Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 144. Sit zung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Krankgemeldet sind Herr Abg. Bayer, Herr Abg. Blättgen, Frau Abg. Haller-Haid, Frau Abg. Lindlohr und Herr Abg. Schreiner.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Minister Friedrich, Herr Minister Hermann, Frau Staats sekretärin von Wartenberg, ab 13:30 Uhr Herr Ministerpräsi dent Kretschmann, ab 15:00 Uhr Herr Minister Dr. Schmid, ab 15:45 Uhr Frau Ministerin Krebs
Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.
plan des Landes Baden-Württemberg gemäß § 18 Absatz 10 Landes haushaltsordnung für die Jahre 2015 bis 2020 (Stand: November 2015) – Drucksache 15/7702
Aktuelle Debatte – Schulpolitik in Baden-Württemberg – Freiraum und bessere Chancen für alle – beantragt von der Fraktion der CDU
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen die Gelegenheit, eine erste Bilanz der grün-roten Bildungspolitik zu ziehen und dabei einmal genau anzuschauen, welchen be sonderen Wert die Grundwerte der Bildungspolitik – Freiheit, insbesondere pädagogische Freiheit – in der Arbeit der grünroten Landesregierung haben.
Meine Damen und Herren, um es vorweg zu sagen: Fehlan zeige. Wir stellen Ihnen in diesem Bereich ein schlechtes Zeugnis aus.
Dies möchte ich gern an wenigen Beispielen darlegen. Schau en wir zunächst einmal die Ganztagsschulen an. Im Jahr 2013 gab es eine deutschlandweite Umfrage des forsa-Instituts. Laut dieser Umfrage haben 87 % der befragten Eltern erklärt, dass sie ein flächendeckendes, aber nicht verbindliches Ange bot an Ganztagsschulen haben möchten. Lediglich 34 % sag ten, sie wollten für ihr Kind ein verpflichtendes Ganztagsan gebot.
Obwohl Sie Kenntnis davon hatten, dass der Elternwille hauptsächlich in Richtung freiwilliger Angebote geht, haben Sie trotzdem eine verpflichtende Ganztagsgrundschule einge führt. Sie haben für freiwillige ergänzende Angebote nichts übrig; Sie haben diesbezüglich die Finanzierung eingestellt.
Meine Damen und Herren, die Eltern können selbst entschei den, was ihrem Kind guttut. Herr Schmiedel, Sie beschneiden damit die Wahlfreiheit der Eltern.
Wir haben zwei Halbtagsklassen à 28 und zwei Ganztags klassen à 18 Kinder. In die Halbtagsklassen darf niemand mehr hinein; die Klassen sind ja voll. Geteilt werden dür fen sie nicht, weil die Gesamtzahl des Jahrgangs nicht voll erreicht wird. Es müssen Kinder vom Halbtag abge wiesen werden; sie müssen entweder zwangsweise in den Ganztag oder den Schulbezirk wechseln. Die angebliche Wahlfreiheit ist mitnichten gewährleistet.
Meine Damen und Herren, das ist ein deutliches Zeugnis ei ner betroffenen Mutter. Im Übrigen – auch das ist bezeich nend –: Der Besuch einer verpflichtenden Ganztagsschule ist kostenfrei, während Eltern, die freiwillige Angebote in An spruch nehmen wollen, gegebenenfalls tief in die Tasche grei fen müssen. Das ist nicht nur eine Einschränkung der Wahl freiheit, Herr Schmiedel, es ist sogar in höchstem Maß sozial ungerecht.
Nach der Grundschule geht es dann weiter. Sie bevormunden die Kinder auch dann, wenn sie auf eine weiterführende Schu le gehen. Sie wollen ja eine Schule für alle. In einem ersten Schritt haben Sie die Gemeinschaftsschule eingeführt, in ei nem zweiten Schritt geht es um die Realschule. Sie verkau fen Ihre Politik als eine Weiterentwicklung der Realschule, dabei tragen Sie aber die Pädagogik der Gemeinschaftsschu le in die Realschule, allerdings mit einem entscheidenden Un terschied: Die Realschulen bekommen dafür wesentlich we niger Ressourcen als die Gemeinschaftsschulen.
Sie bevormunden die Realschulen, indem Sie für die Orien tierungsstufe vorschreiben, dass nur nach den Prinzipien der Gemeinschaftsschule unterrichtet werden darf. Wir hingegen wollen, dass den Realschulen der Freiraum gegeben wird, selbst über die pädagogischen Konzepte und über die Orga nisationsformen entscheiden zu können.
Darüber hinaus bevormunden Sie auch die Gemeinschafts schulen. Wir hören immer öfter, dass es auch an den Gemein schaftsschulen den Wunsch gibt, in nach Leistung differen zierten Klassen unterrichten zu können. Dieses Verbot haben Sie im Schulgesetz festgeschrieben.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich nun insbeson dere zur Rolle des Lehrers. Um es ganz klar zu sagen: Die Lehrkräfte in Baden-Württemberg genießen eine hervorragen de Ausbildung. Sie erwerben einen breiten Fundus an Unter richtsmethoden und an Handwerkszeug für die Herangehens weise im Unterricht. Wir wollen allerdings, dass die Lehrkräf te mehr Freiraum erhalten, um genau diese vielseitigen päd agogischen Instrumente in jeder Schulart einsetzen zu dürfen,
immer da, wo es den Bedürfnissen der Kinder entsprechend erforderlich ist. Grün-Rot versagt ihnen allerdings das Ver trauen. Sie machen die Lehrer zu Lernbegleitern, und Sie las sen an bestimmten Schularten jeweils nur eine Unterrichts methode zu, nämlich das individuelle Lernen.
Es geht noch weiter: In Ihrem Schulgesetz zur Einführung der Gemeinschaftsschule missbrauchen Sie sogar den Begriff der christlichen Gemeinschaftsschule, indem Sie die Gemein schaftsschule dadurch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen versuchen.
Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang aus einem Verwal tungsgerichtsurteil vom 28. Oktober 1997 zitieren:
... die mit der pädagogischen Verantwortung dem Lehrer eingeräumte pädagogische Freiheit findet ihren Grund und ihre Rechtfertigung in der Erziehungsaufgabe des Lehrers.
Auch ein hohes Gericht, meine Damen und Herren, betont die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte – die Sie vielen Lehr kräften hier eben nicht einräumen wollen.
Wenn Sie, Herr Kollege Kleinböck, sagen – ein Zwischenruf aus den hinteren Reihen –, dies sei ein altes Urteil, so darf ich Ihnen noch ein Zitat mit auf den Weg geben. Es stammt von Jürgen Zöllner, langjähriger Sozialdemokrat, langjähriger Kul tusminister in Rheinland-Pfalz und ehemaliger Bildungssena tor in Berlin sowie ehemaliger Präsident der Kultusminister konferenz. Er sagte zum Prinzip der pädagogischen Freiheit: