Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 58. Sit zung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Krankgemeldet sind die Herren Abg. Beck, Heiler, Lusche, Schwehr und Wald sowie Frau Abg. Schneidewind-Hartna gel.
Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der SPD für Umbesetzungen im Prä sidium und im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft (Anla ge). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbeset zungen zustimmen.
Aktuelle Debatte – Wasser ist keine Ware. Kein Privatisie rungszwang durch Europarecht – beantragt von der Frak tion GRÜNE
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt.
Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich bitte auch die Mitglieder der Landesregie rung, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Mit Blick auf unsere Geschäftsordnung habe ich die Bitte, dass wir die Aktuelle Debatte in freier Rede führen.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Wasser ist keine Ware. Wasser ist ein öffent liches Gut und dient der Daseinsvorsorge. Wasser darf keine Handelsware sein.
Das Europäische Parlament hat – allerdings im Zusammen hang mit der Wasserrahmenrichtlinie – eine Entschließung verabschiedet. Darin steht – ich zitiere –, es erkenne an,
dass Wasser eine gemeinsame Ressource der Menschheit und ein öffentliches Gut ist und dass der Zugang zu Was ser ein universelles Grundrecht sein sollte.
Der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments hat in einer Stellungnahme klargestellt, dass Wasser „keine Profit quelle“ sein darf.
Außerdem gibt es noch die Europäische Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“, die inzwischen schon über 600 000 Stimmen gesammelt hat. Ziel sind eine Million Stim men. Damit soll erreicht werden, dass die Konzessionsricht linie bzw. das, was damit im Rahmen der Wasserversorgung beabsichtigt ist, wieder gekippt wird.
Die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen dürfen nicht dem freien Spiel des Wettbe werbs unterworfen werden.
Ich gehe davon aus, dass wir hier im Landtag einen fraktions übergreifenden Konsens hierüber erzielen können. Bereits im Frühjahr 2012 haben der Finanzausschuss und der Europaaus schuss einen entsprechenden Entschluss gefasst, dass man der Konzessionsrichtlinie nicht zustimmen soll. Im Bundesrat ist das dann auch so geschehen. Der Bundesrat hat sich einstim mig gegen die Konzessionsrichtlinie ausgesprochen.
Wer hat sich noch dagegen ausgesprochen? Es waren die kom munalen Landesverbände und der Verband kommunaler Un ternehmen. Andere Verbände haben sich ebenfalls dagegen ausgesprochen. Vier von fünf Bundestagsfraktionen haben sich dagegen ausgesprochen. Welche Fraktion sich dafür aus gesprochen hat, kann man sich denken. Wenn es um Wettbe werb geht, kommt nur eine von den fünf infrage. Selbst die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat geplant, sich in einem Ent schließungsantrag gegen die Konzessionsrichtlinie auszuspre chen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was heißt „selbst“? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie kennen un ser Grundsatzprogramm nicht!)
Dieser wurde dann in der koalitionsinternen Gemengelage so weit abgeschwächt, dass die Bundesregierung nur noch er sucht wird, darauf hinzuwirken, eine Änderung oder eine Ab schwächung der Konzessionsrichtlinie herbeizuführen, mehr allerdings nicht.
Das Problem ist jetzt nur, dass sich die FDP im Bundestag und auch in der Bundesregierung durchgesetzt hat. Bundeswirt
schaftsminister Rösler hat die Konzessionsrichtlinie in der Kommission eindeutig befürwortet. Auch die Kanzlerin hat von ihrer Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch gemacht. Im Gegensatz zum Bundestagsbeschluss und zum eigenen Parteibeschluss – die CDU hat übrigens auf einem Bundes parteitag einen Antrag beschlossen, der sich gegen die Kon zessionsrichtlinie, insbesondere bei der Wasserversorgung, ausspricht – hat die Kanzlerin selbst nichts gegen die Konzes sionsrichtlinie getan – für mich ein weiterer Grund, SchwarzGelb im September abzuwählen.
Aber zurück zu unserer Aktuellen Debatte. Glücklicherweise – das weiß ich von vielen Gesprächen unter den Kollegen hier – sind wir da gleicher Meinung. Also sollten wir uns zusam menraufen
und, auch wenn wir heute keinen Beschluss fassen, ein klares Signal nach Brüssel und natürlich auch nach Berlin senden, dass wir diese Konzessionsrichtlinie nicht wollen.
Wie Sie selbst aus Ihrer Gemeinde wissen, sind die Gemein den, die Wasserverbände, auch die Fernwasserversorger die Garanten für eine sichere, zuverlässige und qualitativ sehr hochwertige Wasserversorgung.
Das wollen wir erhalten, vor allem auch die Zuständigkeit der Gemeinden oder Zweckverbände. Sie sind kommunal, sie sind demokratisch legitimiert. Ein Gemeinderat – also die Vertre tung der Bürgerinnen und Bürger – kann darüber entscheiden, was mit der Wasserversorgung passiert.
In der Konzessionsrichtlinie ist zwar keine Privatisierung als Automatismus geplant – wenn beispielsweise ein Dorf einen Brunnen oder eine Quelle hat und sich selbst im Regiebetrieb versorgt, dann droht dort sicherlich keine Privatisierung –, doch gefährlich wird es dort, wo Stadtwerke noch Mehrspar tenunternehmen sind – wie dies in Baden-Württemberg oft anzutreffen ist –, die vielleicht noch über ihr Gemeindegebiet hinaus eine Versorgung mit Strom, mit Gas oder auch mit Wasser betreiben. Diese Unternehmen sind gefährdet. Sie müssen sich dann der neuen Konzessionsrichtlinie unterwer fen.
Es kann aber passieren, dass die Gemeinden in Zukunft auf grund einer unklaren, komplexeren und schwierigeren Rechts situation sagen: „Das ist uns jetzt alles zu viel. Wir wollen Rechtssicherheit. Wir werden zu einem privaten Anbieter wechseln.“ So geschieht letztlich die Privatisierung durch die Hintertür. Dieser ganzen Entwicklung ist schon von vornher ein ein Riegel vorzuschieben. Deswegen kann ich nur noch mals wiederholen: Wir lehnen die Konzessionsrichtlinie ab.
Einige Gemeinden – ich nenne einmal Stuttgart als Beispiel – haben hier schon schreckliche Erfahrungen gemacht. Ich nenne das Stichwort Cross-Border-Leasing. Stuttgart hat mei nes Wissens einen zweistelligen Millionenbetrag hingelegt, um die Wasserversorgung wieder zu kommunalisieren.
Beziehen Sie eindeutig Position gegen die Konzessionsricht linie, und unterstützen Sie unsere Debatte.