Claus Schmiedel

Sitzungen

15/1 15/5 15/6 15/7 15/8 15/10 15/11 15/12 15/13 15/14 15/15 15/16 15/18 15/19 15/20 15/21 15/22 15/23 15/24 15/25 15/30 15/33 15/34 15/36 15/38 15/39 15/40 15/41 15/42 15/43 15/44 15/46 15/48 15/49 15/50 15/51 15/52 15/53 15/55 15/57 15/58 15/62 15/64 15/65 15/66 15/67 15/68 15/69 15/70 15/71 15/74 15/75 15/76 15/77 15/78 15/79 15/80 15/84 15/85 15/87 15/88 15/91 15/92 15/94 15/95 15/96 15/99 15/101 15/105 15/107 15/108 15/109 15/110 15/111 15/112 15/113 15/114 15/116 15/118 15/119 15/120 15/121 15/122 15/126 15/129 15/130 15/131 15/133 15/134 15/136 15/138 15/141 15/142 15/144 15/146 15/147 15/148 15/149 15/150

Letzte Beiträge

Frau Staatssekretärin, berück sichtigt die Landesregierung bei ihrem Feinstaubkonzept, dass moderne Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter luftreinigend, fein staubreinigend wirken? Denn nach einer Untersuchung, die in Paris durchgeführt wurde, bleiben etwa 80 % der einge saugten Feinstäube am Partikelfilter hängen, sodass es für die Feinstaubmenge nicht gerade hilfreich wäre, wenn all die Die selfahrzeuge mit Partikelfilter außerhalb der Stadt blieben.
Frau Staatssekretärin, ich habe aus Ihren Bemerkungen geschlossen, dass Sie vorhaben, die se Untersuchung, von der ich gesprochen habe, in die weite ren Überlegungen zum Feinstaubalarm einzubeziehen. Kön nen Sie sich vorstellen, auch die Überlegung mit einzubezie hen, dass manche zur Rechtfertigung, weshalb sie den Fein staubalarm missachtet haben, anführen, dass sie mit Elektro autos unterwegs sind? Deren Fahrzeuge wirken aber über Rei fen, über Bremsen ebenfalls feinstauberzeugend und haben keinen Partikelfilter, sodass alles in der Luft bleibt – anders als bei einem anständigen, guten Daimler-Diesel.
Es ist wie daheim. Da nimmt man auch einen Staubsauger, saugt die staubbehaftete Luft ein, und hinten kommt Schwarz waldluft raus. So ähnlich ist das auch beim Diesel.
Zweite Frage: Die Pflicht, Holzheizungen mit Filtern zu ver sehen, findet erst ab 2020 Anwendung. Können Sie sich vor stellen, mit der Landeshauptstadt zusammen ein Anreizpro gramm auf den Weg zu bringen, um Holzheizungen mit den dringend benötigten Filtern zu versehen und damit die Grund belastung der Stuttgarter Luft durch diese Holzheizungen im Winter zu mindern, statt zu warten, bis die Pflicht eintritt? Ein solches Anreizprogramm würde, meine ich, mehr helfen als ein Fahrverbot.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der Titel der Debatte, Herr Kollege Wolf, baut einen falschen Gegensatz auf: „Verwalten statt gestal ten“. Denn auch wer nur verwaltet und nichts verändert, ge staltet.
So war es auch kein Zufall, dass wir bei Regierungsantritt das geringste Angebot an Kleinkindbetreuung vorgefunden haben, das geringste Angebot an Ganztagsgrundschulen. Das war be wusste Politik von Ihnen, weil Sie sich leiten ließen von ei nem Familienbild, das aus der Nachkriegszeit stammt. Da war es auch tatsächlich überwiegend so: Der Mann geht hinaus und schafft, die Mutter bleibt daheim, solange die Kinder klein sind, und wenn die Kinder in die Schule kommen, dann ver dient die Mutter etwas dazu und ist mittags wieder daheim, wenn die Schule aus ist. Das war Ihr Bild aus der Nachkriegs zeit, das Sie bis in die Moderne, bis in dieses Jahrhundert hi neingetragen haben.
Ich erinnere mich noch gut, dass wir – das ist etwas mehr als zehn Jahre her – hier mit Kultusministerin Schavan debattiert haben
und die Bildungspolitik insofern kritisiert haben, als die Grund schüler in Bayern in der vierten Klasse vier Stunden mehr Un terricht hatten. Die Antwort von Frau Schavan lautete: „Das
stimmt. Aber wir wollen gar nicht mehr Unterricht; denn wir wollen nicht, dass die Kinder länger von ihren Familien weg sind. Die Kinder, die die Grundschule besuchen, sollen auch eine gewisse Zeit in ihren Familien verbringen.“ Das war Ihr Familienbild, und deshalb war dies auch kein Zufall.
Wir haben das geändert.
Wir lassen uns von einem Familienbild leiten, das eine part nerschaftliche Familie ermöglicht, sodass Mann und Frau glei chermaßen eine Chance auf Erwerbstätigkeit und Erfolg im Beruf sowie Zeit für die Familie haben. Dazu braucht es eine öffentliche Infrastruktur.
Deshalb haben wir unsere Politik so gestaltet, dass wir nicht mehr Schlusslicht bei der Kleinkindbetreuung, nicht mehr Schlusslicht beim Ganztagsgrundschulangebot sind, sondern dass wir bei der Kleinkindbetreuung an der Spitze der Bun desländer in der Republik liegen – nicht nur, was die Zahl der Plätze anbelangt, sondern auch bei der Qualität, wie die Ber telsmann Stiftung ermittelt hat.
Das ist moderne Gestaltung und zeigt: Sie sind heute mit Ih rer Programmatik noch der Vergangenheit verhaftet. Das sieht man auch daran, dass Sie wieder befördern wollen, wieder an stoßen wollen, dass die Mutter zu Hause bleibt, solange das Kind klein ist. Dafür wollen Sie das Betreuungsgeld einfüh ren.
Sie wissen ganz genau, dass dies gerade bei den sozial Schwa chen die falschen Anreize setzt, dass es das Ganze weiter aus einandertreibt und die Kinder, die es am allernötigsten hätten, von den Einrichtungen fernhält.
Ich will ein zweites Beispiel für Ihre Orientierung an der Ver gangenheit nennen: Sie haben unser Tariftreue- und Mindest lohngesetz für Baden-Württemberg massiv bekämpft und wol len es auch wieder abschaffen, wenn Sie die Gelegenheit da zu hätten. Dabei lassen Sie sich von dem Bild des klassischen baden-württembergischen Familienunternehmers leiten, der innovativ und sozial eingestellt ist, der nach vorn schaut, der etwas riskiert, sich aber auch um seine Arbeitnehmer küm mert. Dieses Bild hat über viele Jahrzehnte getragen.
Es entspricht heute noch überwiegend der Wirklichkeit –
aber eben nicht mehr der ganzen.
Ich will Ihnen das belegen: Bis 1990 waren 90 % aller Ar beitsverhältnisse durch Tarifverträge geschützt. Der Tariflohn
war der faktische Mindestlohn. Deshalb kam niemand auf die Idee, über einen gesetzlichen Mindestlohn überhaupt zu dis kutieren. Heute sind es aber nur noch 60 % aller Arbeitsver hältnisse. Das heißt, es haben sich Beschäftigungsverhältnis se breitgemacht, bei denen eben nicht die soziale Einstellung der Unternehmer dominiert, sondern bei denen profitorientiert geschaut wird, mit möglichst niedrigen Löhnen im Wettbe werb besser dazustehen als diejenigen, die Tariflöhne zahlen.
Deshalb – weil die Entwicklung so gewesen ist – reicht der Blick zurück für die Gestaltung der Wirklichkeit nicht aus, sondern muss man die heutige Wirklichkeit in den Blick neh men. Dazu gehört eben, über faire Wettbewerbsbedingungen zu erreichen, dass niemand durch Lohndumping den Wettbe werb um öffentliche Aufträge gewinnen kann.
Dafür haben wir gesorgt. Wenn Sie das wieder abräumen wol len, dann helfen Sie denjenigen, die als Schmutzkonkurrenz gegen anständige Familienunternehmen in Baden-Württem berg konkurrieren.
Allein diese beiden Beispiele belegen, dass es Ihnen in fünf Jahren in der Opposition noch nicht gelungen ist, den Blick auf die gesellschaftliche Realität zu weiten.
Das wird in Ihrem ideologisch besetzten Kampf gegen Bil dungspläne besonders deutlich – gegen Bildungspläne, in de nen auch unterstrichen wird,
dass in der Schule darüber geredet wird, dass der liebe Gott die Welt bunt gemacht hat; er hat sie bunt gestaltet. Sie haben einen engen Blick auf die gesellschaftliche Realität, bei dem die klassische Familie die Norm ist. Alles andere – das, was abweicht – nehmen Sie zwar zur Kenntnis, wollen es aber nicht gleichbehandeln. Deshalb haben Sie die Beamten, die verpartnert sind, schlechter behandelt,
deshalb haben Sie gleichgeschlechtliche Paare zur Kraftfahr zeugzulassungsstelle und nicht zum Standesamt geschickt, wenn sie ihre Urkunden unterschreiben.
Sie haben es in fünf Jahren in der Opposition nicht geschafft, den Blick zu weiten.
Deshalb sind Ihre Rezepte für die Zukunft Rezepte von ges tern. Die Rezepte der SPD und der Koalition
sind die Rezepte von heute und von morgen.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Es wurde schon mehrfach unterstrichen und belegt, dass unser Land nach fünf Jahren grün-roter Ko alition so stark dasteht wie noch nie. Deshalb will ich nur noch einmal auf das Grundsätzliche eingehen, Herr Kollege Wolf, das Sie gerade nach vorn gekehrt haben. Sie haben gesagt, der Staat solle sich nicht einmischen, die Familien sollten ent scheiden, wie sie als Familie leben wollen. Da bin ich schon ganz bei Ihnen. Aber der Staat muss einen Beitrag dazu leis ten, dass die Familien so leben können, wie sie wollen.
Jetzt komme ich noch einmal auf dieses Thema zurück: Es war in diesem Jahrhundert, im Jahr 2002, als hier eine Debat te mit Frau Schavan stattfand, in dem Jahr, als die Regierung Schröder in ihrem Agenda-Programm gesagt hat: „Wir wol len mit Bundesgeld den Ausbau der Ganztagsschulen im Land voranbringen.“ Da stand Frau Schavan noch hier am Redner pult und hat gesagt: „Das Geld nehmen wir nicht. Das ist schmutziges Geld; denn Ganztagsschulen entfremden die Kin der von ihren Familien.“
Sie haben bewusst darauf hingesteuert, dass Familien es schwer haben, Beruf und Familie zu vereinbaren. Das war Ihr Fami lienbild, geprägt in der Nachkriegszeit, geprägt im letzten Jahrhundert, das Sie in dieses Jahrhundert hinüberbringen. Das Betreuungsgeld ist ein aktiver Beitrag, um dieses Bild weiter in die Zukunft zu schreiben. Sie orientieren sich an ei ner längst überlebten Vergangenheit, während wir uns an ei nem partnerschaftlichen Familienmodell orientieren. Deshalb ist unsere Politik zukunftsfähig.
Im Übrigen haben Sie das Geld natürlich dann doch genom men, weil die Städte und Gemeinden gesagt haben: „Ihr spinnt ja; natürlich brauchen wir das Geld, um Ganztagsangebote zu schaffen.“ Das haben Sie aber nur zugelassen für eine zusätz liche Betreuung an den Schulen. Dass die Halbtagsschule die Kluft zwischen denen, die von zu Hause aus unterstützt wer den, und denen, die von zu Hause aus nicht unterstützt wer den, weiter vertieft, das haben Sie ignoriert. Denn solange es Hausaufgaben gibt, solange die Schule zu Hause fortgesetzt wird, hat es das Kind gut, das eine Unterstützung hat, und ein Kind, das keine Unterstützung hat, hat es schwerer.
Deshalb ist eine Ganztagsschule nicht eine „angeklebte Be treuung“, sondern die Antwort auf die Herausforderung, mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Es geht darum, dass Haus aufgaben zu Schulaufgaben werden, bei denen die Kinder von den professionellen Kräften in den Schulen unterstützt wer den. Deshalb ist die Ganztagsschule eine Antwort sowohl auf die Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einer partnerschaftlichen Familie als auch auf die Forderung nach mehr Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg – die dringend notwendig war.
Sie haben hier bemängelt, es gebe keine Verständigung mit den Kommunen über die Frage der Anschlussunterbringung. Dazu möchte ich einmal daran erinnern, wer vor der letzten Wahl mit den kommunalen Landesverbänden im Zoff und im Streit lag. Das waren doch Sie. Die haben doch Ihnen ange droht, Sie vor den Kadi zu ziehen, wenn Sie bei der Klein kindbetreuung nicht endlich eine anständige Finanzierung vor legen.
Sie haben nicht geklagt, weil sie gesagt haben: „Wir warten einmal ab und schauen nach der Wahl, wer dann regiert.“ Dann kam der Regierungswechsel, und wir haben mit den Kommunen einen Pakt für die Familien geschlossen, in wel chem wir – Landesregierung und kommunale Seite – alle wichtigen Dinge, die beide Seiten betreffen, einvernehmlich miteinander geregelt haben.
Auch die Kosten der Anschlussunterbringung werden wir ein vernehmlich regeln. Das ist doch selbstverständlich. Die Ge spräche sind anberaumt. Dann setzt man sich zusammen, dann wird das miteinander vereinbart, und dann wird das auch durchgeführt.
Wenn ich bei der Anschlussunterbringung bin, muss ich etwas zum Kollegen Rülke sagen. Ich verstehe Ihren Einwand ge gen Ein-Euro-Jobs überhaupt nicht. Denn die Erfahrung zeigt, dass etwa 70 % derer, die in der Anschlussunterbringung an gekommen sind, in der Grundsicherung landen. Es dauert ge raume Zeit, bis diese Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt als vollwertige Kräfte angekommen sind. Deshalb ist es doch nur sinnvoll, ihnen einen strukturierten Alltag zu ermöglichen, der morgens mit Arbeit beginnt und am Nachmittag mit dem Feierabend endet, und das bei gemeinnütziger Arbeit und ei nem Zusatzverdienst von 1 € pro Stunde. Was wollen Sie denn dagegen haben? Sollen die in ihrer Unterkunft herumsitzen und warten, bis der Abend kommt? Das ist doch eine sinnvol le Geschichte.
Es braucht also einen etwas schärferen Blick auf die Realität, auf eine veränderte Realität, auf eine veränderte gesellschaft liche Realität, auf eine geänderte wirtschaftliche Realität, auch auf die Veränderung durch die Flüchtlinge, die zu uns kom men. Das täte Ihnen gut, aber das ist Ihnen verstellt, weil Sie nach wie vor, wie im letzten Jahrhundert, eng durch die Lan de ziehen. Deshalb taugen Ihre Rezepte weder für die Gegen wart noch für die Zukunft.
Herr Kollege Rülke, vielen Dank. – Wenn jemand in einem normalen Job für weniger als 8,50 € arbeitet, macht er denen Konkurrenz, die den Mindest lohn oder den Tariflohn bekommen. Diese Schmutzkonkur renz wollen wir nicht. Wenn jemand einen Ein-Euro-Job macht, dann darf das nur eine Beschäftigung sein, die gemein nützig ist und mit der keinem Gewerbe Konkurrenz gemacht wird. So ist das definiert.
Deshalb ist das eine sinnvolle Beschäftigung, und das andere ist Lohndumping-Konkurrenz. Stimmen Sie dem zu?
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Frage nach dem Schutz der Landschaft, nach dem Schutz der Natur unmittelbar eine Re aktion auf die Veränderungen ist, die die Industrialisierung mit sich gebracht hat und bringt. Es haben sich schon früh, im 19. Jahrhundert und auch im 20. Jahrhundert, Bürgerinnen und Bürger zusammengeschlossen,
um eine Reaktion zum Schutz der Natur gegen die zerstöreri sche Kraft der Industrialisierung auf den Weg zu bringen. Bei spielsweise haben heimatverbundene Schwarzwälder
1911 um den Wilden See, der auf 910 m Höhe im nördlichen Schwarzwald nördlich vom Ruhestein liegt, 86 ha als Bann wald freiwillig aus der Nutzung genommen
und als Reaktion auf die zunehmende industrielle Verwertung des Holzes im Schwarzwald gesagt: „Wir nehmen ein be trächtliches Stück Wald aus der Nutzung heraus, um dieses Stück Natur sich selbst zu überlassen und zu erhalten.“
1998 wurden diese 86 ha auf 150 ha erhöht, und man hätte jetzt theoretisch auch weitermachen und sagen können: Lasst uns doch dieses bewährte Instrument der Bannwaldauswei sung fortsetzen
und diesen Bannwald, in dem man erleben kann, wie sich Na tur entwickelt, wenn man sie sich selbst überlässt, vergrößern, um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Das hätte man machen können.
Es gab aber eine zweite Reaktion auf die Frage: Was bringt die Industrialisierung mit sich? Das ist nicht die ökologische Frage, sondern die soziale Frage. Die soziale Frage heißt: Wie halten wir es angesichts der Veränderungen der Industrialisie rung mit denjenigen, die von ihrer Arbeitskraft leben müssen, die darauf angewiesen sind, anständige Einkommen zu erzie len, um in ihrer Heimat bleiben zu können? Das war im
19. Jahrhundert in Baden-Württemberg nicht gegeben; da sind Menschen reihenweise ausgewandert.
Auch das gehört für uns Sozialdemokraten, die wir ja aus der sozialen Bewegung kommen, zu einer nachhaltigen Politik: dass man natürlich belastbares ökonomisches Wachstum braucht, dass wir ökologische Verträglichkeit brauchen, dass wir zunehmend den Raubbau an der Natur zurückfahren, aber natürlich auch die soziale Verantwortung tragen. Das ist nach haltige Entwicklung in diesem Dreiklang.
Deshalb müssen wir fragen: Was bringt der Nationalpark noch mit sich, außer dem Schutz der natürlichen Lebensgrundla gen? Es ist ein internationales Prädikat, es ist eine internatio nale Marke, die sich natürlich auch für die Tourismuswirt schaft vermarkten lässt, damit wir im Nordschwarzwald das dringend Notwendige tun und den Tourismus nach oben brin gen können. Die Ansätze sind ja schon erkennbar.
Deshalb hilft das natürlich auch den Unternehmerinnen und Unternehmern im Schwarzwald, den Hoteliers und Gastwir ten. Es hilft, die ganze Infrastruktur dort aufrechtzuerhalten und Arbeitsplätze dort zu halten und neue zu schaffen, von de nen die Menschen und ihre Familien leben können. Deshalb ist das in diesem Dreiklang ein ganz wichtiges Projekt.
Das ist übrigens auch eine Antwort auf Ihre Frage, Herr Kol lege Wolf: Machen wir das alles nur dezentral? Das kann man alles machen, aber dann bekommt man halt keinen National park hin.
Deshalb legen wir Wert darauf, dass wir neben der Entwick lung des Nationalparks natürlich auch eine Stärkung der tou ristischen Infrastruktur im Nordschwarzwald weiter voran bringen.
Das Thema „Ökologische Bildung“ wurde angesprochen. Öko logische Bildung ist auch Bestandteil des Nationalparks, ist Auftrag eines Nationalparks.
Auch die Forschung ist Auftrag eines Nationalparks. In die ser Entwicklung der Natur ohne menschlichen Einfluss liegen unglaubliche Ressourcen, auch für eine spätere wirtschaftli che Nutzung. Dort werden noch Dinge entdeckt, die heute nicht bekannt sind. Deshalb ist das ein wunderbares Beispiel für den Dreiklang aus belastbarem Wirtschaftswachstum, öko logischer Verantwortung und sozialer Verantwortung.
Jetzt wurde die Frage aufgeworfen: Wie gehen wir denn mit dem Protest um, der sich ergibt, wenn sich irgendwo etwas verändert? Kollege Wolf hat Staatsrätin Erler zitiert. Wenn ich es richtig im Kopf habe, wurde der Prozess zu Stuttgart 21 be nannt als eine neue,
moderne Form der Heimatliebe.
Das kann man so sehen. Man kann auch den Protest gegen den Nationalpark als eine moderne Form der Heimatliebe be trachten. Ich möchte da gar keinen Unterschied machen. Nur habe ich nicht verstanden, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen wollen, Herr Kollege Wolf. Der politische Umgang mit dem Projekt Stuttgart 21 wurde ja nicht durch den Protest ge gen Stuttgart 21 bestimmt. Das wäre ja auch verheerend. Dann hätten wir nämlich Stuttgart 21 gar nicht. Vielmehr war die Reaktion auf den Protest, dass diejenigen, die die Verantwor tung dafür übernehmen müssen, ob dieses Projekt kommt oder nicht, nämlich die Bevölkerung von Baden-Württemberg, da rüber abstimmen, nicht die protestierenden Anlieger. Deshalb hat die Landesregierung die Konfliktsituation dadurch gelöst, dass wir eine Volksabstimmung über das Projekt Stuttgart 21 durchgeführt haben.
Deshalb wird das Projekt umgesetzt, obwohl immer noch je den Montag weiter protestiert wird.
Wenn ich das jetzt auf den Nationalpark übertrage, stelle ich fest, dass Ihre Vergleiche überhaupt nicht zusammenpassen. Denn dann müsste ich den Protest zum Anlass nehmen, um eine Volksabstimmung über den Nationalpark – das ist ein Projekt der Landesregierung und damit des Landes BadenWürttemberg – in die Wege zu leiten.
Das haben wir nicht gemacht; das hat auch niemand verlangt. Aber alle Umfrageergebnisse, die wir kennen, zeigen schon von Anfang an – und heute noch mehr –, dass sich die Bevöl kerung von Baden-Württemberg in der Gesamtheit für dieses Projekt ausspricht.
Deshalb wundert mich, dass Sie immer noch dagegen an kämpfen. Sie mögen jetzt sagen: „Wir lassen das Label Nati onalpark.“ Aber das kommt mir etwa so vor wie: „Wir lassen die Gemeinschaftsschulen Gemeinschaftsschulen sein, aber sie müssen hinterher etwas ganz anderes machen.“ Gleichsam habe ich den Eindruck, Sie wollen das Label Nationalpark nicht mehr wegnehmen. Das ist auch klar. Denn der Vorsit zende des Nationalparkrats, Landrat Rückert, hat auf die Fra ge: „Was machen Sie denn, Herr Landrat, wenn eine andere Regierung kommt und den Nationalpark abschaffen will?“, gesagt: „Den Nationalpark lassen wir uns nicht mehr wegneh men.“
Aber Sie wollen so weit eingreifen, dass von der Idee des Nationalparks nichts mehr übrig bleibt, gleichsam wie bei der Gemeinschaftsschule. Deshalb sage ich: Ein Wahlerfolg für Sie wäre eine Gefahr für die Kinder an der Gemeinschafts schule und deren Eltern wie für alle, die den Nationalpark lie ben und mögen.
Dazu gehören übrigens auch – deshalb hat der Ministerpräsi dent natürlich zu Recht die wachsende Zahl von Sterneköchen und Sternerestaurants erwähnt – die Sternerestaurants im Na tionalparkgebiet, die mit „Nationalparkgerichten“ werben,
also mit Gerichten aus natürlichen Produkten aus der Umge bung des Nationalparks.
Die Industrie hat auch die Landwirtschaft verändert. Heute haben wir eine sehr intensive Landwirtschaft. Es ist natürlich blauäugig, so zu tun, als wäre das alles per se naturverträg lich. In Sonntagsreden wird immer gern gesagt, die Bauern schützten unsere Landschaft. Aber jeder weiß natürlich, dass man sich sehr anstrengen muss, um eine intensive Landwirt schaft mit der Natur in Übereinstimmung zu bringen.
Ich weiß nicht, ob eine Ausweitung des biologischen Anbaus in Baden-Württemberg die Welt rettet.
Aber eines weiß ich: Wenn unsere kleinteilige, familienbäu erliche Landwirtschaft mit ihren Produkten auf dem Welt markt antritt, dann wird sie den letzten Platz beim Einkom men pro landwirtschaftlicher Arbeitskraft
nicht verlassen. Denn mit dieser kleinteiligen Landwirtschaft gegen die Agrarindustrie mit großen Flächen von 5 000, 10 000 ha „anzustinken“ wäre doch irre.
Jetzt erinnere ich wieder an den Dreiklang: Es geht nicht nur darum, ökologischer zu werden. Es geht auch darum, wirt schaftlich nachhaltig zu werden und auch anständige Löhne zahlen zu können und, wenn es ein Familienbetrieb ist, auch Einkommen zu erzielen. Wer leidet denn unter dem Preisver fall beim Schweinefleisch?
Wer leidet denn unter dem Preisverfall bei der Milch? Das sind diejenigen, die konventionell produzieren und nicht in dieser Masse mit Tausenden von Viechern produzieren kön nen. Wer leidet nicht darunter? Das ist die Bäuerliche Erzeu gergemeinschaft Hohenlohe, die nach wie vor gute Preise am Fleischmarkt und bei der Milch erzielt.
Deshalb ist es genauso wieder eine Frage der Nachhaltigkeit unserer Landwirtschaft, ob wir der biologischen Produktion eine größere Chance einräumen. Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern etwas mit gesundem Menschenverstand, dass unsere Landwirtschaft nur mit Preisen, von denen man auch
leben kann, zukunftsfähig ist. Das bedeutet doch, dass man in den Sektor gehen muss, in dem man das erzielt. Das ist die biologische Produktion.
Ich möchte es an dieser Stelle dabei bewenden lassen und nur noch auf die an uns gerichtete Aussage eingehen: „Sie tun so, als hätten Sie den Naturschutz erfunden.“ Natürlich haben wir den nicht erfunden. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass schon im Jahr 1911 Schwarzwälder entschieden haben,
einen Bannwald einzurichten, um die Natur zu schützen. Das wollen wir für uns gar nicht in Anspruch nehmen.
Sie haben auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ein richtung des Biosphärengebiets Schwäbische Alb ein wirkli cher Fortschritt war. Es hat lange gebraucht, bis es dazu ge kommen ist. Ich erinnere mich noch, dass wir zu Zeiten der Großen Koalition mit Harald B. Schäfer in die Mark Branden burg gefahren sind und uns das dortige Biosphärengebiet an geschaut haben, weil wir ein solches Gebiet auch in BadenWürttemberg einrichten wollten. Das war aber damals mit der CDU überhaupt nicht zu diskutieren. Insofern gab es hier ei nen Fortschritt; das will ich auch loben.
Aber den Aufwand, insbesondere den personellen Aufwand, den man mit einem Biosphärengebiet treiben muss, haben Sie nicht durch zusätzliche Mittel im Haushalt für Naturschutz abgebildet.
Vielmehr haben Sie dort Mittel abgezogen, wo diese schon für Naturschutzaktivitäten bereitstanden und gebraucht wur den, und bei dem Projekt auf der Schwäbischen Alb gebün delt. Das ist gerade das Gegenteil von Dezentralität, von der Sie vorhin gesprochen haben. Sie haben die Dezentralität ge schwächt, um das Zentrum Biosphärengebiet Schwäbische Alb überhaupt betreiben zu können.
Deshalb waren wir bei Regierungsübernahme mit Naturschutz mitteln natürlich viel zu knapp dran. Daher haben wir das Vo lumen ausgedehnt und systematisch und nachhaltig jedes Jahr 6 Millionen € dazugegeben, sodass wir das Volumen von 30 Millionen € auf 60 Millionen € erhöht haben. Edith Sitz mann und ich haben bei den Naturschutztagen am Bodensee zugesagt, dass wir das fortsetzen wollen. Denn natürlich braucht auch ein Biosphärengebiet Südschwarzwald mehr Ressour cen und mehr Personal. Wenn man es mit den Landschaftser haltungsverbänden ernst meint, dann entsteht auch da etwas, was mehr Mittel erfordert. Deshalb ist es richtig. Wir haben die haushalterischen Konsequenzen gezogen, die Sie die gan zen Jahre unterlassen haben.
Auch mit Blick auf die Landschaftserhaltungsverbände glau be ich, dass Sie das, was sich an Bewegung in der Gesellschaft zeigt, übersehen und missachten. Wir haben im Kreistag Lud wigsburg eine Diskussion um die Einführung eines Land
schaftserhaltungsverbands geführt. Die CDU war dagegen, wie hier im Landtag auch. Wer sich aktiv dafür ausgesprochen hat, war der Vorsitzende des Kreisbauernverbands.
Er hat gesagt: Wir brauchen angesichts der Konfliktlage die frühe Diskussion mit denen, die für Landschaftsschutz, für Naturschutz eintreten; damit wir einen vernünftigen Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung finden, brauchen wir den frühen Austausch.
Ein Landschaftserhaltungsverband ist ein tolles Instrument. Wir haben dessen Einführung mehrheitlich durchbekommen. Das zeigt, dass sich die Vernunft am Ende doch durchsetzt. Das hoffen wir auch bei der Wahl.
Herzlichen Dank.
Herr Minister, Sie haben gera de die großen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Integrierten Rheinprogramm geschildert. Ich möchte einmal den Blick auf die Nebenflüsse und dabei gerade auf die klei neren Nebenflüsse lenken, beispielsweise auf Murr und Enz. Da entstehen zwar keine Milliardenschäden, aber es kann doch zu Schäden in beträchtlicher Millionenhöhe kommen. Deshalb meine Frage: Haben wir angesichts der großen Her ausforderungen an Donau und Rhein genügend Reserven, um auch an kleineren Flüssen den Hochwasserschutz voranzutrei ben?
Keine Angst, Herr Staatssekre tär. – Ich habe eine sehr grundsätzliche Frage. Es gibt eine all gemeine Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit für die Arbeitsvermittlung und auch Qualifizierung in Arbeit. Wie wird die Zusammenarbeit mit den Kontaktstellen gestaltet?
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen!
Wenn ein Land vor großen Herausforderungen steht – die eu ropäische Flüchtlingskrise ist eine solche große Herausforde rung –, dann erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass die jenigen, die regieren, geschlossen und entschlossen handeln.
Herr Kollege Wolf, die CDU ist in diesem Fall Regierungs partei; denn in Berlin wird entschieden,
wie mit der Flüchtlingskrise umgegangen wird.
Wir erleben, dass der Bundestagsabgeordnete von Stetten ge meinsam mit 44 anderen Abgeordneten einen Brief an die Bundeskanzlerin schreibt, in dem gefordert wird, dass alles ganz anders gemacht werden müsse. Daraufhin schreibt der CDU-Kreisverband Schwäbisch Hall einen Brief, in dem sich dieser von Herrn von Stetten distanziert. Nun schreibt Herr Seehofer, er wolle sich als Teil der Koalition selbst verklagen, wenn nicht alles ganz anders werde. Und Sie springen auf je de Eintagsfliege von Herrn Seehofer oder von Frau Klöckner – ein Durcheinander, dass es die Haut anregt.
Deshalb stelle ich zunächst einmal fest: Sie sind nicht Teil der Lösung, Sie sind Teil des Problems.
Wir hatten mit dem ersten Asylpaket einen guten gemeinsa men Einstieg, eine gemeinsame Verantwortung der Länderre gierungen und der Bundesregierung, verbunden mit der kla ren Ansage, dass wir auf eine europäische Lösung dieses Pro blems abzielen. Europäische Lösung heißt, dass Europa den Ländern unter die Arme greift, die heute einen Großteil der Flüchtlinge aus Syrien unterbringen. Europäische Lösung heißt, dass es Hotspots an der Außengrenze der EU gibt. Eu ropäische Lösung heißt natürlich auch – das wurde in dem Kompromiss verabredet –, dass jedes Land schaut, dass man mit den angekommenen und den künftig noch ankommenden Flüchtlingen so umgeht, dass sie gut integriert werden.
An diesen drei Punkten halten wir fest; denn es gibt keine Al ternative dazu. Die Alternative, die Sie formulieren, indem Sie Herrn Seehofer bzw. Frau Klöckner beispringen, heißt doch, dass wir versuchen sollen, an den bundesdeutschen Grenzen den Flüchtlingszustrom durch Zonen, durch Zentren, durch Tageskontingente oder durch was auch immer zu regu lieren. Damit würde man jedoch die Axt an einer gemeinsa men politischen Lösung auf europäischer Ebene ansetzen.
Wenn Sie das wollen, dann sollten Sie das klipp und klar sa gen. Wenn Sie das jedoch nicht wollen, dann sollten Sie die Bundesregierung bzw. konkret die Bundeskanzlerin und den Bundesaußenminister unterstützen, die alles daransetzen, die selbstverständlich notwendige Reduzierung der Flüchtlings ströme durch dieses europäische Paket hinzubekommen. Da mit wird nämlich die Ursache des Problems angegangen. Die Strategie muss sein, die Flüchtlinge dort zu unterstützen, wo sie angekommen sind, die Fluchtursachen in Syrien zu besei tigen und die Menschen in Europa zu verteilen und anständig zu integrieren.
Sie sind – das haben Sie gezeigt – momentan etwas im An griffsmodus. Sie bringen aber die Dinge etwas durcheinander.
Die Aufhebung der Residenzpflicht, wie es sie früher gab, be deutet nicht, dass jemand, der sich in der Erstaufnahme oder in der vorläufigen Unterbringung befindet, keinen festen, zu gewiesenen Wohnsitz hat. Er ist nicht frei, seinen Wohnsitz zu wählen. Wenn er jedoch seine Unterkunft in Ludwigsburg hatte, dann konnte er nicht in die Landeshauptstadt Stuttgart, weil er dann die Kreisgrenze überschritten hätte.
Wo ist denn eigentlich das Problem? Wo ist denn Ihr Problem, wenn jemand mit der S-Bahn von Ludwigsburg nach Stutt gart und wieder zurück fährt?
Worüber wir reden, hat mit der Residenzpflicht gar nichts zu tun. Die Bundesregierung wird dies auch einführen, und dem stimmen wir natürlich zu. Es geht darum, für diejenigen, die ihre Verfahren durchlaufen haben und die dann in die An schlussunterbringung kommen – die haben auch keine Resi denzpflicht gehabt –, eine Wohnsitzauflage zu schaffen, damit wir eine möglichst gleichmäßige Verteilung in unserem Land hinbekommen, um zu vermeiden, dass große Städte überfor dert sind, weil alles in die Ballungsräume strömt. Das ist et was völlig anderes.
Aber selbst dann, wenn jemand eine Wohnsitzauflage hat, kann er natürlich mit der S-Bahn nach Stuttgart und wieder zurück fahren.
Darüber hinaus haben Sie gesagt, Sie würden in der Erstauf nahme ab sofort kein Geld mehr auszahlen. Sie kennen aber doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir sind hier
doch gar nicht frei. Es geht darum, ein Taschengeld auszube zahlen, um die eigenen kulturellen Bedürfnisse zu befriedi gen. Wollen Sie einfach ratzfatz ignorieren, was uns das Bun desverfassungsgericht vorgibt? Das ist doch keine seriöse Po litik. Das ist doch Stammtisch.
Außerdem haben Sie wieder einmal die Stärken der Polizei ins Spiel gebracht. Jetzt will ich Ihnen zum Schluss einmal vorhalten, wie das bei Ihnen war und wie es bei uns ist.
Das sind die Polizeieinstellungen unter Schwarz-Gelb.
Die Kurve verläuft flach. Unter Grün-Rot sehen Sie eine auf steigende Kurve. Außerdem zeigt sich eine steil aufsteigende Kurve bei der Polizeistärke insgesamt von 2011 bis heute. Das heißt, Sie haben Beamte entlassen, wir hingegen haben neue Beamte eingestellt und dadurch die Stärke der Polizei erhöht; und so setzen wir das fort. Das heißt, wir stellen uns der Auf gabe, Sie aber reden nur.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil das, was Sie, Herr Kollege Kern, von sich gegeben ha ben, entweder schlicht unverschämt war oder den mangeln den Tiefgang Ihrer Gedanken zeigte.
Sie hatten behauptet, es sei für die SPD kein angemessenes Thema, wenn sie sich im Rahmen einer Aktuellen Debatte mit dem Solidarpakt Sport beschäftige. Ich möchte Ihnen hierbei ein bisschen auf die Sprünge helfen: Der Sport hat in der Ge schichte der Arbeiterbewegung eine ganz herausragende Rol le gespielt, und die SPD ist Bestandteil dieser Arbeiterbewe gung.
Sport, Arbeiterbewegung und SPD – das war also immer ei ne Einheit.
Leider war es nicht möglich, in der ersten deutschen Demo kratie diese unterschiedlichen Ausrichtungen der Vereine – sogenannte bürgerliche Sportvereine und Arbeitersportverei ne – zusammenzuführen. Das war mit ein wesentlicher Punkt, dass die Gesellschaft in der Weimarer Republik nicht zusam mengefunden hat und dies dann im Fiasko des Dritten Rei ches gemündet hat – nicht der wesentliche, aber einer.
Deshalb war es eine große historische Leistung nach dem Zweiten Weltkrieg, dass sich die Vertreter des Arbeitersports und die Vertreter des bürgerlichen Sports zusammengefunden haben und dass wir heute eine Sportbewegung haben, in der nicht mehr unterschieden wird, ob jemand in die Fabrik geht, um zu arbeiten, oder ob er ein Beamter ist. Vielmehr haben wir Sportvereine, die wie keine andere Institution gesellschaft lich integrierend wirken.
Das ist ein hochbrisantes, hoch spannendes Thema für den Zu sammenhalt unserer Gesellschaft – nicht nur im Hinblick auf Flüchtlinge, sondern auch im Hinblick auf die gesamte Ge sellschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Zweite, was ich Ihnen sagen wollte, weshalb es sich lohnt, darüber zu sprechen – weil Sie sagen: „Wir sind uns ja alle ei nig, dass es mehr Geld gibt“ –: Dieser Solidarpakt unterschei det sich von dem vorhergehenden dadurch, dass er eine stra tegische Ausrichtung hat,
dass er nicht nur etwas mehr gibt.
Beispiel: Alle sagen: „Der Sport fußt in ganz wesentlichen Teilen auf dem Ehrenamt“, und Sie loben das Ehrenamt über den grünen Klee. 40 Jahre wurde aber nichts gemacht, diese verbale Anerkennung auch in eine stärkere monetäre Unter stützung der Vereine zu überführen.
Deshalb ist es ein strategischer Ansatz zur Stärkung des Eh renamts im Sport,
dass die Übungsleiterpauschale um über 30 % erhöht wurde – nach 40 Jahren Stillstand unter Schwarz-Gelb.
Der zweite Punkt: Wir brauchen natürlich, um eine Antwort auf die Bewegungsarmut der Kinder zu geben, mehr Sportan gebote in der Schule, aber auch mehr Bewegungsangebote
für Kinder schon im Kindergartenalter.
Deshalb brauchen wir gerade für Sportvereine mit kleinen Kindern eine neue Qualität von Übungshallen, damit die Kin der vom Kindergartenalter an daran gewöhnt werden, sich für eine gesunde Entwicklung täglich zu bewegen und zu betäti gen.
Wir stellen Fehlentwicklungen schon in jungem Alter fest, und dieser Solidarpakt Sport wirkt dem mit seiner Investitionsför derung massiv entgegen.
Ich bin bei meinem letzten Punkt, Herr Präsident; wenn ich den noch zu Ende führen darf.
Das Dritte, was ich sagen will: Die Bevölkerung wird im Durchschnitt immer älter, und deshalb werden Sportangebo te für die Älteren auch immer wichtiger.
Deshalb ist die erhöhte Investitionsförderung auch in diesem Punkt eine wichtige Antwort auf eine gesellschaftliche Her ausforderung.
Deshalb, lieber Herr Kollege Kern, sehen Sie ein hochpoliti sches, gesellschaftspolitisches Thema, das allen angemessen ist, aber vor allem auch der Sozialdemokratischen Partei Deutsch lands.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Bürgerbeauftragte oder Ombudsmän ner, wie sie andere Länder haben, haben in Europa eine lan ge Geschichte.
1809 wurde der erste Ombudsmann – „riskens ständers justi tieombudsman“ – in der schwedischen Verfassung verankert.
1919 folgte Finnland, 1955 Dänemark, 1963 Norwegen, 1967 Großbritannien. Heute haben 25 Staaten der Europäischen Ge meinschaft Ombudsmänner eingerichtet.
Nach den Worten des Herrn Hauk haben sich dort überall lin ke Machenschaften oder ein institutionalisiertes Misstrauen gegenüber dem Parlament durchgesetzt.
Selbst das Europäische Parlament hat 1995 einen Ombuds mann eingerichtet.
Sie sehen also, es hat eine lange Tradition, hat nichts mit Miss trauen zu tun und schon gar nicht mit linken Machenschaften.
Was ist die Aufgabe des Bürgerbeauftragten?
Der Bürgerbeauftragte ist Moderator, Dolmetscher und Lotse für die Bürgerinnen und Bürger. Warum brauchen wir das?
Es gibt heute eine Vielzahl von Rechten und Pflichten und Leistungsansprüchen in den verschiedensten Behörden, meist überlappend, und es fällt Bürgern zunehmend schwer, sich in diesem Gestrüpp zurechtzufinden.
Sie kommen ja nicht ohne Grund häufig daher und verlangen Bürokratieabbau, um die Dinge zu vereinfachen.
Daraus ergeben sich drei Kernbereiche in der praktischen Ar beit des Bürgerbeauftragten: erstens Hilfe bei der Suche der zuständigen Verwaltungseinheit für das persönliche Anliegen, zweitens Prüfung von Verwaltungshandeln, Auskunftsertei lung und Beratung und drittens Vermittlung und Konfliktma nagement.
Deshalb ist es kein Gegensatz zum Petitionsrecht, sondern ei ne Erweiterung, nämlich eine Erweiterung auf Ausgleich und Schlichtung, ein Dienstleistungsangebot. Wir haben das so ge regelt, dass natürlich die Rechte des Petitionsausschusses völ lig unberührt bleiben und z. B. vom Petitionsausschuss be schiedene Anliegen beim Bürgerbeauftragten natürlich nicht mehr aufgerufen werden können.
Dann komme ich zum dritten Teil: Wie sind die Ergebnisse der Arbeit des Bürgerbeauftragten, der uns am Nächsten liegt? In Deutschland und in Italien gibt es im Gegensatz zu den an deren Ländern keine nationalen Bürgerbeauftragten, aber re gionale Bürgerbeauftragte. In Deutschland gibt es sie bereits in vier Bundesländern. Das ist also keine linke Machenschaft, sondern in diesen vier Ländern in Deutschland haben es die Parlamente beschlossen. Jetzt kommt Baden-Württemberg da zu.
Ich will erst fertig machen.
Jetzt nehmen wir einmal das Beispiel von Rheinland-Pfalz, das uns am Nächsten liegt. Da wurden im Jahr 2014 2 260 Anliegen an den dortigen Bürgerbeauftragten herangetragen. Die größte Zahl der Anliegen, nämlich 804, wurden dadurch erledigt, dass er den Bürgern eine Auskunft gegeben hat, bei spielsweise: Wer ist für sie zuständig? Wie geht man vor? Der hat gar nichts weiter gemacht, außer eine Auskunft zu ertei len. Jetzt stellen Sie sich einmal das befriedigende Ergebnis für Menschen vor, die mit ihrem Anliegen zunächst nicht wei tergekommen sind, deren Anliegen nun erledigt wird.
Der Bürgerbeauftragte ist aber auch kein Wundermann. Es gibt natürlich auch Hunderte von Anliegen, die er zurückge wiesen hat, weil er nach den Regelungen dafür nicht zustän dig ist, beispielsweise wenn es dazu eine Gerichtsentschei dung, einen Petitionsbeschluss oder anderes gibt. Immerhin aber konnten 262 Anliegen einvernehmlich geklärt werden. Da ist dann ein Befriedungsprozess entstanden.
Deshalb finde ich, dass diese Ergebnisse des Bürgerbeauftrag ten in Rheinland-Pfalz dafür sprechen, ein niederschwelliges
Angebot der Beratung, der Begleitung und der Konflikt schlichtung auch in Baden-Württemberg zu schaffen.
Jetzt haben Sie noch einmal besonders die Polizei erwähnt. Der Bürgerbeauftragte ist auch für die Polizei zuständig, wie es in Rheinland-Pfalz der Fall ist. Im Zeitraum Juli 2014 bis Juli 2015 – also in einem ganzen Jahr – wurden an den Bür gerbeauftragten in Rheinland-Pfalz in seiner Rolle als Poli zeibeauftragter
80 Eingaben gerichtet, und die deutliche Mehrzahl davon wa ren Anliegen aus der Polizei heraus,
waren Wünsche, Kritik, Vorschläge zu innerpolizeilichen The men und eben nicht „Bürgerschaft gegen Polizei“. Der Beauf tragte hat den Auftrag, dort, wo es zu Konflikten kommt, mo derierend und schlichtend auf diese Konfliktbereinigung hin zuweisen.
Ein Letztes: Herr Kollege Hauk, wir haben von Ihnen keine Belehrung nötig, was die Bedeutung der Sicherheitsorgane anbelangt. Sie waren es, die 1 000 Polizeistellen abgebaut ha ben, und wir waren es, die Hunderte von Polizeistellen aufge baut haben.
Im letzten Nachtrag haben wir die Einrichtung von 30 zusätz lichen Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ver fassungsschutzes beschlossen. Da brauchen wir von Ihnen kei ne Belehrung.
Wir wissen um die Bedeutung des Gewaltmonopols und um die Bedeutung der Sicherheit gerade für eine freiheitliche Ge sellschaft. Deshalb stehen wir voll und ganz hinter den Sicher heitsorganen unseres Landes. Das hat mit dem Bürgerbeauf tragten null Komma null zu tun.
Herr Staatssekretär, das Statis tische Landesamt lag in jedem Jahr nachweislich völlig dane ben mit der Bevölkerungsprognose. Heute tagt der Verband Region Stuttgart mit seinem Planungsausschuss. Im Vorfeld gab es eine Pressemeldung, dass der Planungsdirektor auf der Basis der Ermittlungen des Statistischen Landesamts mit ei nem Zuwachs der Bevölkerung in der Region Stuttgart bis 2025 um 40 000 Einwohner rechnet – 40 000 Einwohner bis 2025. Dafür würde dann das Bauland ausreichen.
Der Fehler liegt im System. Das Statistische Landesamt er mittelt die Prognose durch eine Rückschau auf die letzten drei Jahre. Der Zugang hat sich aber in diesem Jahr rapide verän
dert. Wir haben es heute Morgen gehört: 100 000 Flüchtlinge und 50 000 Menschen aus der EU sind im Land Baden-Würt temberg angekommen, also insgesamt 150 000. In der Regi on Stuttgart wohnen davon ungefähr ein Viertel; das heißt, al lein in diesem Jahr leben 30 000 bis 40 000 Menschen mehr in der Region Stuttgart.
Meine Frage ist: Ist es möglich, dass die Landesregierung ak tuelle Bevölkerungsentwicklungen mit den Regionalverbän den bespricht, damit diese nicht durch die Prognose des Sta tistischen Landesamts von vor drei Jahren den Blick nach vorn richten, sondern aktuell fragen, was in diesem Jahr passiert, wenn sie also eine realistischere Schau bekommen, was an Wohnbauflächen eigentlich gebraucht wird?
Der Planungsdirektor sagt, der Bedarf kann an den zentralen Orten abgebildet werden, alle anderen bleiben auf Eigenbe darf reduziert, 0,3 % Zuwachs im Jahr. Jetzt hatte ich in der letzten Debatte bereits erwähnt, dass die Gemeinde Möglin gen nur Eigenbedarf geltend machen kann. Von Möglingen zum Bahnhof Ludwigsburg ist es näher als von meinem Lud wigsburger Stadtteil Oßweil zum Bahnhof Ludwigsburg; die Gemeinde Möglingen kann aber nicht wachsen.
Meine Bitte ist: Es ist kein Selbstläufer bei den Planungsver bänden, und die Regierung muss stärker Einfluss nehmen auf erstens realistischere Bevölkerungsprognosen und zweitens auf die Frage, wo zusätzliche Wohnbauflächen abgebildet wer den. Denn im normalen Raster werden wir den Herausforde rungen nicht gerecht werden können.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass die SPD-Landtagsfraktion, nachdem klar war, dass es bei der CDU kippelt und wackelt, natürlich auf ihre Bundestags kollegen eingewirkt hat und die SPD-Bundestagsfraktion noch einmal extra beschlossen hat, zu diesem gemeinsam gefunde nen Antragspaket zu stehen?
Meine Frage ist: Hätten Sie nicht erwartet, dass auch die CDU-Kollegen aus dem Landtag auf ihre Bundestagskolle gen einwirken, dass dieses wichtige Projekt nicht zerrieben wird?
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! In der vorletzten Plenarrunde haben wir hier gemeinsam einen Beschluss zum Umgang mit dem Flüchtlingsthema gefasst. Dieser beinhaltet einen für uns wichtigen Satz, nämlich dass wir uns durch die Annahme die ser Resolution verpflichten, mit dem Flüchtlingsthema keinen billigen Wahlkampf zu machen.
Das hat sich jetzt aber völlig anders angehört.
Herr Wolf, vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Sie hier nicht selbst gesprochen haben, sondern Herrn Mack von der Leine gelassen haben.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor 25 Jahren fand so etwas, was heute in Syrien geschieht, im westlichen Balkan statt: ein Völkerschlachten, keine fes ten Grenzen, die Ethnien sind aufeinander losgegangen. 1994 hat der damalige Petitionsausschuss – es ist keiner mehr von denen da, die dem Ausschuss damals angehörten – eine De legationsreise dorthin gemacht unter der Fragestellung: Kann man Flüchtlinge schon in die früheren Kriegsgebiete zurück führen?
Wir haben damals ein Dorf besucht. Das hieß „Das Dorf der Frauen“, weil eines Nachts die feindlichen Truppen kamen und alle Moslems ab dem Alter von zehn Jahren in eine Scheu ne führten, sie zusammenschossen und die Scheune abbrann ten. Am Schluss waren nur noch kleine Kinder und Frauen üb rig.
Wir haben auch ein Dorf besucht, in dem ein katholischer Priester versuchte, eine christliche Familie in die muslimische
Mehrheitsgemeinde zu reintegrieren. Dieser hat uns berich tet, dass sie eines Morgens alle tot waren.
Das ist das, was jetzt in Syrien stattfindet – damals im west lichen Balkan. Auch damals gab es Rufe nach Begrenzung und Abschottung. Auch damals hieß es: „Wir schaffen das nicht.“ Damals haben wir anders gehandelt. Wir handeln auch heute anders.
Herr Mack, ich sage Ihnen: Solange in Syrien und im Irak die se Zustände herrschen, gibt es mit dieser Koalition keine Ab schottung und keine Abgrenzung für Flüchtlinge.
Natürlich wissen wir auch, dass von denen, die nach Deutsch land und nach Baden-Württemberg kommen, nicht alle aus diesen bedrohten Gebieten kommen.
Natürlich wissen wir das. Natürlich gehen wir mit dem The ma so um, wie es der Flüchtlingsgipfel der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten beschrieben hat. Natürlich set zen wir das alles Zug um Zug um.
Wenn Sie uns jetzt aber vorwerfen, dass bis heute nicht alle Flüchtlinge, die in Baden-Württemberg sind, registriert sind, während sie das in Bayern wären, so muss ich sagen: Die Flüchtlinge, die bis heute nicht registriert sind, sind uns von Bayern in den Zügen geschickt worden, allein 400, 500 pro Tag.
Das ist Tatsache. So sieht es aus. Unregistriert nach Bayern eingereist, unregistriert aus Bayern verschickt. Weder die Bun despolizei noch die bayerischen Behörden sind der Pflicht, die Menschen bei der Einreise zu registrieren, nachgekommen. So sieht es aus.
Jetzt bauen wir die Systeme auf. Diese sind in Heidelberg voll am Laufen. Wir schaffen die Registrierung bei den aktuellen Fällen innerhalb von zwei bis drei Tagen.
Wir schaffen die Registrierung aller nicht erledigten Fälle bis Weihnachten. Das ist praktisches Handeln. Das ist die Umset zung dessen, was wir uns vorgenommen haben und was auch dringend notwendig ist.
Dann komme ich zum Thema Abschiebung. Sie wissen ge nau, dass bei der Abschiebung ein großes Hemmnis darin be
stand, die notwendigen Papiere zu besorgen. Die Regelung zu den sicheren Herkunftsländern nützt natürlich nur dann etwas, wenn die Verfahren zu Ende gebracht sind. Da ist der Bund leider noch stark in Verzug.
Wenn sich das BAMF verpflichtet, in Heidelberg, wo wir die Registrierung innerhalb von zwei Tagen durchführen, jetzt in einem Versuchslauf täglich 400 Anträge auf Asyl entgegen zunehmen, aber nur 90 zu entscheiden, dann wachsen doch jeden Tag über 300 neue unerledigte Fälle auf. Das ist die Re alität. Nur werfe ich das dem BAMF nicht unbedingt vor, weil es auch beim BAMF schwierig ist, die Personalstrukturen so aufzubauen, dass tatsächlich alle Fälle innerhalb weniger Wo chen erledigt werden können. So weit sind wir beileibe nicht. Das müssen wir einfach realisieren.
Der zweite Punkt: Wenn bei erledigten Fällen nicht abgescho ben wird, dann lag das früher häufig daran, dass die Papiere nicht vorhanden waren, um eine Abschiebung vollziehen zu können.
Aber heute, Herr Kollege Zimmermann, haben wir etwas er reicht, was Sie nie erreicht haben. Wir haben ein Abkommen mit den Staaten auf dem Westbalkan. Dieses lautet folgender maßen: Wir müssen nicht auf die Papiere aus dem Kosovo oder aus Bosnien warten. Wir sind jetzt in der Lage, Ersatz papiere auszustellen, die diese Behörden anerkennen.
Deshalb ist jetzt eine ganz neue Situation entstanden. Deshalb sind auch Flugzeuge, mit denen heute abgeschoben wird, zu 97 % mit den Personen besetzt, die abgeschoben werden müs sen, weil sie nicht freiwillig ausreisen.
Da die Landesregierung und die Bundesregierung gehandelt haben, können wir jetzt ganz anders arbeiten. Wir können die Abschiebungen jedoch erst dann durchführen, wenn die Fäl le, wie gesagt, vom Bundesamt erledigt sind. Davon sind wir weit entfernt. Deshalb ist mein Appell, da weniger heute ein mal dieses und morgen jenes Rechtssystem anzuwenden, son dern eine klare Linie zu ziehen. Dann werden wir, was die Ab schiebungen, wenn sie notwendig sind, anbelangt, so handeln können, wie wir uns das vorgenommen haben.
Jetzt möchte ich zum Schluss noch ein Thema ansprechen. Ist es eine Bedrohung, eine Gefahr, belastet es uns über Gebühr, oder ist es nicht auch eine Chance? Der Altersdurchschnitt der Bevölkerung von Baden-Württemberg beträgt 43 Jahre. Der Altersdurchschnitt bei den Flüchtlingen beträgt 23 Jahre. 23 Jahre! Wir sind eine alternde Gesellschaft, die Mühe hat, oh ne Zuwanderung die sozialen Sicherungssysteme im heutigen Umfang aufrechtzuerhalten. Alle, die sich damit beschäftigen, sagen, das gelingt nur durch Zuwanderung.
Jetzt haben wir Zuwanderung durch Flüchtlinge.
Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen: In Affalterbach gibt es die Holzbaufirma Rikker. Die Firma wächst, weil heute mehr Holzhäuser gebaut werden. Mit denen habe ich gespro chen.
Toller Familienbetrieb, die Brüder, ihre Frauen, alle schaffen mit. Ich habe gefragt: „Herr Rikker, wie sehen Sie die Flücht lingssituation? Ist das eine Gefahr, oder liegt darin nicht eine Chance?“ Da hat er gesagt: „Jetzt ist es eine große Belastung,“ – das sieht er auch – „aber mittelfristig ist es auch eine große Chance.“ Und er hat mir gesagt, aus der Zeit des Bürgerkriegs in Jugoslawien vor 25 Jahren,
von dem ich vorhin gesprochen habe, habe er heute noch sechs Arbeitskräfte in seinem Betrieb – sechs Arbeitskräfte sind mehr als 10 % seiner Beschäftigten –, mit denen er Aufträge erledigen kann, die er sonst gar nicht erledigen könnte; die Geld verdienen, die Geld ausgeben, die Steuern zahlen, die Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Deshalb möchte ich ja nur anregen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nicht nur die Melodie des Herrn Mack zu singen, nicht nur Angst und Bedrohungsszenarien in die Welt zu setzen, sondern ohne die Herausforderungen kleinzu reden – die sind riesengroß – auch zu sagen: Wir schaffen das, weil wir uns hier jetzt im Bund, in den Ländern, auch in Eu ropa darauf einstellen.
Wir schaffen es auch irgendwann, wie wir das in Jugoslawi en geschafft haben, den Flüchtlingsstrom zum Versiegen zu bringen. Das hat am Anfang auch niemand geglaubt. Das war Kärrnerarbeit, diplomatische Arbeit, mit dem Abkommen von Dayton erst einmal eine Waffenstillstandslinie zu ziehen und dann daraus Staaten zu entwickeln, von denen heute einige schon in der Europäischen Union sind und andere sich auf den Weg machen. Das ist eine Zukunftsperspektive, die trägt. Das ist eine reale Lösungsstrategie für das Problem. Aber diese Abschottung: „Wir begrenzen“, das ist überhaupt keine Lö sung. Wollen Sie dann die Leute mit Waffengewalt an der ba den-württembergischen Grenze aufhalten, oder was soll das?
Deshalb unterstützen wir die Bestrebungen der Bundesregie rung, der Europäischen Union jetzt nach dem Syriengipfel in Wien unter dem Dach der Vereinten Nationen. Ab Januar ver handeln Russland und Amerika gemeinsam über die Möglich keiten eines Waffenstillstands. Deshalb begrüßen wir es, dass die Europäische Union jetzt in der Türkei einen Gipfel mit dem Ziel macht, Bedingungen zu schaffen, die ein Leben dort ermöglichen, damit sich die Flüchtlinge nicht aus purer Not aus der Türkei hierher aufmachen müssen.
Das sind reale Lösungsstrategien, und darüber muss man auch reden, dass es eine solche Perspektive gibt.
Aber dann geht es um einen wirklich anständigen Umgang mit dem Thema, bei dem man nicht mit billiger Polemik Wahl kampfstrategien entwickelt, sondern sich auch hier im Land tag von Baden-Württemberg im Ton und im Inhalt angemes sen zu dem Thema äußert. Wir machen das, und wir erwarten das auch von Ihnen.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich will einmal mit dem beginnen, wovon ich den Eindruck habe, dass wir uns einig sind.
Wir sind uns einig, dass die Ursache der Flüchtlingskrise un gelöste internationale Probleme sind und man deshalb eine Lösung dieser Probleme nur international erreichen kann. Deshalb sind wir froh, dass die Hauptakteure, was Syrien be trifft, in Wien zusammenkamen, dass in der UNO durch einen einstimmigen Beschluss des Weltsicherheitsrats Einverneh men besteht über die Verurteilung und die Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates. Wir sind froh, dass es unter dem Dach der UNO – unter der Führung Russlands und der Vereinigten Staaten – Verabredungen gibt, Anstrengungen zu unternehmen, um einen Waffenstillstand in Syrien zu errei chen. Dieser würde die Flüchtlingsbewegungen kräftig zu rückführen.
Das Zweite, worüber wir uns einig sind: In den Nachbarlän dern Syriens – Türkei, Libanon und Libyen – müssen alle An strengungen unternommen werden, damit die Menschen, die dorthin geflüchtet sind, menschenwürdig untergebracht wer den und auch für ihre Kinder eine Zukunftsperspektive haben. Deshalb ist z. B. Beschulung ein ganz wichtiges Thema. Es ist gut, dass auch dort Bewegung in die Sache gekommen ist. Das unterstützen wir.
Wir sind übrigens auch froh, dass wir über einen interfrakti onellen Antrag zum Nachtrag einen kleinen Baustein beschlie ßen werden, um die Beschulung von syrischen Kindern – be ginnend in Antakya, der Partnerstadt von Aalen – zu unter stützen.
Das wird ein Beispiel dafür sein, dass auch Länder und Kom munen in der Lage sind, Beiträge zu liefern, und wir in einer Partnerregion im Nordirak strukturelle, infrastrukturelle Hil fe schaffen, weil die Menschen dort – prozentual – mit der Be wältigung der Flüchtlinge noch deutlich stärker herausgefor dert sind als wir.
Damit fängt aber schon die Unsicherheit an, worüber wir re den. Ich greife einmal das Thema „Sicherung der Außengren zen der EU“ auf, Herr Kollege Rülke. Kein Mensch hat die Vorstellung, dass man durch irgendwelche bewaffneten Kräf te – doch, bei der CSU hatten einige einmal so eine Art Vor stellung –
an der Außengrenze der EU den Zugang in die Europäische Union verhindern könnte.
Wer so etwas träumt, der hat gut geträumt. Es geht vielmehr darum, in den Ländern, die ich gerade genannt habe, dafür zu sorgen, dass dort weniger Anreize, weniger Notwendigkeiten entstehen, das Land zu verlassen, und damit weniger in den Bereich der EU kommen.
Aber das Zweite ist das Wichtige, nämlich diejenigen, die kommen, auch zu erfassen. Da passiert bisher kaum etwas.
Vielmehr werden sie auf die Reise geschickt. Sie werden durch alle Länder der Europäischen Union geschickt,
ohne erfasst zu werden, bis sie schließlich in Bayern „auf schlagen“. In Bayern wiederum werden sie zum großen Teil auch unerfasst weitergereicht.
Damit sind wir bei dem, was sich Herr Wolf wünscht, den Transitzonen. Er kann aber auch nicht genau beschreiben, was das ist. Wenn das so etwas sein soll, Herr Wolf, dass alle, die in Bayern „aufschlagen“, erst einmal in Bayern registriert wer den, bevor sie an andere Bundesländer weitergereicht werden: Ja, aber bitte schön, dann soll man das doch einrichten. Kein Mensch hätte etwas dagegen, wenn in Bayern – in München oder entlang der Grenze zu Österreich, wo auch immer – Auf nahmemöglichkeiten geschaffen werden und die bayerischen Behörden und die Bundespolizei dann alle registrieren, bevor sie nach Baden-Württemberg oder in andere Bundesländer weitergeschickt werden. Dagegen hat kein Mensch etwas. Dann soll man das doch machen.