Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 84. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich niemandem erteilt.

Krankgemeldet sind Frau Abg. Graner und Herr Abg. Schnei der.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nisterpräsident Kretschmann nach der Mittagspause, Frau Mi nisterin Krebs ab ca. 14:30 Uhr, Frau Ministerin Öney heute Vormittag, Frau Staatsrätin Erler und Herr Minister Friedrich ganztags, Herr Minister Hermann ab 11:00 Uhr, Herr Minis ter Dr. Schmid ab 14:00 Uhr und Herr Abg. Dr. Reinhart we gen Vertretung des Landes im Ausschuss der Regionen in Brüssel.

(Zurufe: Oi!)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – EnBW-Deal: Zuerst Verfassungsbruch der CDU-Regierung und nun 780 Millionen € zu viel. Schaden für das Land jetzt gemeinsam abwenden! – be antragt von der Fraktion GRÜNE

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten fest gelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht ange rechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Rede zeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesre gierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was war das am vergangenen Donnerstag für ein Paukenschlag, als die Staatsanwaltschaft das Ergebnis des von ihr in Auftrag gege benen Gutachtens verkündet hat. Die alte Landesregierung hat mit Ihrer Zustimmung, Ihrer Billigung und Ihrer Unterstüt

zung, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, 780 Millionen € zu viel für den EnBW-Deal bezahlt. Meine Da men und Herren, das ist ein Ereignis, wie wir es in der Ge schichte von Baden-Württemberg noch nie hatten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Falscher Fuffziger! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir haben jetzt eine neue Situation. Ich sage: Die Debatte um die Bewertung des Kaufpreises, um Gutachten und Gegengut achten, muss jetzt zu Ende gehen, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Richtig! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wer hat denn begutachtet? Das Gutachten wurde im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstellt. Es handelt sich nicht um ein Gutachten einer Partei. Es ist ein Gutachten, das sich an den Grundsatz größtmöglicher Objektivität halten musste, und – hören Sie gut zu, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP/DVP –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hören, bloß nicht verstehen! – Zurufe: Lauter! – Weitere Zurufe von der CDU)

es ist ein Gutachten, das nach der Rechtsprechung dem Grund satz der weitestgehend positiven Beurteilung für die Beschul digten verpflichtet ist. Der Gutachter war gehalten, den für die Beschuldigten günstigsten Maßstab anzulegen; trotzdem ha ben wir dieses Ergebnis.

(Unruhe – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ruhe!)

Ich meine, wir haben nach zweijähriger Debatte nun einen Punkt erreicht, an dem wir die Diskussion über den Kaufpreis als erledigt betrachten sollten.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wir werden uns den Gutachter im Untersuchungsausschuss sehr aufmerksam und möglichst zu allen Bereichen öffentlich anhören. Als Termin haben wir den 17. Januar 2014 vorge schlagen.

Diese Debatte um den Kaufpreis, das verzweifelte Festhalten und Klammern wenigstens noch an einen korrekten Kaufpreis, das Rechtfertigen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Oppo sition, muss mit dem heutigen Tag zu Ende gehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir können über das Gutachten heute leider nicht diskutieren – das wissen wir –; das würden wir liebend gern in allen Ein zelheiten tun. Ich bin mir aber sicher, dass der Gutachter im Januar in puncto Renommee, das er hat, Gründlichkeit seiner Analyse, Präzision und Urteil überzeugen wird und dass wir gut beraten sind, die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen. Wir müssen heute beginnen, im politischen Bereich darüber zu diskutieren. Das ist der Sinn dieser Aktuellen De batte.

Über die zu viel gezahlten 780 Millionen € wurde in den letz ten Tagen viel diskutiert. Kollege Binder hat in unserer ge meinsamen Pressekonferenz Beispiele für eine sinnvollere Verwendung des Geldes gebracht. Solche Beispiele standen auch in der Zeitung. Ich nenne Ihnen zwei weitere, die Ihnen gefallen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP: Mit 780 Millionen € könnten wir den Nationalpark Nordschwarzwald 200 Jahre lang finanzie ren.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU)

Wir könnten auch den Verzicht auf die von Ihnen so scharf kritisierte zeitliche Verzögerung der Anpassung der Beamten bezüge finanzieren.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Die zeitgleiche Anpassung hätte für 2013/2014 731 Millio nen € gekostet.

An diesen beiden Beispielen sieht man bereits, welche gra vierenden Auswirkungen das hat, was Sie uns beschert haben. Da spreche ich ausdrücklich auch Sie an, die 46 Abgeordne ten der CDU, die 2010 dem Landtag bereits angehörten und sich deshalb dieser Verantwortung stellen müssen.

Auch Sie, Herr Hauk, müssen sich der Verantwortung stellen, vor allem auch deshalb, weil Sie einen Tag nach Bekanntga be des Ergebnisses des Gutachtens schon begonnen haben, dieses zu relativieren. So sagten Sie in der „Eßlinger Zeitung“ in einem Interview – ich zitiere mit Genehmigung des Präsi denten –:

Die 780 Millionen € sind schmerzlich, aber rein haus haltspolitisch betrachtet eine einmalige Fehlinvestition oder Nichtinvestition gewesen.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Unmöglich!)

Das ist unglaublich. Bereits einen Tag nach der Bekanntgabe wird fortgesetzt, was Sie zwei Jahre lang gemacht haben, näm lich der Versuch der Relativierung. Ich kann verstehen, dass die Anwälte von Mappus und Notheis so vorgehen – dafür werden sie bezahlt –, aber dass Sie so vorgehen, macht Ihre Beteuerung, an Aufklärung interessiert zu sein und Konse quenzen ziehen zu wollen, nicht glaubwürdig.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Was die „einmalige Fehlinvestition“ angeht, so belastet uns Ihr Geschäft jedes Jahr mit Zinsen in Höhe von 109 Millio

nen €. An dieser Stelle sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Wer 40 Milliarden € Schulden hinterlassen hat, sollte sich in solchen Fragen in Demut üben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Andre as Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

Ihr Geschäft hat das Schuldenobligo des Landes mit einem Schlag um 4,5 Milliarden € vergrößert. Sie kritisieren uns in allen Haushaltsfragen ständig maßlos, aber Sie können – das zeigt die vernichtende Bilanz dieses Deals – weder Haushalt noch Wirtschaft, meine Damen und Herren von der Opposi tion.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich denke, wir haben in dieser Woche zum ersten Mal in der Geschichte des Landes mit dem Finanzierungsplan 2020 und den Orientierungsplänen ein klares und nachvollziehbares Konzept für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik vor gelegt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Weder klar noch nachvollziehbar!)

Jetzt kommen wir zum Lackmustest für CDU und FDP; denn es war und ist auch Ihr Deal und nicht nur der Deal des Herrn Mappus, um das an dieser Stelle noch einmal klar zu sagen. Das Land war – und ist es heute mehr denn je – gehalten, das offensichtlich zu viel bezahlte Geld zurückzufordern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Stichwort heißt: ICC-Schiedsklage, von Ihnen zwei Jah re lang diffamiert, mit populistischen Sprüchen belegt. Ich er innere an die Aussage des Kollegen Rülke, wir hätten Lehrer stellen gestrichen, um Schauklagen zu finanzieren. Aber auch der Kollege Hauk hat noch bis in diesen Sommer hinein vom Finanzminister mehrfach die Rücknahme der Klage gefordert.

Sie haben in diesen zwei Jahren, in denen Ihnen das SichKlammern an Reste einer vermuteten Glaubwürdigkeit wich tiger war als die Interessen des Landes, diesen Interessen mas siv geschadet. Ich fordere Sie auf: Stellen Sie diese Propagan da gegen das Tätigwerden der Landesregierung ein, schließen Sie sich an, unterstützen Sie ab heute die Schiedsklage, damit wir das Geld, das zu viel gezahlt worden ist, zurückholen. Da rauf kommt es jetzt an.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Stefan Mappus hat am 6. Dezember 2010 und danach immer wieder die „schwäbische Hausfrau“ in den Zeugenstand ge rufen, die angeblich von diesem Deal begeistert gewesen wä re.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)