Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Es kann doch nicht gut sein, die flexiblen Hortangebote durch eine starre Einheitsganztagsschule zu ersetzen. Immer mehr Eltern sind auf diese Flexibilität dringend angewiesen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber auch der massive Druck, mit dem die verpflichtend rhythmisierte Ganztagsschule von Grün-Rot vorangetrieben wird, macht aus dem falsch gewickelten Ladenhüter kein Er folgsmodell.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: „Ladenhüter“? Was haben Sie denn für Zahlen?)

Die Koalition war davon ausgegangen, dass die Ganztags schulen alten Typs aus der christlich-liberalen Zeit – die gab es nämlich – nun auf die neuen Ganztagsschulen umsteigen würden, gibt es doch einen großen Zuschlag an Lehrerwo chenstunden. Trotzdem sind zum Schuljahr 2014/2015 nur 79 von 264 offenen und 168 gebundenen Ganztagsschulen um gestiegen, zum Schuljahr 2015/2016 gar nur 32. Das heißt, trotz zweier Ganztagsrunden ist die Mehrheit der offenen Ganztagsschulen nicht zum grün-roten Konzept gewechselt.

Übrigens haben 102 von 113 Ganztagsgrundschulen zum Schul jahr 2015/2016 die Wahlform gewählt, und nur elf sind voll ständig verpflichtende Ganztagsschulen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wo ist das Prob lem?)

Warum beharrt Kultusminister Stoch so auf der starren, ver pflichtend rhythmisierten Ganztagsschule? Warum ist für die Maximalvariante mit vier Ganztagen à acht Zeitstunden mit zwölf zusätzlichen Lehrerwochenstunden der Hauptgewinn reserviert? Und warum hat Grün-Rot den Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion abgelehnt, mit dem neben der gebunde nen auch die offene Form der Ganztagsschule ins Schulgesetz aufgenommen worden wäre?

In seiner ansonsten eher lieblos ausgefallenen Stellungnahme gibt der Kultusminister einen Hinweis.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Was haben Sie für Ansprüche an Antworten, Herr Kern? Mit Liebe ge schrieben!)

Zu den Fragen unter den Ziffern 5, 6 und 7 heißt es – Zitat –:

Die neue Ganztagsschule ist wie ausgeführt keine offene Betreuungseinrichtung, sondern verfolgt ein pädagogi sches Konzept. Die Landesregierung sieht im verstärkten Ausbau von Ganztagsschulen einen wichtigen Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja!)

An dieser Antwort, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man klar ablesen, dass Grün-Rot wieder einmal Gerechtigkeit mit Gleichheit verwechselt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Sonst würden die Koalitionspartner einfach darauf vertrauen, dass Bildung Chancen eröffnet und ein gutes Bildungsange bot am meisten Gerechtigkeit schafft.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Nun sollen alle Kinder demselben Takt unterworfen werden, sozusagen rhythmisiert marschieren.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Entsprechend unterstellt der Kultusminister der rhythmisier ten Ganztagsschule ein pädagogisches Konzept.

Doch da drängen sich der FDP/DVP Fragen auf. Verfolgen ei ne offene Ganztagsschule oder eine klassische Halbtagsschu le etwa kein pädagogisches Konzept? Steht hinter dem Be such des Geigenunterrichts der Musikschule oder des Schwimm trainings vom Verein am Nachmittag etwa kein pädagogisches Konzept? Woraus schließen Sie, Herr Minister Stoch, dass der Staat stets besser als die Eltern weiß, was für die Kinder gut ist?

Meine Damen und Herren, das grün-rote Ganztagskonzept ist nichts anderes als eine fundamentale Misstrauenserklärung an die Eltern in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Eijeijei!)

Im ganzen Land bilden sich Elterninitiativen wie in Stuttgart, in Aalen, in Ravensburg, in Bruchsal, in Eggenstein-Leo poldshafen sowie in Karlsruhe. Mehrere sind auch heute zu unserer Debatte gekommen. Ihre wesentlichen Anliegen ha

ben wir in unserem Beschlussantrag aufgegriffen: die Aufnah me der offenen Ganztagsschule in das Schulgesetz und kein Ausstieg des Landes aus der Hortfinanzierung. Grüne und SPD haben heute eine echte Chance, ihr starres Ganztagskon zept zu korrigieren und zuzugeben, dass sie sich verrannt ha ben, indem sie unserem Antrag zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Wacker.

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich kann man der Rede des Kollegen Kern überhaupt nichts mehr hinzufügen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Er hat in allen Punkten vollkommen recht.

Ich darf Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der grün-ro ten Koalition, sagen: Sie wollen einfach den Elternwillen nicht ernst nehmen. Das ist das Fazit Ihrer Politik. Dabei ist die Sachlage ganz einfach: Entweder Sie lassen eine Ganztags schule an drei oder vier Tagen zu, oder – das ist die Alterna tive – es gibt überhaupt kein Ganztagsangebot. Das heißt, Fle xibilität, bedarfsgerechte Betreuungsangebote für die Eltern sind von Ihrer Seite überhaupt nicht gewollt.

Darüber hinaus gibt es ein Weiteres – das hat der Kollege Kern eben nicht angesprochen –: Sie wollen eigentlich die Vereine in Ihr Konzept einbinden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Aber dieser Schuss geht ganz gehörig nach hinten los. Sie de gradieren die Vereine zu reinen Dienstleistern: Bürokratismus pur sowohl auf der schulischen Seite als auch aufseiten der Vereine.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist der Tod der Vereine!)

Sie wollen den Schulen die Monetarisierung ermöglichen. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, muss man aller dings feststellen, dass nur ein Fünftel der Ganztagsgrundschu len die 50-%-Quote der Monetarisierung ausreizt.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Bürokratismus schreckt ab. Davon haben die Vereine recht wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Sie planten einen ganz großen Wurf. 70 % der Grundschulen wollten Sie in zehn Jahren zu Ganztagsgrundschulen ausbau en. Das bedeutet 175 Grundschulen pro Jahr. Sie haben im mer gesagt, ein Riesenbedarf sei vorhanden. Wo ist denn der Riesenbedarf? Eigentlich bräuchten wir eine Warteschlange, eine Warteliste. Fehlanzeige! In der zweiten Tranche waren es nicht einmal 175 Antragsteller, sondern lediglich 112. Auch

diese Zahl belegt: Flexibilität ist erwünscht. Da Sie flexible Angebote vor Ort nicht zulassen, gibt es dementsprechend auch sehr wenige Anträge. Das ist die Wahrheit, und das ist der Beleg für Ihre verfehlte Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir wollen, meine Damen und Herren, dass Sie mehr Wahl freiheit zulassen. Ihre falsche Steuerung führt jetzt zu einem Hortsterben. Kollege Kern hat die Beispiele genannt.

Wir schließen uns der Position des Vorsitzenden des Landes elternbeirats an, der bei einer Anhörung der CDU-Fraktion sagte: „Erziehung ist zuvorderst Aufgabe der Eltern, nicht des Staates.“ Wenn wir dem Rechnung tragen wollen, müssen wir den Eltern auch die Freiheit geben, selbst entscheiden zu kön nen.

Deswegen wollen wir, dass eine enge Verzahnung von frei willigen ergänzenden Hortangeboten mit der Grundschule und mit den verbindlichen Ganztagsschulangeboten ermöglicht wird. Nur so kann am Ende auch gewährleistet werden, dass jedes Kind bei Bedarf auch passgenau einen Platz an einer Ganztagsschule finden kann.

Aber Ihre Bevormundungspolitik hört hier nicht auf. Sie wol len ausschließlich das achtjährige Gymnasium. Wir wollen, dass den Menschen Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 ein geräumt wird. Sie machen die Realschule pflichtgemäß, ver ordnungsgemäß zu einer „Gemeinschaftsschule light“. Die Menschen wollen, dass es auch in Zukunft leistungsstarke Re alschulen gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Sie wollen den Lehrern vor allem an der Realschule und an der Gemeinschaftsschule nur ein pädagogisches Konzept vor schreiben. Wir wollen die pädagogische Freiheit für alle Pä dagoginnen und Pädagogen in unserem Land. Sie wollen durch Ihre regionale Schulentwicklung Schulstandorte schlie ßen. Wir wollen, dass alle Schulen gleichwertige, gleichbe rechtigte Perspektiven

(Zuruf des Abg. Georg Nelius SPD)

in unserem Land Baden-Württemberg haben.