt, um dies flächendeckend anzubieten. Das wird durch uns zumindest einmal weitergedacht.
Was die Kooperation zwischen Grundschule und Kita angeht, kann ich nur zwei Anmerkungen machen. Bei Ihnen gab es null Stunden an den Grundschulen, bei uns gibt es eine Stun de für die Lehrer. Also haben wir etwas getan, was Sie immer versäumt haben.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Kommunalwahl 2014 liegt nun schon ein paar Tage zurück. Daher ist es schade, dass wir uns erst jetzt mit den Ergebnissen aus dieser Wahl und den sich dar aus ergebenden Veränderungen beschäftigen. Wir haben da mals eine Sollregelung vereinbart und wollten auch einmal nachschauen, ob diese tatsächlich zum Erfolg geführt hat.
Wir sprechen aber heute darüber. Es ist sozusagen nie zu spät. Wir werden uns anhand des Antrags noch einmal genau an schauen, welche Rückschlüsse wir daraus auch für die kom mende Kommunalwahl ziehen können.
Zunächst einmal konstatiere ich, dass es noch nie einen so gro ßen Anstieg bei den gewählten Bewerberinnen gegeben hat. Bei den Kreistagen stieg die Anzahl der gewählten Bewerbe rinnen um 16 % und bei den Gemeinderäten um 7 %. Das ist ein großer Sprung. Wenn wir uns aber anschauen, wo wir her kommen, so stellen wir fest, dass wir leider immer noch ganz unten sind.
Außerdem ist die Anzahl der Gemeinderäte in Baden-Würt temberg, in denen keine einzige Frau vertreten ist, von 72 bei der Kommunalwahl 1999 auf jetzt immerhin 22 gesunken. Al lerdings gibt es immer noch 22 Gemeinderäte, in denen kei ne einzige Frau vertreten ist.
So weit die guten Nachrichten. Ich glaube, wir können doch sagen, dass auch dieser kleine Sprung eindeutig auf diese Än derung, die Sollregelung, zurückzuführen ist.
Der Anteil der Frauen in Baden-Württemberg in den kommu nalen Gremien ist aber natürlich immer noch auf einem er schreckend niedrigen Niveau. Insgesamt liegt der Anteil der Frauen in unseren Gemeinderäten immer noch unter einem Viertel und bei den Kreistagen unter einem Fünftel.
Innerhalb der Europäischen Union stehen wir damit nur noch geringfügig vor Griechenland, Zypern und Malta. Bei unse rem Nachbarn Frankreich – wir wissen, dort gibt es ein Pari té-Gesetz – liegt der Anteil bei 40 %.
Ich will einfach einmal erläutern, wie diese Zahlen von außen betrachtet aussehen. Wäre Baden-Württemberg ein Beitritts kandidatenstaat für die Europäische Union, würden uns in den Beitrittsverhandlungen Auflagen erteilt, nach denen wir den Frauenanteil in den Kommunalparlamenten erhöhen müssten.
Die Europäische Union fördert solche Maßnahmen übrigens in ihrer Außenpolitik für Entwicklungsstaaten.
Welche Erklärungen finden wir für die schlechten Zahlen in Baden-Württemberg? Lassen Sie mich vorausschauend einen Blick in unser kommendes gleichstellungspolitisches Geset zesvorhaben werfen, in das Chancengleichheitsgesetz.
Wenn Frauen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes deutlich zahl reicher in Gremien sichtbar vertreten sind, können sie Einfluss nehmen und mitgestalten, und das wird sich, wie ich meine, auch auf die Wahrnehmung der Wählerinnen deutlich auswir ken. Genau deshalb muss man politisch unterstützen, auch for dern, dass mehr Frauen in allen Gremien in Politik, Gesell schaft und Wirtschaft sichtbarer werden und vor allem dass sich ihre Zahl insgesamt vergrößert.
Ich würde sogar so weit gehen, die Vergabe von Fördermit teln des Landes mit dem Anteil von Frauen in den entspre chenden Gremien zu verbinden. Leider sind wir in der politi schen Diskussion noch nicht an diesem Punkt angelangt. Der Bund macht dies bereits an einigen Stellen. Warum nicht auch wir eines Tages? Wenn sich also nicht bald etwas Entschei dendes, das Bewusstsein, ändert, muss man hier vielleicht, wie auch in der aktuellen Situation der Wirtschaft mit der Frauenquote, auch über solche Instrumente nachdenken.
Wie aber haben die Parteien und Wählervereinigungen die Sollregelung umgesetzt? Wie wurde der Bitte des Landtags Folge geleistet, in die Satzungen der Parteien Regelungen auf zunehmen, welche der Partizipation von Frauen und damit der gleichberechtigten Teilhabe Rechnung tragen?
In der Stellungnahme finden wir folgende Antworten: Die CDU redet von starker Bewusstseinsveränderung und der Ab sicht, ein Drittel mehr Beteiligung von Frauen, sprich Man daten, erreichen zu wollen. Die Grünen haben ohnehin ein Frauenstatut. Auch die SPD hat neben ihrer bereits praktizier ten Frauenquote rechtzeitig vor der Kommunalwahl für die Listenaufstellung ein Reißverschlussverfahren beschlossen. Die FDP Baden-Württemberg hat gar nichts. Entsprechende Anträge fanden in dieser Partei auch nie eine Mehrheit.
Wenn wir uns nun die Ergebnisse der Kommunalwahl 2014 anschauen, können wir Folgendes feststellen: Die Grünen ha ben bezogen auf die Gemeinden, in denen eine eigene Liste aufgestellt wurde, die Gleichstellung nahezu erreicht.
Die SPD folgt an zweiter Stelle. Sie hat sich gegenüber 2009 verbessert. Aber auch bei uns ist noch deutlich Luft nach oben. Immerhin liegt hier der Frauenanteil bei den Kandidierenden bei 35,7 % und bei den Gewählten bei 33,3 %. Die anderen Parteien ziehen hinterher. Die Differenz zwischen dem Anteil der Frauen unter den Kandidierenden und den Gewählten steht in einem Zusammenhang dazu, wie wenig sich diese Partei en oder Vereinigungen zur Gleichstellung auf den Listen be kennen.
Bei der CDU liegt der Frauenanteil bei den Kandidierenden bei 24,7 % und bei den Gewählten bei 18,9 %. Bei der FDP sieht es noch schlimmer aus: Der Frauenanteil unter den Kan didierenden beträgt 30,1 % und der unter den Gewählten 17,7 %.
Ferner gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen ländli chen und städtischen Wahlkreisen. So sieht man in vielen sehr kleinen Gemeinden aufgrund des noch immer vorhandenen konservativen Gesellschaftsbilds kaum eigene Listen bei der SPD und auch bei den Grünen.
Ich hätte bei der Änderung des Kommunalwahlrechts gern schärfere Regelungen zur Gleichstellung gehabt. Aber auch ich musste mich belehren lassen, dass hier verfassungsrecht liche Grenzen im Hinblick auf die Freiheit der Parteien beste hen. Aber ich füge auch hinzu: Es wird irgendwann zu disku tieren sein, ob die Freiheit der Parteien höher zu bewerten ist als Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Da geht es um die Durchsetzung der Gleichberechtigung und die Beseitigung von Nachteilen.
Aber es ist natürlich auch möglich, dass die Parteien selbst Beschlüsse mit dem Ziel fassen, die Chancengleichheit zwi schen Männern und Frauen bei den Wahlen zu gewährleisten. SPD und Grüne haben ganz konkrete Beschlüsse dazu in ih ren Satzungen. Deshalb stehen sie im Hinblick auf die Chan cengleichheit auch viel besser da als die CDU oder gar die FDP.
Jetzt würde ich Herrn Wolf – er ist nicht da – und auch Herrn Dr. Rülke – ebenfalls nicht da – gern fragen: Wann werden Sie in Ihren Parteien endlich solche Regelungen auf die Ta gesordnung Ihrer Parteitage bringen? Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert.
Und noch etwas: Moderne Parteien müssen sich auch abgren zen von Ewiggestrigen. Am letzten Sonntag haben hier in Stuttgart über 5 000 Menschen u. a. mit dem Slogan demons triert: „Stoppt die Gender-Agenda!“
Sie meinen damit u. a. genau die Prinzipien des Gender-Main streaming, die alle Frauenministerinnen, die die CDU in den letzten Jahren im Bund und in den Ländern gestellt hat, vor angetrieben haben und die nicht zuletzt auch von den jewei ligen CDU-Regierungschefs einschließlich der Bundeskanz lerin, Frau Dr. Merkel, unterzeichnet worden sind.
Wer läuft diesen Ewiggestrigen bei dieser Demo hinterher? Da lohnt ein Blick auf die Internetseite „Demo für alle“. Da steht neben einigem Unsäglichen auch der Satz „Stoppt die Gender-Ideologie“. Und wer findet sich denn unter den Un terzeichnern? Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Rhein-Neckar,
die evangelischen Arbeitskreise der CDU aus Stuttgart und Heilbronn,
die Junge Union Rems-Murr, und wenn ich mir vor Augen führe, wer da noch steht, kann ich nur sagen: unsägliche Ge sellschaft, in der sich da einige befinden.
Meinungsfreiheit? Es geht hier um das Rollenbild in der Ge sellschaft, und diese Leute vertreten ein komplett rückwärts gewandtes Rollenbild.
Sie müssen in der CDU einmal grundsätzlich klären, wo Sie die Rolle der Frau in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik se hen.
Ich möchte mit einer bemerkenswerten Aussage des langjäh rigen SPD-Bundesvorsitzenden Hans-Jochen Vogel schließen. Er war damals aktiv an der Quotenregelung in der SPD betei ligt, und er sagte einmal: „Die Quote brachte mehr Frauen in die Parlamente und damit mehr Qualität.“ Dem ist nichts hin zuzufügen.