Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nister Peter Friedrich und Herr Minister Dr. Nils Schmid.
Aktuelle Debatte – Der allgemeine gesetzliche Mindest lohn führt zu mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der SPD
Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte die übliche Ge samtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Mit Blick auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung bitte ich, die Aktuelle Debatte in freier Rede zu halten.
Guten Morgen, Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte mit dem Spruch „Morgenstund hat Gold im Mund“ beginnen. Das tue ich nicht. Ich sage: Aller guten Dinge sind drei. Dies ist nämlich die dritte Aktuelle Debatte in dieser Legislaturperiode, die wir über das Thema Mindestlohn führen.
Erstens ist der Mindestlohn zunächst einmal gut für alle Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mit der Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 werden bundesweit ca. 3,7 Millionen Menschen unmittelbar von höheren Löhnen profi tieren.
Sicher: In Baden-Württemberg haben wir eine höhere Tarif bindung. Wir haben in Baden-Württemberg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt auch insgesamt ein etwas höheres Lohn niveau. Aber auch bei uns gibt es Niedriglöhne, Niedrigstlöh
So kommt es, dass in Autowaschanlagen, in der Gastronomie, bei Fahr- und Kurierdiensten oder auch in der Landwirtschaft nach wie vor Löhne von unter 8,50 € pro Stunde bezahlt wer den. Das muss ein Ende haben.
Bei uns arbeiten über 20 000 Menschen in einem sozialversi cherungspflichtigen Arbeitsverhältnis in Vollzeit und bringen am Monatsende doch nur so wenig nach Hause, dass es nicht zum Leben reicht und sie zusätzlich Hartz IV beantragen müs sen – die sogenannten Aufstocker. Auch an dieser Stelle wird der Mindestlohn helfen. Deshalb ist es richtig und gut, dass Bundesarbeitsministerin Nahles einen Gesetzentwurf vorge legt hat, der einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn auf den Weg bringt.
Weil dies ein gerechter Lohn für alle sein muss, macht es auch keinen Unterschied, ob die Arbeit in Vollzeit oder in Teilzeit erbracht wird, ob sie von einem Deutschen oder einem Zu wanderer geleistet wird. Der gesetzliche Mindestlohn wird für alle gelten.
Zum Zweiten ist der Mindestlohn gut für die Allgemeinheit, für unser gesamtgesellschaftliches Gefüge. Er sorgt dafür, dass die Schere zwischen ordentlichen und guten Löhnen einer seits und niedrigsten Löhnen andererseits nicht immer weiter aufgeht und dass der Einkommensspreizung Einhalt geboten wird.
Der Mindestlohn ist auch gut für die öffentlichen Haushalte. Berechnungen gehen davon aus, dass bei einem Mindestlohn von 8,50 € pro Stunde der fiskalische Effekt bundesweit 7 Mil liarden € beträgt – durch zusätzliche Steuereinnahmen, höhere Beiträge für die Sozialversicherungskassen und eingesparte soziale Transferleistungen.
Nicht zuletzt hilft der Mindestlohn auch gut gegen die Alters armut. 20 % der Beschäftigten, die im Niedriglohnsektor tä tig sind, sind älter als 55 Jahre. Hier geht es um Beitragsein nahmen, die der Rentenversicherung fehlen und die durch den Mindestlohn gesteigert werden.
Zum Dritten: Der Mindestlohn ist auch gut für unsere heimi sche Wirtschaft, er ist gut für einen fairen Wettbewerb. Dazu wird nachher mein Kollege Hans-Peter Storz noch einiges sa gen.
Ich möchte an dieser Stelle nur daran erinnern, dass wir vor einem Jahr – das ist gerade ein gutes Jahr her – das badenwürttembergische Tariftreue- und Mindestlohngesetz verab schiedet haben. Damit haben wir auf der Ebene des Landes dafür gesorgt, dass zumindest bei öffentlichen Vergaben in Baden-Württemberg der Mindestlohn bezahlt werden muss.
Was waren das damals für Unkenrufe? Die Opposition warn te vor Arbeitsplatzverlusten und einem bürokratischen Mons ter. Der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg wurde wie der einmal in Gefahr gesehen. Hat sich dies bewahrheitet?
Es hat sich nicht bewahrheitet. Es ist uns gelungen, dass dort, wo wir Verantwortung tragen und öffentliche Ausschreibun gen stattfinden, ein Mindestlohn bezahlt wird. So verdienen jetzt z. B. die Fahrerinnen und Fahrer von behinderten Men schen, von behinderten Kindern, diese Fahrerinnen und Fah rer, die tagtäglich auf den Straßen unterwegs sind, zumindest 8,50 € pro Stunde.
Nichts ist zusammengebrochen, und das ist gut so. Die Min destlohnregelung hilft, dass bei Ausschreibungen kein ruinö ser Wettbewerb zugunsten von Dumpinganbietern stattfindet. Deshalb ist mehr Ordnung am Arbeitsmarkt auch gut für die heimische Wirtschaft.
Zum Vierten: Der Mindestlohn ist gut für das Thema „Gute Arbeit in Baden-Württemberg“. Wir wollen Baden-Württem berg zum Musterland für gute Arbeit machen. Wir haben die Fachkräfteallianz, wir haben das Bündnis für Ausbildung. Deshalb hat sich auch unsere Sozialministerin an die Spitze der Bewegung gesetzt und zum 1. März 2013 eine Initiative für den Mindestlohn in den Bundesrat eingebracht, die letzt lich jetzt auch zum Erfolg geführt wird.
Wir haben das Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“, die assistierte Ausbildung, Beschäftigung für Langzeitarbeits lose, und der Mindestlohn ist eine weitere Etappe auf dem Weg hin zu dem, was die Sozialdemokraten unter guter Ar beit verstehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Herr Präsident! – Glocke des Präsi denten)
Herr Kollege Hinderer, könn ten Sie, bevor Sie Ihren fünften Punkt anführen, die CDU da ran erinnern, dass die Einführung des Mindestlohns ein ge
meinsames Projekt der Großen Koalition ist? Bisher haben sich nur bei Herrn Stächele schüchtern die Hände ein bisschen zum Applaus bewegt.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Im Gegensatz zum Land war es dort auch keine Liebesheirat, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU – Abg. Volker Schebes ta CDU zur SPD: Sobald ihr beim Hermann klatscht, klatschen wir beim Mindestlohn! – Heiterkeit bei der CDU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Herr Kollege und Fraktionsvor sitzender, geschätzter Claus Schmiedel, genau dies leitet mei nen fünften Punkt ein. Da möchte ich nämlich darauf hinwei sen, dass die Debatte über den Mindestlohn, die wir jetzt zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode führen, auch gut für die politische Kultur und die politische Diskussionskultur ist.
Wir nehmen nämlich wahr – zumindest auf Bundesebene; ob das auch im Land so sein wird, wird sich zeigen –, dass Poli tiker lernfähige Menschen sind. Bei der SPD sind sie das oh nehin,
aber auch bei der CDU hat sich hier einiges bewegt. Ich den ke, die Kraft der guten Argumente hat doch auch einige von Ihnen überzeugt.
Ich erinnere noch einmal an die Debatte über den Mindest lohn – das war die erste – im November 2011. Damals hat Kollege Paal für die CDU gesprochen. Er hat den Wirtschafts standort Baden-Württemberg in größter Gefahr gesehen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
Im Februar 2013, bei der zweiten Debatte über das Thema Mindestlohn – kurz vor der Bundestagswahl –, war schon Be wegung im Spiel. Ein Umfrageergebnis lag vor, wonach 86 % der Deutschen die Einführung eines Mindestlohns befürwor teten. Die CDU ist in Bewegung gekommen.