Protokoll der Sitzung vom 18.07.2013

Meine Damen und Herren!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich eröffne die 75. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Würt temberg.

Urlaub für heute habe ich niemandem erteilt.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall)

Krankgemeldet ist Herr Kollege Glück.

Entschuldigt ist Herr Ministerpräsident Kretschmann ab 15:00 Uhr.

Meine Damen und Herren, vor einer knappen halben Stunde ist der Antrag der Fraktion der CDU – Entlassung der Minis terin für Integration Bilkay Öney –, Drucksache 15/3834, ein gegangen. Mit diesem Antrag wird gemäß Artikel 56 der Lan desverfassung der Ministerpräsident aufgefordert, Frau Bil kay Öney aus der Landesregierung zu entlassen. Der Antrag ist verteilt und liegt auf Ihren Tischen.

Ein solcher Antrag bedarf nach § 56 der Geschäftsordnung des Landtags der Unterstützung durch ein Viertel der Mitglie der des Landtags oder durch zwei Fraktionen. Nachdem der Antrag der Fraktion der CDU von 45 Abgeordneten unter zeichnet ist, sind die formalen Voraussetzungen für die Zuläs sigkeit gegeben.

(Oh-Rufe von der SPD)

Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich um einen dring lichen Antrag nach § 57 Absatz 2 Nummer 3 der Geschäfts ordnung. Dringliche Anträge werden nach § 57 Absatz 1 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der nächsten Plenar sitzung – hier also der heutigen – gesetzt.

Entsprechend § 78 Absatz 1 der Geschäftsordnung ist jetzt da rüber zu befinden, unter welchem Tagesordnungspunkt wir diesen Antrag behandeln. Ich höre, dass es eine Übereinstim mung der Fraktionen gibt, diesen Antrag als Tagesordnungs punkt 1 der heutigen Sitzung in die Tagesordnung aufzuneh men. – Sie sind damit einverstanden.

Die übliche Redezeit bei dringlichen Anträgen beträgt für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minu ten je Fraktion. Sind Sie mit dieser Vorgehensweise einver standen? – Das ist der Fall.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe den soeben zum Tagesordnungspunkt 1 gemachten Antrag auf:

Antrag der Fraktion der CDU – Entlassung der Ministe rin für Integration Bilkay Öney – Drucksache 15/3834

dringlich gemäß § 57 Absatz 2 Nummer 3 GeschO

Meine Damen und Herren, folgende Redezeiten sind festge legt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Kollegen Peter Hauk.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits im vergangenen Jahr hat die Integrations ministerin, Frau Bilkay Öney, durch ihre Aussagen zur Exis tenz eines sogenannten „tiefen Staates“ Irritationen in der Öf fentlichkeit erzeugt und Zweifel an der Integrität unserer staat lichen Strukturen geweckt. Mit dem Begriff „tiefer Staat“ wird in der Türkei eine Verflechtung von Politik, Justiz, Polizei, Militär und organisierter Kriminalität beschrieben. Schon da mals war die Öffentlichkeit im ganzen Land über die verba len Entrückungen der Ministerin entsetzt.

Am 13. Mai dieses Jahres hat Frau Ministerin Öney als Reak tion auf eine kritische Presseberichterstattung in der „Stutt garter Zeitung“ zu einer offiziellen Dienstreise von ihr in die Türkei gesagt, die CDU führe wegen ihres Einsatzes für die Regelanerkennung einer doppelten Staatsangehörigkeit eine „Antipropagandakampagne“ gegen sie, es gebe eine regel rechte Fremdenfeindlichkeit, Türkei- und Türkenfeindlich keit. Dagegen verwahren wir uns auch im Namen von über 70 000 überwiegend ehrenamtlichen Mitgliedern unserer Par tei, der CDU, darunter vielen türkischstämmigen Mitgliedern.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie sagte darüber hinaus, dass sie wegen ihres türkischen Mi grationshintergrunds bewusst und gezielt als Zielscheibe dar gestellt würde. In diesem Kontext gebe es auch Rassismus. Aufgrund der in deutschen Medien über sie veröffentlichten Artikel stehe sie unter diesem Verdacht. Und weil sie Türkin sei, werde auch die Türkei belastet.

Die ursprüngliche Quelle für diese Äußerungen ist das türki sche Internetmagazin „Avrupa-postasi“. Uns liegt eine beglau bigte Übersetzung des angeführten Beitrags vor; die Zitate sind ebenfalls in der Presseberichterstattung einzelner Lan desmedien wiederzufinden.

Ein Minister, eine Ministerin darf konstruktive Kritik und den Wunsch der Opposition nach Transparenz in der Führung ih rer Amtsgeschäfte nicht einfach mit dem Vorwurf der Frem denfeindlichkeit abtun.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Als Reaktion auf ihre untragbaren Äußerungen und den da durch erweckten Eindruck, die CDU sei fremden- und türkei feindlich, waren wir dazu gezwungen, den Ministerpräsiden ten gestern aufzufordern, die erneuten Vorfälle klarzustellen und mögliche Konsequenzen aus den Aussagen der Ministe rin zu ziehen. Aber der Ministerpräsident schweigt.

Von jemandem wie Ihnen, Herr Ministerpräsident, der so ho he Moralvorstellungen vertritt, hätten wir gerade bei einem solchen Vorfall eine klare Positionierung und verantwortungs volles Handeln nicht nur gegenüber der CDU, sondern vor allem gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land, egal, welcher Herkunft, erwartet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das wäre Ihre Pflicht, Ihre Verantwortung gewesen. Aber im mer, wenn es schwierig wird, dann schweigen Sie, Herr Mi nisterpräsident; das sind wir in der Zwischenzeit gewohnt.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Geschwiegen hat gestern auch der stellvertretende Minister präsident, Minister Schmid von der SPD. Reagiert haben nur Sie, Herr Kollege Schmiedel, und zwar auf eine Art und Wei se, die jeglicher demokratischer Grundlage entbehrt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD: Was?)

Wenn eine demokratische Partei in die Nähe von Fremden feinden und Rassisten gebracht wird und Sie, Herr Schmie del, im Namen der SPD unsere entrüstete Reaktion als lächer lich abtun, dann ist das aus Sicht von Demokraten unerträg lich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Geäußert hat sich gestern auch die Ministerin selbst.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Schmierenkomö die!)

In einer ersten Pressemitteilung ihres Ministeriums dazu ließ Frau Öney durch ihren Sprecher mitteilen, dass nicht auszu schließen sei, dass sie die Kritik an der CDU eventuell privat geäußert habe.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das mache ich manch mal auch! – Gegenruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜ NE: Das kann ich bestätigen! – Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Manchmal auch an den Grünen, gell? – Abg. Volker Schebesta CDU: Aber hoffentlich nicht mit dem Wort „Rassismus“! Dann ist es kein Problem!)

Gestern Abend erklärte die Ministerin dann in der „Landes schau aktuell Baden-Württemberg“ des SWR persönlich – Zi tat –:

Es kann aber natürlich sein – und das schließe ich nicht aus –, dass in persönlichen, privaten Gesprächen viel leicht Dinge weitergeben wurden, die ich aber in der Öf fentlichkeit so natürlich nie sagen würde, zumal ich die CDU nicht für eine rassistische Partei halte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Zwei Per sonen! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Darf sie nicht!)

Frau Öney, die Unterscheidung zwischen dienstlich und pri vat gibt es im Falle einer Ministerin, eines Ministers nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ministerin ist man 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Wo che.

(Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Sie tragen die Verantwortung für Ihr Amt und für unser Land nicht stundenweise. Sie stehen rund um die Uhr im Lichte der Öffentlichkeit.

Frau Ministerin Öney, als die Türkische Gemeinde in BadenWürttemberg ausführte, durch die CDU finde eine „Lynch kampagne“ gegen Sie statt, haben Sie dieses Zitat – wörtlich – „zur Kenntnis genommen“. Sie haben noch nicht einmal den Versuch einer Korrektur unternommen.

Wir begrüßen Ihr Engagement für die türkischstämmigen Mi grantinnen und Migranten. Aber Sie sind als Integrationsmi nisterin nicht nur für diese zuständig; Sie sind eine Ministe rin für alle Migrantinnen und Migranten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: So ein Quatsch! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Für al le Bürger! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Sie ist ei ne Ministerin für alle!)

Sie integrieren nicht, sondern Sie spalten. Sie sprechen nicht mit den Menschen, sondern Sie sprechen über sie. Sie vermit teln nicht zwischen den Menschen, sondern Sie bringen sie gegeneinander auf.