Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 146. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen ver vielfältigt vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.
hier: Petitionen 14/1398, 14/3130, 14/4053 betr. Heimerziehung/ -unterbringung in den Jahren zwischen 1949 und 1975
nanzierung und Verwaltung des Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland“ und Durchführung eines Projekts „Archivrecherchen und historische Aufarbeitung der Heimerzie hung zwischen 1949 und 1975 in Baden-Württemberg“ – Druck sache 15/775
der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Beschäf tigung schwerbehinderter Menschen in der Landesverwaltung BadenWürttemberg im Jahr 2014 – Drucksache 15/7865
Überweisung vorberatend an den Ausschuss für Finanzen und Wirt schaft und federführend an den Ausschuss für Arbeit und Sozialord nung, Familie, Frauen und Senioren
tion über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf eines Staatsvertrags über die gemeinsame Einrichtung für Hochschulzulassung – Druck sache 15/7878
Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen, liebe Frau Kollegin Jutta Schiller – Sie dürfen heute trotzdem Schrift führerin sein –,
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich im Zuhö rerbereich eine Delegation der Provinz Dohuk im autonomen Kurdengebiet des Irak unter der Leitung von Herrn Gouver neur Farhad Ameen Atruschi sehr herzlich begrüßen.
Die kurdischen Gäste haben gestern Abend als Auftakt einer Initiative der Landesregierung an der Konferenz „Gemeinsam für Dohuk“ teilgenommen. Dabei wurde eine „Gemeinsame Absichtserklärung zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Gouvernement Dohuk in der Region Kurdistan in der Republik Irak“ unterzeichnet. Der Landtag von BadenWürttemberg war bei dieser Konferenz mit den entwicklungs politischen Sprecherinnen und Sprechern der Landtagsfrakti onen vertreten. Ziel der Erklärung ist ein intensiver Austausch zwischen den Regionen, um die Freundschaft und das gegen seitige Verständnis sowie den allgemeinen Wohlstand zu för dern.
Sehr geehrter Herr Gouverneur Atruschi, sehr geehrte Gäste, ich heiße Sie in der Plenarsitzung des Landtags von BadenWürttemberg herzlich willkommen und wünsche Ihnen wei terhin einen informativen und erfolgreichen Aufenthalt in un serem Land.
Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Wie steht es um die Wahlfreiheit der Eltern hinsichtlich der Ganztagsbetreuung in der Grundschule? – Drucksache 15/7747
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Stellungnahme des Kultusminis ters zum FDP/DVP-Antrag zur Wahlfreiheit bei den Ganz tagsgrundschulen ist ein weiteres trauriges Beispiel dafür,
wie sich diese Landesregierung in ihrer Bildungspolitik erst vollständig verrennt und sich dann weiter in etwas verbohrt, das von vielen Seiten als falsch erkannt wird – und das, ob wohl es an Mahnungen, Warnungen und Verbesserungsvor schlägen nicht gemangelt hat. Dabei wäre Flexibilität und nicht Sturheit das Gebot der Stunde in der Bildungspolitik all gemein wie bei den Ganztagsschulen im Besonderen.
Denn nach der dritten repräsentativen JAKO-O-Bildungsstu die in Zusammenarbeit mit Emnid bevorzugen 30 % der El tern eine verbindliche Ganztagsschule, aber fast ebenso vie le, nämlich 29 %, eine klassische Halbtagsschule. Die größte Gruppe dabei ist die Gruppe derjenigen, die eine Ganztags schule mit freiwilligem Nachmittagsprogramm – kurz: eine offene Ganztagsschule – bevorzugen. Schon allein diese Zah len belegen, dass das grün-rote Ganztagsschulkonzept völlig am Bedarf und Wunsch der Eltern vorbeigeplant ist.
(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Denn Grün-Rot hat nur – ich wiederhole: nur – die verpflich tend rhythmisierte Ganztagsschule im Schulgesetz verankert. Jetzt werden Sie schelten und sagen: „Herr Kern will nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir auch die sogenannte Wahlform ins Schulgesetz geschrieben haben.“ Aber was bedeutet denn ei gentlich diese Wahlform? Nichts anderes, als dass die Eltern die Wahl haben zwischen ganz oder gar nicht,
zwischen verpflichtend rhythmisierter Ganztagsschule und nur Halbtagsschule, ohne dass die Kinder offene Angebote wahr nehmen können.
Die Wahlform aber mit der offenen Ganztagsschule gleichzu setzen ist nichts anderes als Rosstäuscherei gegenüber den El tern. Ich bitte Sie von Grün-Rot, eine solche Gleichsetzung im Interesse von Wahrheit und Klarheit zu unterlassen.
In der Praxis führt die Wahlform übrigens häufig zu sogenann ten Mischklassen. Das heißt, sowohl Ganztags- als auch Halb tagsschüler haben vormittags jeweils fünf Stunden und noch einmal nachmittags Unterricht. Die Ganztagsschüler gehen dann noch an zwei bis drei weiteren Nachmittagen in eine Be treuungsform, die mal als Lernatelier, mal als Unterricht be zeichnet wird. Arbeitsgemeinschaften, z. B. in Kooperation mit Vereinen, finden häufig nicht statt. Das aber wäre im In teresse der Qualität und auch der Verankerung der Schule in ihrem gesellschaftlichen Umfeld eigentlich das Gebot der Stunde.
Die Unzufriedenheit der Eltern mit den Mischklassen ist be sonders groß. Uns vorliegende Zahlen zu einer Schule bele gen, dass fast ein Drittel der Befragten die Mischklassen als völlig ungenügende Lösung ansehen. Ein Drittel würden ei ne andere Betreuungsform wählen, vorzugsweise eine Halb tagsschule und einen Hort.
Grün-Rot geht offenbar von der irrigen Grundannahme aus, dass die Ganztagsschulen die Hortangebote überflüssig mach ten. Anders ist nicht zu erklären, warum das Land aus der Hortfinanzierung aussteigt. Wenn eine neue Ganztagsschule eingerichtet wird, wird der Hort nicht weiter bezuschusst. Auch neu eingerichtete Horte werden nicht mehr gefördert, wie wir der Stellungnahme zu unserem Antrag entnehmen konnten.
Wie das dann vor Ort läuft, wurde uns jetzt am Fall der Stadt Karlsruhe geschildert. Es wurde der Bedarf an Ganztagsschu le und Halbtagsschule abgefragt. Nach dem tatsächlichen Be treuungsbedarf und den Zeiten wurde jedoch nicht gefragt. Im Fall der Oberwaldschule hat sich die Schulkonferenz auf die ser Grundlage für eine Ganztagsschule entschieden. Das wä re vielleicht gar nicht nötig gewesen, aber der gut funktionie rende Hort wird nun geschlossen.
Dass Grün-Rot mit dieser Bildungspolitik die Horte austrock net, ist schlicht ignorant gegenüber dem Bedarf der Eltern. Weil der Hort ein flexibles Angebot ist, ist er ein Erfolgsmo dell. Die Zahlen sind beeindruckend: 5 591 Gruppen verläss liche Grundschule, 6 696 Gruppen flexible Nachmittagsbe treuung, 866 Horte an der Schule und 513 herkömmliche Horte – das macht insgesamt 13 666 Gruppen im Schuljahr 2013/2014.
Es kann doch nicht gut sein, die flexiblen Hortangebote durch eine starre Einheitsganztagsschule zu ersetzen. Immer mehr Eltern sind auf diese Flexibilität dringend angewiesen.