Guten Morgen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 129. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Frau Ministerin Öney, Herr Minister Bonde, Herr Minister Friedrich und Herr Minister Dr. Schmid sowie ab 13:00 Uhr Herr Ministerpräsident Kretschmann und ab 14:25 Uhr Frau Ministerin Krebs.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Ist dann noch jemand da von der Regierung? – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gerade der unbeliebteste Minis ter ist noch da!)
Aktuelle Debatte – Schluss mit der Heimlichtuerei der Landesregierung um das Papier „Gymnasium 2020“! – Gerät nach der Hauptschule und der Realschule nun auch das Gymnasium ins grün-rote Visier? – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten.
Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich eben falls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Das Papier „Gymnasium 2020“ hat in den vergangenen Ta gen öffentlich für mächtig Wirbel gesorgt, und insbesondere das widersprüchliche Verhalten sowohl der Landesregierung als auch der Regierungsfraktionen hat daran einen nicht un erheblichen Anteil.
Meine Frage richtet sich heute daher zunächst einmal an den Ministerpräsidenten. Zu Beginn dieser Woche ließen Sie öf fentlich verkünden, am Gymnasium gebe es nichts zu rütteln, das Gymnasium bleibe unangetastet. Aber schon einen Tag später stellten Sie sich hinter Ihren Kultusminister und vertei digten inhaltlich das Papier „Gymnasium 2020“.
Daher meine Frage an Sie, Herr Ministerpräsident: Haben Sie das Papier eigentlich selbst gelesen, und wissen Sie, was kon kret darin steht?
Herr Ministerpräsident, Sie können nicht auf der einen Seite öffentlich bekunden, das Gymnasium solle unangetastet blei ben,
und auf der anderen Seite Sympathien für die Inhalte des Pa piers bekunden. Diesen Widerspruch müssten Sie schon ein mal aufklären, Herr Ministerpräsident.
Gleichzeitig sagt der Ministerpräsident, die Diskussion über die Zukunft des Gymnasiums sei eine angstbesetzte Debatte. Für mich stellt sich die Frage: Wer hat hier eigentlich Angst vor wem? Herr Ministerpräsident, ich glaube, dass die ziem lich unmissverständlichen Äußerungen aus Ihrer politischen Ecke in Wirklichkeit Ihnen den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Erst kürzlich bezeichnete die Vorsitzende der Frakti on Bündnis 90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag, Anja Piel, das Gymnasium als einen Ort, wo sich – Zitat – „Unternehmerkinder zusammenrotten“.
Doch warum in die Ferne schweifen? Ihre eigene Parteiju gend, Herr Ministerpräsident, hat auch ziemlich klare Vorstel lungen von der Zukunft des Gymnasiums in Baden-Württem berg. Zitat:
Die Einführung der Gemeinschaftsschule durch die grünrote Landesregierung war ein richtiger, erster Schritt. Konsequenterweise muss sie zur „Schule für alle“ aus gebaut werden,... Ein Modell mit dem Gymnasium als zweiter Säule würden wir für den falschen Weg halten.
Als Pädagoge bin ich natürlich der Auffassung, dass es ein Privileg der Jugend ist, auch einmal über das Ziel hinaus schießen zu dürfen.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Abg. Wolfgang Drexler SPD: Also doch! – Zuruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU)
Die Frage in diesem Zusammenhang ist aber, ob die Grüne Jugend nicht mutig das ausspricht, was die grünen Politprofis aus wahltaktischen Gründen ein Jahr vor der Wahl lieber ver schweigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Äußerungen des Kollegen Siegfried Lehmann oder der Kollegin Sandra Boser zu Beginn dieser Legislaturperiode nähren diesen Verdacht.
Aus diesem Grund spricht der Kultusminister auch viel lieber von „pädagogischer Weiterentwicklung“. Was Grün-Rot aber unter pädagogischer Weiterentwicklung versteht, erfahren die Realschulen gerade am eigenen Leib: Abschaffung des Sit zenbleibens in der fünften und der sechsten Klasse, und an schließend darf nur in Ausnahmefällen
Die Pädagogik des selbst gesteuerten Lernens ist der grün-ro te Fixstern, an dem sich alle anderen Schularten nun zu ori entieren haben, ob sie dies wollen oder nicht. Einige pädago gische Kostproben aus dem Papier: Da ist z. B. die Rede von Lernateliers, niveaudifferenzierten Kompetenzrastern, einem Lerntagebuch und einem Coachingsystem von Klasse 5 bis Klasse 12.
Ausbau qualifizierter Ganztagsangebote unter Einbezie hung externer Partner und mit entsprechender Rhythmi sierung des Schultags.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident hat öffentlich bisher immer beteuert, niemand brauche sich Sor gen wegen der Gemeinschaftsschule zu machen, denn es ge be im baden-württembergischen Bildungssystem mit dem Gymnasium als zweiter Säule ja noch eine Alternative zum sogenannten selbst gesteuerten Lernen.
Für uns Freie Demokraten aber ist klar, dass nicht nur auf dem Türschild „Gymnasium“ draufstehen soll, sondern dass die Inhalte und die Qualität auch den bisherigen hohen Standards der Gymnasien in Baden-Württemberg entsprechen müssen.