Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 36. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg und darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt verviel fältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Es ist so be schlossen.
haushaltsplans für 2012; hier: Umsetzung der Empfehlungen des Son derausschusses „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen: Jugendgefährdung und Jugendgewalt“ – Drucksache 15/1625
ßerung zur Vergabebeschleunigung – Vergabe öffentlicher Bau- und Dienstleistungen, Umsetzung und Wirkung der Verwaltungsvorschrift zur Beschleunigung öffentlicher Aufträge – Drucksache 15/1609
2012 – Information der Landesparlamente über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des ZDF – Drucksache 15/1633
des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft – Rati fizierung des Abkommens zwischen der Bundesrepub lik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossen schaft über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt – Drucksache 15/672
Finanzen und Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der CDU und der Stellungnahme des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft – Steuerabkommen mit der Schweiz – Drucksachen 15/765 (geänderte Fassung), 15/1658
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bit ten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Das Thema Steuern ist etwas schwierig. Niemand zahlt gern Steuern. Aber ein moderner Sozialstaat funktioniert nur, wenn seine Bürger diesen mit ihren Steuern finanzieren. Die Steu erpflicht ist untrennbar mit der Steuergerechtigkeit verbun den, damit sie akzeptiert wird.
Die Steuergerechtigkeit ist ein hohes Rechtsgut. Der Staat muss dieses Rechtsgut mit allen verfügbaren Mitteln schüt zen. Wer die Steuerpflicht umgeht, wer sein Kapital ins Aus land schafft und dem Staat Steuern hinterzieht, der betrügt ihn und begeht damit ein Verbrechen.
Leider wird das Banken- und Rechtssystem unseres Nachbar lands Schweiz von vielen deutschen Steuerpflichtigen genutzt, um Steuern zu hinterziehen. Es ist daher grundsätzlich rich tig, ein Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossen schaft abzuschließen und die Zusammenarbeit in den Berei chen Steuern und Finanzmarkt zu regeln.
Solch ein Abkommen darf den Steuerhinterzieher nicht bes serstellen als den ehrlichen Steuerzahler. Das ist unsere Kern botschaft.
Erstens: Es trägt zu einem besseren nachbarschaftlichen Ver hältnis bei. Ich glaube, das ist für uns ganz wichtig. Die Be ziehungen zur Schweiz werden seit Jahren durch diese The matik belastet. Das Abkommen könnte hier Rechtsfrieden schaffen und ein Vorbild für weitere bilaterale Abkommen mit anderen Staaten sein.
Zweitens: Wir bekommen das Problem der Verjährung in den Griff. Steueransprüche verjähren nach zehn Jahren. Ein zeit nah vereinbartes Abkommen würde hier Vorteile bringen.
Drittens: Das Abkommen löst auch einige Rechtsprobleme. Zu nennen wären der Handel mit Steuerinformationen, Straf verfahren gegen Steuerfahnder oder auch die Rolle der Ban ken.
Das wohl wichtigste und stärkste Argument im politischen Raum sind – viertens – die Steuermehreinnahmen, die dadurch die öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden erhielten.
Bei genauerer Betrachtung des Abkommens ergeben sich aber leider noch eine Reihe negativer Aspekte. Die Besitzer der Schwarzgeldkonten in der Schweiz können sich durch eine relativ moderate Abschlagszahlung, die weit günstiger ist als die Regelung nach deutschem Recht, von der Schuld befrei en. Das ist ein schwer erträglicher Zustand für ehrliche Steu erzahler. Ein Steuerpflichtiger, der Selbstanzeige erstattet, kommt um ein Vielfaches schlechter weg als jemand, der Schwarzgeld nach dem Steuerabkommen legalisiert. Die Zahl der Selbstanzeigen ist deutlich zurückgegangen.
Der Steuerpflichtige bleibt auch anonym. Nach deutschem Recht muss er aus der Anonymität der Steuerunehrlichen he raustreten, um in den Genuss einer Amnestie zu kommen. Hier stellt sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit. Die Steuer flüchtigen können bis zur Ratifizierung des Abkommens ihr Geld auch in Drittstaaten verbringen. Für viele heißt es also jetzt: Abwarten, was passiert. Dann wird das Abkommen ra tifiziert – ich unterstelle das einmal –, und erst am 1. Januar 2013 wird die Kapitalflucht ins Ausland gestoppt. Dazwischen ist noch genügend Zeit, das Geld auch mithilfe der Banken wegzubringen.
Ein weiterer Punkt ist die Kontrolle der Umsetzung des Ab kommens. Es ist unseren Finanzämtern wohl möglich, Kont rollen durchzuführen. Es sind aber ganz wenige Kontrollen, ein bis zwei Kontrollen pro deutschem Finanzamt in einem Zweijahreszyklus. Diese Kontrollen müssten ausgedehnt wer den.
Die Liste lässt sich noch fortsetzen. Wir sehen: Dieses Ab kommen hat wie ein Schweizer Käse sehr viele Löcher, Lö
cher, in denen sich die Schwarzgeldanleger der Schweiz noch verstecken können und durch die sie auch entkommen kön nen. Das ist sehr schwierig für uns. Das Gerechtigkeitsemp finden des ehrlichen Steuerzahlers wird nachhaltig verletzt. Wenn Sie mit den Menschen darüber diskutieren, bekommen Sie zu hören: Es ist ein Skandal, dass man hier Schwarzgeld besitzer besser behandelt als ehrliche Steuerzahler.
Ich denke auch an die engagierte Arbeit unserer Steuerfahn dung. Sie wird nicht unbedingt aufgewertet. Das System der Steuerhinterziehung bleibt nach wie vor attraktiv, und die frag würdige Rolle der ausländischen Banken wird legalisiert.
Es fragt sich nun: Wiegen die Vorteile diese Nachteile auf? Wie steht es vor allem mit den Steuermehreinnahmen? Der Bundesfinanzminister – ich zitiere hier unseren für den Bun desrat zuständigen Minister Peter Friedrich – hängt „dicke Würste ins Fenster“.